Forschungsdatenzentrum der Rentenversicherung (FDZ-RV) Return to Work bei Abhängigkeitserkrankungen nach medizinischer Rehabilitation Anja Bestmann, Julia Büschges, Joachim Köhler Statistisches Berichtswesen und Statistiken der GRV 2016 Erkner, 19. 21.09.2016 1
Worum geht es heute? Rehabilitation durch die gesetzl. Rentenversicherung Fragestellungen Methode: Daten, Operationalisierung, Population Beschreibung der Rehabilitanden Ergebnisse: Aspekte der Rückkehr in Beschäftigung nach einer Entwöhnungsbehandlung Vorläufige Schlussfolgerungen für die Suchtrehabilitation 2
Rehabilitation durch die gesetzl. Rentenversicherung ca. 55.000 Entwöhnungsmaßnahmen / Jahr (5-7%) Sucht-Reha mit 6.285 im Vergleich zu somatischer Reha (ambulant 1.733 / stationär 2.727 )* mehr als doppelt so teuer mit Abstand jüngste Rehabilitandengruppe Hauptziel: Sicherung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit Quelle: Reha-Bericht 2015, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, 2015; SGB IX, 3
Fragestellungen Wie gestaltet sich die (Wieder)Aufnahme einer Beschäftigung nach einer Suchtrehabilitation? Wie wirkt sich eine Beschäftigung vor der Reha auf die Erwerbstätigkeit im Anschluss aus? Welche Faktoren stehen im Zusammenhang mit dem Return to Work nach einer Suchtrehabilitation? 4
Methodik 1 Datengrundlage Reha-Statistik-Datenbasis 2007-2014 der DRV Vollerhebung mit 8 Jahresfenster für alle Rehas und 11jährigem Beitragsverlauf Operationalisierung Beschäftigung Pflichtversicherte Beschäftigung Analysemethodik Kaplan Meyer Kurven, Cox Regression 5
Methodik 2: Untersuchungspopulation Rehabilitanden mit Entlassungsdiagnose F10-15, F19 Alkohol, Opioide, Cannabinoide, Sedativa und Hypnotika, Kokain & Stimulanzien, multipler Substanzgebrauch Rehaende 2012 (Entlassungsdatum) Keine Rente im Beobachtungszeitraum (2012-2014) 6
Erste Informationen BSH, Zollmann 2008 Statistikband ISRV Personen Reha 2012 Zwar scheiden nur 12% der Rehabilitanden in den 24 Monaten nach einer Suchtrehabilitation wegen Gesetzliche RV 54.142 Leistungen Alkoholabhängigkeit dauerhaft aus dem Erwerbsleben aus [ ] Während nur 18% der alkoholabhängigen Rehabilitanden in allen 24 Monaten versicherungspflichtig beschäftigt sind. Alkohol 28.473 Medikamen te/drogen 12.381 40.854 Personen 7
Sozialmedizinischer Zweijahresverlauf N = 24.460 8 Quelle: Reha- Längsschnitt 2007-2014, N= 37.226
Deskription, N= 24.460 Merkmal Ausprägungen Häufigkeit absolut Häufigkeit in % Geschlecht Frauen 5.861 24 % Männer 18.599 76 % Ohne berufliche Ausbildung 2.713 11 % Anerkannte Berufsausbildung 7.982 33 % Berufl. Bildung Fachschule, Meister, Techniker 407 2 % Bachelor, Diplom, Magister, Staatsexamen 466 2 % Unbekannter Abschluss, entfällt 12574 51 % Alkohol 16.452 66 % Kokain/ Stimulanzien 1.155 5 % Suchtart Cannabinoid 1.722 7 % Sedative/ Hypnotika 175 1 % Opioid 1.871 8 % Multipler Substanzgebrauch 3.085 13 % 9
Ergebnisse: Erstmalige Beschäftigung nach Art der Sucht Alkoho l 64 % Opioid und Mehrfach- Abhängigen fällt RTW am schwersten: im Vergleich geringster Anteil, der nach Reha in Erwerbstätigkeit geht (34% bzw. 46%) Opioide 34 % Alkohol-Abhängige: höchster Eintritt in Arbeit nach Reha (64%) Cannabis-/Kokain- Konsumenten: stärkster Anstieg der Erwerbstätigkeit im Verlauf (etwa 30% vs. 16% bei Alkohol-Abhängigen) Quelle: Reha- Längsschnitt 2007-2014, N= 24.460 10
Ergebnisse: Erstmalige Beschäftigung nach Erwerbssituation vor Reha stabil erwerbstätig Neu erwerbstätig 95 % Langzeitarbeitslose haben die geringsten Chancen auf einen Einstieg in die Erwerbstätigkeit (23%). 57% Im Gegensatz dazu kehrt ein sehr hoher Anteil der stabil Erwerbstätigen wieder in den Beruf zurück (95%). langzeitarbeitslos 23% Auch diejenigen, die im 4. Monat vor der Reha eine Beschäftigung fanden, sind anschließend mehrheitlich beschäftigt (82%). Quelle: Reha- Längsschnitt 2014, N= 24.460 11
Ergebnisse 1: Soziodemograph. Faktoren Cox- Regression: Erwerbsverlauf nach Rehabilitation, N= 24.460 Kovariaten Deskription HR 95%-CI Geschlecht Frauen 24% 1.00 Männer 76% 1.21 1.17-1.26 Über 50 Jahre 20% 1.00 Alter 41-50 Jahre 33% 1.04 0.99 1.08 30-40 Jahre 25% 1.05 0.99 1.11 Unter 30 Jahre 21% 1.08 1.01 1.15 Ledig 48% 1.00 Verheiratet 30% 1.18 1.13 1.23 Familienstand Geschieden 17% 1.04 0.99 1.09 Verwitwet 1% 1.04 0.89 1.20 Keine Aussage 2% 0.96 0.86 1.07 Grau markierte Zeilen sind nicht signifikant Quelle: Reha- Längsschnitt 2014, N= 24.460 12
Ergebnisse 2: Rehaspez. Faktoren Cox- Regression: Erwerbsverlauf nach Rehabilitation, N= 24.460 Kovariaten Deskription HR 95%-CI Alkohol 66% 1.00 Opioid 8% 0.61 0.56 0.66 Art der Sucht Cannabinoid 7% 0.85 0.79 0.92 Multiple Substanzen 13% 0.78 0.74 0.83 Kokain 5% 0.89 0.83 0.98 Sedativa/Hypnotika 1% 0.95 0.78 1.16 regulär 66% 1.00 Entlassungsart Vorzeitig mit ärztl. Einverständnis 5% 0.99 0.91 1.07 disziplinarisch 6% 0.71 0.65 0.77 Vorzeitig auf ärztl. Veranlassung Vorzeitig ohne ärztl. Einverständnis 5% 0.86 0.80 0.94 16% 0.87 0.82 0.91 Grau markierte Zeilen sind nicht signifikant Quelle: Reha- Längsschnitt 2014, N= 24.460 13
Ergebnisse 3 Cox- Regression: Erwerbsverlauf nach Rehabilitation, N= 24.460 Kovariaten Deskription HR 95%-CI Ohne berufl. Ausbildung 11% 1.00 unbekannter Abschluss 51% 0.45 0.43 0.48 Berufliche Qualifikation Berufsausbildung 33% 1.23 1.16 1.29 Fachschule, Meister, Techniker Bachelor, Diplom, Magister, Examen 2% 1.22 1.10 1.36 2% 1.21 1.17 1.26 Reha-Vorerfahrung In Wochen (2011) Ø = 0,9 0.99 0.98 0.99 Arbeitslosigkeit 12 Monate vor Reha Ø = 2,2 0.94 0.93 0.94 Erwerbstätigkeit 12 Monate vor Reha Ø = 2,1 1.05 1.05 1.06 Grau markierte Zeilen sind nicht signifikant Quelle: Reha- Längsschnitt 2014, N= 24.460 14
Zusammenfassung Frauen Ledige Opioid-/ multiple Substanzen Arbeitslosigkeit vor Reha Erwerbstätigkeit vor Reha Jegliche Art der beruflichen Qualifikation Disziplinarische und Entlassungen ohne ärztl. Einverständnis Lange Therapiebiographien und Rehabilitationsdauern (Proxi für Schwere der Erkrankung) 15
Vorläufige Schlussfolgerungen Entwöhnungsbehandlungen in vielen Fällen erfolgreich und wirken einer Verschlimmerung der Situation entgegen Amortisieren sich für die RV nach durchschnittlich vier Beschäftigungsmonaten Bei Erwerbslosigkeit: stärkere Fokussierung auf Berufsausbildung im Rahmen der Suchtrehabilitation (Leitlinie S3) > LTA? Substanzspezifische Interventionen ratsam Einbeziehung von Angehörigen und Kontextfaktoren Hoch individualisierte Rehabilitation im Sinne einer bestmöglichen Ausrichtung am Adressaten notwendig 16
Forschungsdatenzentrum der Rentenversicherung (FDZ-RV) Fragen? dr.anja.bestmann@drv-bund.de 17
Deskription, N= 24.460 Merkmal Ausprägungen Häufigkeit absolut Häufigkeit in % Erwerbsstatus unmittelbar vor Reha Erwerbsstatus in 12 Monaten vor Rehabeginn Erwerbstätig 4.075 16,7 % Arbeitslos 4.595 18,8 % Arbeitsunfähigkeit, Übergangsgeld, geringfügig Beschäftigte, unbekannter Status Durchgehend erwerbstätig 15.790 64,5 % 3.170 13,0 % Durchgehend arbeitslos 2.744 11,2 % Unterbrochene Erwerbstätigkeit, Sonstige 18.546 75,8 % Median Range Alter 41 16-63 18
Populationszuschnitt 1 Nur Nachsorge N=192 Grundgesamtheit roh Suchtrehabilitanden 2012 N=37.226 Art der Reha unbekannt, N=2 2 Ambulante Reha N=466 Keine Angabe zum Monat Rehaende, N=7 3 4 5 Anschließend LTA N=1.366 Angehörige N=6 6 8 Anschließend med. Reha, N=5.782 Beamte N=8 10 7 In Reha oder bis 2014 verstorben, N=1.148 Keine Angabe zum Rentenstatus, N=32 9 9 9 Bis 2014 EM Rente N=2.926 Altersrente bis 2014 N=621 Aus Reha verlegt / Wechsel, N=210 11 Grundgesamt bereinigt Suchtrehabilitanden 2012 N=24.460 19
To do Inhaltlich: Einbeziehung von Zweiterkrankung / Multimorbidität Regionale Arbeitslosenquoten mit ins Modell aufnehmen Anzahl der mittleren / Mediantage in pflichtversicherter Beschäftigung 24 Monate nach Reha Getrennte Analysen für ganztägig ambulante Rehabilitation / stationäre Rehabilitation (ambulante Reha ist draußen, weil die ggf. gleichzeitig arbeiten) Getrennte Cox Regressionen für Art der Abhängigkeit Pattern erstellen für Alter*Art der Abhängigkeit 20
Ergebnisse: Erstmalige Beschäftigung nach Entlassungsform 64% regulär 48% Vorzeitig auf ärztl. Veranlassung 37% Regulär (64%) und vorzeitig mit ärztl. Einverständnis (60%) erzielen beste Reintegration disziplinarisch Disziplinarische Entlassungen deutlich schlechter (37%) Quelle: Reha- Längsschnitt 2007-2014 N= 24.460 21