7 287 Ausgehend von der Erörterung der theoretischen Grundlagen wissensintensiver Kooperationen320 wurden durch den Autor, in Verbindung mit einer Analyse und Darstellung der dem Einsatz aktiver Dokumente zur Unterstützung der Wissensteilung in wissensintensiven Kooperationen innewohnenden Potenziale321, in Kapitel 4.2.3 die für die in dieser Dissertation gewählte Thematik relevanten Hypothesen herausgearbeitet. Dem liegen umfangreiche empirische Untersuchungen zu Grunde, deren wesentlichen Ergebnisse in Form von Fallbeispielen322 dokumentiert wurden und die, im Ergebnis einer kritischen Auseinandersetzung, den inhaltlichen Ausgangspunkt für die Herleitung323 und prototypische Realisierung des Konzeptes324 zum Einsatz von aktiven Dokumenten im Rahmen von wissensintensiven Kooperationen bieten. In den folgenden Abschnitten nimmt der Autor auf Basis dieser Ergebnisse eine Diskussion der aufgestellten Hypothesen vor. Die charakteristischen Merkmale von Wissensarbeit in wissensintensiven Kooperationen, die in arbeitsteiligen, wissensintensiven Prozessen mit hohem Bedarf an Kommunikation zum Zwecke des Wissenstransfers gesehen werden können, sowie den Vorteilen des Einsatzes von Dokumenten zu diesem Zweck bildeten die Grundlage zur Herleitung der Hypothese325: H 1: Ein Großteil des Wissensaustauschs in wissensintensiven Kooperationen findet auf Basis von dokumentiertem Wissen über elektronische Dokumente statt. Im Rahmen der in dieser Arbeit vorgenommenen empirischen Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass der Austausch von Wissen in den untersuchten wissensintensiven Kooperationen zu großen Anteilen über den Transfer von in elektronischen Dokumenten vorliegendem dokumentierten Wissen vorgenommen wird. Neben dem Austausch von dokumentiertem Wissen in Form von e-mail-nachrichten, welcher von allen Interviewpartnern als sehr intensiv eingestuft wurde, ist, wie insbesondere in den Fallbeispielen Bildungsnetzwerk Winfoline326, DLR327, GISA GmbH328 und KnowBIT329 dokumentiert, sehr häufig auch ein Austausch von elektronischen Dokumenten vorzufinden, die selbst spezifisches, dokumentiertes Wissen beinhalten. In den Fallbeispielen wurden dabei sowohl standardisierte als auch nicht standardisierte elektronische Dokumente eingesetzt, die oft ein Zwischenergebnis der themenspezifischen Arbeit der jeweiligen wissensintensiven Kooperation darstellten. Die Verwendung von nicht standardisierten Dokumente erfolgte vor allem zum Austausch von kreativem, innovativem Wissen in Form von Konzepten, internen und externen Studien sowie 320 vgl. hierzu die Ausführungen im zweiten Kapitel, insbesondere zum Begriff der wissensintensiven Kooperation und dessen Herleitung 321 vgl. hierzu die Ausführungen zu aktiven Dokumenten und deren konzeptionellen Grundlagen in Kapitel 3.4 322 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3 323 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 5 324 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 6 325 Für eine detailliertere Herleitung der Hypothese sei an dieser Stelle auf Kapitel 4.2.3 verwiesen. 326 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3.1: Bildungsnetzwerk Winfoline 327 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3.2: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt 328 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3.3: GISA GmbH 329 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3.4: KnowBIT
288 Präsentationen des erarbeiteten Wissens. Dementgegen verkörperten standardisierte Dokumente, welche im Wesentlichen in verschiedenen Arten von Protokollen ausgetauscht wurden, meist gesichertes Wissen, wie Good/Best Practices oder Lessons Learned.330 Der Austausch von dokumentiertem Wissen erfolgte demnach sowohl zum Zwecke der Förderung der Wissensbildung im Rahmen der gemeinsamen Erarbeitung neuen Wissens als auch zur Koordination der kooperationsweiten Anwendung von bereits bestehendem Wissen. Eine Betrachtung der Merkmale klassischer elektronischer Dokumente331, unter dem speziellen Fokus des Einsatzes dieser zur Wissensteilung, veranlasste den Autor zur Formulierung nachfolgender Hypothese.332 H 2: Beim dokumentenbasierten Wissenstransfer zwischen Kooperationspartnern auf Basis klassischer elektronischer Dokumente geht vorhandener Kontext verloren. Wie in den Ausführungen in Kapitel 3.2 detailliert erläutert, dienen klassische, elektronische Dokumente als Container zum Transport von Nutzdaten. In Rahmen der in dieser Arbeit vorgenommenen empirischen Untersuchung von wissensintensiven Kooperationen konnte nachgewiesen werden, dass durch fehlende Konzepte und Techniken der Integration von Kontext in elektronische Dokumente dieser verloren gehen kann. In den Fallbeispielen Bildungsnetzwerk Winfoline333, GISA GmbH334 und NCC335 beschrieben die Interviewpartner Probleme durch die fehlende Möglichkeit zur Übermittlung von Kontext beim Austausch von dokumentiertem Wissen auf Basis der Verwendung klassischer elektronischer Dokumente. Diese ließen sich im Wesentlichen in fehlender Nachvollziehbarkeit und in Missverständnissen bzgl. der Dokumenteninhalte identifizieren. Auf Grund von fehlendem Kontext sowohl in Bezug auf die Situation der Wissensentstehung, der Wissensquelle als auch zum dokumentierten Wissen an sich, war demnach eine Wissensbildung bei den beteiligten Partnern und damit ein erfolgreicher Wissensaustausch nicht in jedem Fall möglich. Zum Teil war selbst der Ersteller des dokumentierten Wissens nach einiger Zeit nicht mehr in der Lage, dieses durch eine Rekontextualisierung336 wieder seiner individuellen Wissensbasis hinzuzufügen und aktiv anzuwenden.337 Die auf Hypothese H 2 aufbauende, tiefergehende Betrachtung der Realisierung von Kooperationsvorteilen durch den Wissensaustausch in wissensintensiven Kooperationen führte den Autor zu folgenden vertiefenden Hypothesen: 330 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3.7: Zusammenfassung 331 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3.2 332 Für eine detaillierte Herleitung der Hypothese sei an dieser Stelle auf die Ausführungen in Kapitel 4.2.3 verwiesen. 333 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3.1: Bildungsnetzwerk Winfoline 334 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3.3: GISA GmbH 335 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3.6: Nomenklatur Competence Center 336 vgl. hierzu die Ausführungen zum Prozess der dokumentenbasierten Wissensteilung in Kapitel 3.3.1 337 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3.7: Zusammenfassung
289 H 2.1: Ohne den Austausch von Kontext wird der Wissensaustausch derart behindert, dass die Realisierung von Kooperationsvorteilen nur unzureichend gelingt. H 2.2: Ohne den Austausch von Kontext wird die Wissensbildung derart behindert, dass die Realisierung von Kooperationsvorteilen nur unzureichend gelingt. Wie in den vorangestellten Ausführungen verdeutlicht, führte die fehlende Übermittlung von Kontext beim Austausch von dokumentiertem Wissen auf Basis der Nutzung klassischer elektronischer Dokumente in den betrachteten Fallbeispielen Bildungsnetzwerk Winfoline, GISA GmbH und NCC zu Situationen, in der eine Wissensbildung nicht mehr möglich war. Auf Grund der fehlenden oder fehlerhaften Wissensbildung bei den einzelnen Mitarbeitern der Kooperation konnte dementsprechend kein erfolgreicher Wissensaustausch erfolgen. Da sich die beteiligten Partner der untersuchten wissensintensiven Kooperationen dieser Problematik bewusst waren, wurden kompensierende Maßnahmen eingeleitet. Diese konnte der Autor darin identifizieren, dass ein Austausch des fehlenden Kontextes durch eine direkte synchrone Kommunikation via Telefon oder in persönlichen Treffen vorgenommen wurde. Hierfür entstehende Kosten, die in Kommunikationskosten, Kosten für zusätzlich benötigte Zeit zum Austausch von Kontext sowie den Kosten durch Zeitverlust bei der Wissensbildung und damit beim Wissensaustausch zu sehen sind, wirken der Realisierung von Kooperationsvorteilen entgegen. Im Rahmen dieser Betrachtung wiegt insbesondere der zeitliche Verlust durch den zusätzlichen Austausch von Kontext sehr schwer, da sich die Notwendigkeit ergibt, dass alle an der initialen Wissenserstellung und am Wissensaustausch beteiligten Mitarbeiter der wissensintensiven Kooperation gemeinsam diese zusätzliche Zeit aufwenden müssen. Zudem kann in der hierfür benötigten Zeit keine Erstellung von neuem Wissen durch die einzelnen Kooperationspartner erfolgen. Zusammenfassend ergibt sich aus dieser Argumentationskette, dass ohne den Austausch von Kontext keine Wissensbildung und damit kein erfolgreicher Wissensaustausch möglich ist. Kompensierende Maßnahmen zum Austausch von Kontext durch die zusätzliche Nutzung persönlicher Kommunikationswege können zwar die Wissensbildung und den erfolgreichen Wissensaustausch ermöglichen, wirken der Realisierung von Kooperationsvorteilen jedoch entgegen. Es ist damit festzustellen, dass sowohl der Wissensaustausch als auch die Wissensbildung durch die fehlende Möglichkeit der Übermittlung von Kontext bei der Nutzung klassischer elektronischer Dokumente zur dokumentenbasierten Wissensteilung derart behindert werden, dass eine Realisierung von Kooperationsvorteilen nur durch den Einsatz zusätzlicher, kostenintensiver Maßnahmen möglich ist. Damit kann die Realisierung der Kooperationsvorteile als unzureichend angesehen werden. Im Rahmen der betrachteten Fallbeispiele Bildungsnetzwerk Winfoline, GISA GmbH und NCC konnten damit die Hypothesen H 2, H 2.1 und H 2.2 nachgewiesen werden, auch wenn eine erfolgreiche Erreichung der Kooperationsziele vorlag.
290 Eine Untersuchung der charakteristischen Merkmale des Ansatzes der aktiven Dokumente 338 sowie deren Übertragung auf die Anforderungen wissensintensiver Kooperationen an eine Unterstützung im Prozess der dokumentenbasierten Wissensteilung339, veranlassten den Autor zur Formulierung der Hypothese:340 H 3: Aktive Dokumente eignen sich als effektives Koordinationsinstrument zum Wissenstransfer in wissensintensiven Kooperationen. Wie in den eingangs getroffenen Aussagen zu Typen dokumentierten Wissens erläutert, können auf Basis der empirischen Untersuchungen dieser Arbeit341 zwei Einsatzziele von dokumentiertem Wissen formuliert werden. Dokumentiertes Wissen in nicht strukturierten Dokumenten dient der Unterstützung der Wissensbildung im Individuum und damit zur Förderung der Bildung von neuem Wissen. Dementgegen wird Wissen in standardisierten Dokumenten, wie Protokollen, vor allem dazu genutzt, bestehendes Wissen zu verbreiten und die Erstellung von neuem Wissen auf dessen Grundlage zu koordinieren. Die Integration von Kontext in aktive Dokumente soll helfen beide Formen der Wissensverwendung zu unterstützen.342 Im vorangestellten Kapitel 6.3 stellte der Autor in Form einer prototypischen Realisierung dar, dass der Ansatz der aktiven Dokumente zur Unterstützung der dokumentenbasierten Wissensteilung in wissensintensiven Kooperationen geeignet ist. Auf Basis der in den Fallbeispielen des vierten Kapitels erhobenen technischen Rahmenbedingungen wurden dazu Möglichkeiten der Implementierung aufgezeigt.343 Besonderes Augenmerk richtete der Autor dabei auf die Auswertung der in aktiven Dokumenten enthaltenen kontextbeschreibenden Metadaten. Eine Metadatenauswertung kann gemäß der vorgestellten prototypischen Realisierung auf verschiedenen Wegen erfolgen.344 Kontextbeschreibende Metadaten dienen dazu, Wissen zur Unterstützung der Wissensbildung und der Erzeugung von neuem Wissen bereitzustellen. Eine Auswertung in Form einer strukturierten, übersichtlichen Darstellung hilft dem Wissensempfänger dokumentiertes Wissen eines aktiven Dokuments mit seinem Kontext zu verbinden. Durch diese Rekontextualisierung kann er seine eigene Wissensbasis erweitern, um wiederum neues Wissen zu erstellen.345 Dementgegen kann eine automatische Auswertung der kontextbeschreibenden Metadaten durch Software vorgenommen werden, die es ermöglicht, aktiv Funktionalitäten auszulösen, zu steuern oder auszuführen. Auf dieser Basis lassen sich Workflows erstellen, die einen effektiven Umgang mit dokumentiertem Wissen gewährleisten. Die Steuerung beider Anwendungsfälle der kontextbe338 339 340 341 342 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3.4.3: Begriffsfindung: Vom elektronischen zum aktiven Dokument vgl. hierzu die Ausführungen zum Prozess der dokumentenbasierten Wissensteilung in Kapitel 3.3.1 Für eine detailliertere Herleitung der Hypothese sei an dieser Stelle auf Kapitel 4.2.3 verwiesen. vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3: Fallbeispiele vgl. hierzu die Ausführungen zur Herleitung und Begriffsfindung von aktiven Dokumenten in Kapitel 3.4: Aktive Dokumente 343 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3.7: Zusammenfassung und Kapitel 6.3.2.1: Realisierungsumgebung 344 vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 6.3.2.5: Metadatenauswertung 345 vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 3.3.1
291 schreibenden Metadaten findet durch eine gezielte Auswahl zu integrierender Metadaten sowie der Methoden der Metadatenauswertung statt. Anhand dieser Argumentationskette und der beispielhaft dargestellten prototypischen Realisierung eines aktiven Dokuments für die wissensintensive Kooperation Bildungsnetzwerk Winfoline kann durch den Autor nachgewiesen werden, dass aktive Dokumente sich als effektives Koordinationsinstrument zum Wissenstransfer in wissensintensiven Kooperationen eignen.