Sprachenpolitik im Kanton Zürich und in der Schweiz,

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Transkript:

Pädagogische Hochschule (PHZH), 14. Juli 2008, Zürich Sprachenpolitik im Kanton Zürich und in der Schweiz, Referat von Regine Aeppli, Regierungsrätin Sehr geehrte Damen und Herren Viele von Ihnen absolvieren dieses Jahr den Zertifikatslehrgang "Schulisches Sprachenlernen". Ich hoffe, deshalb Ihr Interesse gewinnen zu können, wenn ich Ihnen im Folgenden berichte, woran wir zum Thema Sprachenpolitik in der EDK, im Kanton Zürich, im Bildungsrat und in der Bildungsdirektion arbeiten. Ich möchte zu Beginn die Gelegenheit nutzen, Ihnen für ihren Einsatz in Unterricht und Erziehung zu danken. Sie leisten mit Ihrer Arbeit - gerade im Bereich der Sprachen - einen wesentlichen Beitrag an die in unserer Gesellschaft und Demokratie so notwendige Verständigung zwischen einander und damit auch an das gegenseitige Verständnis füreinander. Ich hoffe, Sie erhalten im Lauf des Zertifikatslehrgangs viele Anregungen und Impulse, die Sie in Ihrem Unterricht und an Ihrer Schule anwenden können. Hoffentlich entdecken Sie dabei immer wieder auch Ihre eigene Freude an der Sprache, bzw. den Sprachen. Danke auch den Dozierenden der beiden Zertifikatslehrgänge. Sie bieten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein reichhaltiges und fundiertes Weiterbildungsprogramm! Sicherlich werden Sie einiges, was ich Ihnen heute aus der Bildungspolitik mitbringe, zum Teil in Ihren ZLG gehört haben oder aus der Schulpraxis bereits kennen. Worum es mir im Wesentlichen geht, ist Ihnen eine Gesamtschau, einen Überblick über die verschiedenen Anstrengungen im Bereich der Sprachenpolitik zu bieten. Sprachvermögen ist nicht nur ein zentrales Bildungsgut, sondern dient gleichzeitig der Vermittlung und Aneignung vieler anderer Bildungsinhalte. Sprache ist also Bildungsinhalt und Bildungsmedium zugleich. Sie ist von grundlegender Wichtigkeit für sämtliche Lernprozesse und damit für die aktive und um-

fassende Teilnahme an der Schul- und Arbeitswelt. Sprache ist ein Schlüssel zu Selbstverständnis und Identität, ermöglicht Kommunikation und soziale Interaktion. Sie beeinflusst unsere Wahrnehmung von Menschen und Dingen. Je differenzierter und reicher unsere Sprache ist, desto differenzierter und reicher ist unsere Welt. Die gezielte und gründliche Förderung von Sprachkompetenzen in der Erstsprache, aber auch in Fremdsprachen muss also elementares Bildungsziel sein. Dabei geht es in der Volksschule nicht primär darum, die sogenannte Bildungs-Sprache zu erlernen. Im Kern geht es um die Vermittlung von soliden Fähigkeiten und Fertigkeiten in Wort und Schrift und das Erleben und Anwenden der Vielgestaltigkeit der Sprache. Beim Fremdsprachenlernen kann das Ziel nicht Perfektion und schon gar nicht eine Null-Fehler-Kultur sein; vielmehr geht es um eine Art Funktionaler Mehrsprachigkeit. Auf diesen Punkt werde ich anschliessend genauer eingehen. Auf gesamtschweizerischer Ebene möchte ich in der Sprachenpolitik das neue Bundesgesetz über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften kurz: Sprachengesetz - erwähnen. Es wurde am 5. Oktober 2007 vom Parlament gutgeheissen. Der Bund will mit diesem Gesetz unter anderem die Viersprachigkeit als Wesensmerkmal der Schweiz stärken und die individuelle Mehrsprachigkeit in den Landessprachen fördern. Vorgesehen sind unter anderem die verstärkte Unterstützung des Jugendaustauschs und des Austauschs von Lehrkräften zwischen den Sprachregionen, die Unterstützung eines nationalen Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit sowie die Unterstützung der mehrsprachigen Kantone und der sprachlichen Minderheiten. Die Massnahmen des Kantons Zürich zugunsten des Fremdsprachenunterrichts und der Deutschförderung vor allem auch für Kinder nichtdeutscher Erstsprache sind nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieses Gesetzes zu sehen. Das Sprachengesetz lehnt sich eng an die Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule an, das HarmoS-Konkordat. Der Teil des HarmoS-Konkordats zum Sprachenunterricht bildet einen bildungs- und sprachenpolitischen Kompromiss ab: Es wurde festgelegt, dass die erste Fremdsprache in der Schule nicht zwingend eine Landessprache 2

sein müsse. Diesem Kompromiss war ein jahrelanges Seilziehen in der EDK vorausgegangen - zwischen den Lagern diesseits und jenseits der Reuss (wie bei der Verwendung der Jasskarten). Dieses Seilziehen wurde dann bei der Beratung des Sprachengesetzes durch den Nationalrat wieder aufgenommen, glücklicherweise vom Ständerat dann aber schicklich beerdigt. Er hatte etwas mehr föderalistisches Feeling, pardon Sentiment als die erste Kammer. Ich könnte an dieser Stelle ohne Weiteres den Rest meiner Redezeit zur Erklärung der Unterschiede in den einzelnen Regionen verwenden. Ich verzichte darauf, kann aber auf spezielle Nachfrage bei der Diskussion gerne darauf zurückkommen. Im Kanton Zürich haben wir anlässlich der letzten Volkszählung - sie liegt schon acht Jahre zurück - festgestellt, dass 11 Prozent der Wohnbevölkerung eine Nichtlandessprache spricht. Die Sprachen- und Bildungspolitik im Kanton Zürich muss dieser Tatsache Rechnung tragen und das tut sie auch: Erstens räumen wir der Deutschförderung für Kinder mit Migrationshintergrund einen hohen Stellenwert ein. Dies ist auch im neuen Volksschulgesetz verankert. Zweitens haben die Stimmberechtigten 2006 entschieden, dass an der Schule schon auf der Primarstufe zwei Fremdsprachen unterrichtet werden. Sowohl die Standardsprache als auch die beiden Fremdsprachen müssen in einem Gesamtsprachenkonzept gezielt gefördert werden. In beiden Fremdsprachen, Englisch und Französisch, soll am Ende der obligatorischen Schulzeit ein vergleichbares Ausbildungsniveau erreicht werden. Dies ist auch für Französisch besonders wichtig, da das Englische das Französische als Wirtschafts- und Arbeitssprache nicht verdrängt hat. Vor allem im Bereich der KMU hat der Gebrauch von Französisch in den letzen zehn Jahren sogar zugenommen. Ähnliches gilt für Italienisch, wenn auch nicht im gleichen Ausmass. Doch zurück zum bereits angesprochenen HarmoS-Konkordat: Es leistet im Bereich des Sprachenunterrichts einen wichtigen Beitrag an die Harmonisierung, Qualitätssteigerung und Qualitätssicherung. Mit dem Beitritt zu diesem 3

Konkordat ändert sich im Kanton Zürich nichts, bloss das Einschulungsalter der Kinder verschiebt sich im Verlauf von sechs Jahren um drei Monate vor. Was HarmoS an Strukturen bringt, haben wir mit dem neuen Volksschulgesetz bereits beschlossen. Dazu gehören auch die Blockzeiten auf der Primarstufe oder die obligatorische Schulzeit von elf Jahren. Für die Sprachförderung relevant ist unter anderem das bedarfsgerechte Angebot an Tagesstrukturen. Die Schülerinnen und Schüler können so auch ausserhalb des Unterrichts sprachlich gefördert werden. Im Zusammenhang mit Bildungs- und Sprachenpolitik darf ein Hinweis auf den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) nicht fehlen. Der Europarat hat klare sprachpolitische Ziele formuliert. Er möchte mit seiner Sprachpolitik das reiche Erbe der Vielfalt der Sprachen und Kulturen in Europa schützen und entwickeln und gleichzeitig einen grösseren Zusammenhalt unter den Mitgliedstaaten erreichen. Alle Europäerinnen und Europäer sollen sich zusätzlich zu ihrer Muttersprache in mindestens zwei weiteren Sprachen verständigen können. Ziel ist gleichzeitig, mit dem Sprachenlernen im frühen Kindesalter zu beginnen. Der Europarat hat auch einen Referenzrahmen für Sprachen herausgegeben, der für Sprachenlernende und lehrende umfangreiche Empfehlungen vorlegt, die den Spracherwerb, die Sprachanwendung und die Sprachkompetenz von Lernenden bedarfsorientiert, transparent und vergleichbar machen soll. Die EDK hat sich bei der Erarbeitung Ihrer Strategie zur Entwicklung und Koordination des Sprachenunterrichts in der obligatorischen Schule unter anderem auch an diesem Referenzrahmen und an der Sprachenpolitik des Europarats orientiert. Somit komme ich zum zweiten Teil meines Vortrags: Position und Strategie der EDK und des Kantons Zürich bezüglich des Sprachenunterrichts in der obligatorischen Schule. Vorweg ist zu sagen, dass Position und Strategie der EDK und des Kantons Zürich grundsätzlich übereinstimmen etwa auch im Bekenntnis dazu, dass das Sprachlernen früh beginnen soll. Schulversuche, Studien und Aussagen von Hirnforschern bestätigen den Grundsatz: Sprachen lernen mit geeigneten Methoden je früher, desto wirksamer. Kinder sind grundsätzlich nicht überfordert mit dem frühen Sprachenlernen. Das Bild eines Gefässes mit beschränktem Fassungsvermögen ist zwar nach wie vor weit verbreitet - seit kurzem wird es auch wieder in der Mundart -Hochdeutsch- 4

Debatte beschworen -, wird dadurch aber nicht richtiger, sondern ist nachgewiesenermassen falsch. Dagegen spricht die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Kinder dieser Welt mit mehr als einer Sprache aufwachsen und keinerlei Probleme damit haben. Der Vorteil des frühen Sprachenlernens kann auch mit dem Erlernen von Musikinstrumenten verglichen werden: Das Vertrautsein mit einem ersten Instrument erleichtert das Erlernen eines zweiten. Wie schon eingangs erwähnt, besteht eines der Ziele der Weiterentwicklung des Sprachenunterrichts in der Funktionalen Mehrsprachigkeit aller Schülerinnen und Schüler. Im Einklang mit dem Europäischen Referenzrahmen für Sprachen ist als Ziel der obligatorischen Schule nicht die perfekte Zweisprachigkeit vorgesehen. Vielmehr geht es darum, ein vielfältiges Repertoire an unterschiedlich weit fortgeschrittenen Teilkompetenzen in verschiedenen Sprachen zu erreichen. Darauf kann später aufgebaut werden - an der Mittelschule u.a. mit dem Eindringen in die Kultursprache. Im Zentrum des Fremdsprachenunterrichts in der Volksschule sollen das Verstehen und das Sich- Verständlich-Machen stehen. Solange die Verständigung gelingt, spielt das Fehler-Machen eine untergeordnete Rolle. Funktionale Mehrsprachigkeit wird gefördert durch den Aufbau von Sprachbewusstheit, Sprachlernstrategien und Arbeitstechniken, durch Sprachvergleiche und Sprachenreflexion. Diese Ziele und Methoden bedingen faktisch einen Paradigmenwechsel im Fremdsprachenunterricht und in der Konzeption von Lehrmitteln. Stichworte sind hier: handlungsorientiert-kommunikativer Unterricht, Aufgabenbasiertes Lernen, Integriertes Fremdsprachen- und Sach-Fach-Lernen (bilingualer Unterricht), Integrierte Sprachendidaktik, Begegnung mit Sprachen (ELBE). In der Integrierten Sprachendidaktik ist auch der Deutschunterricht ein wichtiges Element, denn bei uns ist jeder Unterricht auch Deutschunterricht. Sicher ist, dass der angesprochene Paradigmenwechsel viel Zeit braucht. Die Bilder des alten Sprachenunterrichts sitzen tief und das Umdenken auf der didaktischen und schulstrukturellen Ebene ist ein langsamer Prozess. Wir sind aber schon etliche Schritte vorangekommen: Die Vorverlegung des Fremdsprachenunterrichts beispielsweise oder das Engagement Ihrerseits hier in den ZLG sind Zeichen davon. Wer schon länger dabei ist, weiss auch, dass die Einführung von Französisch ab der 5. Klasse vor über 20 Jahren mit etlichen Kinder- 5

krankheiten behaftet war. So wie es aussieht, gibt es offensichtlich auch beim Englisch-Unterricht Verbesserungsbedarf und -möglichkeiten. Wie engagiert sich nun der Kanton Zürich konkret für eine Qualitätsverbesserung des Sprachenunterrichts an der obligatorischen Schule? Ich möchte Ihnen kurz einen Überblick geben über die von der EDK geplanten und in den Kantonen zum Teil bereits schon wirksamen Instrumente der gesamtschweizerischen Koordination. Mindestanforderungen an die Kompetenzen (Standards) verbindlich festlegen: Die Erarbeitung von Kompetenzmodellen und Standards in den Bereichen Schulsprache und Fremdsprachen im Rahmen des HarmoS-Projekts geht voran. In beiden Bereichen sind Fachleute beteiligt, die heute hier anwesend sind. Die Kompetenzmodelle und die daraus abgeleiteten Bildungsstandards werden sich vor allem längerfristig auf den Sprachenunterricht in den Schulen des Kantons Zürich auswirken. Die Entwicklung von Lehrmitteln und Diagnoseinstrumenten, der Deutschschweizer Lehrplan und die Evaluation des Sprachenunterrichts im Kanton Zürich werden sich alle an den Bildungsstandards ausrichten, zu deren Erlass die Bundverfassung die Kantone verpflichtet. Europäisches Sprachenportfolio einführen und generalisieren: Die Einführung des Europäischen Sprachenportfolios (ESP) ist im Kanton Zürich auf guten Wegen. Die Pädagogische Hochschule bietet Informationsveranstaltungen und Grundkurse an, in denen praxisnah vermittelt wird, wie das ESP im Unterricht verwendet wird. Im Sommer 2009 wird der Bildungsrat über die obligatorische Verwendung des ESP beschliessen und festlegen, in welcher Form die entsprechende Weiterbildung für Lehrpersonen stattfinden soll. Für die Weiterbildung der Lehrpersonen hat die Pädagogische Hochschule bereits ESP-Multiplikatoren und Multiplikatorinnen ausgebildet. Ich hoffe da auch auf die Unterstützung aus den Reihen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ZLGs Fremdsprachenlernen. Anforderungen im Rahmen der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung koordinieren: Die Pädagogische Hochschule Zürich stellt hohe Anforderungen im Bereich Fremdsprachenkompetenz in der Ausbildung für Lehrpersonen. Damit wird ein 6

wesentlicher Beitrag an die Professionalisierung und Stärkung des Sprachenunterrichts geleistet. Im Rahmen einer Vernehmlassung der EDK im letzten Jahr zu den Leitlinien zu den Sprachkompetenzniveaus in der Grundausbildung der Lehrkräfte wurde deutlich, dass eine Anhebung der Anforderungen grösstenteils gewünscht wird. Als Ergebnis dieser Vernehmlassung wurde von der EDK die Planung und Ausarbeitung von Sprachprofilen mit berufsspezifischen Kompetenzen für die Lehrpersonen an die Hand genommen. Dabei wird beispielsweise berücksichtigt, dass schriftliche Kompetenzen für das Unterrichten grundsätzlich weniger zentral sind als mündlich-interaktive. Im Schuljahr 2009/2010 werden im Kanton Zürich erstmals Schülerinnen und Schüler mit fünf Schuljahren Englisch in die Sekundarstufe übertreten. Auf diesen Zeitpunkt hin werden auch ein neuer Fachlehrplan Englisch für die Sekundarstufe und das neue interkantonale Lehrmittel "Voices" erarbeitet. Der Englischunterricht auf der Sekundarstufe wird sich in der Folge grundlegend verändern. Zum einen handelt es sich bei den Lernenden nicht mehr um beginners, zum andern findet jener methodische Paradigmenwechsel statt, den ich bereits erwähnt habe. Der Bildungsrat hat deshalb an seiner Sitzung vom 25. Februar 2008 ein Konzept für die obligatorische Weiterbildung der amtierenden Englischlehrpersonen auf der Sekundarstufe I gutgeheissen. In diesem Sommer beginnen bereits die ersten Kurse. Die Zusatzausbildung Englisch Primarstufe an der Pädagogischen Hochschule darf als ein Erfolg gewertet werden. Es stehen genügend Lehrpersonen zur Verfügung, die einen qualitativ hochstehenden Englischunterricht ab der 2. Klasse im Kanton Zürich sicherstellen. Wichtig für den altersgemässen Englischunterricht auf dieser Stufe ist vor allem, dass die Kinder viel in Gesprächssituationen lernen. Nationale Austauschagentur zur Förderung der schulischen Austauschaktivitäten einsetzen: Im Bereich des Jugendaustausches planen wir eine vermehrte Zusammenarbeit auf interkantonaler Ebene mit der nationalen Agentur CH Jugendaustausch. Unser Ziel ist es, mehr Kantone aus dem Welschland für eine Zusammenarbeit gewinnen zu können. 7

Ich komme nun gerne exemplarisch auf einige weitere Projekte im Zusammenhang mit der Sprachförderung im Kanton Zürich zu reden: Literalität: Mit dem Bildungsratsbeschluss Pisa 2000 Folgemassnahmen erhielt das Volksschulamt den Auftrag, die Literalitätsförderung für alle Kinder und die Förderung von Deutsch als Zweitsprache (DaZ) speziell für Kinder mit nichtdeutscher Erstsprache zu verstärken. Der ZLG Literalität ist eine Folge dieses Beschlusses. Wie viele von Ihnen sicherlich wissen, empfiehlt die Bildungsdirektion den Schulen im Rahmen der Umsetzung des neuen Volksschulgesetzes die Sprachförderung als einen von vier pädagogischen Schwerpunkten im Schulprogramm zu wählen. Schulen, die diese Wahl treffen, erhalten Unterstützung in den Bereichen Qualitätssicherung, literarische Angebote und Weiterbildung. Vom Weiterbildungsangebot machen ja auch vielen von Ihnen Gebrauch. Daz/HSK: Mit dem neuen Volksschulgesetz und der entsprechenden Verordnung zu den Sonderpädagogischen Massnahmen, die ab nächstem Schuljahr gestaffelt über drei Jahre in den Gemeinden umgesetzt werden, sollen Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und Kurse für heimatliche Sprache und Kultur (HSK) stärker als bisher in der Schule verankert werden. Das Volksschulamt unterstützt die Schulen mittels Broschüren, Handreichungen, Weiterbildungen und einem Sprachstandsinstrumentarium, das zur Zeit von der Pädagogischen Hochschule erarbeitet wird. Zweck dieses Instrumentariums ist es, dazu beizutragen, dass alle Schülerinnen und Schüler im DaZ-Bereich vergleichbar und chancengerecht beurteilt und gefördert werden. Die HSK-Kurse werden vorverlegt und können neu schon auf der Kindergartenstufe und im ersten Schuljahr stattfinden. Sprachförderung Kindergarten und Unterstufe: Die verstärkte Sprach-Förderung schliesst auch die Unterstufe und den seit diesem Jahr kantonalisierten Kindergarten mit ein. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang der neue Lehrplan für die Kindergartenstufe, der die 8

Sprachförderung besonders berücksichtigt, das Projekt Grundstufe, das einen starken Akzent auf die Sprachförderung legt sowie DaZ- bzw. mögliche HSK- Angebote im Kindergarten. Die Diskussion um den Anteil an Hochdeutsch im Kindergarten konnten Sie ja in der Presse mitverfolgen. Geplant ist zudem die Erarbeitung eines Sprachstandsinstrumentariums, das bei Kindergarteneintritt eingesetzt werden kann und zusammen mit anderen Instrumenten für alle Kinder die Koordination von eventuellen Fördermassnahmen erleichtern und eine gute Einschulung garantieren soll (Projekt Erfolgreicher Start in die Schule ). Quims: Sprachförderung ist ein verbindlicher Schwerpunkt in Quims-Schulen. Zur Zeit wird das Programm in fast 100 Schulen im Kanton umgesetzt. Im Jahr 2005 hat Quims zusammen mit zwei anderen Projekten den Schweizer Integrationspreis erhalten. Frühförderung: Die Ergebnisse der Lernstandserhebung 2006 im Kanton Zürich, die vor kurzem veröffentlicht wurden, zeigen, dass rund 10 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler die Lernziele der 3. Klasse nicht vollständig erreichen. Die Studie wirft unter anderem die Frage auf, wie Kinder mit ungünstigen Lernvoraussetzungen besser gefördert werden können. Nach wie vor ist es die soziale Herkunft, die den Schulerfolg massgeblich determiniert; besonders betroffen davon - im negativen Sinne - sind vor allem jene aus fremdsprachigen Familien. Die Förderung von Sprachkenntnissen als einer der Schlüssel für den Schulerfolg ist für diese Kinder besonders wichtig. Neben der Förderung im Kindergarten, die ich schon erwähnt habe, müssen wir auch die Zeit davor in unsere Überlegungen miteinbeziehen. Ein konkreter Schritt in diese Richtung wurde im Projekt Spielgruppen Plus gemacht, das in vier Gemeinden des Kantons Zürich durchgeführt und letztes Jahr mit dem schweizerischen Integrationspreis ausgezeichnet wurde. Das "plus" steht für eine gezielte Förderung von Kleinkindern mit Migrations- und / oder bildungsfernem Hintergrund beim Spracherwerb nach einem speziell entwickelten Förderprogramm. Eine erste Zwischenevaluation hat gezeigt, dass diese Kinder grössere Fortschritte in der deutschen Sprache machen als Kinder in anderen Spielgruppen. 9

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Bildungs- und Sprachenpolitik auf nationaler und kantonaler Ebene und ihre Umsetzung in der Schulpraxis, ist eine komplexe Angelegenheit. Viele engagierte Menschen denken mit, planen, entscheiden und setzen um: - Beispielsweise kümmern sich Koordinationsgruppen der EDK mit Fachleuten aus Forschung, Verwaltung und Praxis um die Weiterentwicklung des Sprachenunterrichts. - Vertretungen der Lehrkräfte wirken mit bei der Lehrmittelentwicklung. - Fachleute aus den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten forschen zum Thema Sprachenunterricht und leisten einen Beitrag an eine zukunftsweisende Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen. - Das Volksschulamt entwickelt Konzepte, unterstützt die Schulen und setzt die Verbesserungsmassnahmen im Bereich der Sprachförderung um. - Im Kanton Zürich fasst der Bildungsrat wichtige Beschlüsse im Bereich Sprachenunterricht. - Und manchmal haben die Stimmberechtigen das letzte Wort. Wichtig zum Schluss ist mir eines: All diese bildungs- und sprachpolitischen Bemühungen wären wertlos ohne Ihr Engagement in den Schulen. Wir sind angewiesen auf Lehrpersonen, die in der täglichen Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern ihr Können beweisen und die auch bereit sind, sich stets weiterzuentwickeln, auch in beruflichen Weiterbildungen. In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihren Einsatz im Unterricht und Ihre Aufmerksamkeit heute Morgen. Ich freue mich nun auf eine lebendige Diskussion mit Ihnen. 10