Kinetische Vorgänge setzen ATOMTRANSPORT voraus: in Flüssigkeiten: Konvektion, Diffusion in Festkörpern: Diffusion

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Transkript:

Skript Werkstofftechnik Anja Pfennig Rohfassung 1 Diffusion Thermische Aktivierung Kinetik Atomtransport Konvektion Wechseln Atome infolge thermischer Schwingungen ihre Plätze so nennt man diese Vorgänge thermisch aktiviert. Die Kinetik gibt dabei Auskunft über die Geschwindigkeit der Platzwechselvorgänge (Wanderung), so wie die Thermodynamik Auskunft über die Triebkraft gibt (siehe Kapitel: Legierungsbildung). Zu den Vorgängen in der Kinetik zählen: 1. 1. Diffusion - Volumendiffusion - Korngrenzendiffusion 2. Kooperative Atombewegung (displatzive Umwandlungen) - Zwillingsbildung - Martensitische Umwandlung 3. Phasenumwandlungen Kinetische Vorgänge setzen ATOMTRANSPORT voraus: in Flüssigkeiten: Konvektion, Diffusion in Festkörpern: Diffusion Konvektion ist der Stofftransport durch Bewegung größerer Volumina Beispiele für Konvektion: durch temperaturabhängige Dichteunterschiede durch Rühren Diffusion ist Stofftransport durch Bewegung einzelner Atome Damit ist die Wanderung von Atomen in festen Werkstoffen bei ausreichend hohen Temperaturen gemeint. Diese dienen zur Änderung des strukturellen Ordnungsgrads Bildung neuer Phasen Definition Diffusion DEFINITION: Diffusion ist der Konzentrationsausgleich durch thermisch aktivierten Platzwechsel von einzelnen Atomen (Streng genommen handelt es sich nicht um einen Konzentrationsausgleich, sondern um die Minimierung des thermodynamischen Potentials) Man unterscheidet Selbstdiffusion (Thermodiffusion) und Fremddiffusion (konzentrationsabhängige Diffusion) (Abbildung 1.1). Selbstdiffusion Selbstdiffusion (Thermodiffusion) Bei Temperaturen > 0 K führen die Atome Schwingungen um ihre Gitterplätze aus. Die kinetische Energie verschiedener Atome, ausgedrückt durch ihre Schwingungsamplitude, ist zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht gleich, vielmehr liegt bei einer entsprechenden Zahl von Atomen eine Energieverteilung gemäß der Gauss schen Glockenkurve vor, d. h. eine bestimmte Anzahl von Atomen hat eine geringe, eine Reihe von Atomen hat eine mittlere und eine weitere Anzahl von Atomen hat eine hohe kinetische

Energie. Das Bestreben der Atome, einen Ausgleich der kinetischen Energie durch Platzwechsel herbeizuführen, heißt Thermodiffusion. Sind dabei nur Atome einer Art, d. h. Atome des reinen Metalls, beteiligt. so bezeichnet man diese Art als Selbstdiffusion. Fremddiffusion Fremddiffusion (konzentrationsabhängige Diffusion) Sind im Grundgitter (Matrix) z. B. eines Substitutionsmischkristall die Atome der zweiten Komponente unregelmäßig verteilt, erfolgt bei entsprechenden Temperaturen eine Diffusion. Dadurch stellt sich nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes der Konzentrationsausgleich ein (Fig. 4.1). Gleichzeitig erreichen die Atome damit den stabilsten thermodynamischen Energiezustand. Wegen des häufigen Auftretens wird diese Art als normale Diffusion bezeichnet. Abbildung 1.1: Schematische Darstellung atomarer Platzwechselvorgänge Tabelle 1.1: Gegenüberstellung Selbstdiffusion / Fremddiffusion Selbstdiffusion Fremddiffusion was thermisch aktivierte Platzwechsel von Atomen ohne äußere Einwirkung stattfindender Konzentrationsausgleich durch atomare Platzwechsel!!! Voraussetzung ist ein Konzentrationsgradient wer Atome einer Sorte unterschiedliche Atome Ziel Erzielen eines Ordnungszustands Ausgleich der kinetischen Energie Einstellung der Gleichgewichtskonzen-tration Ausgleich der chemischenpotentiale (Triebkraft) Atomwanderung Aktivierungsenergie 1.1 Atomarer Platzwechselmechanismus Die Atomwanderung findet durch den thermisch aktivierten Platzwechsel im Zwischengitter oder im Gitter mittels Bildung und Wanderung von Leerstellen statt (Abbildung 1.1) Um Diffusionsvorgänge zu initiieren muss eine Barriere überwunden werden, das heißt eine Wärme, die sogenannte freie Aktivierungsenthalpie oder Aktivierungsenergie, aufgebracht werden bevor ein Atom seinen Ort verlässt. Triebkraft für die Wanderung ist die Potentialabnahme auf dem Weg von Position 1 bis 3 (Abbildung 1.2). Die Energie des wandernden Atoms wird durch die Kurve in beschrieben.

Diffusion der Atome im Gitter x x Enthalpie H Weg x Abbildung 1.2: Diffusion der Atome im Gitter Diffusionskoeffizient Arrheniusauftragung 1.2 Diffusionskoeffizient Während die Diffusionskonstante ein Materialkennwert ist, ist der Diffusionskoeffizient: von der Temperatur abhängig und gibt die Besetzungswahrscheinlichkeit der Sattellage an Q b RT D = D e 0 D = Diffusionskoeffizient D 0 = Diffusionskonstante (Materialkennwert, von T unabhängig) Q b = H = Aktivierungsenergie (genauer Aktivierungsenthalpie) für die Leerstellenbildung Größenordnung: 100 kj/mol = 1 ev/atom Hb = Bildungsenthalpie für die Leerstellen Hw = Wanderungsenthalpie der Leerstellen R = allgemeine Gaskonstante für ein Mol T = Temperatur Arrheniusauftragung Um die erforderlichen Aktivierungsenergien zu erhalten zur Q-Bestimmung benutzt man die rechtsstehende ARRHENIUS- Auftragung, bei der der natürliche Logarithmus von D als Funktion des Kehrwerts der Temperatur aufgetragen wird. Die Steigung der Geraden gibt die bei der entsprechenden Temperatur notwendigen Aktivierungsenergien (Aktivierungsenthalpien). Die Aktivierungsenthalpie der Diffusion besteht eigentlich aus ZWEI Beiträgen, die die Wahrscheinlichkeit für den Diffusionssprung beeinflussen: 1. Die Wahrscheinlichkeit für Leerstelle auf Nachbarplatz H b (z*c 0 ) z(koordinatinszahl) 2. Die Wahrscheinlichkeit für Sprung des Atoms in Leerstelle H w Hb + Hb RT D = D e Q = H 0 w + H b Typische Werte für die Diffusionskoeffizienten in Metallen: D T v 10-14 T = 2/3 Ts 10-12 Ts 10-9 Ts Beispiel: Für t=10 4 s und D=10-12 m 2 /s ist x Dt = 0,1 mm

Fremddiffusion Gegendiffusion mit Bildung intermetallischen Phasen 1.3 Fremddiffusion Fremddiffusion erfolgt im Gegenstrom, d.h. dass beide Diffusionskoeffizienten D A und D B beteiligt sind und die Atome gegeneinander bzw aneinander vorbei strömen. Anmerkung: In den allermeisten Fällen findet Diffusion in Metallen über die Bildung von intermetallischen Phasen statt Abbildung 1.3: Querschliff (links) durch eine Lotverbindung für electronic packaging mit zugehörigem Phasendiagramm (rechts) Zwischengitterdiffusion 1.4 Zwischengitterdiffusion Für die Zwischengitterdiffusion ist keine Leerstellen notwendig. Die Aktivierungsenergie ist in diesem Fall gleich der Enthalpie für die Wanderung der Atome (Q D = H w ): ist relativ klein Dieses hat zur Folge, dass die Diffusion schon bei relativ niedrigen Temperaturen schnell ist! Oktaederlücken In krz und kfz Abbildung 1.4: Position der Oktaederlücken in den Modifika- Abbildung 1.5: Diffusionskoeffi tionen von Eisen zienten verschiedener Atome - Kleine Zwischengitteratome diffundieren rasch, wie z.b. der Kohlenstoff im α- Fe (Ferrit). In dichter gepacktem γ -Fe (Austenit) sind die Werte hundertmal kleiner. Bei hoher Temperatur ist die Volumendiffusion rascher, bei tiefer Temperatur die Korngrenzendiffusion

Fick`sche Gesetz Stoffmengenfluss 1.5 Das 1. Fick`sche Gesetz Die Diffusion erfolgt in Richtung des größten Konzentrationsgefälles. Der durch das 1. Fick`sche Gesetz beschriebene Stofffluss infolge von Diffusionsprozessen J ist proportional zur Steilheit des Gefälles (dc/dx): dc J = D * (Mol/cm²s) dx J = Stofffluss durch Diffusion, d.h. transportierte Masse Abbildung 1.6: Stoffttrasport und je Flächen- und Zeiteinheit Konzentrationsgefälle D = Diffusionskoeffizíent in Länge 2 /Zeit, m 2 /s dc/dx = Konzentrationsgefälle Lösung der Diffusionsgleichu ng Die Lösung der Diffusionsgleichung kann am Verlauf der Konzentration in zwei an der Stirnfläche verschweißten Stäben verschiedener Konzentration c a, c b, nach der Zeit t bei einem Diffusionskoeffizienten D graphisch veranschaulicht werden (Abbildung 1.1). /Ilschner S. 95/. Dabei nimmt der mittlere Diffusionsweg x die Lage einer Diffusionsfront mit der Zeit parabolisch wie x= Dt zu. Zur Überwindung eines Diffusionsweges von x cm Länge benötigt das System folglich die Zeit t = x 2 /D Konzentrationsverauf Abbildung 1.7: Verlauf der Konzentration in zwei an der Stirnfläche verschweißten Stäben verschiedener Konzentration c a, c b, nach der Zeit t bei einem Diffusionskoeffizienten D.