Teil 3: Das WTO/GATT-System. 8. Grundprinzipien des GATS

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Transkript:

Teil 3: Das WTO/GATT-System 8. Grundprinzipien des GATS I. Einführung Wie oben ausgeführt, umfasst der weltweite Handel mit Dienstleistungen 20% des gesamten Welthandels mit einer jährlichen Wachstumsrate von ca. 9-11 % 1. Dieser Anstieg entspricht der Wachstumsrate des weltweiten Warenhandels und ist kennzeichnend für die Bedeutung des Handels mit Dienstleistungen. Dieser Bedeutungszuwachs war sicherlich einer der ausschlaggebenden Faktoren, aufgrund derer der Handel mit Dienstleistungen einer der wesentlichen Verhandlungspunkte wurde. Hinzu kam, dass der Dienstleistungssektor Wirtschaftsbereiche wie bestimmte Kreditinstrumente, Inkassoleistungen oder auch die Zahlungsverkehrsabwicklungen der Banken einschließt, die für das Funktionieren einer Volkswirtschaft unabdingbar sind. Die Initiative für Verhandlungen über die Liberalisierung des Dienstleistungshandels ging von den USA aus; Hintergrund hierfür war, dass die US-amerikanische Telekommunikation-, Finanz - und Transportunternehmen eine Integration des Dienstleistungshandels in das WTO System anstrebten, um eine umfassende Liberalisierung zu erzielen. Diese Ansatz wurde vor allem von den Entwicklungsländern mit großer Zurückhaltung aufgenommen, da deren Vorteile naturgemäß vor allem in den personalintensiven Sektoren verortet sind. Wichtig ist in diesem Kontext aber auch, dass die vorangegangene Politik der Deregulierung und Liberalisierung seitens der USA und Großbritannien zur Schaffung von Marktinteressen in Bereichen führten, die als Monopole zuvor staatlicher Kontrolle unterstanden. Der Handel mit Dienstleistungen birgt im Vergleich zum Handel mit Waren verschiedene spezifische Problemkreise, die die Liberalisierung des Dienstleistungshandels und seine Integration in das WTO System vor besondere Herausforderungen stellte. Zum einen tangiert der Handel mit Dienstleistungen politisch sensible Bereiche wie Fragen der Arbeitsmigration und Einwanderung. Zum anderen entsteht regelmäßig ein Spannungsverhältnis zwischen nationalen Regulierungen und der Liberalisierung des Dienstleistungshandels. Gerade aufgrund dieser besonderen Umstände, die sich für den Dienstleistungshandel ergeben, wurde das im Rahmen der Uruguay- Runde ausgehandelte Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreements on Trade in Service; GATS) zu einem wichtigen Bestandteil der Rechtsgrundlagen der neuen Welthandelsordnung. Ein weiteres Motiv für die teils schwierige Erarbeitung des GATS 1 International Trade Statistics 2007, S. 20-22; abrufbar unter http://www.wto.org/english/res_e/statis_e/its2007_e/its2007_e.pdf. 1

war zudem, dass das Wachstum des internationalen Dienstleistungsverkehrs mangels eines völkerrechtlichen Rahmens deutlich behindert wird 2. Das GATS stellt den Versuch dar, die Grundsätze des GATT auf den Bereich der Services zu übertragen; danach haben Handelsbeschränkungen nicht mehr nur die Form von Zöllen oder Kontingenten, sondern von Regelungen über Marktzugang und Qualifikation der Erbringer von Dienstleistungen. Als erster Schritt zur rechtlichen Normierung des Ziels einer Liberalisierung dieses so wichtigen Wirtschaftssektors ist das GATS ohne Zweifel ein Erfolg; die bisher auf der Grundlage von Art. XIX GATS angehaltenen Verhandlungsrunden zur weiteren Liberalisierung haben diese Werte grundsätzlich bestätigt. Allerdings stellen die Regelungen des GATS vor allem eine Fixierung des status quo dar; der erhoffte Konsens für eine Weiterentwicklung des Abkommens in der Verhandlungsrunde seit dem Jahr 2000 blieb bisher aus. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen im Dienstleistungssektor im Februar 2007 hat bisher noch nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt, zumal ihr das Scheitern der Doha-Runde im Sommer 2006 voraus ging. II. Aufbau und Grundprinzipien des GATS Das GATS enthält eine Unterscheidung zwischen allgemeinen Pflichten (Teil II des GATS), die sich auf alle Mitglieder der WTO erstrecken und spezifische Verpflichtungen (Teil III des GATS), welche lediglich für die Mitglieder gelten, die sich hierzu explizit verpflichtet haben. Die Verpflichtungen aus Teil II des GATS enthalten unter anderem den Meistbegünstigungsgrundsatz 3 und die Verpflichtung zur Transparenz 4, während die spezifischen Verpflichtungen aus Teil III sich beispielsweise auf den Marktzugang 5 und die Inländerbehandlung 6 beziehen. 1. Anwendungsbereich und Definitionen Der Anwendungsbereich des GATS ist wie folgt festgelegt: Gemäß Art. I GATS bezieht sich dieses auf alle Maßnahmen von Mitgliedern, die den Handel mit Dienstleistungen beeinflussen. 2 Hier sei hinzugefügt, dass im Rahmen der OECD seit dem Jahre 1961 völkerrechtliche Verpflichtungen zur Liberalisierung des Dienstleistungshandels zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, die in Kodizes zusammengefasst sind. Diese sind allerdings als völkerrechtliche Akte umsetzungsbedürftig und entfalten keine unmittelbare Wirkung. Zudem sind nur die OECD-Mitglieder durch sie gebunden. Der EGV beinhaltet mit den Art. 49 ff. EG die bislang umfänglichste Liberalisierung des Dienstleistungshandels, denn der Dienstleitungshandel statuiert als Grundfreiheit des Vertrages nicht nur ein umfassendes Diskriminierungsverbot, sondern auch ein Beschränkungsverbot. 3 Art. II GATS. 4 Art. III GATS. 5 Art. XVI GATS. 6 Art. XVII GATS. 2

Eine Legaldefinition des Dienstleistungsbegriffs gibt es ebenso wenig wie im GATT betreffend Waren nicht; sektoral erfasst das GATS alle kommerziell handelbaren Dienstleistungen. Nach Art. I:3 GATS bezieht sich dieses aber auf jede Art von Dienstleistungen in jedem Sektor, eine Ausnahme besteht lediglich für die Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erbracht werden. Nach der offiziellen, nicht abschließenden Sektorenliste erstreckt sich das GATS u. a. auf Professional Services (vor allem Freie Berufe), Computerdienste, Werbung, Telekommunikation, audiovisuelle Dienstleistungen, Bau, Handel, private Bildung, Umweltdienste, Finanzdienstleistungen (Banken und Versicherungen), Tourismus und Verkehr (See-, Luft- und Landverkehr). Die WTO-Mitglieder stellen bei der Abgrenzung zwischen Waren und Dienstleistungen auf die Produktklassifizierung der UN (Central Classification 7 ) ab, wobei diese Klassifizierung allerdings nicht konstitutiv ist. Der Handel mit Dienstleistungen, der vom GATS erfasst wird, bezieht sich auf vier Erbringungsarten (modes of supply). Unter diesen vier Arten der Erbringung wird die Produktion, der Vertrieb, die Vermarktung, der Verkauf sowie die Bereitstellung von Dienstleistungen verstanden. Nach dem GATS liegt daher der Handel mit Dienstleistungen dann vor, wenn 1. die Dienstleistung die Grenze selbst überschreitet (grenzüberschreitende Erbringung, Modus 1; cross-border supply, z. B. ein im Land A ansässiger Architekt liefert einem im Land B ansässigen Ingenieur Pläne für eine Industrieanlage); 2. der Dienstleistungsempfänger die Grenze überschreitet und die Dienstleistung im Ausland erhält (Konsum im Ausland, Modus 2; consumption abroad, d. h. Touristen aus Land A erhalten im Land B Dienstleistungen ); 3. durch die Errichtung einer juristischen Person im Ausland (kommerzielle Präsenz, Modus 3; commercial presence, d. h. jede Art geschäftlicher oder beruflicher Niederlassung durch u. a. Errichtung, Erwerb oder Fortführung einer juristischen Person oder Zweigstelle zum Zwecke der Erbringung einer Dienstleistung); 4. oder durch die Präsenz einer natürlichen Person im Ausland, die dort abhängig oder selbstständig tätig ist (Präsenz natürlicher Personen, Modus 4; movement of persons, d. h. etwa die Durchführung eines Bauvorhabens durch ein Unternehmen aus dem Land A im Land B mit Arbeitnehmern aus Land A). 7 Die Klassifizierung der Vereinten Nationen kennt zwölf Hauptsektoren und zahlreiche Untersektoren. 3

Aus Art. I:3 GATS geht hervor, dass sich das Abkommen auf alle Maßnahmen der Mitglieder bezieht; hierunter ist das Tätigwerden staatlicher wie auch nicht-staatlicher Stellen umfasst, wenn diese in Übertragung von hoheitlichen Befugnissen handeln (z. B. berufsständische Organisationen). Das Abkommen erfasst schließlich die Regelungen der Mitgliedstaaten, die den Handel mit Dienstleistungen beeinträchtigen 8. 2. Die Grundprinzipien des GATS Der folgende Abschnitt beinhaltet einen Überblick über die grundlegenden Prinzipien, die durch das GATS festgelegt sind. Dabei werden sowohl allgemeine als auch spezifische GATS-Verpflichtungen dargestellt. 2. 1. Allgemeine Verpflichtungen des GATS Die allgemeinen Verpflichtungen des GATS gelten für alle Mitglieder der WTO, ohne dass eine spezifische Anerkennung erforderlich ist. 2. 1. 1. Meistbegünstigungsgrundsatz, Art. II GATS Art. II GATS ist strukturell mit dem Meistbegünstigungsgrundsatz des GATT vergleichbar. Auch hiernach ist neben der Anwendbarkeit des GATS erforderlich, dass eine Diskriminierung vorliegt, die sich auf gleichartige Dienstleistungen oder - und hier besteht ein Unterschied zu den Vorschriften des GATT - Dienstleistungserbringer bezieht 9. Ausnahmen bestehen entsprechend dem Vorbild des GATT gemäß Art. V GATS für regionale Integrationsvorhaben sowie gemäß Art. VII bzw. XIV für Abkommen betreffend die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationsnormen für Dienstleister und Doppelbesteuerungsabkommen. Neben diesen horizontalen Meistbegünstigungsausnahmen gestattet Art. II (2) GATS i. V. m. dem einschlägigen Annex den Mitgliedstaaten für grds. maximal zehn Jahre die Beibehaltung sektorieller Ausnahmen (z. B. Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Seeverkehr); hiervon haben fast alle Staaten Gebrauch gemacht. 2. 1. 2. Transparenz Eine weitere allgemein Verpflichtung ist die zur Transparenz (Art. III (1) GATS), d. h. zur Veröffentlichung aller einschlägigen Maßnahmen. Diese Verpflichtung dient vor allem dazu, alle handelsbeschränkenden staatlichen Gesetze offen zu legen, um eine Datengrundlage für 8 An dieser Stelle vermag die deutsche Übersetzung die ursprüngliche Formulierung nur ungenau wiederzugeben; die englische Fassung mit dem Wortlaut measures affecting the trade with services ist weiter und erfasst bereits Maßnahmen, die den Dienstleistungshandel berühren; siehe hierzu auch EC Regime of the Importation, Sale and Distribution of Bananas, WT/DS27/AB/R. 9 Hintergrund hierfür ist, dass Maßnahmen im Dienstleistungssektor häufig nicht an die Dienstleistung selbst, sondern an den Erbringer anknüpfen. 4

die Verhandlungen in der WTO über den Abbau dieser Vorschriften zu errichten, weiterhin wird über die Verpflichtung zur Transparenz eine grundlegende Rechtssicherheit gewährleistet. Gemäß Art. VI. (2) GATS müssen zudem innerstaatliche (gerichtliche, schiedsoder verwaltungsgerichtliche) Verfahren eingeführt werden, die einen Rechtsbehelf gegen den Dienstleistungsverkehr betreffende Verwaltungsentscheidungen eröffnen. Weitere Verpflichtungen betreffen gemäß Art. VII GATS die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen u. ä. von Dienstleistern sowie gewisse Beschränkungen der Stellung von Monopolisten (Art. VIII (1) GATS). 2. 2. Spezifische Verpflichtungen des GATS zur Liberalisierung Teil II des GATS enthält Bestimmungen über die eigentlichen Liberalisierungsverpflichtungen, nämlich Gewährung von Marktzugang und Inländergleichbehandlung. Diese entstehen anders als die Meistbegünstigungspflicht nicht durch das GATS selbst, sondern durch bilaterale Verhandlungen über diejenigen Dienstleistungssektoren, die ein Staat in seine Schedule of Specific Commitments aufnimmt; solche Schedules wurden bei Inkrafttreten des GATS am 01. 01. 1995 wirksam. Die nationalen Schedules enthalten neben den sektorspezifischen Regeln auch horizontal, d. h. für alle Dienstleistungssektoren geltenden Pflichten. Insbesondere müssen die in Art. XVI:2 GATS genannten Marktzugangshemmnisse schrittweise abgeschafft und dürfen auch nicht neu eingeführt werden. Von für die Zukunft ganz zentraler Bedeutung ist schließlich die in ART. XVII GATS niedergelegte Pflicht zur Inländergleichbehandlung (national treatment), die allgemein nicht nur als formale Gleichbehandlung, sondern als gleichwertige Behandlung (equivalent treatment) verstanden wird, d. h. der ausländische Dienstleister muss de facto und de iure wie sein inländischer Konkurrent behandelt werden. 2. 2. 1. Marktzugang nach Art. XVI GATS Der Marktzugang nach Art. XVI GATS enthält die Verpflichtung für die Mitglieder, die diese anerkannt haben, keine der in Art. XVI:2 GATS abschließend aufgezählten quantitativen und qualitativen Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs aufrecht zu erhalten, wenn der entsprechende Mitgliedstaat nicht diese Beschränkungen ausdrücklich als Ausnahme oder Bedingung zu den geltenden Verpflichtungen aufgenommen hat. Zu den gemäß Art. XVI (2) GATS schrittweise abzubauenden Marktzugangshemmnissen gehören die Beschränkungen der Zahl der zugelassenen Anbieter in Form von Quoten, Monopolen, Bedürfnisprüfungen 10, Zahl des ausländischen Personals und ausländischer 10 Hierunter ist beispielsweise die Bedarfszulassung im Taxengewerbe nach 13 IV PBefG zu verstehen. 5

Investitionen. Unter Umständen ist auch das regulative Verbot der Erbringung einer Leistung vom Prinzip des Marktzugangs erfasst 11. Dieses zentrale Ziel des GATS wird aber in gewisser Weise durch die Anerkennung des Rechts der Mitgliedstaaten gemindert, bei der innerstaatlichen Regulierung von Dienstleistungen Ziele ihrer nationalen Politik zu beachten. Im Ausgleich dieser beiden Ansätze liegt das in der Zukunft zu lösende Hauptproblem des GATS. 2. 2. 2. Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS Der Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS gehört zu den spezifischen Verpflichtungen des GATS und ist damit nur für die Mitglieder verbindlich, die eine ausdrückliche Verpflichtung eingegangen sind. Die Norm ist strukturell mit Art. III:4 GATT zu vergleichen. Für eine Anwendbarkeit des Art. XVII GATS ist in materiell-rechtlicher Hinsicht erforderlich, dass eine Maßnahme die Wettbewerbsbedingungen zu Lasten des ausländischen Dienstleistungserbringers verändert; daher sind grundsätzlich auch faktische Diskriminierungen erfasst. 3. Die sektorspezifischen Annexe des GATS Das GATS wird durch eine Reihe sektorspezifischer Annexe ergänzt. Diese betreffen u. a. Einreise und Aufenthalt von ausländischem Dienstleistungspersonal (Klarstellung, dass das GATS keinen allgemeinen Vorrang vor nationalen ausländerrechtlichen Vorschriften hat entsprechend beziehen sich die Schedules idr auch nur auf die Ebene der Betriebsleitungen und Spezialisten), Finanzdienstleistungen (in diesem Bereich wurde zur Jahreswende 1998/99 ein weitgehender Durchbruch in den vom GATS selbst vorgesehenen Verhandlungen zur Öffnung der nationalen Dienstleistungsmärkte erreicht), Telekommunikationsdienstleistungen und Luftverkehr. III. Perspektiven für die Liberalisierung des Dienstleistungshandels Gemäß Art. XIX:1 GATS sind die Mitglieder verpflichtet, nach einem Zeitraum von fünf Jahren nach Inkrafttreten des GATS über eine weiterreichende Liberalisierung zu beraten und verhandeln. Um dieser Verpflichtung Rechnung zu tragen, wurden seit dem Jahre 2000 Beratungen über weitergehende Liberalisierungsbemühungen im Rahmen des GATS geführt. Nach einem Ratsbeschluss vom 28.3.2001 ( Guidelines and Procedures fort the Negotiations on Trade in Service ) ist unter anderem vorgesehen, dass Struktur und Prinzipien des GATS, einschließlich der Sektorentrennung und der Unterscheidung nach Erbringungsform unberührt bleiben sollen. Ein vorab erfolgender Ausschluss von Dienstleistungsbereichen soll damit aber nicht erreicht werden. Zudem steht erneut das Meistbegünstigungsprinzip im Blickpunkt 11 US Measures affecting the Cross-Border Supply of Gambling and Betting Services, WT/DS285/AB/R. 6

des Interesses. Nach der Doha-Erklärung vom 14.11.2001 sind die Dienstleistungen expliziter Bestandteil der Verhandlungen, zudem werden die o. g. Guidelines bekräftigt und Fristen für den Ablauf für die Abgabe von Angeboten statuiert, diese sind jedoch bis zum 31.3.2003 abgelaufen. Nach dem Scheitern der Doha-Runde im Sommer 2006 und der im Februar erfolgten Wiederaufnahme der Verhandlungen ist der Ausgang derselben ungewiss. 7