ANFORDERUNGEN DES DGB

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Transkript:

Anja Weusthoff DGB BVV Abteilung Frauen, Gleichstellungs- und Familienpolitik 12. Februar 2015 ANFORDERUNGEN DES DGB AN GESETZLICHE REGELUNGEN ZUR DURCHSETZUNG DER ENTGELTGLEICHHEIT VON FRAUEN UND MÄNNERN AUF TARIFLICHER UND BETRIEBLICHER EBENE I. VORGABEN DES KOALITIONSVERTRAGES In ihrem Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode haben CDU, CSU und SPD vereinbart, Maßnahmen gegen die bestehende Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen zu ergreifen: ( ) Die Koalitionspartner sind sich einig, dass die bestehende Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen nicht zu akzeptieren ist. Gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen wir die Feststellung des Wertes von Berufsfeldern, von Arbeitsbewertungen und die Bewertung von Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen voranbringen. Ziel muss es sein, unter anderem die Arbeit in der Pflege, Betreuung und frühkindlicher Bildung weiter aufzuwerten. Um das Prinzip Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit besser zur Geltung zu bringen, wollen wir mehr Transparenz herstellen, unter anderem durch eine Verpflichtung für Unternehmen ab 500 Beschäftigte, im Lagebericht nach dem HGB auch zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit von gesetzlichen Kriterien Stellung zu nehmen. Darauf aufbauend wird für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein individueller Auskunftsanspruch festgelegt. Unternehmen werden dazu aufgefordert, mit Hilfe verbindlicher Verfahren und gemeinsam mit den Beschäftigten und unter Beteiligung der Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter im Betrieb in eigener Verantwortung erwiesene Entgeltdiskriminierung zu beseitigen. Wir wollen eine Initiative gemeinsam mit den Tarifpartnern starten, um die Muster von struktureller Entgeltungleichheit in Tarifverträgen zu erkennen und zu überwinden. ( ) Für das sogenannte Entgeltgleichheitsgesetz setzt der Koalitionsvertrag daher einen engen Rahmen:. Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sollen verpflichtet werden, in ihrem Lagebericht nach HGB zu Frauenförderung und Entgeltgleichheit Stellung zu nehmen;. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen einen individuellen Auskunftsanspruch erhalten;. Unternehmen sollen aufgefordert werden, unter Beteiligung von Beschäftigten und Betriebsräten Prüfverfahren zur Aufdeckung von Entgeltdiskriminierung anzuwenden und diese zu beseitigen. Die Vorgaben des Koalitionsvertrages bleiben weit hinter den Forderungen des DGB und den Ideen der vergangenen Legislaturperiode für ein Entgeltgleichheitsgesetz zurück. Rechtliche Vorgaben im engeren Sinne lassen sich aus dem Koalitionsvertrag nur für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten im Zusammenhang mit der Berichtspflicht gemäß HGB und hinsichtlich des individuellen Auskunftsanspruches für Beschäftigte ableiten.

II. GEWERKSCHAFTLICHE ARGUMENTATIONSLINIE Es ist an der Zeit, nicht nur jährlich am Equal Pay Day die rund 22-23% geringeren Löhne von Frauen in Deutschland zu beklagen, sondern tatsächlich Wege zur Schließung der Entgeltlücke zu beschreiten. Unbestritten ist: Geschlechterspezifische Berufswahl und familienbedingter (Teilzeit-)Ausstieg von Frauen aus dem Erwerbsleben führen zu erheblichen Einkommens- und Karriereeinbußen für Frauen im gesamten Lebensverlauf. Dem müssen Staat und Gesellschaft entgegenwirken, in dem sie die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter vorantreiben. Zwei Drittel aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor sind Frauen; jede dritte abhängig beschäftigte Frau arbeitet für einen Niedriglohn, viele von ihnen in sogenannten Minijobs. Zudem wird ein großer Teil der Arbeitsplätze von Frauen von Tarifverträgen nicht erreicht. Doch lediglich ein Teil der Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen ist auf geschlechtsspezifische Unterschiede in beobachtbaren Merkmalen der Person, z. B. Bildung, Berufserfahrung oder Kinderzahl zurückzuführen. Ebenso wichtig ist es daher, die anhaltende Entgeltdiskriminierung zu beseitigen. Eine Reihe von Diskriminierungen ist für jedermann ersichtlich. Andere Diskriminierungen können nur durch den Einsatz ausgewiesenen Sachverstands identifiziert und beseitigt werden: Entgeltungleichheit kann Folge unmittelbarer Diskriminierung sein - wenn zum Beispiel Frauen trotz gleicher Qualifikation und gleicher oder vergleichbarer Tätigkeit in Betrieb oder Dienststelle niedriger eingruppiert sind als Männer; oder wenn Entgeltsteigerungen nach Kriterien vergeben werden, die nicht nachvollziehbar sind, und Frauen dabei benachteiligt werden. Unmittelbare Diskriminierungen wären relativ einfach zu erkennen, wenn nicht Gehälter in Deutschland immer noch ein Tabu-Thema wären. Ohne verpflichtende Überprüfung in Betrieben und Dienststellen bleibt es dem Zufall überlassen, ob die Benachteiligung aufgedeckt wird. Schwerer in den Griff zu bekommen ist die mittelbare Diskriminierung. Sie liegt vor, wenn scheinbar neutral formulierte Bewertungen von Tätigkeiten dazu führen, dass das eine Geschlecht gegenüber dem anderen benachteiligt ist. Trotz individueller und kollektiver Entgeltverhandlungen werden auch heute noch Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, durchweg niedriger eingruppiert als die von Männern ausgeübten Beschäftigungen. Technische Berufe werden gegenüber personennahen Dienstleistungen höher vergütet, selbst wenn das Ausbildungs- und Anforderungsniveau vergleichbar ist. Mittelbare Diskriminierung liegt auch vor, wenn Zulagen nur für Tätigkeiten vergeben werden, die nur ein Geschlecht erreichen kann, oder wenn Teilzeitbeschäftigte von der betrieblichen Altersvorsorge ausgeschlossen sind. Um eine Beseitigung der Diskriminierung zu erreichen, ist nicht nur der Einsatz der Sozialpartner gefordert, sondern auch die Initiative des Gesetzgebers. Ein Gesetz gegen Entgeltdiskriminierung kann allerdings nur bestimmte Facetten der Entgeltungleichheit insbesondere die durch betriebliche oder tarifliche Vergütungsregeln verursachte Diskriminierung entgegenwirken. Die Beseitigung unmittelbarer Diskriminierung und vieler Tatbestände mittelbarer Diskriminierung kann durch wirksame Regelungen forciert werden. Weil jedoch viele andere Ursachen der Entgeltungleichheit dadurch nicht erfasst werden, kann ein Gesetz gegen Entgeltdiskriminierung nur ein Baustein auf dem Weg zu einer umfassenden Durchsetzung von diskriminierungsfreien Arbeitsentgelten. Seite 2 von 6

III. VOM GLEICHSTELLUNGSGESETZ IN DER PRIVATWIRTSCHAFT ZUM ENTGELTGLEICHHEITSGESETZ Die Anforderungen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften an gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit auf betrieblicher und tariflicher Ebene gehen weit über die Festlegungen des Koalitionsvertrages hinaus. Sie ergeben sich im Grundsatz aus der Ursprungsidee eines Gleichstellungsgesetzes für die Privatwirtschaft, mit dem auch immer die Durchsetzung der Entgeltgleichheit als ein wichtiges Ziel verbunden war. Im Mittelpunkt stand stets die Sensibilisierung und Mobilisierung der betrieblichen (und tariflichen) Akteure durch eine gesetzliche Verpflichtung, für ihre jeweilige Handlungsebene auf verschiedenen Handlungsfeldern Maßnahmenpläne mit Ziel- und Zeitvorgaben zu vereinbaren (vgl. Beschlüsse des DGB-Bundesvorstandes von 2000) Mangels politischer Mehrheiten für ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft setzte sich in den letzten Jahren zunehmend die Auffassung durch, dass zumindest einzelne Gesetze für verschiedene Handlungsfelder (Frauen in Führung, Entgeltgleichheit) einen Beitrag zur tatsächlichen Gleichstellung zu leisten könnten. (vgl. Beschluss des DGB-Bundeskongress von 2010) Vor diesem Hintergrund begrüßte der DGB im Jahr 2012 den Entwurf der SPD-Bundestagsfraktion für ein Entgeltgleichheitsgesetz, das eine kursorische Prüfung der Entgeltdaten aller Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten vorsah, deren Ergebnis in einem Entgeltbericht zusammengefasst und der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zur Prüfung vorgelegt werden sollte. Bei festgestellter Entgeltdiskriminierung sollte ein mehrstufiges Verfahren die betrieblichen Akteure zur Beseitigung der Ursachen verpflichten. Sofern diese in Tarifverträgen begründet wären, sollten auch die Tarifvertragsparteien sich einem entsprechenden Verfahren unterziehen und ohne unzulässigen Eingriff in die Koalitionsfreiheit Wege zur Beseitigung der Diskriminierung aushandeln. Zudem sollten die individuellen Auskunftsanspruche der Beschäftigten gestärkt werden. Nach dem Scheitern des Gesetzentwurfes und im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 legte sich der DGB-Bundesvorstand in seinem Beschluss Gute Arbeit Sichere Rente Soziales Europa Aktiver Staat: Politikwechsel für Arbeitsnehmerinnen und Arbeitsnehmer auf eine Doppelstrategie zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit auf betrieblicher Ebene fest und forderte sowohl gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern sowie zum verbindlichen Einsatz von Prüfinstrumenten zur geschlechtergerechten Bewertung von Tätigkeiten als auch eine entsprechende Weiterentwicklung der Mitbestimmung. Auf Initiative des DGB-Bundesfrauenausschuss wurden anlässlich des DGB-Bundeskongress 2014 die Forderung nach einem Entgeltgleichheitsgesetz aktualisiert und die Forderung nach einer gleichstellungspolitischen Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsgesetzes und der Personalvertretungsrechte von Bund und Ländern konkretisiert. (vgl. Beschluss des DGB-Bundeskongress von 2014) Seite 3 von 6

IV. FORDERUNGEN DES DEUTSCHEN GEWERKSCHAFTSBUNDES Die Vorgaben des Koalitionsvertrages stecken einen engen Rahmen für das anstehende Gesetzesvorhaben Entgeltgleichheit. Zu befürchten ist, dass der Gesetzentwurf weit hinter den Ideen der vergangenen Legislaturperiode für ein Entgeltgleichheitsgesetz zurückbleiben wird. Dennoch muss die Forderung nach einem Verfahrensgesetz, mit dem die betrieblichen (und tariflichen) Akteure in die Pflicht genommen werden, Ausgangspunkt für die Positionierung des DGB sein: Ein Verfahrensgesetz zur Entgeltgleichheit, das alle Beschäftigten (einschließlich der Beamtinnen und Beamten) umfasst, muss die Pflicht zum Einsatz diskriminierungsfreier, EU-rechtskonformer Verfahren zur Bewertung von Arbeitsanforderungen, zur Erstellung von Entgeltberichten nach vorgegebenen Kriterien sowie zur Anwendung qualitativer wie quantitativer Prüfinstrumente vorschreiben, verbunden mit einer Ursachenanalyse und Aktivitäten zum Abbau der festgestellten Differenzen. - Für Betriebe, die nicht der gesetzlichen Mitbestimmung unterliegen oder nicht tarifgebunden sind, tritt ein solches Gesetz unter Berücksichtigung von Übergangsfristen unmittelbar in Kraft. - Betriebe, in denen die Entgelte mittels betrieblicher oder tariflicher Vereinbarungen erfolgen, müssen verpflichtet werden, die Durchsetzung der Entgeltgleichheit zum Gegenstand der nächsten Entgeltverhandlungen zu machen. - Der öffentliche Dienst von Bund, Ländern und Kommunen wird verpflichtet, die Durchsetzung der Entgeltgleichheit zum Gegenstand in den nächsten Tarifverhandlungen, insbesondere in den Verhandlungen zur Entgeltordnung, zu machen. Eine unabhängige Institution muss - nach Möglichkeit auf Grundlage bereits vorhandener Nachweispflichten - die Prüfung von Entgeltberichten aus Betrieben und Verwaltungen und von Tarifverträgen übernehmen und die Wirksamkeit der Maßnahmen zum Abbau von Entgeltungleichheit kontrollieren. Zwingt kein Gesetz zur Entgeltgleichheit die betrieblichen (und tariflichen) Akteure zur Auseinandersetzung mit dem Thema, muss die Entgelttransparenz in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst durch Weiterentwicklung der Mitbestimmung gefördert werden: Beschäftigte und Interessenvertretungen brauchen weitgehende Informations- und Mitbestimmungsrechte, wenn es um betriebliche Entgeltsysteme und die Struktur der Vergütungen geht. Sie müssen bei der Einführung, Durchführung und Anwendung von Prüfinstrumenten zur Entgeltgleichheit beteiligt werden. Das Betriebsverfassungsgesetz (sowie analog die Personalvertretungsgesetze von Bund und Ländern) ist aus gleichstellungspolitischer Sicht weiterzuentwickeln: - Erweiterung des Katalogs der Mitbestimmungsrechte (gemäß 87 BetrVG) um Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg und Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit - Erweiterung des Initiativ- und Beratungsrecht des Betriebsrates bei Gleichstellungsmaßnahmen (gemäß 92 (3) BetrVG) zu einem Mitbestimmungsrecht bei Maßnahmen zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, vor allem auch beim Entgelt (gemäß 87 BetrVG) Seite 4 von 6

- Erweiterung der jährlichen Berichtspflicht des Arbeitgebers (gemäß 43 (2) BetrVG) zum Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern im Betrieb um die Pflicht zu einem Entgeltbericht sowie zur Darlegung entsprechender Maßnahmepläne mit Ziel und Zeitvorgaben zum Abbau festgestellter Entgeltungleichheit. Unerlässlich ist die Stärkung der individualrechtlichen Ansprüche der Beschäftigten im Zusammenhang mit dem Entgelt. Beschäftigte müssen sich über die Höhe und die Bestandteile ihres Entgeltes austauschen dürfen unabhängig von Verboten des Arbeitgebers oder vertraglichen Verschwiegenheitsvereinbarungen. Außerdem müssen Beschäftigte Anspruch darauf haben, dass ihnen der Arbeitgeber auf ihr Verlangen die Kriterien und sachlichen Gründe für die Findung ihres Entgelts schriftlich mitteilt. Dieser Anspruch muss dieselbe Durchschlagskraft haben, wie der Auskunftsanspruch zum arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Auch die Weiterentwicklung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) kann einen Beitrag zum Abbau der Entgeltdiskriminierung leisten. Das im AGG festgeschriebene Klagerecht des Betriebsrates und der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft ist gegenwärtig mehrfach eingeschränkt. Seine Geltung darf nicht auf den Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes begrenzt bleiben, sondern muss auch im öffentlichen Dienst seine Wirkung entfalten können. Darüber hinaus sollten nicht nur grobe Verstöße, sondern alle Pflichtverletzungen des Arbeitsgebers von dem Klagerecht umfasst sein. Ein solches im AGG verankertes Verbandsklagerecht für Gewerkschaften würde die Möglichkeit eröffnen, Verstöße gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit zu ahnden, ohne das individuelle Arbeitsverhältnis der Betroffenen damit zu belasten. Seite 5 von 6

V. BESCHLÜSSE DES DEUTSCHEN GEWERKSCHAFTSBUNDES Beschluss des DGB-Bundesvorstandes im September 2000: ( ) Der DGB-Bundesvorstand hält ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft für unverzichtbar. Dieses Gesetz soll die betrieblichen Akteure und Tarifvertragsparteien verpflichten, gemäß den jeweiligen Bedingungen in ihren Betrieben und Branchen Maßnahmen zu vereinbaren, um die Chancengleichheit von Männern und Frauen durchzusetzen. ( ) Beschluss des DGB-Bundeskongress 2010: Mit einer gesetzlichen Regelung muss den betrieblichen Akteuren verbindlicher als bisher die Verantwortung für die Gleichstellung übertragen werden. Sie müssen verpflichtet werden, Maßnahmepläne mit Ziel- und Zeitangaben zu entwickeln und umzusetzen. ( ) Der DGB-Bundesvorstand wird aufgefordert, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass ( ) verbindliche gesetzliche Regelungen, die Aktivitäten zur Aufdeckung von Entgeltdiskriminierung und Herstellung von Diskriminierungsfreiheit erlauben und vorsehen, erlassen werden. Das gesamte Verfahren könnte in einem Verfahrensgesetz (als Entgeltgleichheitsgesetz oder im Rahmen eines Gleichstellungsgesetzes für die Privatwirtschaft) geregelt werden. ( ) Beschluss des DGB-Bundeskongress 2014: ( ) Die Delegierten des DGB-Bundeskongress fordern den Bundesgesetzgeber auf - ein Entgeltgleichheitsgesetz zu verabschieden, das Betriebe und Dienststellen durch Anwendung geeigneter quantitativer und qualitativer Instrumente zur Überprüfung ihrer Entgeltpraxis sowie zur Beseitigung von unmittelbarer und mittelbarer Entgeltdiskriminierung verpflichtet. Um das Unionsrecht auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit für Männer und Frauen durchzusetzen, ist dabei eine Umkehr der Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen Diskriminierung wegen des Geschlechts und unterschiedlicher Vergütung unverzichtbar. - das Initiativ- und Beratungsrecht des Betriebsrates bei Gleichstellungsmaßnahmen ( 92 Abs. 3 BetrVG) zu einem Mitbestimmungsrecht bei Maßnahmen zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, vor allem auch beim Entgelt, zu erweitern; - den Katalog der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ( 87 BetrVG) zu erweitern um Regelungen zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, und um Regelungen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit (analog 80 (1) Nummer 2 a und 2 b BetrVG) ( ) - gemeinsam mit den Landesgesetzgebern darauf hinzuwirken, die Rechte der Personalräte so zu stärken, dass die uneingeschränkte Mitbestimmung bei Maßnahmen zur Durchsetzung des tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg sowie bei Regelungen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit gewährleistet ist. Gleiches muss für das Initiativrecht gelten. - verbindliche Angaben zu Bezahlung und Sonderleistungen in Stellenausschreibungen ebenso vorzuschreiben wie anonyme Bewerbungsverfahren. Seite 6 von 6