Sicherungsrechte an beweglichen Sachen I (9/12)

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Transkript:

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen I (9/12) (51. Kalenderwoche, 19.12. - 23.12.2016) A. Allgemeines zu Sicherungsrechten Ein Kreditgeber (= Sicherungsnehmer) verlangt Sicherheiten, um sich vorab das Risiko der Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers (= Sicherungsgeber) abzusichern. Möglichkeiten der Sicherung durch: Realsicherheiten: Personalsicherheit (Bürgschaft 765 BGB oder Gesamtschuldner 421 BGB) Realsicherheit (Pfandrechte, sonstige Sicherungsformen) Vertragliches Pfandrecht an Sachen ( 1204 ff. BGB) und Rechten ( 1273 ff. BGB) Grundpfandrechte (Hypothek, 1113 ff. BGB; Grundschuld, 1191 ff. BGB, Rentenschuld 1199 ff. BGB) Sonstige Sicherungsformen (Eigentumsvorbehalt, 449 BGB, Sicherungsübereignung, 929 S. 1, 930 BGB, Finanzierungsleasing) zu den einzelnen Sicherheiten: B: Der Eigentumsvorbehalt (EV) Schuldrechtliche Seite: Verkäufer ist gem. 449 BGB nach den allg. Regeln also nach 323 I Fall 1 BGB zum Rücktritt berechtigt Wichtige Ausnahme: 216 II 2 BGB; Trotz Verjährung der Kaufpreisforderung ist ein Rücktritt möglich; Ausnahme zu 218 BGB Dingliche Seite: Wichtig: Dingliche Einigung steht im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung 158 I BGB vollständiger Kaufpreiszahlung. Entstehen eines Anwartschaftsrechts gem. 161 BGB Vorbehaltsverkäufer ist mittelbarer Besitzer i.s.d. 868 BGB Der Käufer ist zunächst nur auf Zeit gegenüber Verkäufer zum Besitz berechtigt. Der Verkäufer hat potenziellen Herausgabeanspruch aus 449 II, 323 IFall 1, 346 I BGB. Mit jeder Zahlung erkennt der Käufer den Verkäufer als Oberbesitzer an Besitzmittlungswille (+) Gefahren für den Verkäufer bei EV: Der Käufer übereignet an einen gutgl. Dritten, 929, 932 ff. BGB. Der Käufer verarbeitet die Sache und erwirbt damit gem. 950 BGB Eigentum. 1

I. Die sog. Eigentumsvorbehaltsschleife 1 Zur konsequenten Verdeutlichung gegenüber dem Korrektor, dass man das Abstraktionsprinzip verstanden hat, ist es erforderlich, dass präzise dargestellt wird, wie der Eigentumsübergang beim EV funktioniert. Der Eigentumsvorbehalt muss sowohl im schuldrechtlichen Kaufvertrag sowie in der sachenrechtlichen Übereignung vereinbart werden. V verkauft an K unter EV. Hat V auch Eigentum erworben? Prüfungspunkt im Gutachten: 929 S. 1 BGB, dingliche Einigung Einigung ist ein dinglicher Vertrag, bestehend aus zwei übereinstimmenden WE, gerichtet auf die Übertragung des Eigentums. (P) Wirksamkeit der Einigung? Im Gutachten wäre folgendes auszuführen: 1 Fraglich ist, ob die dingliche Einigung wirksam ist. Problematisch ist hier, dass die Parteien einen Eigentumsvorbehalt vereinbart haben. In diesem Falle bestimmt 449 I BGB, dass die dingliche Einigung des 929 BGB im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung ( 158 I BGB) vollständiger Kaufpreiszahlung steht, also die Parteien, wenn sie sich auch gem. 929 BGB einigen, die Vereinbarung einer derartigen aufschiebenden Bedingung wünschen. Gründe, die diese Zweifelsregelung des 449 BGB widerlegen, sind nicht ersichtlich. Daher hängt die Wirksamkeit der Einigung gem. 158 I BGB von der vollständigen Kaufpreiszahlung ab. FRAGE: Zahlung vollständig erfolgt? Wenn (-) Einigung noch nicht wirksam und daher kein Eigentumsübergang V an K. 1 vgl. Soltner, Jura Intensiv Repetitorium UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, SSK, Soltner, Dr. Schweinberger & Dr. Kues, Zivilrecht/ Sachenrecht I/ Eigentumsvorbehalt, Schwerpunkte: Dingliche Einigung und aufschiebende Bedingung, Unterlagen zum Examenskurs 1. Prüfung. 2

II. Das Anwartschaftsrecht (AWR) 2 Aus 161 I BGB ist zu schließen, dass die Position des Berechtigten während der Schwebezeit durch die sog. Anwartschaft geschützt ist. Derjenige, der eine Sache unter aufschiebender Bedingung erwirbt, erhält demnach eine derart gesicherte Rechtsposition, die ihm ohne eigenes Zutun nicht wieder entzogen werden kann. Voraussetzung für ein AWR ist demnach, dass ein unter aufschiebender Bedingung stehender Erwerbstatbestand der 929 ff. BGB ansonsten vollständig erfüllt ist. Beim AWR handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH um eine Vorstufe des Eigentums, ein sog. wesensgleiches Minus 3, wohingegen die h.l. 4 von einem beschränkt dinglichen Recht ausgeht. Def.: Ein Anwartschaftsrecht an beweglichen Sachen entsteht, wenn bei einem mehraktigen Erwerbstatbestand bereits so viele Voraussetzungen erfüllt sind, dass der Erwerb vom Eigentümer nicht mehr einseitig verhindert werden kann. Wichtige Streitfrage: Gibt AWR ein eigenes Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer? Vor allem Bedeutsam wenn ein NB wirksam ein AWR an einen gutgläubigen Dritten übertragen hat und der bisherige Eigentümer nun Herausgabe verlangt (denn hier gibt der Kaufvertrag zw. NB und Anwartschaftsberechtigten kein RzB gegenüber dem Eigentümer; Kaufverträge sind schuldrechtliche Rechtsbeziehungen, die nur inter partes wirken, keine absolute Wirkung gegenüber jedermann!) e.a. Das Anwartschaftsrecht genießt eigentumsähnlichen Schutz, warum sollte der Anwartschaftsberechtigte gezwungen sein, den Kaufpreis sofort an Vorbehaltsverkäufer zu bezahlen? a.a. Allein aus dem Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehalt kann der Anwartschaftsberechtigte ein relatives Besitzrecht gegenüber Verkäufer herleiten (inter partes) Das AWR ist vom schuldrechtlichen Geschäft abhängig und besteht nur solange, wie ein Bedingungseintritt möglich ist Anwartschaftsberechtigter ist nicht schutzwürdig, denn er kann ja jederzeit den Kaufpreis zahlen und das Anwartschaftsrecht zum Volleigentum erstarken lassen. Vor Bedingungseintritt besteht kein Bedürfnis, das Anwartschaftsrecht vor das Eigentum zu stellen Lösung: Das AWR gibt kein RzB. Nur aus dem Kaufvertrag 433, 449 i.v.m. 986 II BGB i.v.m. 242 (dolo agit) lässt sich nur ein (relatives) RzB herleiten. Die Streitfrage nach einem dinglichen Besitzrecht aus dem Anwartschaftsrecht wirkt sich nur aus, wenn derjenige, der vom Nichtberechtigten gutgläubig ein Anwartschaftsrecht erworben hat, seinen Besitz gegen den dritten Eigentümer verteidigen will. Nach h.m. geht in diesem Falle mit dem AWR auch das RzB über. 5 2 vgl. Soltner, Jura Intensiv Repetitorium UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, SSK, Soltner, Dr. Schweinberger & Dr. Kues, Examenskurs/ BGB/ Sachenrecht, Schwerpunkte: Anwartschaftsrecht, Unterlagen zum Examenskurs 1. Prüfung. 3 BGH, Urt. v. 24.6.1958 VIII ZR 205/57, BGHZ 28, 16. 4 MüKoBGB/Westermann BGB 7. Aufl. 2015 161 Rn. 2-6. 5 MüKoBGB/Baldus BGB 7. Aufl. 2016 986 Rn. 15ff. 3

III. Erwerbstatbestände Übertragung des Anwartschaftsrechts 6 1. Ersterwerb des AWR vom Berechtigten Erwerber lässt sich die Sache vom Eigentümer unter aufschiebender Bedingung gem. 929, 158 I BGB übereignen. Mit Übergabe der Sache erwirbt er ein AWR. Das AWR erstarkt gem. 929, 161 I 1 BGB zum Vollrecht, wenn der Kaufpreis vollständig beglichen wird. Ersterwerb des AWR vom Berechtigten 1. Einigung i.s.d. 929 BGB zwischen Veräußerer und Erwerber unter aufschiebender Bedingung gem. 158 I BGB 2. Übergabe 3. Einigsein bei Übergabe 4. Berechtigung 2. Ersterwerb des AWR vom Nichtberechtigten Der Erwerber hält den nichtberechtigten Veräußerer redlich für den Eigentümer und lässt sich die Sache unter aufschiebender Bedingung gem. 929, 158 I BGB übereignen. Er erwirbt dann analog 932 I BGB das AWR vom NB mit Übergabe der Sache!! Das AWR kann gem. 932 I, 929 1, 161 I 1 BGB zum Vollrecht erstarken, wenn Kaufpreis vollständig bezahlt wird. Ersterwerb des AWR vom NB 1. Rechtsgeschäft i.s.e. Verkehrsgeschäfts = Verkehrsgeschäft gem. 929 ff. BGB durch einen NB a. Einigung i.s.d. 929 BGB zwischen Veräußerer und Erwerber unter aufschiebender Bedingung gem. 158 I BGB b. Übergabe c. Einigsein bei Übergabe d. Nichtberechtigung des Veräußerers 2. Rechtsschein der Berechtigung zu Gunsten des Veräußerers gem. 1006 I BGB 3. Guter Glaube des Erwerbers, 932 II BGB 4. Kein Abhandenkommen, 935 BGB 6 vgl. Soltner, Jura Intensiv Repetitorium UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, SSK, Soltner, Dr. Schweinberger & Dr. Kues, Examenskurs/ BGB/ Sachenrecht, Schwerpunkte: Anwartschaftsrecht, Unterlagen zum Examenskurs 1. Prüfung. 4

3. ZWEITerwerb des AWR vom Berechtigten Der Anwartschaftsberechtigte kann sein AWR nach h.m. analog 929ff BGB übertragen. 7 Zweiterwerb des AWR vom Berechtigten 1. Einigung über die Übertragung eines AWR 2. Übergabe bzw. Übergabesurrogat 3. Einigsein bei Übergabe(surrogat) 4. Berechtigung zur Übertragung des AWR hier: Prüfung des ursprünglichen Erwerbstatbestands (Ersterwerb) des Veräußerers 4. Zweiterwerb des AWR vom NB Ohne die Möglichkeit des gutgläubigen Ersterwerbs könnte das AWR seinen wirtschaftlichen Zweck, die Eigentumsfunktionen zwischen Vorbehaltsverkäufer und Käufer aufzuspalten, nicht erfüllen. Diese Fallkonstellation ist jedoch umstritten. Da sich der Veräußerer gegenüber dem Erwerber als Anwartschaftsberechtigter und gerade nicht als Eigentümer präsentiert, ist eigentlich der gute Glaube des Erwerbers an die Eigentümerstellung des Veräußerers nach 932 II zerstört. Die h.m. sieht das Vertrauen des Erwerbers als schutzwürdig an und vertritt daher die Rechtsauffassung, dass der Rechtsschein des Eigentums zugleich den Rechtsschein eines tatsächlich bestehenden AWR umfasst. 8 Folglich sind die Vorschriften des 932 II BGB analog anzuwenden. Zweiterwerb des bestehenden AWR vom NB 1. Rechtsgeschäft i.s.e. Verkehrsgeschäfts = Verkehrsgeschäft analog 929 ff. BGB durch einen NB a. Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber über die Übertragung eines AWR b. Übergabe c. Einigsein bei Übergabe d. Nichtberechtigung des Veräußerers = kein AWR des Veräußerers 2. Rechtschein der Berechtigung analog 1006 BGB 3. Guter Glaube des Erwerbers analog 932 II BGB 4. Kein Abhandenkommen beim wahren Anwartschaftsberechtigten, 935 I BGB Achtung: Besteht nur vermeintlich ein AWR, tatsächlich jedoch nicht, ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen. Wenn ein AWR nicht existiert, kann kein Erwerb stattfinden. Was nicht existiert, kann nicht erworben werden. Mangels Bedingung, welche eintreten könnte, kann auch nichts zum Vollrecht erstarken. Der Erwerber eines nicht existenten AWR ist weniger schutzwürdig, da dieser nur an ein bedingtes Recht geglaubt hat. 1006 BGB kann keinen Rechtsschein für eine nicht existente Rechtsstellung erzeugen. Ein gutgläubiger Erwerb scheidet demnach im Falle eines nur vermeintlich bestehenden AWR aus. 7 Siehe dazu insbesondere BGH, Urt. v. 22.2.1956 IV ZR 164/55, BGHZ 20, 88. 8 Lies dazu: MüKoBGB/Oechsler BGB 7. Aufl. 2016 929 Rn. 17ff., 932 Rn. 19ff.! 5

B. Lösungen der Übungsfälle Fall 1: Lösungshinweise Vorüberlegungen: B will sich darauf verlassen können, dass das AWR unter den zwischen ihr und K vereinbarten Konditionen zum Vollrecht erstarkt. Andernfalls wäre das AWR als sicherungsrecht wirtschaftlich wertlos. V will demgegenüber so lange Eigentümer der LKW bleiben, bis seine Forderungen gegen K vollständig erfüllt sind. Anspruch des B gegen V auf Herausgabe der Lastkraftwagen aus 985 BGB I. Eigentümer B müsste Eigentümerin der LKW sein. Ursprünglich war V Eigentümer der LKW, 1006 BGB. 1. Verlust des Eigentums an K K könnte von V ein Anwartschaftsrecht an den LKW erworben haben (Schritt 1), welches anschließend zum Vollrecht erstarkt ist (Schritt 2). Def.: Ein Anwartschaftsrecht an beweglichen Sachen entsteht, wenn bei einem mehraktigen Erwerbstatbestand bereits so viele Voraussetzungen erfüllt sind, dass der Erwerb vom Eigentümer nicht mehr einseitig verhindert werden kann. Das Anwartschaftsrecht wird als wesensgleiches Minus zum Eigentum gem. 929 ff. BGB erworben. a. Ersterwerb des AWR durch K (Schritt 1) aa. Dingliche Einigung gem. 929 1, 158 I BGB V und K haben sich darüber geeinigt, dass das Eigentum an den LKW aufschiebend bedingt durch die KP-Zahlung auf K übergehen soll. Achtung: hier Eigentumsvorbehaltsschleife! 9 Fraglich ist, ob die dingliche Einigung wirksam ist. Problematisch ist hier, dass die Parteien einen Eigentumsvorbehalt vereinbart haben. In diesem Falle bestimmt 449 I BGB, dass die dingliche Einigung des 929 BGB im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung ( 158 I BGB) vollständiger Kaufpreiszahlung steht, also die Parteien, wenn sie sich auch gem. 929 BGB einigen, die Vereinbarung einer derartigen aufschiebenden Bedingung wünschen. Gründe, die diese Zweifelsregelung des 449 BGB widerlegen, sind nicht ersichtlich. Daher hängt die Wirksamkeit der Einigung gem. 158 I BGB von der vollständigen Kaufpreiszahlung ab. In vorliegendem Falle ist die Zahlung noch nicht vollständig erfolgt. Somit ist die Einigung noch nicht wirksam und der Eigentumsübergang (und folglich auch die Erstarkung zum Vollrecht) noch nicht erfolgt. bb. Übergabe, 929 S. 1 BGB (+) cc. Einigsein bei Übergabe (+) dd. Berechtigung des V (+) ee. Möglichkeit des Bedingungseintritts (+) b. Zwischenergebnis: Zur Vollendung des Eigentumserwerbs fehlt allein die Zahlung durch K. K hat allerdings ein AWR an den LKW erworben. 9 Soltner, Jura Intensiv Repetitorium UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, SSK, Soltner, Dr. Schweinberger & Dr. Kues, Zivilrecht/ Sachenrecht I/ Eigentumsvorbehalt, Schwerpunkte: Dingliche Einigung und aufschiebende Bedingung, Unterlagen zum Examenskurs 1. Prüfung. 6

c. Übertragung des AWR auf B hier zu prüfen: Zweiterwerb Das AWR wird als "wesensgleiches Minus" zum Eigentum gem. 929ff. BGB analog übertragen. aa. Dingliche Einigung zwischen K und B über die Übertragung des AWR an den LKW gem. 929, 930 BGB bb. Übergabesurrogat i.s.v. 930 BGB aaa. Rechtsverhältnis auf Zeit Kraft dessen der Veräußerer gegenüber dem Erwerber zum Besitz berechtigt ist. (+), hier SiV bbb. Potenzieller Herausgabeanspruch des Erwerbers gegen den Veräußerer (+), aus dem SiV ccc. Besitzmittlungswille des Besitzmittlers (+), vermutet Die Übergaben fanden hier analog 930 BGB statt, indem K und B mit dem SiV (Sicherungsvertrag) ein Besitzmittlungsverhältnis i.s.v. 868 BGB vereinbart haben. cc. Einigsein bei Vereinbarung des Besitzkonstituts (+) dd. Berechtigung des K Als Inhaber des AWR war K zur Übertragung des AWR berechtigt (Ersterwerb s.o.). ee. Möglichkeit des Bedingungseintritts (+) d. Zwischenergebnis: B hat das AWR wirksam von K erworben. 2. Erstarken des AWR zum Vollrecht (Schritt 2) B ist nur Eigentümerin der LKW geworden, sofern die Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung eingetreten ist. a. Bedingung vom 2.1.2009 Ursprünglich hatten V und K vereinbart, dass das Eigentum an den Lastkraftwagen mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises auf K übergehen soll. Diese Bedingung ist am 1.12.2009 eingetreten b. Auswirkungen der späteren Vereinbarung V und K Am 3.7.2009 hatten V und K vereinbart, dass sich der Eigentumsvorbehalt auch auf die Verpflichtungen des K aus dem Mietvertrag erstrecken soll (P) Konnte diese nachträgliche Vereinbarung Auswirkungen auf die Rechtstellung des Anwartschaftsberechtigten B haben? e. A. a.a. Das ursprüngliche Schuldverhältnis (hier V K) bleibt auch nach der Übertragung des Anwartschaftsrechts als Rahmenbeziehung bestehen. Dem Erwerber des AR kann diese Position zwar nicht einseitig entzogen werden, die ursprünglichen Parteien können jedoch die Bedingung modifizieren. Nach Übertragung des AWR fehlt den ursprünglichen Parteien die Rechtszuständigkeit, um nachträglich wirksam Änderungen des Eigentumserwerbs zu vereinbaren. Somit: stellt die nachträgliche Vereinbarung eine Verfügung über das AWR durch Nichtberechtigten dar, deren Wirksamkeit von 185 BGB abhängt. Arg.: Vertrag zu Lasten Dritter Ergebnis: Die nachträgliche Erweiterung des Eigentumsvorbehalts ist unwirksam. c. Zwischenergebnis: Die ursprüngliche Bedingung vom 2.1.2009 trat am 1.12.2009 ein. Die nachträgliche Abänderung der Bedingung hat hierauf keinen Einfluss. Folglich ist das AWR am 1.12.2009 zum Vollrecht erstarkt. 3. Zwischenergebnis: Nach Erstarken zum Vollrecht ist B Eigentümerin der LKW geworden. 7

II. Besitzer V III. Kein RzB, 986 BGB (+) Ergebnis: B kann von V die Herausgabe der LKW verlangen. Fall 2: 10 Lösungshinweise Anspruch des O gegen K auf Herausgabe des Fahrrades gem. 985 BGB I. Eigentümer Ursprünglich war O Eigentümer des Fahrrades, 1006 II BGB 1. Verlust des Eigentums an K? a. 929 S. 1 BGB scheidet von vornherein aus, da N im eigenen Namen aufgetreten ist und kein Bargeschäft des täglichen Lebens vorliegt (Stellvertretung). b. 929 S. 1, 932 BGB aa. Dingliche Einigung über die Eigentumsübertragung hier: Eigentumsvorbehaltsschleife!! 11 Fraglich ist, ob die dingliche Einigung wirksam ist. Problematisch ist hier, dass die Parteien einen Eigentumsvorbehalt vereinbart haben. In diesem Falle bestimmt 449 I BGB, dass die dingliche Einigung des 929 BGB im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung ( 158 I BGB) vollständiger Kaufpreiszahlung steht, also die Parteien, wenn sie sich auch gem. 929 BGB einigen, die Vereinbarung einer derartigen aufschiebenden Bedingung wünschen. Gründe, die diese Zweifelsregelung des 449 BGB widerlegen, sind nicht ersichtlich. Daher hängt die Wirksamkeit der Einigung gem. 158 I BGB von der vollständigen Kaufpreiszahlung ab. In vorliegendem Falle ist die Zahlung noch nicht vollständig erfolgt. Somit ist die Einigung noch nicht wirksam und der Eigentumsübergang (und folglich auch die Erstarkung zum Vollrecht) noch nicht erfolgt. c. Anwartschaftsrecht (Schritt 1), das zum Vollrecht erstarkt ist (Schritt 2) K könnte jedoch ein AWR erworben haben (Schritt 1), welches zum Vollrecht (Eigentum) erstarkt ist (Schritt 2). Schritt 1: gutgläubiger Erwerb des AWR von N gem. 929 S. 1, 158 I, 932 BGB aa. Rechtsgeschäft i.s.e. Verkehrsgeschäfts = Verkehrsgeschäft i.s.v. 929 ff. BGB durch einen NB aaa. Einigung V und K unter aufschiebender Bedingung gem. 929, 158 I BGB bbb. Übergabe ccc. Einigsein bei Übergabe ddd. Berechtigung (-), K ist nicht Eigentümer des Fahrrades und somit NB bb. Rechtsschein der Berechtigung zu Gunsten des Veräußerers, 1006 I BGB (+) cc. Guter Glaube des Erwerbers, 932 II BGB dd. Kein Abhandenkommen, 935 BGB Zwischenergebnis: K hat vorliegend gutgläubig ein AWR an dem Fahrrad erworben 10 Nach Koch/Löhnig, Fälle zum Sachenrecht, Beck Verlag, München 2008 11 Soltner, Jura Intensiv Repetitorium UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, SSK, Soltner, Dr. Schweinberger & Dr. Kues, Zivilrecht/ Sachenrecht I/ Eigentumsvorbehalt, Schwerpunkte: Dingliche Einigung und aufschiebende Bedingung, Unterlagen zum Examenskurs 1. Prüfung. 8

d. Kein Erlöschen des AWR Das AWR besteht nur solange, wie die Bedingung noch eintreten kann. Durch einen wirksamen Rücktritt des N vom KV könnte sich dieser in ein Abwicklungsverhältnis gewandelt haben. Voraussetzung wäre, dass N gem. 346 I, 323 BGB wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist. aa. Vorliegen eines Rücktrittsgrundes aaa. 323 I BGB (-), N hat keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt bbb. 323 II Nr. 2 BGB (-), N hat bei Vertragsschluss nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden ist. bb. Zwischenergebnis: Vorliegen eines Rücktrittsgrundes (-) Das AWR des K ist folglich nicht durch den Rücktritt des N erloschen. e. Schritt 2: Erstarken des AWR zum Vollrecht Mit Zahlung der letzten Rate ist die Bedingung der dinglichen Einigung zwischen N und K ( 292 S. 1, 158 I BGB) eingetreten (s.o.). Ferner ist mit der Zahlung das AWR in der Person des K zum Vollrecht erstarkt. 2. Zwischenergebnis: Somit ist K zum Eigentümer des Fahrrades geworden. II. Ergebnis: O hat das Eigentum an dem Fahrrad an K verloren. Folglich hat er keinen Herausgabeanspruch gem. 985 BGB gegen K. 9