Wohnimmobilienpreise 1 Index, 1995=1 13 115 1 85 7 95 97 99 1 3 5 7 9 11 125 Städte (nominal) 125 Städte (real) 7 Großstädte (nominal) Quellen: Berechnung der Deutschen Bundesbank nach Angaben der BulwienGesa AG, DB Research Deutscher Wohnimmobilienmarkt: Risiko einer Preisblase bis 22? Am deutschen Immobilienmarkt gibt es aktuell keine Preisblase, auch für die Zukunft ist die Gefahr einer Blasenbildung gering. Die aktuellen Preisaufschläge sind nicht kreditfinanziert, sondern durch Portfolioumschichtungen ausgelöst und eher als Normalisierung denn als Übertreibung anzusehen. Gesetzgeber und Regulierer haben zahlreiche Möglichkeiten steuernd in Angebot und Nachfrage einzugreifen und einer Blasenbildung, falls notwendig, entgegenzuwirken. Zudem ist die heutige Investorengeneration durch das Platzen der zahlreichen Blasen vorsichtig geworden. Den deutschen Wohnimmobilienmarkt sehen wir daher als ideales Investitionsumfeld an. Der deutsche Wohnimmobilienmarkt galt lange als unattraktiv und überreguliert und die Preise wurden oft als wenig sensitiv bezüglich der makroökonomischen Situation betrachtet. Nach dem Platzen der Subprime-Blase in den Vereinigten Staaten sowie der Immobilienblasen in Irland und Spanien wird aktuell diskutiert, ob auch auf dem deutschen Immobilienmarkt eine Preisblase existiert beziehungsweise sich entwickeln könnte. Wie viele Fachleute erachten wir derartige Befürchtungen als unbegründet. Auf kurze Sicht scheint sich der deutsche Wohnimmobilienmarkt eher zu normalisieren und es bestehen derzeit keine Preisübertreibungen. Die Ungleichgewichte in der Eurozone bestehen fort und die EZB dämpft den Anpassungsprozess in Südeuropa mit ultraexpansiver Geldpolitik ab. Auch an den Immobilienmärkten steht ein Abbau der Ungleichgewichte noch aus. Den größten Anpassungsbedarf hat vermutlich der spanische Immobilienmarkt. Dabei könnte die Anpassung nicht nur zu einem deutlichen Rückgang des spanischen Immobilienpreisniveaus führen, sondern auch über Arbitrageprozesse zu steigenden Preisen in Deutschland führen. Viele Indikatoren zeigen eine Fortsetzung der jüngsten Preisentwicklung an. Im Folgenden wagen wir einen Ausblick, wohin die Reise bis ans Ende des Jahrzehnts am deutschen Wohnimmobilienmarkt gehen wird und wie groß die Blasengefahr im Laufe dieses Jahrzehnts ist. Zunächst starten wir aber mit einem Rückblick. Baugenehmigungen 2 EUR Mio., Quartalsdaten 2. 15. 1. 5. 95 97 99 1 3 5 7 9 11 Baugenehmigungen (sb.) Quellen: Deutsche Bundesbank, DB Research Entwicklungen der letzten Jahre In den letzten beiden Jahren zogen die Preise am deutschen Wohnimmobilienmarkt merklich an. Die Preissteigerungen lagen über der Inflationsrate. Gerade der Anstieg im zweiten Quartal 212 von nominal über 12% gegenüber dem Vorjahresquartal in den Großstädten gibt der Diskussion über die Entstehung einer Blase neuen Schwung. Betrachtet man aber die Preisentwicklung seit 1995, bietet sich ein anderes Bild. Die Preise lagen im letzten Jahr erstmals über dem Niveau von 1995. Zuvor waren sie bis 25 beinahe durchgängig gefallen. Inflationsbereinigt liegen die Preise sogar ein knappes Fünftel unterhalb des alten Niveaus und nahmen 21 zum ersten Mal überhaupt im Betrachtungszeitraum zu. Auch die Baugenehmigungen stiegen zuletzt an, seit 29 um mehr als 6%. Grund zur Beunruhigung bietet diese Entwicklung dennoch nicht. 1995 lag der Wert der Baugenehmigungen noch beinahe doppelt so hoch. Deshalb interpretieren wir den aktuellen Anstieg eher als Erholung denn als akutes Warnzeichen. Außerdem dürfte eine expansive Reaktion des Angebots in der mittleren Frist dämpfend auf die Preisentwicklung wirken. 5 1. Oktober 212 Aktuelle Themen
Wohneigentum erschwinglich 3 % 14 12 1 8 6 4 2 75 79 83 87 91 95 99 3 7 11 Hypothekenzinsen Anteil Kreditzahlung an verfügbarem Einkommen Quellen: Bundesbank, DB Research Verschuldung privater Haushalte 4 % BIP 1 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Quelle: BIZ 198 ES 199 2 DE 21 Angesichts dieser Entwicklungen ist es bemerkenswert, dass sowohl Bundesbank 1, Analysten als auch die Presse jüngst die Frage diskutieren, ob es bereits eine Blase gibt. Nach Jahren der Stagnation oder gar fallender Preise wirken die Preiszuschläge 2 bis 3%-Punkte über der Inflationsrate scheinbar schon beunruhigend. Doch zur Bewertung, wohin die Reise geht, diskutieren wir zunächst die wichtigsten Wirkungskanäle auf die Preise. Preisanstieg verursacht durch niedrige Zinsen und Kreditwachstum? Seit den 198er Jahren fielen nicht nur die Hypothekenzinsen, sondern auch der Anteil für Zins und Tilgung relativ zum verfügbaren Einkommen. So liegt die Zinsbelastung aller privaten Haushalte aus Wohnbaukrediten in Deutschland aktuell bei unter 3%. Dabei kam den Kreditnehmern nicht nur das sinkende Zinsniveau entgegen, sondern auch das verfügbare Einkommen, das schneller wuchs als die Preise für Wohnimmobilien. Diese hohe Erschwinglichkeit von Immobilien sollte sich tendenziell in Preissteigerungen niederschlagen. Mit niedrigen bzw. sinkenden Zinsen existiert der Nährboden für kreditgetriebene Preisblasen. Von einer Blasenbildung ist man jedoch angesichts historisch niedriger Verhältnisse von Preis-zu-Einkommen und Preis-zu-Mieten weit entfernt. Eine Bastion gegen Preisübertreibungen sollte aber wie in den vergangenen Jahrzehnten grundsätzlich auch die konservative Kreditvergabe für den Wohnungsbau der Finanzinstitute sein. Zudem sind nicht nur die Anbieter, sondern auch die deutschen Kreditnachfrager risikoavers. Über Jahrzehnte lag die Verschuldung der privaten Haushalte nahezu konstant bei 6% des Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: In Spanien stieg die Verschuldung privater Haushalte von 25% 198 auf 9% des spanischen Bruttoinlandproduktes im Jahr 21. Auch in den letzten Jahren verlief das Wachstum der Wohnungsbaukredite der privaten Haushalte verhalten. Mit dem Wegfall der Eigenheimzulage Ende 25 ging es sogar deutlich zurück. Wuchs das Kreditvolumen privater Haushalte vor 26 meist über der Inflationsrate hat sich dies in den letzten Jahren umgekehrt, so dass das Kreditvolumen real sogar sank. Das Anziehen der Preise auf dem Wohnimmobilienmarkt ist also bisher nicht auf die Kreditentwicklung zurückzuführen. Kreditwachstum privater Haushalte im Wohnungsbau vs. Inflation 5 % gg. Vj. 4, 3, 2, 1,, -1, 1 3 5 7 9 11 Kreditwachstum im Wohnungsbau Inflation Quellen: Bundesbank, DB Research Wegfall der Eigenheimzulage Preistreibe Portfolioumschichtungen? Über negative Realzinsen die Wirtschaft anzukurbeln, scheint weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Rezeptur der Zentralbanken zu sein, um die Eurokrise in den Griff zu bekommen. Sehr erfolgreich hat man nicht nur das Zinsniveau am kurzen Ende auf Rekordtiefstände gedrückt, sondern auch die langfristigen Zinsen. Die inflationsbereinigte Zinskurve für deutsche Staatsanleihen ist mittlerweile sogar vollständig negativ. Ersparnisse über Sparguthaben und Anleihen im Vergleich zu den Vorkrisenjahren sind also deutlich unattraktiver geworden. Dadurch rücken Investitionen in Immobilien stärker in den Blickpunkt. In den Vorkrisenjahren lagen die Renditen 1-jähriger Bundesanleihen auf oder über den Mietrenditen. Dieses Verhältnis hat sich im Jahr 28 zu Gunsten der Immobilien umgekehrt. Selbst in Städten mit sehr niedrigen Mietrenditen übertreffen diese die Renditen von Bundesanleihen deutlich. Damit haben Portfolioumschichtungen aus den Finanz- in die Immobilienmärkte an Attraktivität gewonnen. Aufgrund der hohen Vermögensbestände deutscher Haushalte von EUR 1.9 Mrd. können diese Portfolioumschichtungen auch 1 Deutsche Bundesbank. Monatsbericht Februar 212. 6 1. Oktober 212 Aktuelle Themen
ohne Kreditwachstum zum Preistreiber werden. Die größten Vermögenspositionen sind allerdings bereits Immobilienvermögen, d.h. Wohnimmobilien plus Bauland, in Höhe von EUR 5.6 Mrd. während das Finanzvermögen EUR 4.7 Mrd. beträgt. Seit Ausbruch der Finanzkrise 27 haben die Immobilienvermögen im Vergleich zu den Finanzvermögen in den Portfolios deutscher Haushalte stark zugenommen. Zunächst vor allem durch die starken Preisrückgänge der Finanzprodukte in 28, dann aber auch durch die starken Preisanstiege der Immobilien. Aufgrund weiterhin negativer Realzinsen und der hohen Unsicherheit in den Finanzmärkten sollte diese Entwicklung fortbestehen. Die Rolle ausländischer Investoren? Hinweise aus der Industrie zeigen, dass auch außerhalb Deutschlands ein erhöhtes Interesse am deutschen Wohnimmobilienmarkt besteht. Für dieses Interesse gibt es gute Gründe. Der deutsche Wohnimmobilienmarkt ist im internationalen Vergleich weiterhin als äußerst günstig einzustufen. Viele Länder weisen heute deutlich höhere Preise und Erschwinglichkeitsindizes auf als Deutschland. Deutschland: Realzinsen von Staatsanleihen 6 % 5, 2,5, -2,5 1M 3M 6M 1Y 2Y 3Y 4Y 5Y 6Y 7Y 8Y 9Y 1Y 2Y 3Y Aug 212 Aug 27 Aug 22 Quellen: Bloomberg, Statistisches Bundesamt Durchschnittliche Mietrenditen 7 % 8 6 4 2 92 94 96 98 2 4 6 8 1 12 Mietrendite Bestand Mietrendite Neu Renditen auf 1jährige Bunds Quellen: BulwienGesa, DB Research Wie groß die in den Wohnimmobilienmarkt investierten ausländischen Investitionen sind, ist nicht direkt messbar. Ein Krisenbarometer, welches aber die Kapitalströme innerhalb der Eurozone erfasst, sind die Target2-Salden der Bundesbank, die in den letzten Jahren stark zulegten. Zu einem gewissen Teil erklären sich die Target2-Forderungen der Bundesbank auch über die Nettoexporte Deutschlands gegenüber den europäischen Nachbarn, aber gerade der steile Anstieg in den letzten 24 Monaten beruht zu einem großen Anteil auf Kapitalzuflüssen nach Deutschland. Die jüngsten Ankündigungen der EZB, Banken und Staaten ohne vollen Marktzugang mit noch größerer Liquidität zu versorgen, könnte letztlich auch zu weiteren Liquiditätsströmen nach Deutschland führen und den Boom am deutschen Wohnimmobilienmarkt aufrechterhalten oder gar beschleunigen. Die Target2-Verbindlichkeiten liegen fast durchweg bei den stark verschuldeten Ländern der Eurozone. Gerade aus Spanien und Italien fließen große Kapitalströme nach Deutschland. Dabei ist zu bedenken, dass trotz sinkenden Pro- Kopf-Einkommens italienische Haushalte im Durchschnitt reicher sind als deutsche. Aufgrund des anvisierten Abbaus der Leistungs- und Haushaltsdefizite in Südeuropa steigt das Besteuerungsrisiko, wodurch ausländische Vermögensanlagen an Attraktivität gewinnen. Der deutsche Immobilienmarkt insbesondere in 7 1. Oktober 212 Aktuelle Themen
Minimale Mietrenditen 8 % 8 6 4 2 92 94 96 98 2 4 6 8 1 12 Minimum: Mietrendite Bestand Minimum: Mietrendite Neu Renditen auf 1jährige Bunds Quellen: BulwienGesa, DB Research Bruttovermögen privater Haushalte 9 EUR Mrd. 6. 5. 4. 3. 2. 1. 91 93 95 97 99 1 3 5 7 9 11 Wohnbauten plus Bauland Geldvermögen Quelle: Bundesbank Differenz: Immobilien- vs. Finanzvermögen 1 EUR Mrd. 1. 5 91 93 95 97 99 1 3 5 7 9 11 Quelle: Bundesbank den Ballungszentren wie München, Frankfurt, Berlin und Hamburg ist dabei eine interessante Anlagealternative. Ohne staatliche Markteingriffe: Wie groß ist das Blasenrisiko auf mittlere Sicht? Die Preistreiber am deutschen Wohnimmobilienmarkt sind also Portfolioumschichtungen von sowohl In- als auch Ausländern. Wir erwarten, dass die Preise auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt weiterhin schneller steigen als die Inflation. Vermutlich wird diese Entwicklung solange andauern, wie die Eurokrise die Unsicherheit an den Finanzmärkten hoch hält. Dabei ist zu bedenken, dass die Beseitigung der ökonomischen Ungleichgewichte in der Eurozone mehrere Jahre erfordern sollte und es stellt sich die Frage, ob am deutschen Wohnimmobilienmarkt, perspektivisch bis 22, eine Blase entstehen könnte? Zur Beantwortung dieser Frage muss man definieren, wann eine Überbewertung vorliegt. Wir empfehlen, eine einfache Definition zu wählen. Zum Beispiel: Eine Überbewertung liegt vor, wenn der Erschwinglichkeitsindex, definiert als Preise zu verfügbarem Einkommen, über dem langfristigen Durchschnitt des Indexes ansteigt. Gemessen an diesem Maß ist der deutsche Immobilienmarkt, laut OECD, aktuell 2% unterbewertet. Um bis 22 den langfristigen Durchschnittswert der Erschwinglichkeit zu erreichen, müssten die Preise jährlich 3%- Punkte stärker steigen als das verfügbare Einkommen. In den Jahren 21 und 211 sind die verfügbaren Einkommen fast so stark gewachsen wie die Immobilienpreise, so dass der Erschwinglichkeitsindex bisher nur leicht zulegte. Natürlich lässt diese Definition viele Aspekte außer Acht. Beispielsweise ist der langfristige Erschwinglichkeitsindex womöglich nicht der optimale Bewertungspunkt, da mit dem Wegfall der Eigenheimzulage 25 die Preise heute nicht mehr subventioniert sind. Darüber hinaus könnte man die Preise auch ins Verhältnis zu Mieten setzen oder aber die Komplexität erhöhen und aufwendige ökonometrische Modelle als Bewertungsgrundlage heranziehen. Nichtinvasive Blasenbekämpfung über Erwartungsbildung Sollten die Preise aber über unsere Erwartung hinaus anziehen und begonnen werden über Gegenmaßnahmen nachzudenken, empfehlen wir dem Gesetzgeber und Regulierer für die Beantwortung dieser Frage, eine einfache Definition zu wählen und diese auch deutlich zu kommunizieren. Damit hätten die Investoren Klarheit darüber, wann mit Markteingriffen zu rechnen ist. Warum ist eine solche Kommunikationsstrategie aktuell besonders erfolgversprechend? Die negativen Erfahrungen durch die IT-Blase, US-Subprimekrise und die Eurokrise sind prägend für die aktuelle Investorengeneration und dürften einer Blasenbildung entgegenwirken. Denn eine wichtige Voraussetzung für das Entstehen von Preisblasen ist das Nichterkennen von Fehlbewertungen. Zwar gab es auch vor 27 warnende Worte von einzelnen Experten, aber die Mehrheit der Investoren ignorierte diese, hielt die Wohnimmobilienpreise in den USA, Spanien und Irland für angemessen und versuchte weiterhin von steigenden Preisen zu profitieren. Die heutige Investorengeneration hat aber dann schmerzlich gelernt, erstens es gibt Preisblasen, zweitens sie können platzen, drittens es gibt keine schnelle Erholung und viertens das Investitionsumfeld kann nachhaltig geschädigt werden. Aufgrund dieser Erfahrungen ist die Bekämpfung von Preisblasen einfacher geworden, Investoren haben heute einen großen Anreiz bei sich aufbauenden Überbewertungen frühzeitig Gewinne mitzunehmen. Gerade deshalb können Regulierer und Gesetzgeber in einem ersten Schritt eine effektive Kommunikati- 8 1. Oktober 212 Aktuelle Themen
Erschwinglichkeit 11 Verhältnis von Häuserpreisen zu Einkommen Langfristige Durchschnitte = 1 16 14 12 1 8 6 2 22 24 26 28 21 Quelle: OECD US DE FR ES IT UK onsstrategie einsetzen. Die Steuerung von Erwartungen bei Investoren wirkt im aktuellen Investitionsumfeld womöglich Wunder, vor diesem Hintergrund sollte auch der Monatsbericht im Februar der Bundesbank und die Aussage Wohnimmobilien haben sich im Jahr 211 in Deutschland kräftig verteuert. verstanden werden. Gerade eine Bundesbank, die dank ihrer jahrzehntelangen Stabilitätsorientierung ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit besitzt, kann hier mit wenigen Worten viel erreichen. Bei Blasengefahr: Frühzeitige staatliche Markteingriffe wahrscheinlich Angesichts der zahlreichen Verwerfungen an den globalen Kapital- und Immobilienmärkten sind Gesetzgeber und Regulierer in Deutschland besonders wachsam. So äußerste sich nicht nur die Bundesbank besorgt über die Preisentwicklung am Wohnimmobilienmarkt. Ebenso haben im Bundestag Parlamentarier ein Auge auf die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise geworfen. Bisher haben Gesetzgeber und Regulierer jedoch, abgesehen von der Kommunikationsstrategie, nur einen Beobachtungsstatus. Doch den öffentlichen Institutionen steht grundsätzlich ein relativ umfangreiches Arsenal im Kampf gegen Preisübertreibungen zur Verfügung. Tabelle 12 zeigt eine Übersicht von möglichen Markteingriffen seitens der Regulierungsbehörden und des Gesetzgebers. Diese Maßnahmen könnten potenziell dazu dienen, Wohnimmobilienpreise zu reduzieren. Die meisten Instrumente der Gesetzgeber, insbesondere von Bund und Ländern, wirken nachfrageseitig. Auf Gemeindeebene könnten jedoch auch angebotsseitige Markteingriffe ins Auge gefasst werden. Mögliche Markteingriffe von Regulierer und Gesetzgeber 12 Institution Ziel Maßnahmen Bundesbank Kreditangebot verringern 1) Anhebung der Risikogewichte bei der Eigenkapitalgewichtung Bafin 2)Rückstellung für künftige Marktkorrekturen Kreditnachfrage reduzieren 1) Größere Eigenkapitalbasis durch den Kreditnehmer damit niedrigere Beleihungswerte Bund Transaktionskosten erhöhen 1) Notargebühren anheben 2) Maklergebühren anheben Mietrenditen senken 1) Mietspiegel seltener anpassen ( 558c BGB im Abstand von zwei Jahren ) 2) Einschränkung/Verbot der Indexmiete ( 557b BGB) 3) Mietpreiserhöhungsverlangen nur alle x Jahre möglich - bisher frühestens nach einem Jahr möglich ( 558 BGB). Subventionen abbauen Subventionen für bestimmte Bautätigkeiten auch im Gewerbebereich abbauen und Reduktion der Kreditförderprogramme. Bundesländer Transaktionskosten erhöhen Grunderwerbssteuer anheben, derzeit je nach Bundesland zwischen 3,5 und 5% auf den Kaufpreis Gemeinden Nachfrage drosseln 1) Über höheren Hebesatz auf Grundsteuer Transaktionskosten erhöhen 2) Über geringe Qualität des Angebots. Beispielsweise über niedrigere Infrastrukturausgaben Angebot ausweiten 1) Mehr Bauland ausweisen Quelle: DB Research Gemeinden könnten durch verschiedene Maßnahmen die Nachfrage beeinflussen. Beispielsweise können indirekt Kosten des Wohnens und Bauens über die Gebührenordnungen erhöht werden. Folglich könnten Nachfrager die Gebühren in ihr Kostenkalkül einbeziehen und eher günstigere Gemeinden als Wohnort bevorzugen. Alternativ könnten Gemeinden auch über die Ausweisung weniger attraktiven Baulands als geplant, über geringe Ausgaben zur Erschließung des Baulandes, über eine Reduktion öffentlicher Dienstleistungen oder geringe Infrastrukturausgaben die Nachfrage nach Wohnraum reduzieren oder in andere 9 1. Oktober 212 Aktuelle Themen
Target2-Forderungen der Bundesbank 13 EUR Mrd. 8 6 4 2-2 3 4 5 6 7 8 9 1 11 12 Target 2 Quellen: Deutsche Bundesbank, DB Research Deutschland: Erschwinglichkeit 14 Verhältnis von Hauspreisen zu Einkommen Langfristiger Durchschnitt = 1 1 9 8 7 2 4 6 8 1 12 14 16 18 2 Preise +1%, Einkommen +2% p.a. Preise +3%, Einkommen +2% p.a. Preise +5%, Einkommen +2% p.a. Quellen: OECD, BIS, DB Research Regionen umlenken. Darüber hinaus ist es auch angebotsseitig über die Ausweisung von zusätzlichem Bauland über die Nachfrage nach Bauland hinaus auf Gemeindeebene möglich, Preise zu dämpfen. Trotz der vorhandenen Eingriffsmöglichkeiten auf lokaler Ebene, könnten auf dieser Entscheidungsebene die Anreize einen Immobilienboom zu unterbinden letztlich gering sein. Die Ausweitung von Bauland zur Befriedigung der vorhandenen Nachfrage entlastet die Gemeindefinanzen und die Kosten von ggf. später wieder sinkenden Preisen fallen auf privater Seite an. Gleichzeitig sind die Anpassungsprozesse aufgrund einer lokalen Blase und deren Platzen weniger schmerzlich als bei nationalen Preisblasen, da Löhne und Wettbewerbsfähigkeit großen Teils auf regionaler oder nationaler Ebene bestimmt werden. Eine weitere Maßnahme könnte die Anhebung von Grund- und Grunderwerbssteuer sein. Hierfür könnte es eine breite politische Mehrheit im Falle einer vorliegenden Überbewertung geben. Angesichts der hohen Neigung zu Steuererhöhungen und der in der Schuldenbremse und im Fiskalpakt verankerten ambitionierten Ziele ist zu vermuten, dass auf Bundes- und Landesebene leicht Mehrheiten für Steuererhöhungen zu finden sind. Auf Bundesebene könnte eine höhere Grundsteuer auch als Substitut für die Nichteinführung einer Vermögenssteuer dienen. Laut OECD liegen die Transaktionskosten im deutschen Wohnimmobilienmarkt bei etwa 6% des Immobilienwertes. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich eher im unteren Bereich. Höhere Transaktionskosten über eine Anhebung von Immobiliensteuern, Makler- oder Notargebühren können, neben einer Erhöhung der Grundsteuer, die Nachfrage drosseln und einer sich anbahnenden Preisblase entgegenwirken. Auch eine Änderung des Mietrechts könnte weitere Preiserhöhungen erschweren oder hinauszögern, Mietrenditen sänken und Preise stiegen zumindest langsamer. Gerade aus sozialpolitischer Betrachtung ist zu erwarten, dass Politiker sich hierfür relativ schnell erwärmen können, um einkommensschwache Haushalte vor den negativen Auswirkungen eines Immobilienbooms zu schützen. Das Entstehen der jüngsten globalen Immobilienblasen ging stets einher mit einer starken Kreditausweitung. Daher steht das Kreditvolumen im Mittelpunkt der Regulierungsbehörden. Dieses kann sowohl angebots- als auch nachfrageseitig beschränkt werden. Das Kreditangebot könnte über höhere Risikogewichte bzw. höhere Eigenkapitalanforderungen reduziert werden. Eine Reduktion der Kreditnachfrage könnte über strengere Beleihungswerte erfolgen. Jedoch scheint der Einsatz des bankaufsichtlichen Instrumentariums für den deutschen Markt ungeeignet, da, wie beschrieben, bisher keine Anzeichen für einen kreditgetriebenen Preisauftrieb erkennbar sind. Transaktionskosten 15 % des Immobilienwertes 12 1 8 6 4 2 FR IT ES DE JP US UK Quellen: OECD, DB Research Zusammenfassung Aktuell besteht am deutschen Wohnimmobilienmarkt keine Preisblase. Die Preissteigerungen sind bislang nicht kreditfinanziert, sondern durch Portfolioumschichtungen ausgelöst. Anekdotische Evidenz belegt, dass auch die Nachfrage von Ausländern nach deutschen Wohnimmobilien hoch ist. In den nächsten Jahren erwarten wir zwar, dass die Preise anziehen und weiterhin über Inflationsrate wachsen. Dabei handelt es sich um eine Normalisierung eines bisher unterbewerteten Marktes. Im Rahmen dieses Normalisierungsprozesses besteht perspektivisch das Risiko, dass es angesichts der großen Ungleichgewichte in der Eurozone zu Überbewertungen kommt. Allerdings kann, falls notwendig, rechtzeitig mit Markteingriffen seitens der Regulierer und Gesetzgeber gegengesteuert werden, was über die Erwartungen das Risiko einer Blase reduzieren sollte. Ein erster Schritt 1 1. Oktober 212 Aktuelle Themen
der Einflussnahme erfolgte bereits über die Adressierung des Risikos in einem 212er Monatsbericht der Bundesbank. Eine Fortsetzung dieser Vorgehensweise über eine Intensivierung der Kommunikationsstrategie ist wahrscheinlich. Damit könnte man die Erwartungen der Investoren steuern, zu große Kapitalzuflüsse verhindern und Preise dämpfen. Über die Kommunikationsstrategie hinaus ist der Regulierer vermutlich wenig gefragt, da die Entwicklungen bis dato nicht kreditgetrieben sind. Sollten in den kommenden Jahren bundesweit wirklich rasante Preisanstiege drohen, dann ist eher mit Maßnahmen der Gesetzgeber zu rechnen. Hierbei sehen wir Änderungen des Mietrechts als auch eine Anhebung von Grund- und Grunderwerbssteuer als wahrscheinlichste Markteingriffe an. Insbesondere Steueranhebungen könnten dann auch im Rahmen der Diskussion um eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer auf der politischen Agenda stehen. Abschließend kann man den deutschen Wohnimmobilienmarkt als ideales Investitionsumfeld bezeichnen. Auch oder gerade weil wir keine Übertreibungen erwarten. Erstens, der Markt ist insbesondere relativ zu vielen anderen Ländern aber auch historisch unterbewertet. Zweitens, die Eurokrise und die umfangreiche Liquiditätsbereitstellung der EZB erhöht die Nachfrage nach Sachwerten. Mit den ersten beiden Punkten ist das Fundament für weitere Preissteigerungen gelegt. Drittens, angesichts der vielen Verwerfungen auf den globalen Finanz- und Immobilienmärkten ist, gegebenenfalls bei drohenden Überbewertungen, frühzeitig mit Markteingriffen seitens Regulierer und Gesetzgeber zu rechnen. Das Risiko einer Überbewertung und des anschließenden Platzens einer Preisblase ist daher unter Berücksichtigung von erwarteten Markteingriffen auch auf lange Sicht gering. Jonas Harnau Jochen Möbert (+49 69 91-31727, jochen.moebert@db.com) 11 1. Oktober 212 Aktuelle Themen
Aktuelle Themen Deutsche Industrie: Nur moderate Erholung in 213... 28. September 212 Amerika vor der Wahl... 27. September 212 Ausblick Deutschland: Zunehmend im Griff der Eurokrise...24. August 212 Einer für alle, alle für Einen? Kommunale Finanzagentur ein Überblick...21. August 212 Nutzfahrzeuge: Marktumfeld schwierig Energieeffizienz wird wichtiger...3. August 212 Ausblick Deutschland: Weltwirtschaft dämpft keine schnelle Rettung durch die Politik... 24. Juli 212 Immobilienpreise im Euroraum: Deutschland gegen den Rest... 17. Juli 212 Unsere Publikationen finden Sie unentgeltlich auf unserer Internetseite www.dbresearch.de Dort können Sie sich auch als regelmäßiger Empfänger unserer Publikationen per E-Mail eintragen. Für die Print-Version wenden Sie sich bitte an: Deutsche Bank Research Marketing 6262 Frankfurt am Main Fax: +49 69 91-31877 E-Mail: marketing.dbr@db.com Schneller via E-Mail: marketing.dbr@db.com Makroprudenzielle Aufsicht: Auf der Suche nach einem ganzheitlichen Ansatz zur Vermeidung systemischer Risiken... 16. Juli 212 Energiewende fordert Kommunen und Stadtwerke... 11. Juli 212 Ausblick Deutschland: Nun sag, wie hast du's mit dem Euro?... 15. Juni 212 Kapitalmarktbasierte Bankenrefinanzierung: (Nicht so) schöne neue Welt... 11. Juni 212 Makroprudenzielle Finanzaufsicht in den USA: Der Financial Stability Oversight Council (FSOC)... 4. Juni 212 Copyright 212. Deutsche Bank AG, DB Research, 6262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe Deutsche Bank Research gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts- oder Steuerberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Verfassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungen abweichen, die in anderen von der Deutsche Bank veröffentlichten Dokumenten, einschließlich Research-Veröffentlichungen, vertreten werden. Die vorstehenden Angaben werden nur zu Informationszwecken und ohne vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Verfügung gestellt. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Angemessenheit der vorstehenden Angaben oder Einschätzungen wird keine Gewähr übernommen. In Deutschland wird dieser Bericht von Deutsche Bank AG Frankfurt genehmigt und/oder verbreitet, die über eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht verfügt. Im Vereinigten Königreich wird dieser Bericht durch Deutsche Bank AG London, Mitglied der London Stock Exchange, genehmigt und/oder verbreitet, die in Bezug auf Anlagegeschäfte im Vereinigten Königreich der Aufsicht der Financial Services Authority unterliegt. In Hongkong wird dieser Bericht durch Deutsche Bank AG, Hong Kong Branch, in Korea durch Deutsche Securities Korea Co. und in Singapur durch Deutsche Bank AG, Singapore Branch, verbreitet. In Japan wird dieser Bericht durch Deutsche Securities Limited, Tokyo Branch, genehmigt und/oder verbreitet. In Australien sollten Privatkunden eine Kopie der betreffenden Produktinformation (Product Disclosure Statement oder PDS) zu jeglichem in diesem Bericht erwähnten Finanzinstrument beziehen und dieses PDS berücksichtigen, bevor sie eine Anlageentscheidung treffen. Druck: HST Offsetdruck Schadt & Tetzlaff GbR, Dieburg Print: ISSN 143-7421 / Internet: ISSN 1435-734 / E-Mail: ISSN 1616-564