Geschlossene Kurven. c(a )=c(b ) c(a)=c(b)

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Transkript:

Geschlossene Kurven Def. Eine parametrisierte Kurve c C 0 ([a,b];r n ) heißt geschlossen, wenn c(a) = c(b). Sie heißt k- Glatt (Bezeih. C k ), wenn außerdem c (a) = c (b),...,c (k) (a) = c (k) (b), d.h. wenn in den Endpunkten alle Ableitungen übereinstimmen. Äquivalent ist die Bedingung, dass die periodische Fortsetzung der Kurve eine Kurve in C k (R;R 2 ) liefert. Wiederum kann man durch Äquivalenzklassenbildung geschlossene Kurven [c] oder geschlossene orientierte Kurven c definieren. Auch solche Parametrisierungen sollen dabei als äquivalent angesehen werden, die sich nur um die Wahl des Markierungspunktes c(a) = c(b) unterscheiden; das definiert man am einfachsten, indem man die Kurve auf ganz R periodisch fortsetzt. c(a )=c(b ) c(a)=c(b)

Einfache ebene Kurven und Umlaufzahl Def. Eine geschlossene Kurve c : [a,b] R n heißt einfach, wenn sie auf dem halboffenen Intervall [a, b) injektiv ist (geometrisch bedeutet das, dass sie keine Selbstschnittpunkte hat).

Umlaufzahl geschlossener ebener Kurven Es sei c C 1 ([0,L];R 2 ) eine reguläre geschlossene Kurve. Nach Korollar 2 existiert eine Funktion 1 θ : [0,L] R, sodass c (t) c (t) = ( ) cos(θ(t)) sin(θ(t)) : Korollar 2. Für jede Kurve c C 2 ([a,b];r 2 ) existiert θ C 1 ([a,b];r), sodass 1 c (t) c (t) = ( ) cos(θ(t)). Ferner gilt: die Funktion θ ist bis auf Addition von Vielfachen von eindeutig bestimmt. sin(θ(t)) Da c (0) = c (L), ist ( ) ( ) cos(θ(0)) sin(θ(0)) = cos(θ(l)) sin(θ(l)) und deswegen θ(l) = θ(0)+n. Def. Die (ganze) Zahl n = n c heißt Umlaufzahl der (geschlossenen ebenen) Kurve c. Im Bild links ist die Umlaufzahl der ersten Kurve gleich 0 und der zweiten gleich 2. (Das Bild sowie das Bild auf der nächsten Folie habe ich aus dem Vortrag von Florian Modler entnommen)

Die Umlaufzahl ist wohldefiniert Korollar 2. Für jede Kurve c C 2 ([a,b];r 2 ) existiert θ C 1 ([a,b];r) sodass 1 c (t) c (t) = ( ) cos(θ(t)). sin(θ(t)) Ferner gilt: die Funktion θ ist eindeutig bestimmt bis auf Addition von Vielfachen von. Die natürliche Frage, die sofort bei jeder solchen Definition (wenn die Objekte, die man in der Definition verwendet, nicht eindeutig sind) gestellt werden kann: Warum hängt die Zahl n c nur von der Kurve c und nicht auch von der Wahl von θ? Warum bekommen wir die gleiche Zahl n c, wenn wir θ durch θ +N ersetzen? In diesem Fall ist die Antwort offensichtlich: n c = 1 1 (θ(l)+n θ(0) N) = (θ(l) θ(0))

Die Umlaufzahl ist eine geometrische Größe (bzgl. orientierungserhaltenden Umparameterisierungen und orientierungserhaltenden Bewegungen. Es ist offensichtlich, dass die orientierungserhaltenden Bewegungen F die Umlaufzahl erhalten: wenn F(X) = OX +b, wobei O die Drehung um den Winkel α ist, dann ist die Winkelfunktion θ(t) der Kurve c = F c gleich θ(t) = θ(t)+α. Dann ist θ(b) θ(a) = θ(b)+α θ(a) α = n c. Bei geschlossenen Kurven gibt es zwei Typen von Umparametrisierungen: eine ist c = c φ, und der andere Typ ist mit der Wechsel von Anfangspunkt verbunden: Wenn wir als Anfangspunkt den Punkt a 0 [a,b) wählen, dann ist die umparametrisierte Kurve c gegeben durch { φ : [a 0,a 0 +(b a)] R n, φ(t) = φ(t) für t [a 0,b) φ(t (a 0 a)) für t [b,b +a 0 a) Die Aussage, dass die Umlaufzahl invariant bzgl. Umparametrisierung von Typ 1 ist, ist offensichtlich, weil wir wissen, dass 1 c (t) c 1 (t) = c (φ(t)) c (φ(t)), siehe z.b. S. 14 Vorl. 3, und deswegen θ(t) = θ(φ(t)). Für den Beweis im Falle von Umparametrisierungen von Typ 2 werden wir die Integralformel benutzen, die wir auf der nächsten Folien einführen, und die auch später hilfreich wird.

Integralformel für die Umlaufzahl Sei die Kurve c zunächst nach der Bogenlänge parametrisiert; wir können das OBdA annehmen. Im Beweis von Korollar 2 haben wir dann die folgende Formel für θ bekommen (siehe S. 14 von Vorl. 5): θ(t) := θ a + t a Anfangsbedingung θ a so gewählt wird, dass c (a) = ( cos(θ a) sin(θ a) Also, n c = 1 (θ(b) θ(a)) = 1 b a κ(σ)dσ. ( ) κ(σ)dσ, wobei die Sei jetzt die Kurve c(t) eine beliebige Umparametrisierung einer nach der Bogenlänge parametrisierten geschlossenen Kurve c : [0,L] R 2. Dann können wir die Parametertransformation in ( ) durchführen analog zum Beweis, dass die Länge der Kurve eine geometrische Größe ist (siehe S. 23 Vorl. 1) : wir benutzen κ(t) = κ(φ(t)) und wenden die Substitutionsformel (siehe S. 23 von Vorl. 1) auf f(t) = κ(t) an: n c ( ) = 1 L=φ(b) 0=φ(a) κ(s)ds = 1 b a b κ(φ(t)) φ (t)dt ( ) = 1 κ(t) c (t) dt. a Anm.: Erklärung von ( ) siehe auf S. 3 von Vorl. 2 ).

Die Umlaufzahl ist unabhängig von der Wahl des Anfangspunkts b Die Integralformel n c = 1 κ(σ)dσ impliziert, dass die Umlaufzahl a unabhängig von Wahl des Anfangspunkts der (geschlossenen) Kurve ist. In der Tat, obda können wir annehmen, dass die Kurve c(t) nach der Bogenlänge parametrisiert ist. Dann ist auch c gegeben durch { c : [a 0,a 0 +(b a) R n c(t) für t [a, c(t) = 0,b) c(t (a 0 a)) für t [b,b +a 0 a) und nach der Bogenlänge parameterisiert, weil c (t) = 1. Ferner gilt: κ(t) = { κ(t) für t [a 0,b) κ(t (a 0 a)) für t [b,b + a 0 a) Die Integralformel (siehe ( ) oben) für die Umlaufzahl von c gibt uns dann ( b a0 ) b n c = 1 κ(σ)dσ = 1 κ(σ)dσ + κ(σ)dσ a a a 0 ( b ) b+a0 a = 1 κ(σ)dσ + κ(σ)dσ = n c. a 0 b

Hopfscher Umlaufsatz (1935) Satz 5. Eine einfache geschlossene Kurve c hat Umlaufzahl n c { 1,1}. Bsp. Die positivorientierte Kreislinie c(t) = ( ) cos(t) sin(t) hat κ(t) 1 und n c = 1 1dt = 1. Die negativorientierte Kreislinie c(t) = ( ) sin(t) 0 cos(t) hat κ(t) 1 und n c = 1 2φ 0 1dt = 1. Obwohl die Aussage relativ natürlich aussieht, wird der Beweis ziemlich lang (wir werden noch 2 Hilfslemmas, Lemma 4 und Lemma 5, beweisen) und benutzt ein paar neue Tricks, die auch später verwendet werden.

Lemma 4. Ist γ C 0 ([a,b];r 2 ), sodass γ(t) = 1 für jedes t I. Dann gibt es ein θ C 0 ([a,b];r) mit γ(t) = ( ) cos(θ(t)) sin(θ(t)) für alle t [a,b]; dieses θ ist eindeutig bestimmt bis auf Addition von Vielfachen von. Bemerkung. Bitte vergleichen Sie diese Aussage mit Korollar 2 (Vorl. 3, S. 14); das Korollar ist ein Spezialfall des Lemmas 4 mit γ(t) = 1 c (t) c (t); das Lemma benutzt aber verminderte Glattheit. Beweis. Als Vorarbeit zeigen wir die Existenz von θ(t) zuerst unter der Annahme, dass γ die Werte im rechten Quadranten sind, also unter der Annahme, dass für jedes t gilt: γ(t) = ( ) γ 1 (t) γ 2 (t) erfüllt die Bedingung γ 1 (t) > 0. In diesem Fall kann man die Funktion θ mit einer Formel angeben: um diese Formel zu bekommen überlegen wir, dass die gewünschte Bedingung γ(t) = ( ) cos(θ(t)) sin(θ(t)) impliziert, dass γ 2(t) γ = sin(θ(t)) 1(t) cos(θ(t)) = tan(θ(t)), also ) ) θ(t) = arctan sein muss. Die Funktion θ(t) = arctan ist ( γ2(t) γ 1(t) ( γ2(t) γ 1(t) wohldefiniert (unter unserer zusätzlicher Annahme an γ), ist eine stetige Funktion als Verkettung von stetigen Funktionen, und man sieht sofort aus geometrischen Überlegungen, dass γ(t) = ( ) cos(θ(t)) sin(θ(t)), und prüft dies durch Einsetzen und Anwendung trigonometrischer Formeln nach.

Analog zeigt man das Lemma, falls γ die Werte nur in den obigen Quadranten (also, falls γ 2 > 0). In diesem Fall benutzt man die Funktion arccotan γ1 γ 2, oder in den linken Quadranten (in diesem Fall arctan γ2 γ 1 +π) oder in den unteren Quadranten (arccotan γ1 γ 2 +π). Diese Funktion θ ist selbstverständlich bis auf Addition von n bestimmt. Wir brauchen noch die folgende geometrische Überlegung: falls γ(t 1 ) und γ(t 2 ) die Eigenschaften γ(t 1 ) = 1 bzw. γ(t 2 ) = 1 haben, und γ(t 1 ) γ(t 2 ) < 2 ist, dann liegen γ(t 1 ) undγ(t 2 )entwederbeideindenrechten Quadranten, oder beide in den linken Quadranten, oder beide in den oberen Quadranten, oder beiden in den unteren Quadranten: Jedes Intervall der Länge < Wurzel(2) liegt vollständigt in zwei benachtbaren Quadranten

Jetzt benutzen wir die Stetigkeit von γ und Kompaktheit des Intervalls: aus der Analysis wissen wir, dass jede stetige Funktion, die auf einem Kompaktum definiert ist, gleichmäßig stetig ist; also ε > 0 existiert ein δ > 0 sodass für alle t 1, t 2 mit t 1 t 2 < δ gilt γ(t 1 ) γ(t 2 ) < ε. Wir nehmen ε = 2, und zerlegen für entsprechendes δ das Intervall [a,b] in Intervalle der Länge < δ. a Jedes Subintervall hat die Eigenschaft, dass für jede t 1,t 2 aus dem Subintervall gilt γ(t 1 ) γ(t 2 ) < 2 und deswegen können wir auf jedem Subintervall die Funktion θ mit der gewünschten Eigenschaft γ(t) = ( cos(θ(t)) sin(θ(t)) b ) konstruieren. Also können wir eine solche Funktion θ auf dem ersten(, auf dem Bild roten) Intervall definieren. Dann definieren wir die Funktion auf dem zweiten (blauen) Intervall und addieren n zur Funktion θ (auf dem zweiten Intervall), sodass der Wert von θ auf dem Endpunkt des roten Intervall mit dem Wert von θ auf dem Anfangspunkt des blauen Intervalls zusammenfällt. Das ist möglich, weil in diesem Punkt ( ) ( ) cos(θ) sin(θ) = γ(t) = cos(θ) sin(θ). Also, haben wir die stetige Funktion θ auf der Vereinigung der ersten zwei Intervalle definiert. Wir setzten die Konstruktion fort und nach endlich viel Schritten bekommen wir die gewünschte Funktion θ auf dem ganzen Intervall.

Liftungslemma Def. Eine sternförmige Menge ist eine Teilmenge M des R n, zu der es einen Punkt p 0 gibt (ein Sternzentrum bzw. einen Sternmittelpunkt), von dem aus alle Punkte der Menge sichtbar sind, das heißt, jede gerade Verbindungsstrecke von p 0 zu einem beliebigen Punkt p M liegt vollständig in M. P P0 Lemma 5. Für A R n kompakt und sternförmig sei γ : A R 2 eine stetige Abbildung so, dass p A gilt γ(p) = 1. Dann gibt es eine stetige Funktion θ : A R sodass γ(p) = ( ) cos(θ(p)) sin(θ(p)). Ferner gilt: Je zwei solche Funktionen haben als Differenz ein ganzzahliges Vielfaches von. Bemerkung. In jedem Punkt p ist die Existenz eines θ mit γ(p) = ( ) cos(θ(p)) sin(θ(p)) offensichtlich, weil γ(p) = 1. Dieses θ ist bis auf n gegeben.

Sternförmigkeit ist wichtig Lemma 4. Für A R n kompakt und sternförmig sei γ : A R 2 eine stetige Abbildung, ( sodass ) p A cos(θ(p)) gilt γ(p) = 1. Dann gibt es eine stetige Funktion θ : A R sodass γ(p) =. sin(θ(p)) Ferner gilt: Je zwei solche Funktionen haben als Differenz ein ganzzahliges Vielfaches von. Gegenbeispiel. Auf dem Kreisring R := {x R 2 1 2 < x < 1} (mit Loch) betrachte man γ : R R 2, γ(x) = 1 x x, γ ist offensichtlich stetig, x R gilt γ(x) = 1, jedoch gibt es keine stetige Funktion θ sodass γ(p) = ( cos(θ(p)) sin(θ(p)) ) : Solche Funktion θ existiert lokal (also, in einer kleinen Umgebung eines beliebigen Punktes). Wenn wir das Loch einmal umlaufen, wird zu θ addiert, was der Stetigkeit widerspricht.

Beweis des Liftungslemmas Lemma 5. Für A R n kompakt und sternförmig sei γ : A R 2 eine stetige Abbildung, ( sodass ) p A cos(θ(p)) gilt γ(p) = 1. Dann gibt es eine stetige Funktion θ : A R, sodass γ(p) =. sin(θ(p)) Ferner gilt: Je zwei solche Funktionen haben als Differenz ein ganzzahliges Vielfaches von. OBdA sei A sternförmig bezüglich 0. Wir legen θ( 0) willkürlich fest, so dass γ( 0) = ( ) cos(θ( 0)) sin(θ( 0)) gilt. Nun legen wir θ auf ganz A dadurch fest, dass θ auf jedem Strahl durch 0 eine stetige Funktion sein soll, die γ(p) = ( ) cos(θ(p)) sin(θ(p)) genügt. D.h.: um den Wert θ(p) zu bestimmen, betrachten wir das Intervall I, das durch 0 und p geht (z.b. Schnittmenge der Geraden G( 0,p) mit A). Dann betrachten wir die Funktion θ I auf dem Intervall, die die Bedingung ( ) cos(θ(p)) sin(θ(p)) erfüllt eine solche Funktion existiert laut Lemma 4 und setzen θ(p) = θ I (p) Die Funktion θ erfüllt nach Konstruktion die Bedingung γ(p) = ( cos(θ(p)) sin(θ(p)) wir müssen nur zeigen, dass θ stetig ist. P O ),

Stetigkeit der konstruierten Funktion θ Wir benutzten die Stetigkeit von γ; analog zum Beweis von Lemma 4 benutzen wir, dass jede stetige Funktion auf einem Kompaktum gleichmäßig stetig ist, also : ε > 0 existiert ein δ > 0, sodass für alle p 1,p 2 A mit p 1 p 2 < δ gilt: γ(p 1 ) γ(p 2 ) < ε. Wir nehmen ε = 1, dann haben 2 Punkte p 1,p 2 A mit Abstand p 1 p 2 < δ die Eigenschaft, dass γ(p 1 ) γ(p 2 ) < 1. Jetzt nehmen wir beliebige Punkte x,y A, sodass x y < δ und betrachten die Hilfsfunktion h : [0,1] R, h(s) = θ(sx) θ(sy). Die Funktion ist stetig und erfüllt h(0) = θ( 0) θ( 0) = 0. Wir behaupten, dass h(s) ( π 2, π 2) ist.

Beweis von h(s) ( π 2, π 2 ) Hilfsfunktion h : [0,1] R, h(s) = θ(sx) θ(sy). Die Funktion ist stetig und erfüllt h(0) = θ( 0) θ( 0) = 0. Nehmen wir an, es gibt ein s mit h(s) > π 2. Wegen der Stetigkeit von h existiert dann ein s 0 [0,1] mit h(s 0 ) = π 2 (Zwischenwertsatz). Aber einerseits ist s 0 x s 0 y = s 0 x y < δ, und deswegen γ(sx) γ(sy) < 1. Andererseits impliziert die Bedingung h(s 0 ) = π 2, dass der Punkt γ(s 0y) eine 90 -Drehung des Punktes γ(s 0 x) (in der positiven oder negativen Drehrichtung) ist und deswegen Abstand 2 > 1 zu γ(s0 x) hat. Wir bekommen einen Widerspruch, was zeigt, dass h(s) ( π 2, π 2).

Da zwei beliebige Punkte jedes δ 2-Balls Abstand < δ haben, zeigt die oben bewiesene Behauptung, dass für jeden Ball von Radius δ 2 und für alle p 1,p 2 aus dem Ball gilt: θ(p 1 ) θ(p 2 ) < π/2. Dann liegen alle Punkte des Balles in der Vereinigung von 2 benachbarten Quadranten. Dann kann man die Funktion θ in diesem Ball mit einer Formel mit Hilfe von arctan oder arccotan eingeben, wie auf S. 10 und S. 11. Nimmt z.b. die Funktion γ Werte ) in einem der rechten Quadranten an, so ist θ(p) = arctan + πn(p) für eine ganzzahlige Funktion n(p). Da ( γ2(p) γ 1(p) aber θ(p 1 ) θ(p 2 ) < π/2, ist) n(p) für alle Punkte p des Balls gleich. Daher ist θ(p) = arctan +πn (wobei n eine Konstante) und ( γ2(p) γ 1(p) damit stetig im Ball. Für jeden Ball von Radius δ/2 haben wir also die Stetigkeit von θ, eingeschränkt auf den Ball, gezeigt. Also ist θ tatsächlich stetig.

Beweis des Umlaufsatzes Satz 5. Eine einfache geschlossene Kurve c hat Umlaufzahl n c { 1,1}. OBdA können wir annehmen, dass die (einfache geschlossene) Kurve c auf [0,1) definiert ist, also c : [0,1] R 2. Wir zeigen zuerst, dass es einen Punkt c(t 0 ) gibt, sodass die Tangentialgerade {c(t 0 )+sc (t0) s R} die Kurve nicht schneidet. Um die Existenz eines solchen Punktes zu beweisen, betrachten wir eine Schaar von Kreisen K(M,r R > 0), deren Mittelpunkt fest ist und deren Radien positive reelle Zahlen sind. Nehmen wir r max = sup{r R K(M,r) Bahn(c) } (auf dem Bild links hat der entsprechende Kreis rote Farbe). Der Schnittpunkt des Kreises K(M,r max) mit der Bahn der Kurve existiert wegen der Kompaktheit des Intervalls [0,1] (weil das der Punkt ist, in welchem die stetige Funktion M c(t), die auf einem kompakten Intervall [0,1] definiert ist, ihren maximalen Wert annimmt). Alle Punkte der Kurve liegen innerhalb des roten Kreises. Deswegen hat die Tangentialgerade in diesem Schnittpunkt keinen weiteren gemeinsamen Punkt mit c.

OBdA können wir annehmen, dass t 0 = 0, c(0) = 0 und dass der Tangentialvektor in diesem Punkt gleich ( ) 1 0 ist. In diesem Fall ist die zweite Komponente der Kurve, c 2 (t), entweder überall nichtnegativ (und 0 nur für t = 0), wie auf dem Bild unten, oder überall nichtpositiv (und 0 nur für t = 0). Wir betrachten zuerst Fall 1, dass c 2 (t) nichtnegativ ist; das Ziel ist zu zeigen, dass dann n c = 1. C(0)=0 C(0)=0 Abbildung : Links Fall 1; rechts Fall 2

Wir betrachten die folgende Menge A R 2, die nichts mit c zu tun hat: A := {(s,t) R 2 0 s t 1}. Die Menge A ist offensichtlich sternförmig. Auf A betrachten wir die Sekanten-/Tangentenrichtung -Funktion γ, die wie folgt mit Hilfe von c konstruiert wurde: c(t) c(s) c(t) c(s) für s < t und (s,t) (0,1) c γ(s,t) := (t) c(t) für s = t c (0) c (0) für s = 0 und t = 1 Nach Definition von c ist γ stetig auf A. Nach Konstruktion ist γ(t) 1. Nach dem Liftungslemma (Lemma 5) gibt es eine stetige Winkelfunktion θ : A R der Sekanten-/Tangentenrichtung γ. Auf der Diagonalen t (t,t) ist θ(t,t) der Tangentenwinkel von c. Daher ist n c = 1 (θ(1,1) θ(0,0)) die Umlaufzahl.

Daher ist n c = 1 (θ(1,1) θ(0,0)) die Umlaufzahl. Wir wollen nun n c berechnen, indem wir θ(s,t) längs der beiden achsenparallelen Randkurven von A verfolgen, d.h. längs der Kurven t (0,t) und s (s,1). Wir führen also erst den einen Sekantenpunkt c(t) einmal um die Kurve herum (und der zweite ist c(0) = 0), dann den anderen c(s) (wobei der erste c(0) = 0 bleibt). Wir können festlegen, dass θ(0,0) = 0. Um n c = 1 zu beweisen, müssen wir θ(1,1) = beweisen. Nun ist θ(0,t) gerade der (stetige) Winkel des Vektors c(t) mit der x-achse. Da c die positive x-achse nicht mehr schneidet, ist θ(0,t) mod. Andererseits ist (im ersten Fall) (0,t) positiv für kleine t. Also liegt θ(0,t) im Intervall (0,π) für t 0, und wegen θ(0,1) = 0 mod π muss gelten θ(0,1) = π. Die Funktion θ(s, 1) beschreibt den Winkel von c(s) mit der x-achse; für sie können wir genauso argumentieren: Einerseits ist θ(s,1) mod für s 0. Andererseits ist θ(s,1) größer als π für kleine s. Daher gilt θ(s,1) (π,3π), und wegen θ(1,1) = 0 mod folgt wie gewünscht θ(1,1) =. Damit ist der Umlaufsatz unter den Annahmen des ersten Falls bewiesen. Im zweiten Fall erhält man als θ-intervalle (,0) und ( 3π, π), so dass man analog θ(1,1) =, also n c = 1, zeigen kann.