Guter Rat zu Testament und Erbfall

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Beck-Rechtsberater im dtv 50752 Guter Rat zu Testament und Erbfall Was Erblasser und Erben wissen und beachten sollten von Dr. Guido Ubert, Johannes Hochmuth, Josef Kaspar 6., überarbeitete Auflage Verlag C.H. Beck München 2015 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 406 65835 8 Zu Inhalts- und Sachverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

V. Die Anordnung eines Vorausvermächtnisses zugunsten des Vorerben In dem Testament ist eine befreite Vorerbschaft weder ausdrücklich noch stillschweigend angeordnet. Als nicht befreite Vorerbin darf Frau Angler das Einfamilienhaus nicht veräußern, es sei denn, ihr Sohn Konrad stimmt der Veräußerung zu. Hätte Frau Angler die Stellung einer befreiten Vorerbin, wäre sie für den Verkauf des Hauses nicht auf die Zustimmung ihres Sohnes angewiesen. V. Die Anordnung eines Vorausvermächtnisses zugunsten des Vorerben Um den Interessenskonflikt zwischen dem Vorerben und dem Nacherben zu entschärfen, können dem Vorerben einzelne Nachlassgegenstände durch Vorausvermächtnis (vgl. S. 153 ff.) zugewiesen werden. Im Übrigen bleibt es bei den Beschränkungen der Vorerbschaft. Der Vorteil dieser testamentarischen Gestaltung besteht darin, dass die dem Vorerben durch Vorausvermächtnis zugewandten Gegenstände nicht den Beschränkungen der Vorerbschaft ( 2110 Abs. 2) unterliegen. Sie gehen in das Eigenvermögen des Vorerben über, so dass er selbstverständlich darüber frei verfügen kann. Der Erblasser kann dadurch die Vor- und Nacherbschaft im Ergebnis auf einzelne Nachlassgegenstände beschränken. Muster Testament Ich setze meine Ehefrau als nicht befreite Vorerbin und meinen Sohn Konrad als Nacherben ein. Zugleich erhält meine Ehefrau als Vorausvermächtnis meine sämtlichen Nachlassgegenstände, insbesondere Geldvermögen, Hausrat und Pkw, mit Ausnahme meines Einfamilienhauses, das der Nacherbfolge unterliegt. Das Vorausvermächtnis unterliegt nicht der Nacherbfolge. München, den 10. 4. 2014 Herbert Angler Die Ehefrau erhält das gesamte Vermögen von Herrn Angler zur freien Verfügung, mit Ausnahme des Einfamilienhauses. Das Haus kann sie bis zu ihrem Tod als Vorerbin zwar nutzen, darf es jedoch 139

14. KAPITEL Die Erhaltung der Nachlasssubstanz beck-shop.de nicht veräußern oder belasten. Es ist also für den Sohn Konrad als Nacherben gesichert. VI. Die Testamentsvollstreckung bei Vor- und Nacherbschaft Ist die Erhaltung der Erbschaft zugunsten des Nacherben für den Erblasser von besonderer Bedeutung, wird er sogar die Stellung des (normalen) nicht befreiten Vorerben als zu weitgehend empfinden. Um eine zusätzliche Sicherung der Vorerbschaft zu erreichen, kann er Testamentsvollstreckung für die Vorerbschaft anordnen. Dem Vorerben wird dadurch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass entzogen. Der Testamentsvollstrecker verwaltet alleine den Nachlass mit der Folge, dass der Vorerbe selbst bewegliche Gegenstände nicht mehr wirksam veräußern darf. Der Erblasser kann einen Testamentsvollstrecker auch mit der Wahrnehmung der schon während der Dauer der Vorerbschaft für den Nacherben bestehenden Kontroll-, Sicherungs- und Mitwirkungsrechte und -pflichten betrauen Anordnung der Nacherbenvollstreckung ( 2222). Der Testamentsvollstrecker ist insbesondere berechtigt, die erforderliche Zustimmung des Nacherben zur Veräußerung oder Belastung von Nachlassgrundstücken durch den Vorerben zu erteilen. Ist der Nacherbe noch minderjährig, erübrigt sich in diesem Fall die Einholung sonst erforderlicher Genehmigungen des Familiengerichts durch dessen Eltern. Muster Ich ernenne Herrn Rechtsanwalt Schweizer, ersatzweise einen anderen Rechtsanwalt seiner Kanzlei, zum Testamentsvollstrecker mit der Aufgabe, die Rechte und Pflichten meines Nacherben bis zum Eintritt des Nacherbfalls wahrzunehmen. 140

VIII. Das Testament von Eltern eines behinderten Kindes VII. Das Geschiedenentestament Setzt ein geschiedener Ehegatte die Kinder aus der geschiedenen Ehe zu seinen Erben ein, kann der Fall eintreten, dass sein ehemaliger Ehegatte gesetzlicher Erbe der Kinder bei deren vorzeitigem Tod wird. Auf diese Weise könnte das Vermögen von dem geschiedenen Ehegatten über die Kinder an den ehemaligen Gatten fließen. Wird dies nicht gewünscht, was wohl die Regel sein dürfte, kann ein so genanntes Geschiedenentestament errichtet werden. Muster Testament Ich setze meine Kinder Gerhard und Ingrid als befreite Vorerben ein. Nacherben sind jeweils diejenigen Personen, die Erben der Vorerben werden. Mein geschiedener Ehegatte kann nicht Nacherbe werden. Mit seinem Tod entfällt die Nacherbfolge, so dass die Vorerben dann Vollerben werden. Die jeweiligen Abkömmlinge eines jeden Kindes werden zu Ersatzerben eines vorverstorbenen Kindes bestimmt. München, den 10. 6. 2014 Beate Maier VIII. Das Testament von Eltern eines behinderten Kindes Eltern eines behinderten Kindes, das Leistungen aus der Sozialhilfe erhält, müssen befürchten, dass nach ihrem Tod der Sozialhilfeträger vollen Zugriff auf den Erbteil ihres Kindes nimmt. Es besteht die Gefahr, dass dem behinderten Kind für sich selbst von der Erbschaft nichts verbleibt. Um dies zu verhindern, können die Eltern ein so genanntes Behindertentestament errichten (BGH NJW 1994, 248). Sie setzen das behinderte Kind als Vorerben und einen Familienangehörigen, z. B. 141

14. KAPITEL Die Erhaltung der Nachlasssubstanz beck-shop.de ein anderes Kind, oder eine Behindertenorganisation als Nacherben ein; ferner ordnen sie Dauertestamentsvollstreckung (vgl. S. 167) für den Erbteil des behinderten Kindes an. Den Testamentsvollstrecker weisen sie an, dem behinderten Kind bestimmte Zuwendungen aus den Erträgen des Nachlasses in der Höhe zukommen zu lassen, dass sie ihm als Schonvermögen außerhalb der Leistungen der Sozialhilfe ungeschmälert zufließen. Der Vorteil dieser Gestaltung ist, dass ein Zugriff des Sozialhilfeträgers vermieden wird. Dem behinderten Kind als Vorerben fließen die Erträge aus dem Nachlass zu. Der Nachlass bleibt im Übrigen dem Nacherben erhalten. Wegen der Einzelheiten, die bei dieser Testamentsgestaltung zu beachten sind, empfiehlt es sich, einen Rechtsanwalt oder Notar hinzuzuziehen.

15. Kapitel Die Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände durch Vermächtnis I. Der Inhalt von Vermächtnissen Viele Erblasser wollen den Bedachten testamentarisch nicht als ihren Rechtsnachfolger mit allen Rechten und Pflichten und damit als Erben einsetzen, sondern ihm lediglich einen Vermögensgegenstand, z. B. ein Bankguthaben, zuwenden. In diesem Fall wendet der Erblasser dem Bedachten den Vermögensgegenstand als Vermächtnis zu ( 1939, 2147). Der Empfänger eines Vermächtnisses der Vermächtnisnehmer erhält nur einzelne Gegenstände aus dem Nachlass. In die mit der Erbenstellung verbundenen Rechte und Pflichten tritt der Vermächtnisnehmer nicht ein. Er haftet auch nicht für die Nachlassverbindlichkeiten. Das Vermächtnis wird zunächst Bestandteil der Erbschaft. Anders als die Erbschaft fällt es nicht direkt an den Begünstigten. Der Vermächtnisnehmer muss vielmehr das Vermächtnis nach dem Erbfall vom Erben herausverlangen ( 2174). Der Erblasser kann jeden beliebigen Gegenstand als Vermächtnis zuwenden, so z. B. einen bestimmten Geldbetrag, eine Eigentumswohnung, ein Wohnrecht, ein Bild usw. Die Abgrenzung von Vermächtnis und Erbenstellung ist nicht immer einfach. Werden im Testament einzelne Gegenstände zugewendet, ist nicht immer anzunehmen, dass es sich um ein Vermächtnis handelt. Die Auslegung kann ergeben, dass der Erblasser mit der 143

15. KAPITEL Die Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände Zuwendung einzelner Gegenstände, die den wesentlichen Teil seines Nachlasses ausmachen, dem Bedachten die Stellung als Erben einräumen wollte (vgl. S. 123). Den vom Erblasser verwendeten Bezeichnungen Erbe oder Vermächtnis kommt bei der Auslegung keine ausschlaggebende Bedeutung bei, vielmehr muss geprüft werden, was er darunter verstanden hat (BayObLG FamRZ 1995, 835). Führt die Auslegung zu keinem Ergebnis, gilt der Bedachte im Zweifel als Vermächtnisnehmer, auch dann, wenn ihn der Erblasser als Erbe bezeichnet hat ( 2087 Abs. 2). Wie bei der Erbeinsetzung kann jeder Mensch und jede juristische Person Vermächtnisnehmer werden, sogar auch weiter gehend als bei der Erbeinsetzung ein noch gar nicht gezeugtes Kind ( 2178). Anders als bei der Erbeinsetzung braucht der Erblasser den Empfänger des Vermächtnisses nicht selbst im Testament zu benennen, sondern er darf die Auswahl der Person dem Erben selbst oder einem anderen, z. B. dem Testamentsvollstrecker, überlassen. Erforderlich ist, dass der Erblasser im Testament nur den Personenkreis bestimmt, aus dem die Wahl des Vermächtnisnehmers erfolgen soll ( 2151). II. Die Erfüllung des Vermächtnisses Der Vermächtnisanspruch entsteht mit dem Tod des Erblassers ( 2176). Der Anspruch kann auch unter einer aufschiebenden Bedingung oder zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. Vollendung des 25.Lebensjahres des Bedachten) angeordnet werden. Dann fällt das Vermächtnis erst mit dem Eintritt der Bedingung oder des Termins an ( 2177). Hat der Erblasser nichts anderes bestimmt, kann der Vermächtnisnehmer den Erben sofort nach dem Erbfall auffordern, den Vermächtnisanspruch zu erfüllen. Im Regelfall hat der Erbe das Vermächtnis zu erfüllen, in seltenen Fällen bei einem Untervermächtnis oder einem Nachvermächtnis ein anderer Vermächtnisnehmer ( 2147, 2191). Der Erbe muss das Vermächtnis grundsätzlich bis zur völligen Ausschöpfung des Nachlasses erfüllen. Er kann sich nicht darauf berufen, dass ihm 144

II. Die Erfüllung des Vermächtnisses selbst nichts mehr vom Nachlass verbleibt. Das Privatvermögen des Erben bleibt unangetastet, soweit er rechtzeitig die Haftung auf den Nachlass beschränkt hat (vgl. S. 60 ff.). Der Erbe, der zugleich Pflichtteilsberechtigter ist und mit einem Vermächtnis belastet ist, muss innerhalb von sechs Wochen die Erbschaft ausschlagen, um zumindest seinen Pflichtteil zu sichern (vgl. S. 251). Der Vermächtnisanspruch verjährt in 3 Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem der Erbfall eingetreten ist und der Vermächtnisnehmer von seinem Anspruch erfahren hat, spätestens aber nach 30 Jahren. Die Kosten der Vermächtniserfüllung, z. B. die Kosten der Grundbuchumschreibung, trägt grundsätzlich der Erbe, soweit im Testament nichts anderes angeordnet ist. Ist der vermachte Gegenstand belastet, z. B. das Grundstück mit einer Grundschuld, ist der Erbe nicht verpflichtet, die Belastung für den Vermächtnisnehmer zu beseitigen ( 2165). Der Vermächtnisnehmer kann von dem Erben Auskunft und gegebenenfalls Rechnungslegung verlangen, soweit er dies zur Durchsetzung seines Anspruchs benötigt. Hat z. B. der Erblasser das Guthaben auf einem bestimmten Konto als Vermächtnis zugewendet, ist der Erbe dem Vermächtnisnehmer zur Auskunft über den Stand des Sparvermögens verpflichtet. Weigert sich der Erbe trotz Aufforderung, den Vermächtnisanspruch zu erfüllen, kann gegen ihn Klage vor dem für seinen Wohnsitz oder den letzten Wohnsitz des Erblassers zuständigen Zivilgericht erhoben werden. Das Vermächtnis kann ohne Beachtung einer Frist ausgeschlagen werden, solange es nicht angenommen worden ist ( 2180). Die Ausschlagung erfolgt durch eine formlose Erklärung gegenüber dem Beschwerten, nicht gegenüber dem Nachlassgericht. Eine Teilausschlagung ist unwirksam. Wer zu mehreren Vermächtnissen berufen ist, kann allerdings das eine annehmen und das andere ausschlagen. Die Ausschlagung wirkt auf den Erbfall zurück. Die Annahme des Vermächtnisses ist unwiderruflich, kann aber nach den allgemeinen Vorschriften ( 119 ff.) angefochten werden. 145

15. KAPITEL Die Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände Das Vermächtnis ist unwirksam, wenn der Bedachte vor dem Erblasser gestorben und im Testament keine Ersatzperson bestimmt ist ( 2160). In die Stellung des Vermächtnisnehmers rücken nicht dessen Erben nach. Ist der vorverstorbene Bedachte hingegen ein Abkömmling des Erblassers, fällt im Zweifel das Vermächtnis an seine Kinder ( 2069). Diese gesetzliche Auslegungsregel gilt aber erst, wenn mit Hilfe der Auslegung keine andere Willensrichtung des Erblassers erkennbar ist. III. Der vermachte Gegenstand befindet sich nicht mehr im Nachlass Häufig treten Probleme auf, weil der als Vermächtnis ausgesetzte Gegenstand beim Erbfall nicht mehr im Nachlass vorhanden ist. Die Folgen sind je nach Art des Vermächtnisses unterschiedlich: Hat der Erblasser testamentarisch einen bestimmten Gegenstand (Stückvermächtnis) zugewandt, z. B. einen Pkw, den er jedoch bereits vor seinem Tod veräußerte, so ist das Vermächtnis unwirksam ( 2169). Der Verkaufserlös verbleibt dem Erben, es sei denn, im Wege der ergänzenden Auslegung ist auch der Veräußerungserlös als zugewandt anzusehen, z. B. der Erblasser will nicht den Gegenstand als solchen zuwenden, sondern vorrangig den durch ihn verkörperten wirtschaftlichen Wert. Anders verhält es sich, wenn der Gegenstand dem Vermächtnisnehmer zugewandt worden ist, obwohl er nicht zur Erbschaft gehört (Verschaffungsvermächtnis, 2170). In diesem Fall ist der Erbe verpflichtet, den Gegenstand für den Vermächtnisnehmer zu beschaffen. Ist ihm dies nicht möglich oder nicht zuzumuten, so hat er ihm dessen Wert zu entrichten. Ob der Erblasser ein Stückvermächtnis oder ein Verschaffungsvermächtnis angeordnet hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. 146