Sinnsuche Spiritual Care bei Menschen mit Demenz. Workshop

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Transkript:

Sinnsuche Spiritual Care bei Menschen mit Demenz Workshop Franzisca Pilgram-Frühauf, Dr. phil. Institut Neumünster, Zollikerberg 25. Februar 2017 Kartause Ittingen 2 Zum Einstieg Aus: Christine Bryden (2011). Mein Tanz mit der Demenz. Trotzdem positiv leben. Bern, 158f. Sie können uns helfen unserem Leben wieder einen Sinn zu geben, indem Sie herausfinden, welche Aktivitäten uns helfen, die Schwierigkeiten, die das tägliche Leben mit einem zerstörten Gehirn mit sich bringt, zu meistern und zu überwinden. Die spirituelle Praxis kann uns helfen, eine das Göttliche widerspiegelnde Identität zu entwickeln, emotionale Sicherheit zu erlangen und einer neuen Zukunft hoffnungsvoll entgegenzusehen. [ ] 1

3 Sie sollten versuchen herauszufinden, welcher spirituellen Tradition wir uns zugehörig fühlen, und uns helfen, mit den Ritualen, Geschichten, Orten und Praktiken wieder in Kontakt zu kommen. [ ] Die Worte, Lieder, Formeln und Rituale müssen uns vertraut sein, uns wohlgemerkt, nicht Ihnen. [ ] Spiritualität ist alles, was unserem Leben Sinn und Richtung gibt, und das kann auch die Kunst, die Natur oder die Musik sein. Ich habe eine besondere Beziehung zur Natur. [ ] Stärken Sie unser wahres Selbst, das hinter unseren kognitiven Fähigkeiten und Emotionen verborgen ist. Sie können uns motivieren, unsere Geschichte aufzuschreiben. 4 Übersicht 1. Grundlage von Spiritual Care 2. Was ist Spiritualität? 3. Spirituelle Bedürfnisse 4. Spiritual Assessment à spirituelle Begleitung 2

1. Grundlage von Spiritual Care WHO-Definition von Palliative Care Körper 4-teiliges (biopsycho-soziospirituelles) Menschenbild Mensch Psyche Gemeinschaft Vgl. www.who.int/cancer/ palliative/definition/en Spiritualität 6 Nationale Leitlinien Palliative Care. Bundesamt für Gesundheit (2014). Spirituelle Begleitung leistet einen Beitrag zur Förderung der subjektiven Lebensqualität und zur Wahrung der Personenwürde angesichts von Krankheit, Leiden und Tod. Dazu begleitet sie die Menschen in ihren existenziellen, spirituellen und religiösen Bedürfnissen auf der Suche nach Lebenssinn, Lebensdeutung und Lebensvergewisserung sowie bei der Krisenbewältigung. Sie tut dies in einer Art, die auf die Biografie und das persönliche Werte- und Glaubenssystem Bezug nimmt. 3

7 2. Was ist Spiritualität? Spiritualität umfasst die ganz persönliche Beziehung eines Menschen zu dem, was ihn im Tiefsten trägt und seinem Dasein Sinn und Richtung gibt. Religiosität gilt als persönliche Glaubensvorstellung und -praxis im Rahmen einer religiösen Tradition und innerhalb einer organisierten Religionsgemeinschaft. Religionen vermitteln ein Sinnsystem, das sich im Verlauf der Geschichte herausgebildet hat und immer weiter tradiert wird. 8 Etymologie spiritus (lat.) pneuma (gr.) ruah (hebr.) Bedeutungsfeld: Wind, Lebenshauch, Atem, Geist Zentrale Komponenten: Lebensbezug Offenheit Verbundenheit 4

9 3. Spirituelle Bedürfnisse Anthropologischer Ausgangspunkt für Spiritualität ist der Mensch mit seinen Fragen und seiner Suche nach Sinn: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wozu bin ich auf der Welt? 10 Wanderer am Weltenrand In: Flammarion, Camille. L Atmosphère. Météorologie populaire. Paris 1888. 5

11 Woher: Geborgenheit in einem Ganzen geborgen sein vs. trostlose Einsamkeit (Dürckheim) Beziehungsbedürfnisse (Alderfer) Angewiesenheit auf Begegnung (Buber) im Alter: Zuwendung erhalten, Dankbarkeit, Vergebung; Kontinuität spiritueller/religiöser Praxis (Koenig) 12 Wohin: Hoffnung Hoffnung vs. Angst vor dem Tod (Dürckheim) Wachstumsbedürfnisse (Alderfer) im Alter: Bedürfnis, die momentane Lebenssituation zu transzendieren, Zukunft zu entwerfen; Vorbereitung auf Sterben und Tod (Koenig) 6

13 Wozu: Sinn Sinnvoll leben vs. verzweifeln am Widersinn (Dürckheim) Existenzbedürfnisse (Alderfer) Bedürfnis, andere Menschen zu lieben und zu unterstützen, Umgang mit Verlusten (Koenig) Generativität, Integrität, Gerotranszendenz (Erikson, vgl. auch Tornstam) 14 4. Spiritual Assessment-Instrumente Beispiel SPIR: - Welche Glaubensüberzeugungen sind für Sie wichtig? - In wen oder was setzen sie Ihre Hoffnung? - Welche Rolle spielt ihr Glaube in Bezug auf Ihre Gesundheit? - Sind die Überzeugungen, von denen Sie gesprochen haben, wichtig für Ihr Leben und für Ihre gegenwärtige Situation? Freies Gespräch oder standardisierter Fragebogen? Art der Fragen? Begrifflichkeit (Religiosität/Spiritualität)? Messbarkeit? Menschen, die sich verbal nicht oder schlecht äussern können? 7

15 Sp Ass Institut Neumünster Anemone Eglin, unter Mitarbeit von Christoph Schmid 2012, 2016 anthropologischen Ansatz mit einem offenen Verständnis von Spiritualität phänomenologisch-hermeneutischer Zugang 16 Ich komme, ich weiss nicht woher, Ich bin, ich weiss nicht wer, Ich sterb, ich weiss nicht wann, Ich geh, ich weiss nicht wohin, Mich wundert's, dass ich fröhlich bin. Mittelalterlicher Sinnspruch 8

25. Februar 2017 17 Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit! Franzisca Pilgram, Dr. phil. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut Neumünster Neuweg 16 8125 Zollikerberg 044 397 38 33 franzisca.pilgram@institutneumuenster.ch 18 Literaturhinweise (Auswahl) BIGORIO 2008. Empfehlungen zu Palliative Care und Spiritualität. URL: https://www.palliative.ch/fileadmin/user_upload/palliative/fachwelt/e_s tandards/e_12_1_bigorio_2008_spiritualitaet_de.pdf Eglin, A. et al. (2009). Tragendes entdecken. Spiritualität im Alltag von Menschen mit Demenz. Zürich. Heller, B./Heller, A. (2014). Spiritualität und Spiritual Care. Orientierungen und Impulse. Bern. Kruse, A. (2010). Lebensqualität bei Demenz? Zum gesellschaftlichen und individuellen Umgang mit einer Grenzsituation im Alter. Heidelberg. Pilgram, F. (2017). Symbolsprache von Menschen mit Demenz. Hermeneutische Denkanstösse. In: Peng-Keller, S., Hg., Bilder als Vertrauensbrücken (in Vorbereitung). Weiher, E. (2008). Das Geheimnis des Lebens berühren. Spiritualität bei Krankheit, Sterben, Tod. Eine Grammatik für Helfende, Stuttgart. 9