Neuropsychologie und Physiotherapie Wie können wir in der physiotherapeutischen Behandlung neuropsychologische Probleme beeinflussen?

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Transkript:

Neuropsychologie und Physiotherapie Wie können wir in der physiotherapeutischen Behandlung neuropsychologische Probleme beeinflussen? Sabine Ehrat,Psychologin FSP

Inhalt Einführung: Neuropsychologie Klinische Neuropsychologie Funktionsbereiche: Aufmerksamkeit Gedächtnis Planungs- und Kontrollfunktionen Krankheitsbewusstsein Das sichtbare Verhalten Fallbeispiele, Fragen Zusammenfassung

Neuropsychologie Definition: Wissenschaft, die sich mit den Zusammenhängen zwischen den biologischen Funktionen des Gehirns und dem Verhalten und Erleben, unter anderem in den Bereichen Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Lernen, Gedächtnis, Sprache und Denken beschäftigt. Orientierung: zeitlich, örtlich, situativ, persönlich Aufmerksamkeit: Alertness, Daueraufmerksamkeit, selektive Aufmerksamkeit, geteilte Aufmerksamkeit Gedächtnis: Kurzzeitgedächtnis, Altgedächtnis, Neugedächtnis, Speicherung, Abruf, Lernen, sprachlich, räumlich Sprache: Sprechen, Wortfindung, Verstehen, Lesen, Schreiben, Kommunikationsverhalten Figural-räumliche Wahrnehmung und Verarbeitung: basale Raumwahrnehmung, räumlich-konstruktiv, Gestaltwahrnehmung, räumlich-topographisch Planung/Kontrolle: Flexibilität, Impulskontrolle, Antrieb, Abstraktionsvermögen, Situationsverständnis Persönlichkeit: Kritikvermögen, Selbstwahrnehmung, Affektkontrolle, Affektausdruck

Klinische Neuropsychologie Diagnostik Klinisches Interview Testpsychologische Untersuchung Verhaltensbeobachtung

Klinische Neuropsychologie Testprofil:

Klinische Neuropsychologie Therapie: Restitution Funktionswiederherstellung oder verbesserung Kompensation im engeren Sinne: Ausgleich von Defiziten durch Einsatz noch intakter Fähigkeiten im weiteren Sinne: Ausgleich von Defiziten durch äussere und/oder innere Veränderungen

Aufmerksamkeit Alertness: Verlangsamung Reaktionsbereitschaft durch verbale Instruktionen erhöhen Umwelt anpassen Daueraufmerksamkeit: Ermüdung Pausen einlegen, Therapiedauer anpassen

Aufmerksamkeit Selektive Aufmerksamkeit: Ablenkbarkeit Ablenkung vermeiden, Umwelt anpassen Aufmerksamkeitszuwendung sicherstellen Orientierungshilfen geben bei erfolgter Ablenkung Geteilte Aufmerksamkeit: beschränkte Kapazität Komplexität der Therapiesituation reduzieren

Aufmerksamkeit Überforderung vermeiden! Umwelt anpassen

Gedächtnis Gedächtnisformen Kurzzeitgedächtnis Langzeitgedächtnis Explizites Gedächtnis Implizites Gedächtnis Semantisches Gedächtnis Episodisches Gedächtnis Prozedurales Gedächtnis

Gedächtnis Gedächtnisformen Kurzzeitgedächtnis Langzeitgedächtnis Explizites Gedächtnis Implizites Gedächtnis Semantisches Gedächtnis Episodisches Gedächtnis Prozedurales Gedächtnis retrograd / Altgelerntes anterograd / Neuerworbenes

Gedächtnis Informationen geben statt abfragen Prozedurales Lernen ermöglichen

Planungs- und Kontrollfunktionen Analyse der Umgebung Der Planungsprozess (Konzeptentwicklung) Sequenzierung Initiieren der Handlung Kontrolle der Handlung Selbstwahrnehmung/Kritikfähigkeit Flexibilität Impulskontrolle Regeln und Konventionen

Planungs- und Kontrollfunktionen Schwierigkeiten bei der Planung: Der Frontallappen des Patienten sein Wiederkehrende Abläufe einschleifen Verminderter Eigenantrieb: Strukturierte und immer gleiche Tagesabläufe Enthemmtes/distanzloses Verhalten: Vorbild sein

Krankheitsbewusstsein Nicht von den Defiziten zu überzeugen versuchen Balance zwischen Unterstützung und Konfrontation finden Kompromisse eingehen Die Störung betrifft NUR die Wahrnehmung von Funktionseinschränkungen

Das sichtbare Verhalten Verhalten: Aufsitzen vom Bett wird nicht korrekt ausgeführt. Mögliche Ursachen: Gedächtnisstörung: Der Ablauf kann nicht erinnert werden. Planungsstörung: Die einzelnen Handlungsschritte können nicht in eine korrekte Abfolge gebracht werden. Je nach Ursache des Verhaltens, benötigt der Patient andere Hilfestellungen! Oft liegen mehrere Funktionsstörungen vor, die sich wechselseitig beeinflussen können!

Das sichtbare Verhalten Bevor wir neuropsychologische Probleme beeinflussen können, müssen wir: 1. Erkennen, dass ein neuropsychologisches Problem vorliegt. 2. Herausfinden, welche neuropsychologischen Probleme vorliegen. Seien Sie kritisch Ihren Schlussfolgerungen gegenüber! Identifizieren Sie Interpretationen und überprüfen Sie diese. Falls Sie einem Patienten gegenüber Ärger verspüren, fragen Sie sich: Was habe ich bei diesem Patienten noch nicht verstanden?

Zusammenfassung Erkennen, dass hinter dem Verhalten des Patienten neuropsychologische Probleme stehen können. Verstehen aufgrund welcher neuropsychologischer Defizite und welchen Wechselwirkungen das auffällige Verhalten entsteht. Ableiten, was den Patienten unterstützen könnte. Ausprobieren

Literaturhinweise Goldenberg, G. (2001). Neuropsychologie. Grundlagen- Klinik-Rehabilitation. München: Urban & Fischer Bodenburg, S. (2001). Einführung in die Klinische Neuropsychologie. Bern: Hans Huber.