Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung



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Transkript:

Lemcke: Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung r + s 2006 Heft 2 52 Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung Hermann Lemcke, Rechtsanwalt, VorsRiOLG a.d., Münster Die gestörte Gesamtschuld und die sich daraus i.d.r. ergebenden günstigen Rechtsfolgen für den nicht privilegierten Schädiger und seinen Haftpflichtversicherer haben für die Regulierungspraxis immer schon große Bedeutung gehabt; sie sind dennoch schon in der Vergangenheit häufig übersehen worden mit der Folge, dass selbst Großschäden ohne Verpflichtung reguliert worden sind. Die Zahl der Fälle, in denen sich dieses Problem ergibt, hat sich in den letzten Jahren noch wesentlich erhöht. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass auf Grund der seit dem 1. 1.1997 geltenden Neuregelung der Haftungsersetzung ( 104ff. SGB VII) die Zahl der Unfälle, in denen von mehreren Schädigern einer oder ein Teil haftungsprivilegiert ist, erheblich angestiegen ist. Ein weiterer Anstieg ist für Verkehrsunfälle seit dem 1. 8.2002 auf Grund der Neuregelungen durch das 2. SchadÄndG und der damit verbundenen Haftungsausweitungen eingetreten; dadurch ist die Zahl der Unfälle, in denen mehrere Schädiger vorhanden sind, bedeutend gestiegen, damit auch die Zahl der Fälle, in denen ein Schädiger oder ein Teil der Schädiger haftungsprivilegiert ist. Dadurch ist auch die Zahl der Fälle gestiegen, in denen ein Schädiger ein Familienangehöriger ist und deshalb das Familienprivileg des 67 II VVG oder des 116 VI SGB X zu einer gestörten Gesamtschuld führt. Schließlich hat der Umstand, dass seit dem 1. 1.2002 auch Gesamtschuldnerausgleichs- und Bereicherungsansprüche gem. 195 BGB n.f. nicht mehr erst nach 30 Jahren verjähren, sondern (selbst in Altfällen) schon nach 3 Jahren, auch noch die Verjährungsrisiken erhöht. 1. Die von der Rspr. entwickelten Grundsätze Sind für einen Unfall mehrere Personen gem. 823ff. BGB oder gem. 7, 18 StVG oder gem. 1 HPflG verantwortlich, haften sie im Außenverhältnis zum Geschädigten gem. 840 I BGB gesamtschuldnerisch, d.h. der Geschädigte kann jeden von ihnen gem. 421ff. BGB voll in Anspruch nehmen. Gleicht einer den Schaden aus, kann er den oder die anderen nach 426 BGB oder nach den Sonderregelungen in 17 StVG, 13 HPflG im Wege des Gesamtschuldner-Innenausgleichs nach dem Verhältnis der Gewichte ihrer jeweiligen Verantwortungsbeiträge auf Erstattung in Anspruch nehmen, unter Beachtung etwaiger Haftungsoder Zurechnungseinheiten und der sich daraus ergebenden Folgerungen; bei der Abwägung nach 426 BGB sind die Abwägungskriterien des 254 BGB heranzuziehen. Ist ein Gesamtschuldner haftungsprivilegiert, hat das, geht man von der Gesetzeslage aus, nur zur Folge, dass der Geschädigte ihn zwar nicht in Anspruch nehmen kann; die volle Haftung der anderen Gesamtschuldner wird davon aber nicht berührt. Dann würde jedoch entweder der privilegierte Schädiger auf dem Umweg über den Gesamtschuldnerausgleich im Ergebnis doch haften, oder der nicht privilegierte Schädiger würde den Schaden letztlich allein tragen müssen. Der BGH 1 fand beide Ergebnisse unbillig. Einerseits dürfe der nach dem Willen des Gesetzgebers privilegierte (Erst-) Schädiger auch auf dem Umweg über den Gesamtschuldnerausgleich nicht mit zur Schadenstragung herangezogen werden, andererseits dürfe sich die Privilegierung des Erstschädigers nicht zu Lasten des nicht privilegierten Zweitschädigers auswirken, sondern nur zu Lasten des Geschädigten, weil die Privilegierung in seiner Person und in seiner Beziehung zu dem Erstschädiger begründet sei. Deshalb ist der Anspruch des Geschädigten gegen den nicht privilegierten Zweitschädiger von vornherein beschränkt auf die Quote, die dieser ohne die Störung im Gesamtschuldverhältnis letztlich zu tragen hätte. Das gilt auch dann, wenn der privilegierte Schädiger durch eine Haftpflichtvers. geschützt ist. Somit ist, wenn ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis vorliegt, ein fiktiver Gesamtschuldner-Innenausgleich erforderlich; es ist zu klären, wie die Haftung ohne die Störung im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs nach 426 BGB oder nach den 17 StVG, 13 HPflG letztlich auf die Schädiger zu verteilen wäre. Hätte z.b. der privilegierte Erstschädiger den Schaden ohne die Privilegierung im Innenverhältnis der beiden Schädiger zu 1 / 3 zu tragen, haftet der nicht privilegierte Zweitschädiger dem Geschädigten gegenüber (d.h.

im Außenverhältnis) nur auf Ersatz von 2 / 3 ; in diesem Falle ist auch das Schmerzensgeld ausnahmsweise zu quotieren. Hätte der privilegierte Erstschädiger den Schaden dagegen ohne die Privilegierung im Innenverhältnis allein zu tragen, sind im Ergebnis beide Schädiger von der Haftung freigestellt, der privilegierte Erstschädiger wegen der Privilegierung, der nicht privilegierte Zweitschädiger nach den zum gestörten Gesamtschuldverhältnis entwickelten Grundsätzen. Insoweit muss aber haftungsrechtlich eine Gesamtschuldnerschaft bestehen. Sie besteht z.b. nicht, wenn ein Schädiger ein Kind unter 10 Jahren ist, das gem. 828 II BGB nicht in Anspruch genommen werden kann, oder wenn ein Schädiger ein Familienangehöriger ist, der nach den familienrechtlichen Reglungen ( 1359, 1664, 277 BGB) nicht für einfache Fahrlässigkeit haftet und dem mehr als einfache Fahrlässigkeit nicht angelastet werden kann 2. Sie besteht ferner nicht, wenn ein Schädiger allenfalls aus 839 BGB in Anspruch genommen werden kann, seine Haftung aber schon deshalb ausscheidet, weil er nach 839 I 2 BGB nur subsidiär haftet und weil eine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht 3. Mit diesen Schädigern besteht also nicht ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis, sondern überhaupt kein Gesamtschuldverhältnis; es bleibt deshalb bei der Haftung der übrigen Schädiger nach den Regelungen der 840 I BGB und 17 I StVG, 13 HPflG i.v.m. den 421ff. BGB. Erst dann, wenn ein Schädiger, obwohl er einen Haftpflichttatbestand erfüllt hat, auf Grund einer gesetzlichen Ausschlussregelung nicht in Anspruch genommen werden kann, liegt eine gestörte Gesamtschuld vor, mit entspr. Auswirkungen auch auf die Ansprüche des Geschädigten gegen die nicht privilegierten Schädiger. Für vertraglich vereinbarte Haftungsfreistellungen (auch für die Vereinbarung einer kürzeren Verjährungsfrist) mit einem von mehreren Vertragspartnern vor Entstehung der Gesamtschuld gelten Besonderheiten; derartige vertragliche Regelungen verhindern nach der Rspr. i.d.r. nur die Inanspruchnahme des privilegierten Schädigers durch den Geschädigten, sie stehen aber dem Gesamtschuldnerausgleich nicht entgegen, Lemcke: Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung r + s 2006 Heft 2 53 weil sie sich andernfalls als Vertrag zu Lasten Dritter auswirken würden 4. 2. Die Auswirkungen auf die Schadenregulierung Nachfolgend sollen die Auswirkungen der gestörten Gesamtschuld auf die Schadenregulierung anhand von typischen Fallgestaltungen näher erläutert werden 5. a) Haftungsvereinbarung zwischen den Schädigern Insoweit ist zu unterscheiden zwischen Regelungen über die Schadensverhütung und reinen Freistellungsvereinbarungen. Fall 1 6 : Der Arbeitgeber (AG) hat für eine Betriebsversammlung eine Halle gemietet, er hat sich in dem Mietvertrag verpflichtet, die Haftung für Personenschäden zu übernehmen und den Vermieter (V) von Ansprüchen Dritter freizustellen. Der Mitarbeiter G des AG stürzt auf der Außentreppe, weil dort trotz Eisglätte nicht gestreut ist, und verletzt sich. G nimmt V in Anspruch. Geht man davon aus, dass dem G gegenüber sowohl der V als auch der AG verpflichtet waren, für einen verkehrssicheren Zugang zu sorgen, besteht eine gestörte Gesamtschuld, weil der AG dem G gegenüber gem. 104 SGB VII haftungsprivilegiert ist; er ist nach der Terminologie des BGH privilegierter Erstschädiger. Es stellt sich die Frage, ob G auch den V als nicht privilegierten Zweitschädiger schon auf Grund der Freistellungsvereinbarung nicht in Anspruch nehmen kann. Das hat der BGH aber abgelehnt; es komme hier auf die Zuständigkeit für die Schadensverhütung an, eine Zusage des Erstschädigers, über seinen Verantwortungsanteil hinaus für den Schaden aufzukommen und den Zweitschädiger insoweit freizustellen, sei im Verhältnis zum Geschädigten unbeachtlich. G kann hier V voll in Anspruch nehmen, er muss sich allenfalls eine Anspruchskürzung wegen eigenen

Mitverschuldens gem. 254 BGB gefallen lassen. V oblag als Vermieter die Pflicht, für einen gefahrenfreien Zugang zu sorgen, dem AG oblag allenfalls die Pflicht, als Arbeitgeber zu überprüfen, ob die Halle samt Zugang für seine Mitarbeiter gefahrenfrei war. V könnte dem AG nicht vorhalten, ihn nicht ausreichend überwacht zu haben 7 ; im Innenverhältnis hätte V den Schaden des G ohne die Freistellungsverpflichtung mit dem AG allein zu tragen. Deshalb führt das gestörte Gesamtschuldverhältnis hier nicht zu einer Anspruchskürzung. V ist dem G gegenüber ersatzpflichtig und kann allenfalls vom AG auf Grund der Freistellungsvereinbarung die Freistellung von dieser Verbindlichkeit verlangen; die Freistellungsvereinbarung hat nur Innenwirkung, keine Außenwirkung. Anders wäre es, wenn V hier die Streupflicht auf den AG übertragen hätte (s. dazu Fall 2). Fall 2 8 : G fällt beim Betreten des Kaufhauses ihres Arbeitgebers (AG) durch den Personaleingang in einen Schacht, weil der vom AG mit Reinigungsarbeiten beauftragte Handwerker H den Gitterrost entfernt hatte. G nimmt H auf Ersatz in Anspruch. Zwar hatten auch der AG und seine zuständigen Mitarbeiter dafür zu sorgen, dass die übrigen Mitarbeiter das Kaufhaus gefahrenfrei betreten konnten. Sie sind aber gem. 104, 105 SGB VII der G gegenüber haftungsprivilegiert. H haftet als nicht privilegierter Zweitschädiger aus 823 BGB. Inhalt des Werkvertrages zwischen AG und H war u.a. die ordnungsgemäße Absicherung der Gefahrenstelle durch H. Dieser ist deshalb in erster Linie für den Unfall verantwortlich, bei ihm lag die Zuständigkeit für die Schadensverhütung. Er kann sich dem AG gegenüber nicht darauf berufen, von ihm und von seinen Mitarbeitern nicht ausreichend überwacht worden zu sein 9. Er hätte deshalb auch ohne die Privilegierung des AG den Schaden der G im Innenverhältnis allein zu tragen. G konnte deshalb H trotz gestörter Gesamtschuld voll auf Schadenersatz in Anspruch nehmen, es konnte sich allenfalls die Frage stellen, ob sie persönlich ein Mitverschulden trifft. Es ist also zu unterscheiden: Im Falle einer gestörten Gesamtschuld ist eine vertragliche Regelung der Verantwortlichkeit für die Schadensverhütung zwischen den Schädigern beachtlich, eine Regelung, über den eigenen Verantwortungsanteil hinaus für den Schaden aufzukommen, dagegen nicht. b) Mitverantwortlichkeit des eigenen Unternehmers Unfälle auf einer Betriebsstätte, verursacht durch einen Betriebsfremden, werden häufig nur als evtl. Anwendungsfall des 106 III SGB VII gesehen. Das ist aber nicht richtig. Auch dann, wenn sich z.b. auf einer Baustelle Betriebsfremde verletzen, die nichts miteinander zu tun haben, kann ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis mit der Folge einer teilweise Freistellung des (Zweit-) Schädigers von der Haftung vorliegen, wenn der eigene Arbeitgeber (oder ein Mitarbeiter) für den Unfall mitverantwortlich ist. Fall 3 10 : Bei einem Hausumbau hat der Eigentümer den Unternehmer U1 mit Abrissarbeiten, den Unternehmer U2 mit Renovierungsarbeiten beauftragt. U1 reißt u.a. Kamine ab, die Kaminöffnungen bleiben ungesichert. Ein 16-jähriger Azubi (G) des U2 stürzt durch eine derartige Öffnung und erleidet schwere Verletzungen. G nimmt U1 auf Schadenersatz in Anspruch. Für den Unfall waren sowohl U1, der die Deckendurchbrüche sichern musste, als auch U2, der von den Gefahrenstellen Kenntnis hatte und dennoch nichts zum Schutz seiner Mitarbeiter veranlasst hatte, verantwortlich; zudem lag ein Mitverschulden des G vor. Zwar hat das OLG die Voraussetzungen des 106 III SGB VII verneint 11. Es hat aber berücksichtigt, dass hier U2 als Arbeitgeber des G nach 104 SGB VII haftungsprivilegiert ist und dass er ohne die Störung im Gesamtschuldverhältnis nach 426 BGB jedenfalls einen Teil des Schadens zu tragen hätte. Um diesen Anteil - das OLG brauchte sich insoweit nicht festzulegen - waren die Ansprüche des G zu kürzen. Hier hatten sich beide Unternehmer dem Eigentümer gegenüber zur Übernahme der Verkehrssicherungspflicht und zur Haftungsfreistellung verpflichtet; hier lag deshalb bei beiden die Zuständigkeit für die Schadensverhütung. Anders als in den Fällen 1 und 2 war zwischen den beiden Schuldnern keine Haftungsvereinbarung geschlossen. Zunächst war hier gem. 254 BGB das Gewicht des Mitverschuldens des G gegenüber den - hier zu einer Haftungseinheit

Lemcke: Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung r + s 2006 Heft 2 54 verschmolzenen 12 - Verantwortungsbeiträgen der beiden Unternehmer zu ermitteln. Setzt man das Mitverschulden des G mit 1 / 3 an, stellte sich die Anschlussfrage, in welchem Verhältnis die restlichen 2 / 3 im Innenverhältnis gem. 426, 254 BGB aufzuteilen sind. Nimmt man an, dass ihre Verantwortungsbeiträge gleichgewichtig sind, entfielen 50% von 2 / 3 = 1 / 3 auf den nicht privilegierten Zweitschädiger U1; nur in dieser Höhe konnte G dann U1 auf Ersatz in Anspruch nehmen. Ständen die Verantwortungsbeiträge der beiden Unternehmer selbständig nebeneinander, wären zusätzlich die Grundsätze der Einzel- und Gesamtabwägung zu beachten 13 ; G könnte aber auch dann von U1 immer nur die Quote verlangen, die letztlich beim fiktiven Gesamtschuldner-Innenausgleich auf diesen entfiele. Fall 4 14 : Ein Bauherr (B1) errichtet, teils in Eigenregie, ein Wohnhaus, er hat B2, eine Bau-GmbH, mit der Ausführung der Bauarbeiten einschließlich der Baustelleneinrichtung beauftragt. Für die Dachdeckerarbeiten hat er einen Dachdecker auf Stundenlohnbasis hinzugezogen, ferner G als Helfer. Bei den Dachdeckerarbeiten stürzt G ab, weil das erforderliche Schutzgerüst fehlt. Er nimmt B1 und B2 auf Ersatz in Anspruch. B1 war hier hinsichtlich der Dachdeckerarbeiten zugleich Bauleiter und Eigenbauunternehmer, er hatte seine Kontroll- und Überwachungspflichten verletzt und damit den Tatbestand des 823 BGB erfüllt; er ist aber nach 104 SGB VII privilegiert. B2 ist gem. 823, 31 BGB haftpflichtig, weil sie ihrer Verpflichtung zur Erstellung des erforderlichen Schutzgerüsts nicht nachgekommen ist; sie ist nicht privilegiert, auch nicht nach 106 III SGB VII, und zwar schon deshalb nicht, weil sie nicht Versicherte ist 15. Das OLG hat nur der Klage gegen B2 und nur nach einer Quote von 25% stattgegeben. G treffe ein erhebliches Mitverschulden, das mit 50% zu bewerten sei. Im Innenverhältnis seien die Verantwortungsbeiträge von B1 und B2 gleichgewichtig. Zwar habe B1 die - grundsätzlich ihm obliegende - Verkehrssicherungspflicht vertraglich auf B2 übertragen. B1 sei aber als Bauleiter und Eigenbauunternehmer bzgl. der Dachdeckerarbeiten zur Überwachung und Kontrolle und zum Abruf der Gerüstergänzung verpflichtet gewesen und habe dafür Sorge tragen müssen, dass die Dacharbeiten erst danach begonnen wurden. Das OLG hat zu Recht angenommen, die Rspr., dass sich der Ausführende dem Überwachungspflichtigen gegenüber nicht darauf berufen könne, nicht genügend überwacht worden zu sein, sei hier nicht anwendbar; der Vorwurf geht hier dahin, die Dacharbeiten als Bauleiter freigegeben zu haben, bevor die Baustelle insoweit hinreichend verkehrssicher war. Fall 5 16 : Die Gemeinde X veranstaltet einen Wochenmarkt, deren Marktmeister weist dem Teilnehmer T einen Standplatz zu, von dem aus die geöffnete Klappe seines Verkaufswagens in den Straßenraum hineinragt. Der Lkw-Fahrer F fährt mit dem Lkw des H gegen die Klappe, dadurch erleidet die Verkäuferin G des T in dem Verkaufwagen durch überschwappendes heißes Öl schwere Verbrennungen. Gegenüber G waren hier zwar grundsätzlich sowohl F und H (aus 823, 831 BGB) als auch T und X (aus 823, 839 BGB 17 ) haftpflichtig; im Ergebnis haftete aber, weil T der G gegenüber gem. 104 SGB VII haftungsprivilegiert war, niemand voll. Das OLG hat zu Recht angenommen, dass nicht nur zwischen F und H als den für die Betriebsgefahr des Lkw Verantwortlichen eine Haftungseinheit bestand, sondern dass sich vorher bereits die Tatbeiträge der für die verkehrswidrige Aufstellung des Verkaufswagens (offenbar kein Kfz) Verantwortlichen (T und X) zu einer Haftungseinheit verbunden hatten. In derartigen Fällen hat unter den beteiligten Schuldnern ein zweistufiger Gesamtschuldnerausgleich zu erfolgen, zunächst zwischen den Haftungseinheiten, dann innerhalb der Haftungseinheiten 18. Insoweit hat das OLG hier angenommen, dass auf T und X zusammen eine Quote von 1 / 3 entfällt. Innerhalb der Haftungseinheit T/X hat das OLG angenommen, dass T den Schaden ohne die Störung im Gesamtschuldverhältnis allein zu tragen hätte. Daraus hat das OLG den m.e. richtigen Schluss gezogen, dass G hier T und X überhaupt nicht und auch F und H nur gesamtschuldnerisch zu 2 / 3 auf Schadenersatz in Anspruch nehmen kann; sie muss sich wegen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs in der Zurechnungseinheit T/X gegenüber der Zurechnungseinheit F/H den auf die erstgenannte Zurechnungseinheit entfallenden Anteil anspruchskürzend zurechnen lassen. Denn von den nicht privilegierten Schädigern darf niemand deshalb benachteiligt sein, weil T auch im Wege des

Gesamtschuldnerausgleichs nicht in Anspruch genommen werden kann. c) Mitverantwortlichkeit eines fremden Unternehmers Insbes. bei Baustellenunfällen ergibt sich häufig die Situation, dass Betriebsfremde einander verletzen und dass zwar der fremde Mitarbeiter als Schädiger nach 106 III SGB VII privilegiert ist, nicht aber dessen - i.d.r. zumindest aus 831 BGB mitverantwortlicher - Unternehmer. Denn in den Schutz dieser Norm ist nur der Unternehmer einbezogen, der selbst Versicherter und damit Mitglied der Gefahrengemeinschaft ist, deren Mitglieder als Schädiger geschützt, als Geschädigter aber auf die UV-Leistungen beschränkt sind, der selbst auf der Betriebsstätte mitgewirkt hat und der persönlich für den Schaden mitverantwortlich ist 19 ; diese Voraussetzungen liegen i.d.r. nicht vor. Das hat zur Folge, dass ebenfalls eine gestörte Gesamtschuld gegeben ist. Fall 6 20 : Die Baufirma U errichtet einen Neubau, sie hat die Schalungsarbeiten an den Subunternehmer S vergeben, G ist Mitarbeiter des S. Es werden Schalelemente mit dem Kran der U in ein oberes Stockwerk geschafft, G hat die Aufgabe, die Elemente unten in den Kran einzuhängen. Bei dieser Tätigkeit wird G verletzt, weil der Kranführer K der U das Seil zu früh angezogen hat. G nimmt U auf Schadenersatz in Anspruch. In derartigen Fällen stellt sich die Vorfrage, ob K und G bei der unfallbringenden Tätigkeit in demselben Betrieb tätig waren, der eine als Wie-Beschäftigter gem. 2 II 1 SGB VII in dem Betrieb des anderen; wäre K für S tätig geworden, lägen schon die Voraussetzungen des 831 BGB zu Lasten des U (Tätigkeit als Verrichtungsgehilfe für U) nicht vor; wäre G für U tätig geworden, wäre U schon nach 104 Lemcke: Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung r + s 2006 Heft 2 55 SGB VII privilegiert. Bei derartigen gemischten Tätigkeiten wird der Beschäftigte aber im Zweifel in seinem Stammbetrieb tätig; anders ist es erst dann, wenn es sich bei der Tätigkeit eindeutig um eine Aufgabe des anderen Unternehmens handelt 21. Das war hier nicht der Fall. K hat zwar den Tatbestand des 823 BGB erfüllt, ist aber nach 106 III SGB VII privilegiert; er und G wirkten faktisch zusammen, sie förderten und unterstützten sich wechselseitig bei ihrer Tätigkeit 22. U hat den Tatbestand des 831 BGB erfüllt. Er ist zwar nicht mit in den Schutz dieser Norm einbezogen; er ist aber wegen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses leistungsfrei. Insoweit kommt es auch hier auf die Verantwortlichkeit für die Schadensverhütung an; sie liegt nach der Regelung des 840 II BGB allein bei dem Mitarbeiter, wenn dieser den Tatbestand des 823 BGB verwirklicht hat, der Unternehmer aber nur den Tatbestand des 831 BGB. Ein etwa bestehender arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch des Mitarbeiters ist hier unbeachtlich. Anders ist es nur dann, wenn der Unternehmer nicht nur wegen des vermuteten Auswahl- oder Überwachungsverschuldens nach 831 BGB, sondern auch selbst aus 823 BGB (evtl. i.v.m. 31 BGB) haftet, z.b. wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder wegen eines Organisationsverschuldens 23. Hier lag offensichtlich nur ein Fehlverhalten des Kranführers vor. Fall 7 24 : G ist Mitarbeiter der Dachdeckerfirma S, die als Subunternehmerin das Dach einer Kindertagesstätte eindecken soll; sie wird im Auftrag der Generalunternehmerin (KG) tätig, die u.a. die Zimmerarbeiten ausführt. Als G auf der Dachfläche Maße nimmt, stürzt er durch eine nur mit Dachpappe abgedeckte Dachfenster-Öffnung ab und erleidet schwerste Verletzungen. G nimmt die KG auf Ersatz in Anspruch. Die KG war als Generalunternehmer für die Baustellensicherung verantwortlich. Irgendeiner ihrer Mitarbeiter - er muss nicht namentlich bekannt sein 25 - hat hier gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen und die Verkehrssicherungspflicht verletzt; das Verschulden wird deshalb indiziert, die Verschuldensvermutung ist nicht entkräftet. Der Mitarbeiter hat also den Tatbestand des 823 BGB erfüllt, die KG - mindestens - den Tatbestand des 831 BGB. OLG und BGH haben hier eine gemeinsame Betriebsstätte bejaht. Die Tätigkeiten der Zimmerleute der KG und der Dachdecker der Subunternehmerin seien bei der Errichtung des Daches aufeinander bezogen und jedenfalls dergestalt miteinander verknüpft gewesen, dass sie sich ablaufbedingt in die Quere kommen

konnten 26. Deshalb sei der verantwortliche Mitarbeiter der KG nach 106 III SGB VII privilegiert. Falls die KG nur aus 831 BGB haftpflichtig sei, sei sie als nicht privilegierter Zweitschädiger nach der Regelung des 840 Abs. 2 BGB von der Haftung freigestellt. Der BGH hat dem OLG aber zur Prüfung aufgegeben, ob die KG auch wegen der Verletzung von - eigenen, nicht an Arbeitnehmer delegierbaren - Verkehrssicherungspflichten oder wegen eines Organisationsverschuldens für den Unfall (nach 823, 31 BGB) mitverantwortlich ist. Die Verkehrssicherungspflicht hat der Unternehmer persönlich zu erfüllen. Er muss die Beachtung der einschlägigen UVV organisieren; soweit ihm dabei Mängel unterlaufen sind, haftet er wegen Verletzung der Organisationspflicht nach 823 BGB. Selbst wenn die Organisation in der Weise geregelt ist, dass geeignete Mitarbeiter mit der Beachtung der UVV betraut sind, bleibt ihm die Überwachungs- und Kontrollpflicht; auch deren Verletzung führt zu seiner Haftung aus 823 BGB. Insgesamt stellt die Rspr., wenn es um die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geht, an die Erfüllung der Organisations-, Überwachungs- und Kontrollpflichten so hohe Anforderungen, dass dann, wenn irgendwer in der Verantwortungskette die Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt hat, häufig auch der Unternehmer persönlich aus 823 BGB bzw. - wenn der Unternehmer eine juristischen Person ist - aus 31 BGB haftpflichtig ist 27. Bejaht man hier eine Haftung der KG aus 823, 31 BGB, ist das Fehlverhalten der KG als Unternehmerin gegen das Fehlverhalten des Mitarbeiters, der hier schuldhaft gegen die UVV verstoßen hat, nach 426 BGB gegeneinander abzuwägen; 254 BGB findet entspr. Anwendung. Derjenige trägt den größeren Verantwortungs- und damit auch den größeren Haftungsanteil, dessen Verursachungsbeitrag den Schaden in höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat 28. Zwar sind die Gesamtschuldner nach 426 I 1 BGB im Zweifel zu gleichen Anteilen verpflichtet; wer eine günstigere Verteilung für sich in Anspruch nehmen will, muss die insoweit maßgeblichen Umstände beweisen. Im Außenverhältnis zum Gläubiger dürfte es aber Sache des nicht privilegierten Zweitschädigers sein, die Voraussetzungen für eine quotenmäßige Anspruchskürzung wegen gestörter Gesamtschuld zu beweisen. Fall 8 29 : Auf einer Großbaustelle hat der Subunternehmer U1 im Auftrag des Generalunternehmers U2 das Baugerüst errichtet. G führt im Auftrag seines Arbeitgebers, des Subunternehmers U3, Putzarbeiten aus. Dabei fällt er von dem Baugerüst, weil im Bereich der großen Fensterlaibungen der Abstand zwischen Gerüst und Gebäude zu groß ist. Der schwerverletzte G nimmt U1 und U2 auf Ersatz in Anspruch. Das OLG hat U1 und U2 aus 823 I BGB zum Schadenersatz verurteilt. U1 habe bei der Gerüsterrichtung gegen UVV verstoßen. U2 hafte als Generalunternehmerin ebenfalls aus 823 BGB, nicht nur aus 831 BGB und damit ohne Entlastungsmöglichkeit nach 831 I 2 BGB; sie habe nämlich selbständig kontrollieren müssen, ob das Gerüst den Sicherheitsvorschriften entsprach, sie habe sich dieser Verpflichtung auch nicht dadurch vollständig entledigen können, dass sie mit der Wahrnehmung der Sicherheitsaufgaben geeignete Hilfspersonen betraute. Die Haftung von U1 und U2 sei nicht nach 106 III SGB VII ausgeschlossen. Lemcke: Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung r + s 2006 Heft 2 56 Das OLG hat nicht geprüft, ob evtl. auch der Arbeitgeber des G den Tatbestand des 823 BGB erfüllt hatte. Er war ebenfalls verpflichtet, das Baugerüst auf Verkehrssicherheit zu überprüfen, ehe er seine Mitarbeiter darauf arbeiten ließ. Weil er nach 104 SGB VII haftungsprivilegiert war, hätte eine gestörte Gesamtschuld vorgelegen mit der Folge, dass der Anspruch des G gegen U1 und U2 um den auf den Arbeitgeber des G entfallenden Anteil zu kürzen war. Es ließe sich aber in einem derartigen Fall im Rahmen der Abwägung gem. 426, 254 BGB vertreten, dass das Verschulden der beiden anderen Unternehmer überwiegt und dass das Verschulden des Arbeitgebers des G dahinter zurücktritt 30. d) Unfall beim gemeinsamen Be- und Entladen Beim Be- und Entladen wirken oft Betriebsfremde zusammen. Verletzt der eine den anderen, stellt sich immer die Vorfrage, ob bei der Ladetätigkeit der eine im Betrieb des anderen tätig geworden ist (s.o. Fall 6). Das hängt nicht nur davon ab, welcher Betrieb für das Be- bzw. das Entladen zuständig ist, sondern auch davon, wessen Belange der Handelnde fördern wollte und förderte. Gibt der Lkw-Fahrer z.b. dem fremden

Kranführer Weisungen für die Beladung seines Lkw, wird er auch dann in seinem Stammbetrieb tätig, wenn das Beladen Aufgabe des fremden Betriebs ist; denn er ist für die ordnungsgemäße Beladung seines Lkw verantwortlich 31 ; nimmt er aber auf Bitte des Kranführers das Seil vom Haken, nimmt er bereits eine Aufgabe des fremden Betriebs wahr 32. Letzteres gilt auch dann, wenn der Fahrer beim Beladen mithilft, um im Interesse seines Arbeitgebers Zeit zu sparen; dieses bleibt nur Motiv für sein Handeln, er nimmt Aufgaben des fremden Betriebs wahr, wenn das Beladen Aufgabe des fremden Betriebs ist 33. Ist jeder in seinem Stammbetrieb tätig geworden (davon ist im Zweifel immer auszugehen, s.o. Fall 6), liegen zwar häufig für den betriebsfremden Schädiger die Voraussetzungen des 106 III SGB VII vor. Dessen Unternehmer ist aber i.d.r. aus 831 BGB mit haftpflichtig und nicht durch 106 III SGB VII geschützt. Fall 9 34 : Der Lkw-Fahrer F der Firma U1 liefert Rohre an, sie werden von dem Mitarbeiter M des für das Abladen zuständigen Empfängerbetriebs U2 mit einem Gabelstapler abgeladen. Weil M das letzte Rohr nicht richtig fassen kann - es schlägt mehrfach auf die Ladefläche - fixiert F das Rohr mit dem Fuß; beim nächsten Versuch wird F verletzt. Er verlangt von U2 Schadenersatz. Es kommen Ersatzansprüche des F gegen M und U2 aus 823, 831 BGB in Betracht; Ansprüche aus 7 StVG gegen U1 scheiden gem. 8 Nr. 2 StVG n.f.aus. War F im Unfallzeitpunkt als Wie-Beschäftigter i.s.d. 2 II 1 SGB VII in den Betrieb des U2 eingegliedert, sind M und U2 nach 104, 105 SGB VII privilegiert. Der Schutz des Lkw vor Beschädigungen war hier aber nicht nur Motiv, es gehörte auch zu den Aufgaben des F. Deshalb sind F und M jeweils für ihren Stammbetrieb tätig geworden. M ist dennoch nach 106 III SGB VII privilegiert. Falls M den Unfall verschuldet hat und U nur aus 831 BGB mit haftet, ist auch U2 wegen gestörter Gesamtschuld gem. 840 II BGB haftungsbefreit. Fall 10 35 : Der Fahrer F der Firma U1 liefert Betonplatten an, er bedient beim Abladen den Lkw- Entladekran, während G, Mitarbeiter der Empfängerfirma U2, die Platten jeweils an- und abhängt. Dabei wird G verletzt. Er verlangt von U1 Schadenersatz. Es kommt eine Haftung von F und U1 aus 823, 831 BGB und evtl. auch aus 7, 18 StVG 36 (es ist dann aber 8 Nr. 2 StVG n.f. zu beachten) in Betracht. Ist G aber zum Unfallzeitpunkt für den Betrieb des U1 tätig gewesen, sind F und U1 nach 104, 105 SGB VII haftungsprivilegiert. Es liegt hier jedoch nahe, dass F auf Mithilfe beim Abladen angewiesen war und dass deshalb zwischen U1 und U2 vereinbart war, dass U2 zum Abladen eigenes Personal stellt. Ist das richtig, ist G für U2 tätig geworden, während die Bedienung des Lkw-Krans Aufgabe des U1 und damit auch des F blieb. In diesem Falle ist F nach 106 III privilegiert, während der nur aus 831 BGB (und evtl. aus 7 StVG) haftpflichtige U1 wiederum wegen gestörter Gesamtschuld haftungsbefreit ist ( 840 II BGB). e) Verkehrsunfall unter Beteiligung eines Privilegierten Bei Verkehrsunfällen ist eine gestörte Gesamtschuld i.d.r. gegeben, wenn der Arbeitgeber, ein Arbeitskollege oder ein Familienangehöriger mitverantwortlich ist. Fall 11 37 : Eine Unternehmerin (U) nimmt mehrere Mitarbeiterinnen, u.a. die G, in ihrem Pkw mit zu einem auswärtigen Fortbildungslehrgang. Man fährt bereits am Vorabend los, unterwegs kommt es zu einer Kollision mit dem Pkw des S, G wird verletzt. G kann den fremden Kfz-Halter S (mindestens) aus 7 StVG in Anspruch nehmen. Zwar ist auch U (mindestens) aus 7 StVG für den Schaden der G mit verantwortlich. Insoweit stellt sich aber die Frage, ob die Haftung der U nach 104 SGB VII gesperrt ist und auch nicht, weil Wegeunfall i.s.d. 8 II SGB VII, entsperrt ist. Hier hat das OLG zu Recht angenommen, dass U endgültig von der Haftung freigestellt ist, weil G den Unfall als Betriebswegeunfall i.s.d. 8 I SGB VII erlitten hat 38. Es mussten deshalb gem. 17 I StVG die Verantwortungsbeiträge von U und S gegeneinander abgewogen werden. Den Anteil der U hat das OLG hier mit 25% bewertet. In dieser Höhe war deshalb auch S als nicht privilegierter Zweitschädiger gegenüber G haftungsfrei 39. Fall 12 40 : G ist als Reinigungskraft bei der Reinigungsfirma U beschäftigt, sie wird seit Jahren mit mehreren Kolleginnen in einem Hotel tätig, sie dürfen den Personalparkplatz mitbenutzen. Nach Dienstschluss wird G

auf dem Personalparkplatz von ihrer Kollegin S mit dem Pkw ihres Vaters (H) angefahren und verletzt. Die BG trägt die Heilbehandlungskosten, sie nimmt den Versicherer des H auf Ersatz in Anspruch. Lemcke: Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung r + s 2006 Heft 2 57 S ist für den Unfall gem. 823 BGB verantwortlich, H als Kfz-Halter gem. 7 StVG. Das OLG und der BGH haben aber angenommen, dass S gem. 105 SGB VII haftungsprivilegiert ist und dass die Haftung nicht, weil Wegeunfall, entsperrt ist. Zwar war die Rspr. immer schon der Auffassung, dass bei Unfällen innerhalb des Organisationsbereichs des Arbeitgebers (d.h. beim innerbetrieblichen Werksverkehr oder auch bei betrieblich organisierten Transporten zur Betriebsstätte) die Haftung endgültig gesperrt ist. Nach der jetzigen Auffassung des BGH hat sich aber auch hier noch ein betriebliches Risiko verwirklicht, obwohl die Örtlichkeit nicht der Organisation der U unterlag. H ist aber als Kfz-Halter nicht haftungsprivilegiert. Es liegt also eine gestörte Gesamtschuld vor. Weil H nur aus der Betriebsgefahr haftet, F aber aus Verschulden, hätte F den Schaden - so das OLG 41 - ohne die Privilegierung im Innenverhältnis allein zu tragen. G kann deshalb auch H und damit auch den KH- Versicherer nicht in Anspruch nehmen. Damit konnte auch kein Anspruch gem. 116 SGB VII auf die BG übergehen. Fall 13 42 : Arbeitskollegen des U sind mit einem Mietfahrzeug des H, versichert bei V, betrieblich unterwegs, der Fahrer F verursacht einen Unfall, bei dem der mitfahrende Kollege G verletzt wird. G nimmt V auf Ersatz in Anspruch. Der aus 18 StVG und evtl. auch aus 823 BGB verantwortliche F ist nach 105 SGB VII haftungsprivilegiert, der evtl. aus 831 BGB mit haftpflichtige U aus 104 SGB VII. Die Haftung ist auch hier nicht gem. 8 II SGB VII entsperrt. H ist aus 7 StVG haftpflichtig, aber, wenn F den Unfall verschuldet hat, wegen der gestörten Gesamtschuld leistungsfrei, damit auch V. Steht ein Verschulden des F nicht fest und haftet deshalb F nur aus 18 StVG und damit wie der mit ihm in einer Haftungseinheit stehende U nur aus vermutetem Verschulden, dürfte zwischen H und F/U im Innenverhältnis ohne die Störung eine Schadensteilung gerechtfertigt sein 43 ; G kann dann von H und damit auch von V 50% seines Schadens ersetzt verlangen. Fall 14 44 : Eine Gruppe von 12- bis 14-jährigen Schülern, unter ihnen G, warten nach Schulschluss vor der Schule auf den Schulbus. Als F, angestellter Fahrer des beauftragten Busunternehmers U, versichert bei V, erscheint, drängen die hinteren Schüler so, dass G unter den Bus gerät und erheblich verletzt wird. Der UV- Träger hat den Unfall als Schulunfall anerkannt und verlangt von F, U und V Ersatz. G hat, selbst wenn sich F wie ein Idealfahrer verhalten hat, gegen U und V einen Ersatzanspruch aus 7 StVG n.f., 3 Nr. 1 PflVG. F und U sind auch nicht nach den 104ff. SGB VII haftungsprivilegiert; sie sind nicht in den Schulbetrieb eingegliedert, sondern werden im Rahmen eines privatrechtlichen Transportvertrages mit dem Träger der Schülerbeförderung tätig 45. Für den Unfall sind aber auch die drängelnden Schüler mitverantwortlich; sie sind jedoch nach 106 I SGB VII gegenüber G haftungsprivilegiert 46. Es liegt somit auch hier eine gestörte Gesamtschuld vor. G muss sich den Anteil abziehen lassen, der auf die drängelnden Schüler entfällt; dass sie namentlich nicht bekannt sind, ist hier ohne Bedeutung 47. Falls auch Schulträger und/oder Schulverwaltung mitverantwortlich sind, liegt, soweit das Verweisungsprivileg des 839 I 2 BGB eingreift, schon keine Haftpflicht und damit keine gestörte Gesamitschuld vor 48. Evtl. kommt aber auch eine Haftung ohne Verweisungsprivileg oder auch eine vertragliche Mitverantwortung des Trägers der Schülerbeförderung in Betracht; der Beförderungsvertrag könnte ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Schulkinder sein mit der Folge, dass G vertragliche Ersatzansprüche gegen den Träger hat 49. Soweit das Verweisungsprivileg nicht eingreift, besteht die Haftungsprivilegierung aus 104 I, 106 I SGB VII, d.h. insoweit könnte sich der Ersatzanspruch des G wegen gestörter Gesamtschuld weiter verkürzen; von der Haftungsprivilegierung werden auch vertragliche Schadenersatzansprüche erfasst.

Fall 15 50 : Der Polizeibeamte S verursacht auf einer Dienstfahrt mit dem Polizeifahrzeug einen Unfall, bei dem der mitfahrende Polizeibeamte G verletzt wird. G nimmt den unfallbeteiligten Kraftfahrer K und dessen Haftpflichtversicherer V auf Schadenersatz in Anspruch. Beide Fahrer haben den Unfall je zur Hälfte verschuldet. S hat den Tatbestand des 839 BGB verwirklicht, K den des 823 BGB. Hätten S und G sich auf einer Einsatzfahrt unter Inanspruchnahme von Sonderrechten befunden, bestände schon deshalb kein Gesamtschuldverhältnis, weil das Verweisungsprivileg des 839 I 2 BGB eingreift; V und K hätten den Schaden des G voll zu ersetzen 51. Die Polizeibeamten befanden sich aber nur auf einer Dienstfahrt, nicht auf einer Einsatzfahrt; das Verweisungsprivileg greift deshalb nicht ein 52. Dennoch kann G weder S noch den Dienstherrn auf Ersatz in Anspruch nehmen, weil beide nach 46 Abs. 2 BeamtVG haftungsprivilegiert sind. Deshalb liegt eine gestörte Gesamtschuld vor. G kann V und K nur in Höhe von 50% seines Schadens in Anspruch nehmen. Zu beachten ist, dass nach den beamtenrechtlichen Sondervorschriften die Sperrung der Ersatzansprüche nur teilweise wirkt; es sind nur die nicht durch Versorgungsleistungen gedeckten weitergehenden Ersatzansprüche des Beamten gesperrt, nicht die auf den Dienstherrn oder SVT übergegangenen Ansprüche 53. Das hat zur Folge, dass auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine beamtenrechtliche Freistellung der Haftung vorliegen, der übergangsfähige Teil der Ersatzansprüche nicht gesperrt ist, sondern auf den Dienstherrn oder auf SVT übergeht und von diesen geltend gemacht werden kann. Das hat zur Folge, dass hinsichtlich der übergangsfähigen Anspruchsteile ein normales Gesamtschuldverhältnis zwischen S und K/V besteht. Lemcke: Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung r + s 2006 Heft 2 58 f) Mehrere Schädiger und Familienprivileg Fall 16 54 : S kommt als Fahrer des seinem Schwiegervater D gehörenden Pkw, versichert bei V, von der Fahrbahn ab, seine mitfahrende Ehefrau G wird schwer verletzt. Sie lebt nur mit S, nicht mit D in häuslicher Gemeinschaft. Die Krankenkasse K trägt die Heilbehandlungskosten und verlangt - die Ansprüche aus dem Teilungsabkommen sind abgerechnet 55 - von V Ersatz ihrer Mehraufwendungen. G kann S aus 823 BGB, D aus 7 StVG 56 und V aus 3 Nr. 1 PflVG auf Ersatz der in ihrer Hand verbliebenen Ansprüche in Anspruch nehmen; das Verschulden des S ergibt sich im Wege des Anscheinsbeweises, die Haftungserleichterung des 1359 BGB gilt nicht, weil S durch die KH- Versicherung geschützt ist 57. Hinsichtlich des Anspruchsübergangs nach 116 I SGB X auf K gilt aber folgendes: Der Übergang der Ansprüche gegen S scheitert am Familienprivileg des 116 VI SGB X, der Übergang der Ansprüche gegen D nicht. Es besteht damit, beschränkt auf die nach 116 I SGB X übergangsfähigen Ansprüche, eine gestörte Gesamtschuld. Weil S den Unfall verschuldet hat, D aber nur aus der Gefährdungshaftung haftet, hätte S im Innenverhältnis den Schaden allein zu tragen. Damit ist auch D gegenüber K leistungsfrei. Weil K weder S noch D in Anspruch nehmen kann, ist auch V leistungsfrei 58. Fall 17 59 : Frau S lässt ihr 3-jähriges Kind G unbeaufsichtigt auf dem Bürgersteig spielen, während sie in einem Geschäft einkauft. G gerät auf die Fahrbahn und wird von dem Kraftfahrer K, versichert bei V, angefahren und verletzt. V reguliert die Ansprüche des G und verlangt von S Ersatz; die Krankenkasse K hat die Heilbehandlungskosten getragen und verlangt von V Ersatz. G kann K aus 7 StVG auf Ersatz in Anspruch nehmen, selbst wenn er sich wie ein Idealfahrer verhalten hat; der Entlastungsbeweis nach 7 II StVG n.f. ist nicht zu führen. Ob der Mutter die Haftungserleichterungen der 1664, 277 BGB zugute kommen, ist zweifelhaft 60. OLG und BGH haben ihr Verhalten aber als grob fahrlässig gewertet. Damit ist sie selbst dann aus 823 BGB grundsätzlich haftpflichtig. Zu den Ausgleichsansprüchen der V gegen S: V musste die Ansprüche des Kindes G voll regulieren, G musste sich weder sein eigenes Fehlverhalten 61 noch das seiner Mutter 62 noch deren Pflegeleistungen 63

anspruchskürzend zurechnen lassen. Würden Frau S die Haftungserleichterungen der 1664, 277 BGB zugute kommen, läge keine gestörte, sondern überhaupt keine Gesamtschuld vor 64. Bejaht man aber die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit, würde es zwar evtl. wegen der familienrechtlichen Verbundenheit treuwidrig sein, wenn G persönlich seine Mutter auf Schadenersatz in Anspruch nehmen würde 65 ; diese Erwägung gilt jedoch nicht für den Gesamtschuldnerausgleich 66. Das Angehörigenprivileg des 67 II VVG gilt hier nicht, weil es hier nicht um den Übergang des Ersatzanspruchs des Kindes gegen die Mutter nach 67 I VVG auf einen Versicherer geht, sondern um den Ausgleichsanspruch eines Mitschädigers nach 426 BGB gegen die Mutter. Der somit grundsätzlich zulässige Gesamtschuldnerausgleich scheitert aber möglicherweise aus wirtschaftlichen Gründen, zumal sich selbst bei bestehender Privathaftpflichtvers. wegen der Angehörigenklausel des 4 II 2 AHB die Frage stellt, ob der Versicherer überhaupt eintrittspflichtig ist 67. Zu den Regressansprüchen der K gegen V: Insoweit liegt wieder ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis vor 68. K kann die Mutter gem. 116 VI SGB X nicht in Anspruch nehmen. Es sind deshalb die Betriebsgefahr des Kfz und das grobe Verschulden der S gegeneinander abzuwägen. Hier spricht vieles dafür, dass auf S im Innenausgleich die volle Haftung entfiele, jedenfalls entfällt aber auf sie der wesentlich höhere Haftungsanteil. In Höhe des auf S entfallenden Anteils ist V gegenüber K leistungsfrei 69. 3. Fazit In vielen Fällen, in denen aus der Sicht des Haftpflichtversicherers bei isolierter Betrachtung des Verhältnisses Anspruchsteller Lemcke: Die gestörte Gesamtschuld in der Personenschadenregulierung r + s 2006 Heft 2 59 - VN die volle Haftpflicht des VN besteht, kann sich bei genauer Prüfung der Rechtsbeziehungen zwischen Anspruchsteller und sonstigen Schädigern ergeben, dass ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis besteht, mit der Folge, dass auch der VN ganz oder jedenfalls teilweise von der Haftung befreit ist. Die Frage, ob auch andere Schädiger vorhanden sind und welche Rechtsbeziehungen zwischen ihnen und dem Anspruchsteller bestehen, stellt sich somit nicht erst dann, wenn nach durchgeführter Regulierung der Personenschäden ein evtl. Gesamtschuldnerausgleich ansteht, sondern schon vor Beginn der Regulierung; für den Anwalt des Geschädigten stellt sie sich jedenfalls vor Klageerhebung. 1 S. z.b. BGH v. 12. 6. 1973 - VI ZR 163/71, NJW 73, 1648 = VersR 73, 836; BGH v. 24. 6. 2003 - VI ZR 434/01, r+s 03, 480 = NJW 03, 2984 = VersR 03, 1260 = NZV 03, 466. 2 BGH v. 1. 6. 1988 - VI ZR 190/87, NJW 88, 2667 = VersR 88, 632; die Entscheidung ist zu 1664 BGB ergangen, sie gilt aber auch für den Fall des 1359 BGB. 3 BGH v. 24. 6. 1986 - VI ZR 202/85, r+s 87, 39 = NJW 86, 2883 = VersR 86, 1206; BGH v. 5. 4. 1984 - III ZR 19/83, NJW 84, 2097 = VersR 84, 759; BGH v. 20. 6. 1974 - III ZR 129/71, NJW 74, 360 = VersR 74, 288. 4 BGH v. 9. 6. 1972 - VII ZR 178/70, NJW 72, 942 = VersR 72, 587; s. ferner Palandt/Heinrichs, 63. Aufl., 426, Rz. 14ff.m.w.N. 5 Die Fälle sind überwiegend obergerichtlichen Entscheidungen entnommen, aber teilweise vereinfacht wiedergegeben; soweit noch die 636f. RVO anzuwenden waren, sind der Beurteilung die 104ff. SGB VII zu Grunde gelegt worden. 6 Vgl. BGH v. 23. 1. 1990 - VI ZR 209/89, r+s 90, 270 = NJW 90, 1361 = VersR 90, 387; OLG Hamm vom 3. 6. 1996-6 U 211/95, r+s 96, 490 = VersR 98, 328. 7 S. insoweit BGH v. 16. 2. 1971 - VI ZR 125/69, NJW 71, 752 = NJW 71, 752 = VersR 71, 476. 8 BGH v. 2. 4. 1974 - VI ZR 193/72, VersR 74, 888; auch BGH v. 14. 6. 1976 - VI ZR 178/74, NJW 76, 1975 = VersR 76, 991; BGH v. 23. 2. 1984 - III ZR 77/83, VersR 84, 443. 9 S. insoweit BGH v. 16. 2. 1971 - VI ZR 125/69, NJW 71, 752 = VersR 71, 476; ferner BGH v. 22. 4. 1980 - VI ZR 134/78, NJW 80, 2348 = VersR 80, 770. 10 OLG Jena v. 5. 12. 2001-7 U 516/01, r+s 03, 85 = VersR 03, 598. 11 Zu den Voraussetzungen s. BGH v. 17. 10. 2000 - VI ZR 67/00, r+s 01, 26 = NJW 01, 443 = NZV 02, 32 = VersR 01, 336; BGH v. 16. 12. 2003 - VI ZR 103/03, r+s 04, 126 = NJW 04, 947 = NZV 04, 191 = VersR 04, 381; BAG v. 28. 10. 2004-8 AZR 443/03, r+s 05, 304. 12 S. insoweit z.b. BGH vom 25. 4. 1989 - VI ZR 146, 88, VersR 89, 730. 13 S. insoweit z.b. BGH vom 25. 4. 1989 - VI ZR 146, 88, VersR 89, 730. 14 OLG Karlsruhe v. 23. 6. 2001-14 U 154/99, VersR 03, 80 = BauR 02, 1555; die Entscheidung ist noch zu 636f. RVO ergangen, der BGH hat die Revision der B2 durch Beschluss v. 23. 4. 02 - VI ZR 44/01 - nicht angenommen.

15 S. insoweit BGH v. 29. 10. 2002 - VI ZR 283/01, r+s 03, 39 = VersR 03, 30 = NJW-RR 03, 239. 16 OLG Jena v. 5. 8.1997-3 U 1489/96, NZV 98, 28 = VersR 98, 990. 17 Die Gemeinde konnte sich hier nicht auf das Verweisungsprivileg des 839 I 2 BGB berufen, weil eine Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht vorlag. 18 BGH v. 25. 4. 1989 - VI ZR 146/88, NJW-RR 89, 918 = VersR 89, 730; BGH v. 5. 7. 1996 - VI ZR 79/95, r+s 96, 261, 271 = NJW 96, 2023 = NZV 96, 359 = VersR 96, 856. 19 S. z.b. BGH v. 14. 9. 2004 - VI ZR 32/04, r+s 04, 524 = NJW 05, 288 = NZV 05, 37 = VersR 04, 1604; BGH v. 29. 10. 2002 - VI ZR 283/01, r+s 03, 39 = NZV 03, 30 = NJW-RR 03, 239 = VersR 03, 70. 20 Vgl. BGH v. 3. 7. 2001 - VI ZR 284/00, r+s 01 368 = NJW 01, 3125 = NZV 01, 421 = VersR 01, 1028; der BGH hat sich in dieser Entscheidung nicht mit dem gestörten Gesamtschuldverhältnis und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen befasst. 21 BGH v. 23. 3. 2004 - VI ZR 160/03, r+s 04, 260 = NZV 04, 245 = VersR 04, 1045; auch BGH v. 24. 6. 1998 - VI ZR 337/98, r+s 98, 377 = NJW 98, 2365. 22 S. insoweit BGH v. 3. 7. 2001 - VI ZR 284/00, r+s 01 368 = NJW 01, 3125 = NZV 01, 421 = VersR 01, 1028. 23 BGH v. 11. 11. 2003 - VI ZR 13/03, r+s 04, 85 = NJW 04, 951 = VersR 04, 202 = NZV 04, 188; BGH v. 10. 5. 2005 - VI ZR 366/03, r+s 05, 397 = NZV 05, 456; BGH v. 14. 6. 2005 - VI ZR 25/04, r+s 05, 395 = VersR 05, 1397. 24 BGH v. 14. 6. 2005 - VI ZR 25/04, r+s 05, 395 = NZV 05, 515 = VersR 05, 1397. 25 BGH v. 1. 12. 1981 - VI ZR 219/80, r+s 82, 53 = NJW 82, 1042 = VersR 82, 270. 26 Der BGH verweist hier auf seine Baugerüst-Entscheidung vom 16. 12. 2003 - VI ZR 103/03 (r+s 04, 126 = VersR 04, 381 = NJW 04, 947 = NZV 04, 191), in der er eine gemeinsame Betriebsstätte verneint hat, weil es dort nicht um ein Miteinander, sondern um ein Nacheinander ging; andererseits ist - das ist die neue Aussage - eine gemeinsame Betriebsstätte bereits dann zu bejahen, wenn die Gewerke miteinander verknüpft sind wie hier die Tätigkeiten der Zimmerleute und der Dachdecker, und wenn sie sich deshalb ablaufbedingt notwendigerweise in die Quere kommen und dabei einander verletzen können; es ist dann nicht erforderlich, dass Schädiger und Geschädigter im Unfallzeitpunkt faktisch zusammenwirken. Denn hier bestand der gefährliche Zustand evtl. schon seit Tagen, zum Unfallzeitpunkt war evtl. kein Zimmerer der KG in der Nähe. Anders als in der Baugerüst-Entscheidung des BGH arbeiteten hier aber Zimmerer und Dachdecker zum Unfallzeitpunkt gleichzeitig an der Erstellung ihrer Gewerke. 27 S. dazu Wellner in Geigel, 24. Aufl., Kap. 14, Rz. 203ff. 28 BGH v. 20. 1. 1998 - VI ZR 59/97, r+s 98, 148 = NJW 98, 1137 = VersR 98, 474; BGH v. 2. 7. 2004 - V ZR 33/04, NJW 04, 3328 = NZV 04, 625 = VersR 05, 843. 29 OLG Bremen v. 31. 10. 2003-4 U 10/03, r+s 05, 265; Revision der Bekl. nicht angenommen durch Beschl. des BGH v. 13. 7. 2004 - VI ZR 334/03. 30 So OLG Nürnberg v. 27. 10. 1997-5 U 1052/97, r+s 98, 466; Revision der Bekl. nicht angenommen durch Beschl. des BGH v. 30. 6. 1998 - VI ZR 8/98. 31 BGH v. 8. 4. 1986 - VI ZR 61/85, r+s 86, 184 = VersR 86, 868. 32 BAG v. 28. 2. 1991-8 A ZR 521/89, VersR 91, 902 = NZA 92, 597. 33 OLG Hamm v. 17. 1. 2002-6 U 132/01, NJW-RR 02, 1317 = MDR 02, 642. 34 Vgl. OLG Oldenburg v. 23. 5.2001-2 U 74/01, r+s 02, 65; die Auffassung des OLG zum arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch ist auf Grund der späteren BGH-Rspr. überholt. 35 Vgl. OLG Jena v. 19. 10. 2004-8 U 259/04, MDR 05, 448 = OLGR 04 437. 36 Das Ladegeschäft gehört noch mit zum Betrieb des Kfz (OLG Hamm v. 22. 9. 1999-13 U 134/98, r+s 00, 498 = NZV 01, 84); anders, wenn es nur als Arbeitsmaschine eingesetzt wird (BGH v. 18. 1. 2005 - VI ZR 115/04, r+s 05, 303 = NZV 05, 305 = VersR 05, 366). 37 OLG Düsseldorf v. 22. 9. 2005 - I-1 U 170/04, in diesem Heft. 38 Zur Abgrenzung Wegeunfall - Betriebswegeunfall s. BGH v. 25. 10. 2005 - VI ZR 334/04, in diesem Heft, ferner BGH v. 12. 10. 2000 - III ZR 39/00, r+s 01, 28 = NJW 01, 442 = NZV 01, 74 = VersR 01, 335; BGH v. 2. 12. 2003 - VI ZR 348/02 + 349/02, r+s 04, 123 = NJW 04, 949 = NZV 04, 193 = VersR 04, 379; BGH v. 9. 6. 2004 - VI ZR 439/02, r+s 04, 259 = NZV 04, 347 = NJW-RR 04, 883 = VersR 04, 788; BAG v. 14. 12. 2000-8 AZR 92/00, NJW 01, 2039 = VersR 01, 720; BAG v. 30. 10. 2003-8 AZR 548/02, VersR 04, 1047 = MDR 04, 577; BAG v. 24. 6. 2004-8 AZR 292/03, DAR 04, 727 = VersR 05, 1439. 39 Hätte U den Schaden im Innenverhältnis allein zu tragen, wäre S voll leistungsfrei, s.z.b. OLG Nürnberg v. 27. 1. 1994-8 U 2278/93, r+s 94, 257. 40 BGH v. 25. 10. 2005 - VI ZR 334/04, in diesem Heft m.anm. Lemcke, Revisionsentscheidung zu OLG Dresden v. 24. 9. 2004-1 U 832/04, r+s 04, 479, zuvor LG Dresden v. 16. 4. 2004-10 O 5837/03, NZV 04, 469. 41 So auch OLG Saarbrücken v. 19. 12. 2000-4 U 941/99-289, r+s 02, 67 = OLGR 01, 172, Revision der Kl. nicht angenommen durch Beschl. des BGH v. 3. 7. 2001 - VI ZR 34/01. 42 Derartige Unfälle mit von Unternehmern oder in ihrem Namen von Mitarbeitern angemieteten Pkw und Lkw sind in der Regulierungspraxis nicht selten. 43 So Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., 18 StVG, Rz. 30. 44 BGH v. 1. 12. 1981 - VI ZR 219/80, r+s 82, 53 = NJW 82, 1042 = VersR 82, 270. 45 S. BGH v. 1. 12. 1981 - VI ZR 219/80, r+s 82, 53 = NJW 82, 1042 = VersR 82, 270; zwar ist die Entscheidung zu 636, 637 RVO ergangen; diese Auffassung dürfte aber auch für 104ff. SGB VII gelten (so Leube, VersR 01, 1215ff. zu IV.1); die Voraussetzungen des 106 I SGB VII liegen nicht vor, 106 III SGB VII ist schon deshalb nicht anwendbar, weil die Schüler keine Betriebstätigen sind (so Leube, VersR 00, 948ff. zu 3c cc). In BGH v. 12. 10. 2000 - III ZR 39/00 (r+s 01, 28 = NJW 01, 442 = NZV 01, 74 = VersR 01, 335) gehörten, anders als hier, Schulbus und Fahrer zum Schulträger. 46 Das Verhalten der drängelnden Schüler war noch schulbezogen; s. dazu BGH v. 30. 6. 2004 - VI ZR 163/03, r+s 04, 307 = NZV

04, 349 = NJW-RR 04, 882 = VersR 04, 789. 47 BGH v. 1. 12. 1981 - VI ZR 219/80, r+s 82, 53 = NJW 82, 1042 = VersR 82, 270. 48 S. Fn. 4. 49 BGH v. 12. 10. 2000 - III ZR 39/00, r+s 01, 28 = NJW 01, 442 = NZV 01, 74 = VersR 01, 335. 50 BGH v. 23. 4. 1985 - VI ZR 91/83, NJW 85, 2261 = VersR 85, 763. 51 S. Fn. 4. 52 BGH v. 27. 1. 1977 - III ZR 173/74, r+s 77, 169 = NJW 77, 1238 = VersR 77, 541. 53 BGH v. 17. 6. 1997 - VI ZR 288/96, r+s 97, 418 = NJW 1998, 2883 = VersR 97, 1161; BGH v. 17. 11. 1988 - III ZR 202/87, NJW 89, 1735 = VersR 89, 495; BGH v. 29. 6. 1977 - VI ZR 52/76, r+s 78, 11 = VersR 77, 649; OLG Karlsruhe v. 10. 6. 1989-14 U 185/87, VersR 91, 1186. 54 OLG Koblenz v. 21. 6. 1999-12 U 679/98, r+s 01, 114 = VersR 00, 1436; Revision der Kl. nicht angenommen durch Beschl. des BGH v. 29. 2. 2000 - VI ZR 239/99. 55 Zum Thema TA und gestörte Gesamtschuld s. BGH v. 23. 6. 1993 - VI ZR 164/92, r+s 93, 324 = VersR 93, 841 = NJW-RR 93, 911, zum Thema TA und 108 SGB VII s. BGH v. 20. 9.2005 - VI ZB 78/04, in r+s 06 Heft 3. 56 Im Fall des OLG Koblenz waren die Ansprüche aus 7 StVG noch gem. 8a Abs. 1 S. 1 StVG a.f. ausgeschlossen. 57 BGH v. 11. 6. 1970 - VI ZR 772/68, VersR 70, 872; BGH v. 10. 7. 1974 - IV ZR 212/72, VersR 74, 1117. 58 BGH v. 28. 11. 2000 - VI ZR 352/99, NJW 01, 268 = VersR 01, 215 = r+s 01, 112 m. Anm. Lemcke, auch zur Frage, ob die nicht übergehenden Ansprüche untergehen oder in der Hand des Geschädigten bestehen bleiben. Zur entspr. Anwendung des Familienprivilegs im Beamtenrecht s. OLG Hamm v. 24. 1. 1994-13 U 173/93, r+s 94, 258 = NZV 94, 441 = NJW-RR 94, 536 m.w.h. 59 Vgl. BGH v. 16. 1. 1979 - VI ZR 243/76, VersR 79, 421; Revisionsentscheidung zu OLG München v. 15. 10. 1976-10 U 1357/76, VersR 77, 729. 60 S. einerseits Palandt/Diederichsen, 63. Aufl., 1664 BGB, Rz. 2 m.w.h.; OLG Stuttgart v. 28. 6. 1980-2 U 178/79, VersR 80, 952 m.w.h.; andererseits Wussow/Dressler, UHR, 15. Aufl., Kap. 72, Rz. 6f.m.w.H., OLG Hamm v. 20. 1. 1992-6 U 183/91, NJW 93, 542 = VersR 93, 493; OLG Hamm v. 17. 8. 1993-27 U 144/92, r+s 94, 15; OLG Düsseldorf v. 26. 2. 1999-22 U 201/88, NJW- RR 99, 1042; s. dazu auch BGH v. 15. 6. 2004 - VI ZR 60/03, r+s 04, 390 = NZV 04, 514 = VersR 04, 1147; BGH v. 1. 6. 1988 - VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338 = NJW 88, 2667 = VersR 88, 632. 61 Auch eine Anspruchskürzung gem. 254, 829 BGB scheidet aus, wenn der Schädiger durch eine KH-Versicherung geschützt ist (BGH v. 26. 6. 1973 - VI ZR 47/72, NJW 73, 1795; KG v. 31. 10. 1994-12 U 4031/93, NZV 95, 109 = VersR 96, 235). 62 BGH v. 15. 6. 2004 - VI ZR 60/03, r+s 04, 390 = NZV 04, 514 = VersR 04, 1147; BGH v. 1. 6. 1988 - VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338 = NJW 88, 2667 = VersR 88, 632; OLG Hamm v. 15. 12.1997-6 U 66/96, r+s 98, 282 = NJW-RR 98, 1181 = OLGR 98, 187. 63 BGH v. 15. 6. 2004 - VI ZR 60/03, r+s 04, 390 = NZV 04, 514 = VersR 04, 1147. 64 BGH v. 1. 6. 1988 - VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338 = NJW 88, 2667 = VersR 88, 632; BGH v. 15. 6. 2004 - VI ZR 60/03, r+s 04, 390 = NZV 04, 514 = VersR 04, 1147. 65 BGH v. 15. 6. 2004 - VI ZR 60/03, r+s 04, 390 = NZV 04, 514 = VersR 04, 1147 m.w.h. 66 BGH v. 2. 11. 1982 - VI ZR 32/81, r+s 83, 8 = NJW 83, 624 = VersR 83, 134; im Urteil v. 16. 1. 1979 (VI ZR 243/76, VersR 79, 421) hatte der BGH dieses offen gelassen; die Ausführungen des BGH im Urteil v. 15. 6. 2004 - VI ZR 60/03, r+s 04, 390 = NZV 04, 514 = VersR 04, 1147 zu 3. stehen nicht entgegen. 67 Im Fall des OLG Hamm v. 20. 1. 1992-6 U 183/91 (NJW 93, 542 = VersR 93, 493) hatte der Privathaftpflichtversicherer seine Eintrittspflicht abgelehnt. Wenn die Angehörigenklausel nicht nur bei direkter Inanspruchnahme des Angehörigen durch den Angehörigen, sondern auch bei Gesamtschuldnerausgleichen anwendbar wäre, ergäbe sich eine unerträgliche Lücke im VersSchutz, vor allem dann, wenn man schon leichte Fahrlässigkeit der Eltern für die Haftung aus 823 BGB gegenüber dem Kind genügen lässt; Eltern wären dann diesem Risiko immer schutzlos ausgesetzt. Die Gründe, die zu der Angehörigenklausel geführt haben und die sie rechtfertigen (Gefahr des kollusiven Zusammenwirkens), bestehen beim Gesamtschuldnerausgleich nicht. Es ist anzunehmen, dass ähnliche Fälle wie dieser sehr bald nicht nur den VI. Zivilsenat, sondern über eine Deckungsschutzklage betroffener Eltern auch den IV. Zivilsenat beschäftigen werden; letzterer wird sich dann mit der Frage zu befassen haben, ob zu den Haftpflichtansprüchen aus Schadenfällen von Angehörigen des VN auch der selbständige Ausgleichsanspruch des fremden Gesamtschuldners aus 426 I 1 BGB gegen den Angehörigen gehört. Zumindest liegt hier die Anwendung der Unklarheitenregel ( 5 AGBG) nahe. Zwar hält Späte (AHB, 4 Rz. 221) die Klausel auch hier für anwendbar; die von ihm zitierten BGH-Entscheidungen tragen aber seine Auffassung nicht. 68 So auch BGH v. 16. 1. 1979 - VI ZR 243/76, VersR 79, 421. 69 Im Fall des BGH v. 16. 1. 1979 (VI ZR 243/76, VersR 79, 421) haben OLG und BGH zwar den Verantwortungsanteil der Mutter nur mit 1 / 3 bewertet; dort lag aber auch ein Verschulden des Kraftfahrers vor.