1.5. Das Unternehmen als unvollständiger Vertrag

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Transkript:

Kapitel 1.5 1.5. Das Unternehmen als unvollständiger Vertrag 58 Welche Verträge? 1.2./1.3./1.4 Unternehmen als effiziente kurz- und langfristige Verträge vollständiger Natur The firm as a nexus of contracts (JENSEN/MECKLING (1976): Theory of the Firm: Managerial Behaviour, Agency Costs and Ownership Structure) Unternehmen als Konstrukt vieler untereinander in Vertragsbeziehungen stehender Parteien Unternehmen als langfristiger Vertrag zwischen seinen Elementen Aber: 1. Zufälle während der Vertragslaufzeit, die nicht absehbar waren 2. Existenz vieler Zufälle macht Kontrahierung unmöglich 3. Kontrolle der Vertragstreue durch Vertragspartner aufwändig 4. Kosten der vertraglichen Durchsetzung Quelle von Transaktionskosten Optimierungskalkül notwendig 59 1

Konsequenzen I 1. Langfristige Verträge können auch Nachteile haben Unternehmen können ineffiziente Ergebnisse hervorbringen. Unternehmen können durch eine zu geringe Flexibilität zum Exit gezwungen werden. 60 Konsequenzen II 2. Mit unvollständigen Verträgen werden nur die groben Linien von Geschäftsbeziehungen geregelt. Die Details hängen von der Allokation der Entscheidungsbefugnis ab. 61 2

Zusammenhang mit Unternehmen? Unternehmen Zivilrechtliche Verträge sind unterschiedliche Verfahren zur Regelung von Beziehungen als unvollständiger Vertrag, in dem bestimmten Akteuren die Entscheidungsbefugnis zugewiesen wird. Wer füllt die Lücken im Vertrag? 62 Vorgangsweise beim Eintritt unvorgesehener Ereignisse 1. Vollständiger Vertrag: Keine unkontrahierten Ereignisse, Referenzsituation 2. Kein Vertrag: Verhandlung über Durchführung der Transaktion und Aufteilung der Erträge nach Investition und Verfügbarkeit zusätzlicher Informationen. Verhandlungen ohne vertragliche Restriktionen Ergebnis offen 3. Unvollständiger Vertrag: Ex post bleiben Verhandlungsspielräume Diese sind kleiner als in 2. Verringerung von Transaktionskosten gegenüber 1. und ohne Nachteile von 2. 63 3

Institutionen bei unvollständigen Verträgen Unvorhergesehene Ereignisse Dritte Partei entscheidet Eine der beiden Parteien entscheidet Annäherung an Ergebnisse eines vollständigen Vertrages Ex post Entscheidungen über Transaktionsvolumen und Aufteilung des Ertrags müssen Anreize für spezifische Investitionen in effizientem Ausmaß schaffen (ex ante). Stärkung der Verhandlungsposition einer Partei (Verfügungsrechte) Aufteilung des Ertrags (ex post) hat Einfluss auf Investitionen ex ante Schiedsgerichte, Schlichter Entscheidungsbefugnis einer Partei 64 Entscheidung durch Dritte Unabhängige Experten Schlichter Schiedsgerichte Intern: Informationsvorsprünge Extern: Lösungsvielfalt WILLIAMSON (1975) Markets and Hierarchies: Analysis and Antitrust Implications. A Study in the Economics of Internal Organization, S. 29ff. Interne Schlichtungsverfahren sind stets überlegen Anforderungen: Besitz notwendiger Informationen Faire Lösungen Effiziente Entscheidungen (nah am vollständigen Vertrag) Vorstand, Top-Management als Schlichter zwischen Abteilungen: Klare Zuweisung von Verfügungsrechten. 65 4

Eine Partei erhält die Entscheidungsbefugnis GROSSMAN-HART-MOORE-Zugang zu Unternehmen GROSSMAN/HART (1986) The Costs and Benefits of Ownership: A Theory of Vertical and Lateral Integration HART/MOORE (1988) Incomplete Contracts and Renegotiation Es geht nicht um Gerechtigkeit, sondern um Effizienz Klare Zuweisung der Entscheidungsbefugnis schafft Sicherheit für Investitionen. Auch in diesem Regime kann verhandelt werden, jedoch mit klaren Machtpositionen. 66 Zusammenhang: Entscheidungskompetenz Gewinn Allokation der Entscheidungskompetenz (A) Ergebnis, Gewinn Wahl im eigenen Interesse (A), (B): Suboptimales Ergebnis Anreize für Verhandlungen, wenn Umverteilungsmöglichkeiten (von B an A) Maximierung des gemeinsamen Gewinns 67 5

Spezifische Investitionen Ex-post-Gewinne: abhängig von spezifischen Investitionen abhängig von Ex-post-Entscheidungen Allokation der Entscheidungskompetenz Anreize der beiden Akteure für spezifische Investitionen A mit Entscheidungskompetenz kann nicht um Erträge enteignet werden. B kann enteignet werden. 68 Kontrolle bei GROSSMANN/HART (1986) durch A (Anbieter) wenn dieser Entscheidungsbefugnis hat durch B (Nachfrager) wenn dieser Entscheidungsbefugnis hat Integration (= Unternehmen) Ein Akteur besitzt das Residuum an Verfügungsrechten = Alle Verfügungsrechte, die nicht ausdrücklich durch Vertrag abgetreten sind. Nichtintegration Jeder der Akteure besitzt Verfügungsrechte oder einzelne Elemente/Dimensionen von Verfügungsrechten. Optimierungsaufgabe: Suche jene Allokation der Entscheidungsbefugnis (Verfügungsrechte), bei der die spezifischen Investitionen am besten geschützt werden! 69 6

Optimum First-Best: Vollständiger Vertrag Second-Best: Eindeutige und transparente Allokation der Entscheidungsbefugnis 70 Reichweite Wie weit reicht die Entscheidungsbefugnis? Notwendig ist ein geteiltes Vorverständnis der Akteure (Rechtsordnung, Unternehmenskultur) Üblicherweise: Eigentumsrecht an Kapitalgütern bestimmt Entscheidungsbefugnis Entscheidungsbefugnisse können weiter delegiert werden (Management, Abteilungsleiter, ) Dann ist eine höhere Ebene erforderlich (Management), um eventuelle Konflikte zu schlichten (dies ermöglicht erst Delegation) Schutz vor Machtmissbrauch: Akteur ohne Entscheidungsbefugnis darf ex post die Beziehung verlassen. 71 7

Entscheidungsbefugnis Verfügungsrechte Vgl. die detaillierte Analyse in Kapitel 3.3 72 Aktueller Wissensstand Theorie: Empirie: Unterzeichne vollständige Verträge (1). ist dies unmöglich, verteile die Entscheidungsbefugnisse so, dass ein möglichst effizientes Ergebnis erzielt wird (2). Beziehungen zwischen Unternehmen enthalten sehr viel mehr informelle Elemente als die Theorie nahelegt (auch bei langfristigen Verträgen). Diskrepanz: Weshalb?? 73 8

Reputation Geschäftsabbruch bei Opportunismus möglich. Aufbau von Reputation (Vertragstreue) lohnt sich! Reputation spart Kosten vollständiger Verträge Reputation spart Kosten vollständiger Allokation der Entscheidungsbefugnisse 74 Empirie Informelle Elemente überwiegen bei: häufigen Transaktionen geringem Spezifitätsgrad 75 9

Dual Sourcing Hat ein Akteur nach Vertragsabschluss die Möglichkeit und Anreize, Parameter zu verändern, wird der zweite Akteur ex ante wenig in die Beziehung investieren. Vermeidung von Hold-up: Sicherung von Wettbewerb nach Vertragsabschluss Dual Sourcing: Ex post kann gewählt werden. 76 Effizienzsteigerung Diversifizierung des Beschaffungsrisikos durch Dual Sourcing Im Gleichgewicht entsteht ein höheres Qualitätsniveau. Im Gleichgewicht ist ein höheres Investitionsvolumen (ex ante) gesichert. z.b. Intel: Lizenzen für Mikroprozessortechnologie IBM: Offene Architektur bei PCs 77 10

? Aus Effizienzgründen erfolgt in der Marktwirtschaft eine Konzentration der Entscheidungsbefugnis bei einem der Akteure (bei jenem, der die Kapitalgüter besitzt), weil vollständige Verträge zu kostenintensiv oder unmöglich sind. 78 Literatur: Kapitel 1 Basisliteratur TIROLE, J. (1999): Industrieökonomik, 2. Auflage, München / Wien, S. 31-81. Weiterführende Literatur GROSSMAN/HART (1986), The Costs and Benefits of Ownership: A Theory of Vertical and Lateral Integration, in: The Journal of Political Economy, Vol. 94, No. 4, S. 691-719. HART/MOORE (1985), Incomplete Contracts and Renegociation, in: Econometrica, Vol. 56, No. 4, S. 755-785. JENSEN/MECKLING (1976), Theory of the Firm: Managerial Behaviour, Agency Costs and Ownership Structure, in: Journal of Financial Economics, Vol 3, No. 4, S. 305-360. WILLIAMSON, O. (1975), Markets and Hierarchies: Analysis and Antitrust Implications. A Study in the Economics of Internal Organization, New York. VINER, J. (1932), Cost Curves and Suppply Curves, in: Journal of Econonomics, Vol 3, No.1, S. 23-46. 79 11