Diversity Management in der Sozialen Arbeit aus theoretischer und praktischer Perspektive

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Transkript:

aus theoretischer und praktischer Perspektive Prof. Dr. Martin Hafen, Sozialarbeiter und Soziologe Institut für Sozialmanagement, Sozialpolitik und Prävention martin.hafen@hslu.ch Referat anlässlich der Ringvorlesung Diversity Management. Gender und Diversity im Berufsalltag der Hochschule Kempten Kempten, 17. Januar 2017

Systemtheoretische Vorbemerkungen Niklas Luhmann 1927-1998 2

Systemtheorie als konstruktivistische Theorie Beobachten: Bezeichnen im Kontext einer Unterscheidung Bezeichnetes Bezeichnetes Gender Diversity Unterschiedenes Unterschiedenes Sex? Das Verhältnis von Realität und Wirklichkeit Beobachtung 1. und 2. Ordnung 3

Das System als operative Differenz System Umwelt System Umwelt 4

Das Merkmal: operationale Geschlossenheit Geschlossenheit: Autopoietische Operationen Selbstreferenz Offenheit: Informationsgewinn aus der Umwelt Fremdreferenz 5

Informationsgewinn über die Systemstrukturen Strukturen als (unsichtbare) Möglichkeitsspielräume Das Prinzip der Selbstorganisation Lernen als Strukturveränderung Information is the difference that makes a difference. Gregory Bateson 6

Die Trennung von Körper, Psyche und Sozialem Körperliche, psychische und soziale Systeme als jeweilige Umwelten Die unterschiedliche Operativität als Unterscheidungskriterium 7

Zum Verhältnis von Mensch und Gesellschaft Person/soziale Adresse als soziale Strukturen Die Rolle und andere Adressenmerkmale Die soziale Konstruktion der Menschen 8

Inklusion: Relevanzmarkierung in der Kommunikation Inklusion als momentane Relevanzmarkierung Inklusionsfähigkeit/-bedingungen als potenzielle Relevanz soziale Inklusionsbedingungen 9 individuelle Inklusionsfähigkeit

Exklusion: Kommunikative Irrelevanz Exklusion als momentane Nicht-Inklusion: ein Normalzustand Die Problematik dauerhafter Exklusion (Nicht-Inklusion) - sozial durch einschränkende Inklusionsbedingungen und Adressenbeschädigung - individuell durch eingeschränkte Inklusionsfähigkeit 10

Die Unterscheidung sex/gender sex gender sex als körperliches Geschlecht hinbeobachtet gender als soziales Geschlecht Adressenmerkmal der wechselseitige Bezug von sex und gender verwandte Unterscheidungen wie Frau/Mann 11

Wovon unterscheidet sich Diversity? Diversity Uniformity Unterschiedlichkeit Diversity Gleichheit? Differenz Einheit der fehlende empirische Bezug der übergeordneten Unterscheidung Diversity als Verschiedenheit von Adressenmerkmalen Gender, Alter, Migrationshintergrund, Bildung, Einkommen etc. 12

Die Form des Diversity-Management systemtheoretisch Management ( Handhaben ) von Adressenmerkmalen in sozialen Systemen bewusste oder unbewusste Gestaltung in Inklusionsbedingungen 13

Form und Funktion von DM in Unternehmen DM als Aspekt von Unternehmensstrategie/-kultur Effiziente Nutzung der personalen Ressourcen Leistungsfähigkeit und psychische Befindlichkeit DM und Betriebliches Gesundheitsmanagement Profitieren wirklich alle MitarbeiterInnen? Vergrössert DM die soziale Ungleichheit? 14

Form und Funktion von DM in Politik und Behörden Inklusionsrelevante Entscheidungen in zahlreichen Politikbereichen: Familien-, Jugend-, Bildungs-, Sozial-, Alters-, Wirtschafts-, Flüchtlingspolitik etc. Der Unterschied von versorgt und gebraucht werden Ungleichheit als Ungleichheit von Inklusionschancen Wie (un)bewusst wird Diversity gehandhabt? Das Beispiel des racial profiling Was tun, wenn die Verfassung als Instrument des DM nicht hilft? Die Machtfrage oder: wer macht Politik? 15

Form und Funktion von DM in der Sozialen Arbeit Im Fokus: Mitarbeitende oder Zielpersonen SA als Inklusionsmanagement: individuell oder sozial Das Zielgruppenbewusstsein der Sozialen Arbeit Die Herausforderung: mehr Systematik im Sinne des betrieblichen Diversity Management Die Funktion von DM in der Sozialen Arbeit: Nur Verbesserung individueller Inklusionschancen oder auch Beitrag zur Machterhaltung? Wie politik-kritisch darf die Soziale Arbeit sein? Das Tripelmandat als Perspektive 16

z. B. Diversity-Management in der Prävention Prävention: Stärkung von Schutzfaktoren, Reduktion von Risikofaktoren Die Vielfalt der Probleme und Einflussfaktoren Die Bedeutung der Adressenmerkmale für die Planung der Massnahmen Das Problem der Komplexität bei der Kombination mehrerer Faktoren 17

z. B. Diversity-Management in den Frühen Hilfen Frühe Hilfen als Prävention ACEs (Adverse Childhood Effects) als Risikofaktoren Lebenskompetenzen als Schutzfaktoren Das Ziel: Verbesserung der familiären Bedingungen Stressfreiheit, Bindungssicherheit, anregende Umgebung Die Herausforderung: Erreichbarkeit bestimmter Zielgruppen Das Beispiel Eltern-AG 18

Fazit Diversity Management ist Adressenmanagement im Sozialen Gender ist ein Adressenmerkmal neben andern Merkmalen Jedes soziale System handhabt seine Adressen spezifisch Es gibt zwei Fassungen des Begriffs Diversity Management Unternehmen machen das unter dem Label DM systematisch Die Soziale Arbeit arbeitet in der Regel zielgruppenspezifisch Mehr Systematik wäre in gewissen Handlungsfeldern hilfreich Kritische Fragen zum Konzept des DM sollen gestellt werden Ich danke für die Aufmerksamkeit und stehe für Fragen zur Verfügung 19