Der Post-Universaldienst in der Europäischen Union und in Deutschland UNI APRO Konferenz Manila, 28./29. Oktober 2008 1
Rolf Büttner Weltpräsident Union Network International Post und Logistik Präsident Union Network International Europe Post und Logistik 2
Die Postpolitik der Europäischen Union Ziel Öffnung des Postmarktes für den Wettbewerb zur Vollendung des Binnenmarktes in der EU Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines flächendeckenden, qualitativ hochwertigen und erschwinglichen Universaldienstes Realisierung Liberalisierung des Briefmarktes in der EU durch schrittweise Reduzierung des Monopols ( reservierbarer Bereich ) für Universaldienstanbieter Sicherstellung des Universaldienstes und eines funktionsfähigen Wettbewerbs durch Regulierung 3
Der Universaldienst in der EU Artikel 3 Postdiensterichtlinie der Europäischen Union 97/67/EG: 1. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Nutzern ein Universaldienst zur Verfügung steht, der ständig flächendeckend postalische Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer bietet. 2. Zu diesem Zweck sorgen die Mitgliedstaaten dafür, daß die Dichte der Abhol- und Zugangspunkte den Bedürfnissen der Nutzer entspricht. 4
Der Universaldienst in der EU Artikel 3 Postdiensterichtlinie der Europäischen Union 97/67/EG: 3. Sie tragen dafür Sorge, dass der (die) Anbieter der Universaldienstleistungen an allen Arbeitstagen, mindestens aber an fünf Tagen pro Woche mindestens folgende Leistungen gewährleisten: -eineabholung; -eine Hauszustellung an jede natürliche oder juristische Person 4. Jeder Mitgliedstaat erläßt die erforderlichen Maßnahmen, damit der Universaldienst mindestens folgendes Angebot umfasst: Abholung, Sortieren, Transport und Zustellung von Postsendungen bis 2 kg; Abholung, Sortieren, Transport und Zustellung von Postpaketen bis 10 kg; die Dienste für Einschreib- und Wertsendungen. Zustellung grenzüberschreitender Postpakete bis 20 kg 5
Der Universaldienst in der EU Die Regelungen zum Universaldienst in der 3. EU- Postdiensterichtlinie 2008/06/EG Umfang und Qualität des Universaldienstes bleiben unverändert Die Mitgliedstaaten sind für die Gewährleistung des Post- Universaldienstes verantwortlich. Dabei ist eine Verpflichtung des traditionellen Postunternehmens zur Erbringung des Universaldienstes nicht mehr obligatorisch, d.h. Universaldiensterbringung erfolgt betreiberneutral Zur Finanzierung des Universaldienstes dürfen dem Universaldiensteanbieter keine Monopolrechte ( reservierte Bereiche ) mehr gewährt werden. 6
Die Finanzierung des Universaldienstes in der EU Bis 2010: Finanzierung des Universaldienstes durch reservierten Bereich Soweit es für die Aufrechterhaltung des Universaldienstes notwendig ist, kann jeder Mitgliedstaat folgende Dienste für den (die) Anbieter von Universaldienstleistungen reservieren: Abholung, Sortieren, Transport und Zustellung von Inlandsbriefsendungen,..., mit einem Gewicht von weniger als...gramm (Art. 7 EU-Richtlinie 97/67/EG) Ab 2011/2013: Finanzierung des Universaldienstes durch marktkonforme Mechanismen im Wettbewerb Die Mitgliedstaaten gewähren für die Einrichtung und die Erbringung von Postdiensten keine ausschließlichen oder besonderen Rechte mehr und erhalten diese auch nicht mehr aufrecht. Die Mitgliedstaaten können die Bereitstellung der Universaldienste unter Anwendung eines oder mehrerer der... genannten Verfahren oder anderer, mit dem Vertrag in Einklang stehender Verfahren finanzieren. (Art. 7 EU-Richtlinie 2008/6/EG) 7
Regulierung des Universaldienstes in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten: Umfang des Universaldienstes Trotz der EU-weiten Harmonisierung des Universaldienstangebots gibt es beträchtliche Unterschiede bezüglich des Umfangs des Universaldienstangebots: Universaldienstangebot oberhalb der Mindestvorgaben der EU: z.b. Blindensendungen, Post-Zahlungsanweisungen, Nachnahmesendungen, Eilzustellung AT, DE, DK, HU, ES, PL, SE Universaldienstangebot unterhalb der EU-Vorgaben: z.b. keine Pressesendungen im Universaldienst CZ, LT, SK, FI, UK, IT, NL, PL Universaldienstangebot entspricht den EU-Vorgaben: BE, FR, IE, PT 8
Regulierung des Universaldienstes in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten: Zustellhäufigkeit Zustellhäufigkeit Länder 6 Arbeitstage pro Woche DE, DK 1), FI, ES 2), FR, HU, IT 2), NL, PT, UK 5 Arbeitstage pro Woche AT, BE, CZ, IE, LT 3), PL, SE, SK 1) Nur Briefpost 2) de-jure 5 Arbeitstage pro Woche, de-facto 6 Arbeitstage pro Woche 3) In Städten Zustellung an 6 Wochentagen 9
Regulierung des Universaldienstes in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten: Zugang zum Postnetz Hohe Anforderungen Dichte des Postfilialnetzes wird durch detaillierte Vorgaben zur Anzahl (Mindestanzahl, Anzahl pro Gemeinde) und Verteilung (Zugangspunkte pro Einwohner oder Fläche) der Annahmestellen geregelt DE, HU, LT, PL Keine Dichtkriterien, aber umfassende Eingriffsrechte der Regulierungsbehörde bei Veränderungen im Postfilialnetz AT, PT, SE Hohe struktur- und regionalpolitische Anforderungen an Dichte des Postfilialnetzes und/oder umfassende Beteiligungsrechte der Regionalund Kommunalpolitik AT, FR Zusätzliche Auflage zum Erhalt eigenbetriebener Annahmestellen BE, DE, NL 10
Regulierung des Universaldienstes in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten: Zugang zum Postnetz Mittlere Anforderungen Vergleichsweise großzügige (Entfernungs)Kriterien UK, DK, FI, CZ, SK Geringe Anforderungen Keine Dichtekriterien, kaum Einflussmöglichkeiten der Regulierungsbehörde IT, IE, ES Fast alle Universaldienstanbieter sind bestrebt, die Kosten des Postfilialnetzes zu reduzieren. In den meisten Ländern wurde die Anzahl der Postfilialen auf das Mindestmaß verringert In fast allen Mitgliedstaaten werden - sofern zulässig - zunehmend Postfilialen des Incumbents durch externe Postagenturen ersetzt 11
Regulierung des Universaldienstes: Preisgestaltung des Universaldienstes In allen EU-Ländern gelten für die meisten Universaldienstleistungen landesweit einheitliche Preise ( Tarifeinheit im Raum ) Alle untersuchten EU-Mitgliedstaaten haben den Incumbent zur Beachtung der Prinzipien der Erschwinglichkeit und der Kostenorientierung bei der Preisgestaltung für Universaldienstleistungen verpflichtet. Dem Grundsatz der Erschwinglichkeit wird in den meisten der untersuchten EU-Mitgliedstaaten durch die Festlegung von Preisobergrenzen für Universaldienstleistungen Rechnung getragen Preisobergrenzen für den gesamten Universaldienst BE, CZ, IT, LT, NL, UK, FR, SK Preisobergrenzen für Teile des Universaldienstes DK. PT, IE, AT, ES, HU (alle reservierter Bereich), SE (Einzelbriefsendungen bis 500 g), DE (Briefe bis 1000 g) 12
Der Post-Universaldienst in Deutschland Leistungsumfang Briefsendungen bis 2 kg (einschließlich Werbesendungen) Wertbrief, Einschreiben, Eilbrief, Nachnahme Paketsendungen bis 20 kg Pressesendungen (Zeitungen, Zeitschriften) Qualitätsvorgaben Annahme- und Einsammelnetz (Filialen, Briefkästen) Laufzeitvorgaben (E+1, E+2) Zustellfrequenz: Zustellung an sechs Werktagen Zustellform: Zustellung an der Haustür des Empfängers 13
Der Post-Universaldienst in Deutschland Preisvorgaben Erschwinglicher Preis für alle Briefsendungen. Als Kriterium der Erschwinglichkeit von Postdienstleistungen gilt das reale Preisniveau zum 31.12.1997 Für Großteil von Postdienstleistungen gilt ein Einheitstarif Selbstverpflichtung der Deutschen Post zur Aufrechterhaltung eines dichten Filial- und Briefkastennetzes bis Ende der Exklusivlizenz (31.12.2007) Bereitstellung einer stationären Einrichtung in Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern Aufrecherhaltung von mindestens 12.000 Postfilialen, davon 5.000 mit eigenem Personal Mindestöffnungszeiten bei Kleinstfilialen Angebot sämtlicher Brief- und Paketprodukte in allen Postfilialen Festschreibung von 108.000 Briefkästen 14
Die Entwicklung des Post-Universaldienst in Deutschland nach der Liberalisierung Geplante regulatorische Änderungen bei Umfang und Qualität des Universaldienstes, u.a. Aufweichung der Dichtekriterien bei Postfilialen Aufhebung der Verpflichtung der Deutschen AG zum Betrieb von Postfilialen mit eigenem Personal Reduzierung des verpflichtenden Dienstleistungsangebots für kleine Postfilialen / Postagenturen Reduzierung des Universaldiensteangebots auf das von der EU geforderte Mindestmaß Änderung der Post-Universaldienstleistungsverordnung der Bundesregierung bis dato noch nicht verabschiedet 15
Die Entwicklung des Post-Universaldienst in Deutschland nach der Liberalisierung Universaldienst soll durch Wettbewerb erbracht werden. Die Deutsche Post AG hat jedoch angekündigt, auch unter Bedingungen der vollständigen Marktöffnung einen flächendeckenden Universaldienst anzubieten. Umsatzsteuerbefreiung für Universaldienstleistungen soll künftig nur noch für Privatkundenprodukte gelten, also für Einzelbriefsendungen und Paketsendungen bis 10 kg. Deutsche Post will zunehmend eigenbetriebene Postfilialen durch Agenturen, Kooperationen mit Handelsketten und Selbstbedienungseinrichtungen / Automaten ersetzen. 16
Erfahrungen und Probleme mit der Liberalisierung: Auswirkungen auf den Universaldienst Mit der Liberalisierung kommen der Umfang, die Qualität und die Preise des Universaldienstes unter Druck Klein- und Privatkunden werden bei einer Liberalisierung des Postsektors von steigenden Preisen und einer Verschlechterung der postalischen Versorgung, insbesondere beim Zugang zu Postschaltern und Briefkästen, ausgehen müssen. Die Vorteile einer Marktöffnung konzentrieren sich fast ausschließlich auf Großversender, die im Zuge des Wettbewerbs bei Massensendungen mit sinkenden Preisen rechnen können. 17
Erfahrungen und Probleme mit der Liberalisierung: Finanzierung des Universaldienstes Ohne den reservierten Bereich kann die Quersubventionierung zwischen profitablen und nicht profitablen Bereichen des Postnetzwerks und somit die Finanzierung des flächendeckenden Universaldienstes nicht länger garantiert werden. Verschiedene Methoden, der wettbewerbsneutralen Finanzierung des Universaldienstes (Ausgleichsfonds, Öffentliche Ausschreibung, etc.) haben gemeinsam, dass sie bislang im Postsektor nicht erprobt sind. 18