Paradigmen-lose, Halb-paradigmatische & Hybride Theorien von M

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Exposé. Morphologie aus parallelgrammatischer Perspektive Struktureller Aufbau, modulare Zuordnung und intermodulare Korrespondenzen.

Transkript:

Paradigmen-lose, Halb-paradigmatische & Hybride Theorien von Morphologie Jochen Trommer jtrommer@uni-leipzig.de Universität Leipzig Institut für Linguistik Paradigmen WS 2008/2009

Morphologische Theorien Morphembasiert: Wörter/Wortformen werden aus Morphemen aufgebaut die Bedeutung und Struktur von Wörtern ergibt sich aus den Eigenschaften ihrer Morpheme (vorherrschend bei Theorien über Wortbildung) Realisational: Morpheme/morphologische Regeln realisieren Eigenschaften, die einzelne Wörter oder syntaktische Strukturen vorgeben (vorherrschend bei Theorien über Flexion) Wortbasiert: Wörter sind entweder als ganzes gespeichert oder werden paradigmatisch aus anderen Wörtern abgeleitet (selten verwendet aber Thema dieses Seminars)

Morphologische Theorien

Paradigmen-lose Theorien ( Lieber, 1980) sg 1 leg-e 2 leg-st 3 leg-t Merkmals-Filterung: Merkmale eines Affixes werden an den ersten dominierenden Mutterknoten vererbt Phonologischer Inhalt Morpheme Subkategorisierung Morphosyntaktischer Inhalt e: [+V] [+V+1 2 pl] st: [+V] [+V 1+2 pl] t: [+V] [+V 1 2 pl] leg: [+V]

Argumente gegen Paradigmen-lose Theorien (Williams, 1994) erklärt nicht systematischen (Meta-)Synkretismus erklärt nicht Blocking erklärt nicht Asymmetrien zwischen Merkmalen

Williams Lösung Morphembasierte Morphologie wird kombiniert mit paradigmatischer Morphologie (Ähnlich: Wunderlich, 1994)

Argumente gegen Paradigmen-lose Theorien (Williams, 1994) erklärt nicht systematischen (Meta-)Synkretismus erklärt nicht Blocking erklärt nicht Asymmetrien zwischen Merkmalen

Bobaljik s Lösung: DM Meta-Synkretismus: Impoverishment Blocking: VI-Wettbewerb um Kopf-Positionen Merkmals-Asymmetrien: Merkmalshierarchien steuern VI-Einsetzung

DM-ähnliche Theorien Amorphous Morphology (Anderson, 1992) Paradigm Function Morphology (Stump, 2001)

Amorphous Morphology (Anderson, 1992) Postsyntaktischer Spellout wie in DM Vocabulary Items (Regeln) können nicht nur Phonemketten einsetzen, sondern auch nichtkonkatenative Prozesse bewirken Vocabulary Insertion (Regelanwendung) konkurriert nicht um syntaktische Positionen sondern um stipulierte Blöcke Jede Regel kann nur einmal angewendet werden, aber jedes morphosyntaktische Merkmal kann beliebig oft durch Regeln realisiert werden

Paradigm Function Morphology (Stump, 2001) Ähnliche Architektur wie Amorphous Morphology, aber die Menge möglicher Formen werden nicht postsyntaktisch durch die Syntax gegeben, sondern (präsyntaktisch) durch Feature-Cooccurrence Restrictions Wesentliche Neuerung: Rules of Referral, um systematischen Synkretismus abzuleiten

Rule of Referral 3pl Verb-Formen sind identisch zu entsprechenden 1pl-Verbformen Singular Plural 1 kauf-e kauf-en 2 kauf-st kauf-t 3 kauf-t kauf-en Singular Plural 1 bin sind 2 bist seid 3 ist sind

Sind Rules of Referral Inhärent Paradigmatisch? Eine Art Rules of Referral zu verstehen ist als asymmetrische Verweise zwischen Paradigmenzellen In einer postsyntaktischen DM-artigen Architektur kann man sie aber auch als Regeln verstehen, die Merkmale vor Vocabulary Insertion verändern: [+3+pl] [+1+pl] Dann funktionieren Rules of Referral ähnlich wie (aber weniger restriktiv als) Impoverishment-Regeln