Leitlinienrecherche und -bewertung für das DMP Adipositas

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Transkript:

Leitlinienrecherche und -bewertung für das DMP Adipositas Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Hintergrund Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat mit Beschluss vom 19.12.2006 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, für ein zukünftiges Disease-Management-Programm (DMP)-Modul Adipositas den Sachstand von entsprechenden Leitlinien aufzuarbeiten. Fragestellung Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, durch eine systematische Recherche aktueller evidenzbasierter Leitlinien und eine Synopse der extrahierten Empfehlungen grundlegende Informationen für die Erstellung eines DMP-Moduls Adipositas bereitzustellen. Die Untersuchung gliederte sich in folgende Arbeitsschritte: Recherche und Auswahl evidenzbasierter aktueller Leitlinien zum Thema Adipositas, die auf das deutsche Gesundheitswesen übertragbar sind Bewertung der methodischen Qualität der ausgewählten Leitlinien Extraktion, Synthese und Auflistung der Empfehlungen der eingeschlossenen Leitlinien Dokumentation der Evidenz, auf der die extrahierten Empfehlungen laut Leitlinie(n) beruhen Identifikation methodisch relevanter Empfehlungen Ziel der Untersuchung war es nicht, Empfehlungen im Sinne einer Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) abzugeben. Die Empfehlungen aus den Leitlinien sind somit als Zitate zu verstehen, deren zugrunde liegende Evidenz als solche nicht erneut geprüft wird. Methoden Über die Leitliniendatenbanken Leitlinien.de und Guidelines International Network (G-I-N) sowie in den bibliografischen Datenbanken MEDLINE und EMBASE erfolgte eine systematische Recherche nach Adipositas-Leitlinien. Durch den G-BA-Auftrag vorgegebenes Einschlusskriterium war der Publikationszeitraum 2002 bis Oktober 2007. Darüber hinaus waren die wesentlichsten Einschlusskriterien die Publikationssprachen Deutsch, Englisch und Französisch sowie die dokumentierte Evidenzbasierung der Leitlinie. Die Evidenzbasierung der Leitlinie stützte sich auf die folgenden 3 Kriterien: Es musste für die Erstellung der Leitlinie eine systematische Recherche nach Primär- / Sekundärliteratur erfolgt sein, die Empfehlungen mussten in ihrer Mehrheit mit den Referenzen der ihnen zugrunde liegenden Primär- / Sekundärliteratur hinterlegt und mit einer Evidenz-und / oder Empfehlungseinstufung (Level of Evidence [LoE] und / oder Grade of Recommendation [GoR]) verbunden sein. Die eingeschlossenen Leitlinien wurden mithilfe des Deutschen Instrumentes zur methodischen Leitlinienbewertung (DELBI) bewertet und die Empfehlungen extrahiert. Für die Synthese wurden alle Empfehlungen der eingeschlossenen Leitlinien extrahiert, die sich auf adipöse Erwachsene beziehen. Als Empfehlungen wurden diejenigen Aussagen identifiziert, die von den Autoren der Leitlinie explizit als Empfehlungen gekennzeichnet wurden oder wenn Empfehlungen nicht explizit aufgeführt wurden Aussagen, die aufgrund der sprachlichen Darstellung als Empfehlungen identifiziert werden konnten. Anschließend wurden die Empfehlungen, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Seite 1 von 5

unterschieden in RCT-basierte und nicht RCT-basierte Empfehlungen, in einem Fließtext zusammenfassend dargestellt. Ergebnisse Insgesamt wurden 10 evidenzbasierte Leitlinien eingeschlossen, bewertet und deren Empfehlungen extrahiert. Die eingeschlossene deutsche Leitlinie ist in Zusammenarbeit der Deutschen Adipositas- Gesellschaft (DAG), der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) herausgegeben worden und bildet umfangreich die gesamte Versorgung der Adipositas ab. Weitere 3 eingeschlossene Leitlinien stammen aus dem europäischen Raum und 6 Leitlinien aus den USA, Australien und Kanada. Die DELBI-Bewertungen haben gezeigt, dass es durchaus Potenzial für Verbesserungen in der Dokumentation der Leitlinienerstellung gibt, insbesondere in den Bereichen Beteiligung von Interessengruppen (DELBI-Domäne 2) und Generelle Anwendbarkeit der Leitlinie (DELBI-Domäne 5), aber auch im Bereich der methodologischen Exaktheit der Leitlinienentwicklung (DELBI-Domäne 3). Obwohl Leitlinien den eigenen Angaben zufolge auf einer systematischen Literaturrecherche beruhen und Kriterien zum Einschluss der Primärliteratur vorliegen, sind häufig weder die Recherchen (z. B. durch die Angabe eines Rechercheprotokolls) noch die Einschlusskriterien ausreichend dokumentiert. Auch das methodische Vorgehen bei der Adaptation anderer Leitlinien ist oft unzureichend beschrieben. Auffällig ist, dass fast alle Leitlinienersteller unterschiedliche Systeme zur Evidenz- und / oder Empfehlungsgraduierung verwenden, wodurch eine vergleichende Betrachtung von Empfehlungen aus unterschiedlichen Leitlinien erschwert wird. Bei allen eingeschlossenen Leitlinien wurden die Empfehlungen einschließlich des Empfehlungsgrads und / oder des Evidenzgrads sowie die zur Empfehlung zitierte Literatur extrahiert und anhand der Versorgungsaspekte (Diagnostik, Therapie [einschließlich präventiver Maßnahmen], psychosoziale Betreuung und Beratung, Versorgungskoordination, Qualitätsindikatoren der Adipositastherapie) dargestellt. Innerhalb der Versorgungsaspekte werden RCT-basierte und nicht RCT-basierte Empfehlungen getrennt voneinander dargestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für potenziell wichtige Versorgungsaspekte, je nach Fragestellung, keine Daten aus RCTs zur Verfügung stehen können. Für die Zuordnung zu RCT-basierten bzw. nicht RCT-basierten Empfehlungen wurden die von den Leitlinienautoren zugewiesenen Evidenzlevel genutzt. Eine erneute Bewertung der Qualität der einzelnen Studien, die den Empfehlungen zugrunde liegen, wurde nicht durchgeführt. Diagnostik RCT-basierte Empfehlungen: Die Berechnung des BMI wird von einer Leitlinie mit einem RCTbasierten Evidenzlevel belegt. Weiterhin empfehlen 4 Leitlinien, eine sorgfältige Anamnese zu erheben. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: 6 Leitlinien empfehlen die Berechnung des BMI sowie die Messung des Taillenumfangs. Alle 6 Leitlinien wenden das Gewichtsklassifikationsschema der WHO an. Dabei betonen 3 Leitlinien, dass der BMI bei älteren Patienten mit Vorsicht interpretiert werden sollte, da dieser nicht immer konkrete Aussagen zum Vorliegen einer Adipositas zulässt. Weitere Empfehlungen beziehen sich auf die Abschätzung des Gesamtrisikos des Patienten für metabolische und kardiovaskuläre Komplikationen. Darüber hinaus enthalten die Leitlinien weitere detaillierte Empfehlungen zur Anamnese und Diagnostik. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Seite 2 von 5

Allgemeine Therapiemaßnahmen und Patienteninformation RCT-basierte Empfehlungen: 3 Leitlinien empfehlen, adipösen (BMI 30) sowie übergewichtigen Personen (mindestens BMI 25) mit Komorbiditäten eine Therapie zur Gewichtsreduktion anzubieten. Als Grundlage der Therapie wird in 4 Leitlinien eine Lebensstilmodifikation, bestehend aus den 3 Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie, empfohlen. Zum Versorgungsaspekt Patienteninformation konnten keine RCT-basierten Empfehlungen identifiziert werden. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: 3 Leitlinien empfehlen, die Bestandteile eines Gewichtsmanagementprogramms an die individuellen Umstände des Patienten wie Präferenzen, Motivation und Lebensstil anzupassen. Verschiedene Leitlinien empfehlen darüber hinaus, eine umfassende Information und Aufklärung der Patienten sowie die Einbeziehung von Angehörigen und Pflegekräften und nennen einen BMI-Schwellenwert, ab dem Behandlungsschritte eingeleitet werden sollten. Ernährungstherapie RCT-basierte Empfehlungen: In 4 Leitlinien wird empfohlen, dem Patienten zur langfristigen Gewichtsreduktion fettreduzierte und / oder mäßig energiereduzierte Diätformen anzubieten. Niedrig kalorische Diäten ermöglichen eine rasche Gewichtsabnahme, sind jedoch für die langfristige Ernährung nicht geeignet. 4 Leitlinien nennen den Mahlzeitenersatz als Maßnahme zur Gewichtsreduktion. Sehr niedrig kalorische Diätformen werden in 4 Leitlinien nur zur kurzfristigen Gewichtsreduktion mit empfohlen. Verschiedene Leitlinien beinhalten Empfehlungen zur Einbeziehung des sozialen Umfeldes des Patienten in die Ernährungsumstellung. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: 5 Leitlinien empfehlen, ergänzend zu den RCT-basierten Empfehlungen zu spezifischen Diätformen, die Art und Weise der Ernährungsumstellung individuell nach den Präferenzen und Lebensumständen des Patienten zu gestalten. Weiterhin enthalten die Leitlinien differenzierte Empfehlungen zu verschiedenen Aspekten der Ernährungstherapie. Bewegungstherapie RCT-basierte Empfehlungen: In 4 Leitlinien wird die Steigerung der körperlichen Aktivität sowohl zur Gewichtsreduktion als auch zur Gewichtsstabilisierung empfohlen. Weitere 2 Leitlinien betonen, dass durch die Steigerung der Alltagsaktivität auch ein positiver Effekt auf Komorbiditäten erzielt werden kann. Die Angaben zur Dauer der körperlichen Aktivität zur Gewichtsreduktion variieren zwischen mindestens 10 bis 30 Minuten an 3 Tagen der Woche und 3 bis 5 Stunden pro Woche. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: Übereinstimmend wird in 6 Leitlinien keine bestimmte Trainingsform zur Steigerung der körperlichen Aktivität empfohlen. Weiterhin werden in den Leitlinien differenzierte Empfehlungen zur Gewichtsreduktion und Gewichtserhaltung durch Bewegungstherapie gegeben. Einzelne Leitlinien geben zudem Hinweise für den Umgang mit relativer Immobilität bzw. Komorbiditäten. Verhaltenstherapie RCT-basierte Empfehlungen: Verhaltenstherapeutische Ansätze werden in 5 Leitlinien als Bestandteil einer kombinierten Therapie empfohlen. Gruppenbasierte Maßnahmen können effektiver sein als individuelle Maßnahmen. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: Einzelne Leitlinien geben allgemeine Empfehlungen zu Lernmaterialien für Patienten sowie zur Kontaktfrequenz für verhaltenstherapeutische Maßnahmen. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Seite 3 von 5

Pharmakotherapie und komplementärmedizinische Maßnahmen RCT-basierte Empfehlungen: In mehreren Leitlinien wird dargelegt, dass eine adjuvante Therapie mit Sibutramin bzw. Orlistat bei Patienten mit einem BMI 30 kg/m² oder einem BMI 27 kg/m² und bestehenden Komorbiditäten als Teil eines umfassenden Therapiekonzeptes erwogen werden kann. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: Verschiedene Leitlinien weisen auf mögliche Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie hin. Weitere Empfehlungen beziehen sich auf die Dauer und die Ansprechrate der medikamentösen Therapie. In anderen Leitlinien wird auf die ungenügende Evidenzlage zu komplementärmedizinischen Maßnahmen hingewiesen. Operative Therapie RCT-basierte Empfehlungen: 4 Leitlinien beschreiben operative Verfahren als Therapieoption bei Patienten mit einem BMI 40 bzw. bei Patienten mit einem BMI 35 und adipositasassoziierten Komorbiditäten. Weiterhin weisen 4 Leitlinien darauf hin, dass der Gewichtsverlust je nach Operationsverfahren variiert. Hinsichtlich der Wahl des operativen Zugangs erwähnen 2 Leitlinien, dass mit der laparoskopischen Herangehensweise geringere Komplikationsraten verbunden sind, aber auch der individuelle Patientenstatus in die Entscheidung mit einbezogen werden sollte. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: 5 Leitlinien empfehlen, die konservativen Maßnahmen vor einer operativen Therapie auszuschöpfen. 6 Leitlinien betonen die Notwendigkeit eines informierten Einverständnisses des Patienten. Andere Empfehlungen beziehen sich auf weitere Indikationskriterien, präoperative Untersuchungen, die operative Technik, postoperative Komplikationen, die Behandlung durch ein multidisziplinäres Team, die Nachbetreuung des Patienten, Anforderungen an die Strukturqualität operierender Einrichtungen sowie auf Verfahren der plastischen Chirurgie. Monitoring / Maßnahmen zur Gewichtsstabilisierung inklusive präventiver Maßnahmen RCT-basierte Empfehlungen: Zur Gewichtsstabilisierung wird eine fettreduzierte Kost empfohlen. Weiterhin empfiehlt eine Leitlinie, Personen, die sich für eine Tabakentwöhnung entschieden haben, ein ergänzendes Programm zur Gewichtsstabilisierung anzubieten. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: Mehrere Leitlinien betonen die Notwendigkeit einer langfristigen Ausrichtung des Therapieprogramms. Psychosoziale Betreuung und Beratung RCT-basierte Empfehlungen: Eine Leitlinie empfiehlt, nach der Indikationsstellung zu einer Therapie die Veränderungsbereitschaft des Patienten und mögliche Erfolgsbarrieren der Therapie zu erfassen. Eine weitere Leitlinie empfiehlt, Vertrauenspersonen des Patienten in den Therapieprozess einzubinden. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: 4 Leitlinien empfehlen mit nicht RCT-basiertem Evidenzlevel, nach der Stellung einer Therapieindikation die Veränderungsbereitschaft des Patienten und mögliche Barrieren zu erfassen. Weitere Leitlinien geben Empfehlungen, wie einer mangelnden Motivation des Patienten bei der initialen Untersuchung begegnet werden kann und die persönlichen Lebensumstände sowie das soziale Umfeld des Patienten berücksichtigt werden können. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Seite 4 von 5

Versorgungskoordination RCT-basierte Empfehlungen: Es konnten keine RCT-basierten Empfehlungen identifiziert werden. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: In 2 Leitlinien wird die zentrale Rolle des Hausarztes bei der Versorgungskoordination betont. Weitere Empfehlungen beziehen sich auf die Kooperation zwischen Hausärzten, Fachärzten und stationären Einrichtungen. Qualitätsindikatoren der Adipositastherapie RCT-basierte Empfehlungen: Es konnten keine RCT-basierten Empfehlungen identifiziert werden. Nicht RCT-basierte Empfehlungen: Eine Leitlinie schlägt 4 Ziele und jeweils mehrere mögliche Indikatoren für die Entwicklung von Qualitätsindikatoren vor. Fazit Die vorliegende Extraktion von Empfehlungen aus evidenzbasierten und thematisch relevanten Leitlinien ermöglicht einen Überblick über den gegenwärtigen Standard in der Versorgung adipöser erwachsener Patienten für die Entwicklung eines DMP-Moduls Adipositas. RCT-basierte Empfehlungen liegen insbesondere für die Versorgungsbereiche Ernährungstherapie, Bewegungstherapie, Verhaltenstherapie, Pharmakotherapie und Operative Therapie vor. Für die Versorgungsaspekte Diagnostik, Monitoring und Langfristige Gewichtsstabilisierung sowie Versorgungskoordination und Qualitätsindikatoren konnten dagegen kaum RCT-basierte Empfehlungen identifiziert werden. Für die Diagnostik der Adipositas wird in den Leitlinien die Messung des BMI und des Taillenumfangs und zusätzlich eine sorgfältige Anamnese empfohlen. Wirksame therapeutische Optionen sind laut den eingeschlossenen Leitlinien die Ernährungstherapie, Bewegungstherapie, Verhaltenstherapie und Pharmakotherapie sowie eine operative Therapie. Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sind die Therapieansätze der ersten Wahl und sollten, wenn möglich, kombiniert werden. Eine adjuvante Pharmakotherapie stellt entsprechend den Leitlinienempfehlungen eine Therapieoption für Patienten ab einem BMI von 30 kg/m2 bzw. für Patienten mit Komorbiditäten ab einem BMI von 27 kg/m2 dar. Eine operative Therapie der Adipositas kann laut den Leitlinien ab einem BMI von 40 kg/m2 bzw. bei Patienten mit adipositasassoziierten Komorbiditäten ab einem BMI von 35 kg/m2 empfohlen. Der deutsche Volltext ist erhältlich unter http://www.iqwig.de/download/v06-06_ab_leitlinienrecherche_und_bewertung_fuer_ein_dmp_moduls_adipositas.pdf Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Seite 5 von 5