Kostenlose Humuszufuhr in Rebflächen? Dr. M. Riedel, Staatliches Weinbauinstitut Freiburg Seitdem in den meisten Weinbaubetrieben kein Stallmist mehr anfällt, wurde die organische Düngung häufig vernachlässigt. Bioabfallkompost, der zum Teil kostenlos zu den Flächen geliefert wird, kann auch unerwünschtes Fremdmaterial und Schadstoffe enthalten. Kosten und Mühe einer Strohaufbringung oder Einsaat von Winterleguminosen können vor allem auf trockenen Standorten mit Mehrerträgen, einer besseren Weinqualität und einer guten Bodenstruktur belohnt werden. Humusversorgung ist notwendig Die Düngung von leicht zersetzbarer organischer Substanz, z.b. Stallmist oder Gründüngung bezeichnet man auch als Zufuhr von Nährhumus, da dieser den Mikroorganismen und Regenwürmern als Nahrungsquelle dient. Aus dem Nährhumus werden auch Pflanzennährstoffe und Bausteine für den Aufbau des Dauerhumus gebildet. Schwer veränderbare Humussubstanzen, z.b. Ton-Humus-Komplexe im Regenwurmkot, nennt man Dauerhumus. Dauerhumus bewirkt vor allem eine Verbesserung der Nährstoffspeicherung und Bodenstruktur. Zwischen Nährhumus und Dauerhumus gibt es fließende Übergänge. Auf humusarmen, leichten, trockenen Böden begünstigt eine gute Humusversorgung vor allem die Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit. Auf schweren Böden wird besonders die Bodenstruktur und die Durchlüftung durch Einbringen organischer Substanz verbessert. Die Abdeckung des Bodens mit organischen Substanzen, z.b. Stroh oder Rindenmulch, schützt den Boden vor Erosion und Verdunstung. Humus ist ein wichtiger Faktor der Bodenfruchtbarkeit. Anzustreben ist ein Humusgehalt von ca. 2 ; auf steinigen Böden auch mehr. Bodenbearbeitung und mineralische Stickstoffdüngung (ohne Begrünung) führen zu Humusabbau. Der Humusverlust kann z.b. durch eine Düngung von 200 dt Stallmist je ha ausgeglichen werden (Becker). Ernterückstände, die im Ackerbau entscheidend zur Humusversorgung beitragen, spielen im Weinbau eine viel geringere Rolle. Rebholz, Laub und Trester sind auch in qualitativer Hinsicht nicht mit den fein verteilten Wurzelund Ernterückständen des Ackerbaus vergleichbar. Möglichkeiten der Humuszufuhr Wenn das Rebholz auf der Rebfläche bleibt, trägt dies etwas zur Humusversorgung bei. Der Humusgehalt des Bodens sollte aber durch weitere Maßnahmen angehoben werden, beispielsweise durch mehrmalige Zufuhr organischer Dünger (Trester, Stallmist, Stroh, Rindenmulch, schadstoffarmer Bioabfallkompost, organische Handelsdünger) wiederholte Einsaat von Teilzeitbegrünungen, insbesondere Leguminosen Wachsenlassen einer Naturbegrünung bei ausreichender Wasserversorgung Trester - kostenlos Die organische Substanz und die im Traubentrester enthaltenen Nährstoffe sollten den Rebböden zurückgegeben werden. Trester oder Tresterkompost kann bei Winzergenossenschaften in der Regel kostenlos abgeholt werden. Traubentrester enthält viel organische Substanz, Kalium, Bor und weitere Nährstoffe. Nach Bauer enthält 1 m³ Trester ca. 150 kg organische Substanz, 3,5 kg N, 1 kg P 2 O 5 und 5,5 kg K 2 O. Praxisübliche Ausbringungsmengen liegen bei ca. 100 bis 200 dt/ha bzw. 20 bis 40 m³/ha. Bereits mit ca. 60 dt Trester/ha werden ausreichende Bormengen für eine Erhaltungsdüngung ausgebracht. Stallmist - wenig verfügbar Früher wurde der Boden durch Stallmist mit Humus und Nährstoffen versorgt. Die Rebflächen wurden etwa alle 3 Jahre mit ca. 400-800 dt Stallmist/ha gedüngt. Wird der Stallmist im Frühjahr gegeben, so stehen die Nährstoffe zur Zeit des höchsten Bedarfes, nämlich zur Rebblüte, zur Verfügung. Die früher übliche Ausbringung von Stallmist wurde in den meisten Weinbaubetrieben durch den Einsatz mineralischer Mehrnährstoffdünger abgelöst, was nicht zur Humusversorgung beiträgt. In den meisten Weinbaubetrieben fällt kein Stallmist mehr an, Pferdemist kann aber
in manchen Regionen kostenlos bezogen werden. Bei der Ausbringung von Stallmist ist die Düngeverordnung und deshalb der Nährstoffgehalt (Tab. 1) zu beachten. Tab. 1: Nährstoffmengen in Stallmist (Richtwerte nach Pfleiderer et al. 1997) kg Nährstoff pro 100 dt Stallmist Tierart TS Ges.-N 1) N anrechenbar P 2 O 5 K 2 O MgO CaO 2) Rind Schwein Schaf Pferd Huhn 4) 80 56 95 93 57 323 15 15 180 33 78 50 34 6 88 77 140 3) 97 206 11 28 13 88 35 78 58 39 875 TS = Trockensubstanz 1) Lagerungsverluste berücksichtigt 2) im Anwendungsjahr anrechenbar, Ausbringungsverluste berücksichtigt 3) deutlich geringerer Kaligehalt bei weniger Weidegang 4) getrockneter Hühnerkot Stroh Eine Strohabdeckung kann vor allem in Junganlagen und in niederschlagsarmen Gebieten die Wasserverdunstung reduzieren, in Steillagen eine Bodenerosion verhindern und die Bodenstruktur verbessern. Abb. 1: Eine Strohabdeckung verbessert die Wasser- und Humusversorgung. In Untersuchungen an einem trockenen Standort am Kaiserstuhl führte die bessere Wasser- und Stickstoffversorgung bei Strohabdeckung zu einem besseren Rebwuchs und deutlich höheren Erträgen als bei Reben mit einer grasreichen Dauerbegrünung (Wohlfarth und Schorr). Nach Meinke werden für eine dichte, geschlossene Strohdecke mindestens 120 dt Stroh je ha benötigt. Die Erneuerung der Strohdecke muss anfangs im Turnus von 2 Jahren, später nur noch
von 3 oder 4 Jahren erfolgen. Nach Meinke hat sich die Strohabdeckung am Lehr- und Versuchsgut Blankenhornsberg sehr gut bewährt. Nachteile sind aber: erhöhte Brandgefahr während Trockenheit, erhöhte Spätfrostgefahr, späterer Austrieb der Reben, Förderung von Eisenmangelchlorose, mögliche Schäden durch Knospenfresser, wie Erdraupen und Rüsselkäfer. Rindenmulch für Steillagen Da Rindenmulch relativ teuer ist, wird er in der Regel nur in trockenen Steillagen aufgebracht. Um eine gute Erosionsschutzwirkung zu erreichen, sollte die Auflageschicht ca. 5 cm bzw. 300 m³ je ha betragen. Nach der Bioabfallverordnung dürfen derzeit aber innerhalb von 3 Jahren nur 30 t Trockenmasse je ha aufgebracht werden. Das entspricht ca. 5 kg Frischmasse je m² bzw. einer Schichtdicke von nur ca. 1 cm bei einer ganzflächigen Ausbringung. Neben Nährstoffen kann Rindenmulch auch Schadstoffe, insbesondere Cadmium, enthalten. Besonders Rinden aus sauren Urgesteinswaldbödem (Bayrischer Wald) weisen erhöhte Schwermetallgehalte bei Cadmium und Zink auf (Schwab). Bei Rindenmulchaufbringung kann eine Versauerung, in den ersten Jahren auch eine Stickstoff- Fixierung eintreten. Bioabfallkompost - teilweise kostenlos Von einigen Kompostwerken wird Bioabfallkompost (Bioabfälle aus getrennter Sammlung aus privaten Haushaltungen) teilweise kostenlos inclusive Transport zu den Flächen abgegeben. Teilweise kostet gut verrotteter Kompost ca. 10 DM/m³. Der Kompost ist - nach Angaben des Kompostwerkes - besonders zu Düngung und Bodenverbesserung geeignet und praktisch frei von Fremdstoffen. In Kompost, den wir für einen Versuch erhielten, waren aber auch Fremdstoffe, wie z.b. Plastikstücke und ein Elektrokabel mit Anschlüssen zu finden. Bioabfallkompost kann neben Schwermetallen eventuell auch organische Schadstoffe enthalten. Bei der Ausbringung von Bioabfall ist die Bioabfallverordnung zu beachten. Innerhalb von 3 Jahren dürfen nicht mehr als 20 Tonnen Bioabfälle (Trockenmasse) je Hektar ausgebracht werden. Wenn gewisse Schwermetallgehalte nicht überschritten werden, kann die zulässige Aufbringungsmenge bis zu 30 t je ha innerhalb von 3 Jahren betragen. 30 t Trockenmasse je ha entspricht bei ganzflächiger Ausbringung einer Schichtdicke von weniger als 1 cm. Außerdem ist die Düngeverordnung zu berücksichtigen. Auf Böden, die sehr hoch mit Phosphat versorgt sind, dürfen keine Sekundärrohstoffdünger eingesetzt werden; dazu gehört auch Bioabfallkompost, der nicht aus dem eigenen Betrieb stammt. Auf sauren Böden kann durch Kompost mit einem hohen Anteil an basisch wirksamen Stoffen (CaO) der ph-wert angehoben werden. Organische Handelsdünger Die meisten organischen Handelsdünger sind teuer und werden deshalb selten in größerem Umfang eingesetzt. Sie werden vorwiegend in ökologisch wirtschaftenden Betrieben verwendet. Die stickstoffhaltigen Dünger tierischer Herkunft (Blut-, Horn- und Knochenmehl) werden häufig zunächst dem Kompost zugesetzt. Rizinusschrot, getrockneter Hühnerdung und Maltaflor werden dagegen als organische Dünger mit rascher Verfügbarkeit zum Zeitpunkt des Rebenaustriebs ausgebracht. Rizinusschrot enthält ca. 75, Hornmehl ca. 65 organische Substanz. Die üblichen Aufwandmengen sind Tabelle 2 zu entnehmen. Tab. 2: Ausbringungsmenge und durchschnittlicher Nährstoffgehalt einiger organischer Handelsdünger (nach Hofmann et al. 1995, ergänzt) Dünger Menge dt/ha = kg/ar N P 2 O 5 K 2 O CaO Zeitpunkt der Ausbringung Rizinusschrot 10-20 6 2 0,6 Frühjahr Blutmehl 5 14 1-2 0,7 0,8 Frühjahr Hornmehl 5 15 3-8 6-7 Frühjahr Knochenmehl 6-10 3 12 Herbst Guano 10 6-10 10 2 3 Frühjahr pelletierter 8-10 4-6 4 3 3 Frühjahr Geflügeldung Maltaflor 10 5 3 5 Frühjahr
Humuszufuhr durch Begrünungspflanzen Auch direkt im Weinberg können größere Humusmengen erzeugt werden. Mit einer geeigneten Gründüngung kann dieselbe Menge organischer Trockenmasse produziert werden, wie sie mit 0 dt Stallmist in den Boden gelangt. Abb. 2: Tiefwurzelnde Leguminosen (hier Winterwicke) in jeder 2. Gasse liefern nach dem Walzen (Anfang Mai) Stickstoff, verbessern Bodenstruktur und Humusversorgung Durch eine Einsaat von massereichen und tiefwurzelnden Begrünungspflanzen, z.b. mit einem Winterwicke-Erbsen- Roggen-Gemenge in jeder 2. Gasse, kann die Humusversorgung - auch in tieferen Bodenschichten - verbessert werden. Die Saatgutkosten betragen bei Einsaat in jeder 2. Gasse ca. 1,30 DM je Ar (bei folgenden Saatmengen in kg je Ar eingesäte Fläche: 0,3 kg Winterwicke, 0,5 kg Wintererbse, 0,4 kg Roggen). Bevor eine Dauerbegrünung im Weinbau etabliert werden kann, beziehungsweise wenn eine Dauerbegrünung die Weinqualität nicht beeinträchtigen soll, ist ein ausreichender Humusgehalt (ca. 2) erforderlich - neben einer günstigen Wasserversorgung und angemessenen Stickstoffdüngung. Nur dort, wo mit mehr als 800 mm Niederschlag oder mit Beregnung gerechnet werden kann, dürfte eine Dauerbegrünung in Verbindung mit dem Mulchverfahren zum Erfolg führen (Großer). Kombination Verschiedene Maßnahmen zur Humusversorgung können vielfältig kombiniert werden. Stroh kann z.b. direkt nach einer Begrünungseinsaat oder in jeder 2. Gasse aufgebracht werden. Am Feldrand kann Trester auf einer Strohschicht zwischengelagert und im Frühjahr als Stroh-Trester-Gemisch in die Reben, vor allem in Junganlagen, gefahren werden. Fazit Die Humusversorgung darf nicht vernachlässigt werden. Humus ist ein hervorragender Nährstoff- und Wasserspeicher und verbessert die Bodenstruktur. Ein humusreicher Boden wirkt wie ein Schwamm und ist weniger anfällig gegen Verdichtung und Verschlämmung. Die Düngung mit Trester bringt Humus und Nährstoffe, wie Bor, in die Rebflächen zurück. Vor allem auf trockenen Standorten kann mit einer Bodenabdeckung mit Stroh oder Rindenmulch die Wasserverdunstung vermindert, gleichzeitig die Humusversorgung und der Erosionsschutz verbessert werden. Auf schweren, feuchten Böden kann mit tiefwurzelnden Begrünungspflanzen der Wasser- und Lufthaushalt verbessert und die Chlorosegefahr verringert werden. Eine grasreiche Naturbegrünung ist auf den meisten Standorten nicht zur Humusversorgung geeignet.
Bei einer Humuszufuhr sollte nicht nur der Preis entscheiden. Je nach Ziel, das mit der Humuszufuhr verfolgt wird, und Risikobereitschaft in Hinsicht auf einen potentiellen Eintrag von Schadstoffen, kann es sinnvoll sein, nicht die kostengünstigste Form der Humuszufuhr zu wählen. Auch bei der organischen Düngung ist die Düngeverordnung, bei Ausbringung von Kompost und Rindenmulch auch die Bioabfallverordnung zu beachten. Literatur Becker, N., 1964. Organische Düngung im Weinbau. Diplomarbeit, Gießen. Großer, H.U., 1959. Bodenbedeckung und Gründüngung in Weitraumanlagen. Der Deutsche Weinbau, 523. Hofmann, U., P. Köpfer, A. Werner, 1995. Ökologischer Weinbau. Ulmer, Stuttgart. Meinke, E., 1982. Langjährige Erfahrungen mit der Strohabdeckung in Hang- und Steillagen. Der Badische Winzer 11, 523-524. Pfleiderer, H. et al., 1997. Beratungsgrundlagen für die Düngung im Ackerbau und auf Grünland 1995, ergänzt 1997. Landesanstalt für Pflanzenbau, Forchheim. Schwab, A., 1998. Rindenmulchabdeckung - eine Alternative zur Begrünung in Steillagen? Internationaler Arbeitskreis Begrünung im Weinbau, XII. Kolloquium, Vogtsburg-Oberrotweil. Wohlfarth, P. und T. Schorr, 1999. Technische Maßnahmen zum Wassersparen bei einer Dauerbegrünung in Trockenjahren. KTBL, ATW-Bericht 99.