GEULEN & KLINGER. Rechtsanwälte Berlin 23. August 2012

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Transkript:

GEULEN & KLINGER Rechtsanwälte Dr. Reiner Geulen Dr. Remo Klinger 10719 Berlin, Schaperstraße 15 Foodwatch e. V. Herrn Oliver Huizinga Brunnenstraße 181 Telefon: +49 / 30 / 88 47 28-0 Telefax: +49 / 30 / 88 47 28 10 e-mail: klinger@geulen.com http://www.geulenklinger.com 10119 Berlin 23. August 2012 Kennzeichnung tierischer Bestandteile Sehr geehrter Herr Huizinga, mit Ihrer E-Mail vom 20. August 2012 haben Sie um Untersuchung zweier Fragestellungen ersucht, die die Kennzeichnung tierischer Bestandteile in Lebensmitteln betreffen. Dabei geht es um die rechtliche Zulässigkeit bei der Umsetzung folgender politischer Forderungen: 1. Wo Zutaten oder Verarbeitungshilfsstoffe tierischen Ursprungs eingesetzt werden, muss dies deutlich erkennbar sein. Dies gilt auch für tierische Bestandteile in Aromen, Zusatzstoffen und technischen Hilfsstoffen, die während des Produktionsprozesses zum Einsatz kommen. 2. Die Begriffe vegan und vegetarisch müssen wie folgt rechtlich definiert werden: vegetarisch: Ohne Zutaten hergestellt, die von einem toten Tier stammen, erlaubt sind Ei- und Milchprodukte, vegan: ohne jegliche tierische Bestandteile (einschließlich Milch- und Eiprodukte) hergestellt. Fachanwälte für Verwaltungsrecht. Postulationsfähig bei dem Kammergericht und allen Oberlandesgerichten. Dresdner Bank AG in Berlin BLZ 100 800 00 Kto.-Nr. 0714810000 Ust-IdNr.: DE 193566368

2 Dazu ist folgendes zu sagen: 1. Kennzeichnung tierischer Bestandteile (Frage 1) Die Frage beantwortet sich nach dem Unionsrecht. Nach Art. 4 Abs. 2 f) AEUV fällt der Verbraucherschutz in die geteilte Zuständigkeit der Union. Diese erlaubt es den Mitgliedstaaten tätig zu werden, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit noch nicht vollständig ausgeübt hat (Art. 2 Abs. 2 S. 2 AEUV). Nach Art. 169 AEUV leistet die Union einen Beitrag zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus. Art. 169 Abs. 4 AEUV regelt jedoch, dass die nach Abs. 3 beschlossenen Maßnahmen die einzelnen Mitgliedstaaten nicht hindern, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, sofern diese mit den Verträgen vereinbar sind und der Kommission mitgeteilt werden. Liegt demnach bereits eine Vollharmonisierung mit Maßnahmen vor, die im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarkts ergriffen werden (Art. 169 Abs. 2 a) AEUV), können die Mitgliedstaaten keine strengeren Maßnahmen mehr beibehalten oder ergreifen. Sie sind dann an die Regelung des U- nionsrechts gebunden. Für unseren Fall bedeutet dies, dass mitgliedstaatliche Regelungen bis zum Inkrafttreten der LMIV am 13. Dezember 2014 möglich wären. Die LMIV ist zwar bereits verabschiedet, die Regelungen treten aber erst Ende 2014 in Kraft. Da es politisch wohl nicht realistisch erscheint, für diese Übergangsfrist mitgliedstaatliche Regelungen zu erlassen, konzentriere ich mich auf die Frage, ob die LMIV derartige Regelungen gestattet. Zunächst regelt Art. 36 Abs. 3 LMIV, dass Informationen über die Eignung eines Lebensmittels für Vegetarier oder Veganer nur freiwillig bereitzustellen sind. Es spricht daher zunächst einiges dafür, dass in diesem Teilbereich eine Vollharmonisierung durch die LMIV erfolgt. Hinzu kommt, dass zu bezweifeln ist, ob die Ausnahmeregelung des Art. 169 Abs. 4 AEUV einschlägig ist, weil dies nur dann der Fall ist, wenn man auf eine Maßnahme nach Art. 169 Abs. 2 b) AEUV abstellt. Darunter fallen aber nur bloße Ergänzungsmaßnahmen, die einen Teilaspekt des Verbraucherschutzes betreffen, der bereits im Recht der Mitgliedstaaten geregelt ist. Die mitgliedstaatlichen Regelungen müssen dann offen oder jeden-

3 falls unvollständig sein (vgl. Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 2011, Art. 169 Rdnr. 39). Weder die Angaben zu den Zutaten noch die Regelung zur Freiwilligkeit der Angabe von vegetarischen/veganischen Lebensmitteln fallen jedoch darunter. Sie sind zwar ein Teilaspekt des Verbraucherschutzes, da dazu aber bisher nach meiner Kenntnis in keinem Mitgliedstaat bindende Regelungen bestehen, regelt die Union diesen Teil nicht nur ergänzend, sondern vollständig neu. Rechtlich kommt hinzu, dass die europaweit einheitliche Kennzeichnung von Lebensmitteln der Verwirklichung des Binnenmarktes dient, so dass eine Ausnahme nach Art. 169 Abs. 4 AEUV auch aus diesem Grund nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich aus dem Einleitungssatz der LMIV ( gestützt auf den AEUV, insbesondere auf Art. 114 ) sowie aus den Erwägungsgründen 1 und 2 zur LMIV. Etwas anderes ergibt sich jedoch aus Art. 39 Abs. 1 LMIV. Danach sind einzelstaatliche Vorschriften über zusätzliche verpflichtende Angaben bei Lebensmitteln unter besonderen Voraussetzungen möglich. Die Vorschrift stellt eine sekundärrechtliche Bereichsausnahme innerhalb der LMIV dar, so dass es bei Erfüllung ihrer Voraussetzungen keines Rückgriffs auf die Ausnahmen des Art. 169 Abs. 4 AEUV bedürfte. Danach können die Mitgliedsstaaten zusätzliche verpflichtende Angaben vorschreiben, wenn diese für bestimmte Arten oder Klassen von Lebensmitteln gedacht sind und aus Gründen des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sind. Es ist somit zunächst zu fragen, ob Lebensmittel mit Bestandteilen tierischen Ursprungs bestimmte Arten oder Klassen von Lebensmitteln sind. Was darunter zu verstehen ist, ist in der LMIV, insbesondere in ihren Begriffsbestimmungen in Art. 2 LMIV, nicht legal definiert.

4 Aus der Kommentierung zu 8 Rn. 7 bei Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 147. Ergänzungslieferung 2011, ergibt sich, dass die Überschriften auf der rechten Seite der Anlage II zur LMKV Beispiele für Lebensmittelklassen sind. Dies sind z.b. Öl, Fett, Kräuter, Kakaobutter, Fisch und Fleisch. Es kann danach dahinstehen, ob tierische Bestandteile per se bereits eine eigene Lebensmittelklasse darstellen, es erscheint aber sehr gut vertretbar, dass es sich bei Lebensmitteln mit tierischen Bestandteilen um Arten von Lebensmitteln handelt. Denn der Begriff kann funktional im Hinblick auf die Zusammensetzung bzw. den Herstellungsprozess ausgelegt werden. Sodann muss die Kennzeichnung dem Verbraucherschutz dienen, wobei der Hinweis in Art. 39 Abs. 1 LMIV, nach dem dies mindestens dem Verbraucherschutz (möglichst auch dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Betrugsvorbeugung etc.) dienen soll, zeigt, dass der Verbraucherschutz ein relativ hohes Gewicht einnehmen muss. Hier kann man mit dem hohen Wert des Schutzes derjenigen Verbraucher argumentieren, die eine Kennzeichnung aus religiösen Gründen befürworten. Der Verbraucherschutz schützt auch Partikularinteressen bestimmter Verbraucherkreise. Dazu zählen jene, die aus Gründen der Religionsausübung auf Produkte bestimmten tierischen Ursprungs verzichten. Insofern erachte ich es als möglich, dass ein Mitgliedstaat über Art. 39 LMIV auch nach dem Inkrafttreten der LMIV am 13. Dezember 2014 Vorschriften über zusätzliche verpflichtende Angaben zum Inhalt tierischer Bestandteile in Lebensmitteln erlassen kann. 2. Definition vegan und vegetarisch (2. Frage) Einer solchen Definition stehen keine rechtlichen Gründe entgegen. Solange die Kommission noch keine Durchführungsakte erlassen hat besteht keine Harmonisierung, so dass die Art. 38, 39 LMIV nicht einschlägig sind. Das im Erwägungsgrund 58 der Verordnung beschriebene Verfahren deutet darauf hin, dass durch den durchzuführenden umfassenden Konsultationsprozess nicht mit einem baldigen Erlass gerechnet werden kann.

5 Die Definitionen wären auch nach europäischem Primärrecht zulässig. Solange und soweit keine europarechtliche Regelung besteht, liegt die Kompetenz bei den Mitgliedstaaten (Art. 2 Abs. 2 AEUV). Der freie Warenverkehr wird dadurch nicht beeinträchtigt. Es geht bei dieser Frage nur um eine rechtliche Definition, vergleichbar mit dem Bio-Siegel. Im Gegensatz zum unzulässigen CMA- Gütesiegel (vgl. zur Unzulässigkeit EuGH (Plenum), Urteil vom 5. 11. 2002 - Rs. C-325/00 Kommission der EG/Bundesrepublik Deutschland, NJW 2002, 3609) gibt es auch keinen Eingriff in den Warenverkehr durch die Absatzförderung inländischer Produkte. Eine vergleichbare Regelung der Food Standards Agency in England wurde bislang nicht beanstandet. Ich hoffe, dass diese Ausführungen die Fragen beantwortet haben. Mit freundlichen Grüßen Dr. Remo Klinger (Rechtsanwalt)