Ökonomische Betrachtung der frühen Investition in frühe Bildung.

Ähnliche Dokumente
Was ist zu tun für die Zukunftssicherung von Kindertageseinrichtungen

Trägerqualität und Trägerstruktur

Herausforderungen an die moderne Arbeitsmarktpolitik - Ein Blick in die Schweiz -

Reduzierte Vollzeitarbeit Familienarbeitszeit Sinnvolle Erwerbsgestaltung für Frauen und Männer? Katharina Wrohlich DIW Berlin

Abschätzung der (Brutto-)Einnahmeneffekte öffentlicher Haushalte und der Sozialversicherungsträger bei einem Ausbau von Kindertageseinrichtungen

Die Deutschen sterben aus! Familienpolitik in Deutschland und Frankreich im Vergleich. Dominik Grillmayer, dfi

Zeit und Arbeitszeit neue Arbeitsmodelle

Der Ganztag zahlt sich aus

Lebensphasenorientierte Führung

Lebenslage Alleinerziehender Zahlen und Fakten

Alleinerziehende in der Grundsicherung für Arbeitsuchende

Familienfreundlichkeit aus Sicht von Hochschulen und wissenschaftlichem Nachwuchs

Steuerautonomie Internationaler Überblick und Lehren für Österreich. WIFO Jour Fixe Ludwig Strohner - EcoAustria

Zerreißprobe Pflege FORUM.MESSE VORSORGE.PFLEGE.BEGLEITUNG. ABSCHIED.TRAUER. Pflege und Beruf vereinbaren, wie geht das? Messe Bremen 9.

Betreuungsgutscheine Stadt Luzern Finanzierung und Qualitätsentwicklung der Kinderbetreuung im Vorschulalter

Bildung - ein ökonomisches Gut?

Angebots und Nachfrageüberhänge in 2030: Quantitative Abschätzung zum Handlungsbedarf

Politischer Wettbewerb und rapide Wechsel in der Familienpolitik

Familie zuerst! Politik für Familien. Ingo Behnel Abteilungsleiter Familie, BMFSFJ

Volkswirtschaftliche Bedeutung der Gesundheitswirtschaft

Gesamtfiskalische Kosten der Arbeitslosigkeit im Jahr 2014 in Deutschland

Auftakt der Pilotprojekte Vereinbarkeit für Alleinerziehende. Aktionstag Lokale Bündnisse für Familie in Hannover Stand:

Die Finanzierung der Kindertagesbetreuung vom Kopf auf die Füße stellen

Gesellschaftliche Arbeitsteilung und Dienstleistungen in der Lebenslaufperspektive

Erste Gender Studies Tagung des DIW Berlin. Gender Pension Gap im Kohortenvergleich Können die Babyboomer Frauen die Lücke schließen?

Lösungsansätze für personalwirtschaftliche Herausforderungen am Beispiel von Integrationsunternehmen

Zu den Ursachen der Staatsverschuldung

MOTIVATION DEMOTIVATION

Kind und Beruf...das geht gut!

Haben es die Franzosen besser als die Deutschen?

Arbeitszeitwünsche von Frauen und Männern wovon hängen sie ab?

Das irische Wirtschaftswunder

Weibliche Altersarmut: Ursachen und Perspektiven. Vortrag für die LAG Gesundheit und Soziales am

Ausgangssituation Herausforderung & Auftrag Vom Auftrag zur Idee Innovative Ansätze mit Förderung durch den ESF in Bayern:

Die ökonomische Wende in der Familienpolitik in Deutschland und Großbritannien

Familienpolitik und Geburtenentwicklung Michaela Kreyenfeld

Zukunftsweisendes Personalmanagement

Blickwinkel Wirtschaft: Beitrag der Unternehmen und Erwartungen an die Politik

Scanned by CamScanner

Gesamtfiskalische Kosten der Arbeitslosigkeit im Jahr 2015 in Deutschland

Aufteilung der Erwerbsarbeit bei Paaren mit Kindern in Ost- und Westdeutschland

Arbeitslose und Arbeitslosenquote

Vaterschaft Karrieresprung für Männer? WSI-Gleichstellungstagung Genderungleichheiten in der Arbeit September 2015

ElterngeldPlus. ElterngeldPlus und Teilzeitarbeit. ElterngeldPlus: Finanzielle Absicherung. Alleinerziehende Eltern und ElterngeldPlus

Elterngeld Ziele, Wirkungen und Reformoptionen

5 Jahre KfW-Studienkredit Rahmenbedingungen und Ergebnisse der 1. Evaluation KfW-Studienkredit

Frauen im Lebensverlauf eine ökonomische Perspektive. 2. Münchner Frauenkonferenz. Donnerstag, 6. Oktober Prof. Dr.

Herzlich Willkommen zum Parlamentarischen Frühstück Deutscher Bundestag 8. September 2011

5a Kindertagesstätten zahlen sich aus

WIE VEREINBAREN MÜTTER UND VÄTER FAMILIE UND BERUF HEUTE?

Wachstum und Demografie

Demografischer Wandel in den Ländern des Südens als Herausforderung für die Sozialsysteme

Maßnahmen und Handlungsempfehlungen der Landesregierung zur Armutsbekämpfung und Armutsprävention, insbesondere zum Bereich Kinderarmut

Der Europäische Sozialfonds (ESF) in der Förderperiode

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Teilzeit im Lebensverlauf von Männern und Frauen

Das Wachstum der Zukunft ist weiblich

Minijobs keine Lösung für den Arbeitsmarkt. Bereich Arbeitsmarktpolitik 1

Der Arbeitsmarkt und die Reformmöglichkeiten im SGB II: Sachstand und Herausforderungen

Erwerbspersonenprognose Dormagen. Dr. Simon Hennchen/ Dr. Jan-Philipp Kramer Dormagen, 15. November 2011

Befristete Arbeitsverhältnisse und niedrige Einstiegsgehälter von jungen Akademikern

Das ist mir nicht möglich!

Qualifizierung von An- und Ungelernten

Perspektiven für eine generationengerechte Gesundheitsversorgung

Workshop Zukunftsprogramm Arbeit. Die neue ESF-Förderperiode in Schleswig-Holstein

Die Vereinbarkeit von Pflege/Betreuung und Erwerbsarbeit in Österreich eine personalpolitische Perspektive

Die ökonomische Bilanz der Zuwanderung. Holger Bonin IZA und Universität Kassel. Internationaler Club La Redoute Bonn, 23.

B. Braun Melsungen AG. B. Braun for family

Familienergänzende Betreuung. FEB Reglement und Verordnungen Binningen

Bundesrat Drucksache 393/14 (Beschluss) Stellungnahme des Bundesrates

Reglement «Betreuungsgutscheine für Kitas»

Kanton Bern. Barbara Ruf Leiterin kantonale Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Staatskanzlei

Hohe Fehlzeiten, Ausfallkosten, erhöhte Fluktuation

Ganztagsbetreuung von Kindern Alleinerziehender

Einbringung der Entwürfe Haushaltsplan und Wirtschaftspläne Fortschreibung Haushaltssicherungskonzept

Armut und Reichtum in Deutschland - Messkonzepte und Empirie aus interdisziplinärer Sicht

Wer betreut Deutschlands Kinder?

Beschäftigungswachstum durch effizientere Allokation auf dem Arbeitsmarkt

Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und des Landes Nordrhein-Westfalen

Auftaktveranstaltung zur Väterkampagne Vater ist, was Du draus machst Aktiven Vätern auf der Spur

Arbeitsmarkt im demografischen Wandel: Entwicklung der Beschäftigungsmöglichkeiten

Selbstständigkeit am Existenzminimum

Kinderbetreuung in Norwegen und Deutschland - Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Perspektiven

Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter 3 Jahren Hintergründe, Entwicklung und Zahlen

Dr. Frank Gesemann Zum Stand der kommunalen Integrations- und Diversitätspolitik in Deutschland

Erwerbstätigkeit von Eltern nach Zahl der Kinder

Warum verzichten AkademikerInnen auf Kinder? Modelle zur Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben im internationalen Vergleich

Neufassung der Satzung über die Erhebung einer Benutzungsgebühr für städtische Tageseinrichtungen für Kinder der Stadt Ostfildern

WENN PAARE ELTERN WERDEN

Nationales Programm zur Prävention und Bekämpfung von Armut

Mindestlohn statt Niedriglohn Wege aus der Ungleichheit

Zensus 2010/2011: Wie viel Zensus braucht Köln?

Schullehrplan Sozialwissenschaften BM 1

Arbeitsmarkt und demografischer Wandel Arbeitsmarkteffekte des demographischen Wandels

Kooperationsvereinbarung für eine strategische Partnerschaft

Die Väter von morgen. Wie stellen junge Männer sich ihre Vaterschaft vor? Isabelle Krok Deutsches Jugendinstitut e.v.

Der wohnungslose Bürger als besonderer Kunde im SGB II

Arbeit und Geschlecht

Heute pflegen und morgen arm? Kosten und Qualität von Pflege. Silke Niewohner

2 Ausbildung durchführen. 3 Ausbildung abschließen. 4 Die Ausbilder- Eignungsprüfung. Ausbildungsvoraussetzungen. und Ausbildung planen

Modell zur Berechnung des verfügbaren Einkommens

Transkript:

Prof. Dr. Ralf Haderlein Ökonomische Betrachtung der frühen Investition in frühe Bildung. Gewinn und Chance des Projektes Elternbegleitung von Anfang an aus ökonomischer Sicht und langfristige Perspektive für Kommunen Fachtagung 24.01.2013 Landtag Wiesbaden IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 1

Gliederung 1. Grundlage kindlicher Entwicklung 2. Humankapital-Ansatz 3. Kosten-Nutzen Aspekte früher Bildung 4. E.v.A Chancen 5. langfristige Perspektiven IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 2

1. Grundlage kindlicher Entwicklung Ziel: eigenständige Persönlichkeit; Lebensbewältigung Persönlichkeitsentwicklung Anlage Umwelt Eltern Kita Umfeld Grundlage: Beziehung, Motivation, Eigeninteresse IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 3

2. Humankapital-Ansatz Quelle: Sell (2007): Bildungspolitik und Bildungsökonomie. S. 98 Bildung: - Vorteile für die Person selbst - Vorteile für die Gesellschaft Mit der Höhe der gesellschaftlichen Erträge sollten auch die gesellschaftlichen Investition einhergehen IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 4

2. Humankapital-Ansatz Quelle: Sell (2007): Bildungspolitik und Bildungsökonomie. S. 103 in Anlehnung an Avenarius et al. (2003, S. 243) IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 5

2. Humankapital-Ansatz IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 6

3. Kosten-Nutzen-Aspekte früher Bildung Aufwendungen für Bildung müssen als Investitionen in Gesellschaft und in die Person begriffen werden. Hieraus kann entsprechend eine Verknüpfung der Kisten und Nutzen erfolgen. Für eine Investitionsentscheidung relevant ist dann die Frage der Nettobeträge und nicht der reinen Investitionsbeträge. Beispiel: - Kosten-Nutzen Analyse der Kitas in Zürich (2001) jährliche Kosten Kinderbetreuung: 39 Mio Franken, quantifizierbarer Nutzen: 137 Mio Franken - Benefit-Cost-Analysis of the Abecedarian Early Childhood Intervention (1996) bei Kindern mit Zusatzprogramm: generieren höheres Lebenseinkommen; Einsparungen bei Förderschulausgaben; geringeres Rauchen; Kindeskinder ebenfalls höhere Einkommen Zentrales Ergebnis: Kosten-Nutzen-Relation von 1:4 resp. rein fiskalisch 1:7 Früh investieren, statt spät reparieren IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 7

3. Kosten-Nutzen-Aspekte früher Bildung Nutzen der Kinderbetreuung Anmerkungen Herstellung bzw. Erleichterung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch ein ausreichendes quantitatives Angebot an Betreuungsmöglichkeiten in Verbindung mit einer bedarfsgerechten Ausgestaltung des zeitlichen Zuschnitts der Betreuung. Aktivierung der immer höher qualifizierten (und häufig mit hohen gesellschaftlichen Aufwendungen ausgebildeten) Frauen, die im derzeitigen System aufgrund des infrastrukturellen Mangels und der monetären Förderung eines längeren Ausstiegs nach der Geburt in den Unternehmen fehlen, die aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmend Personalbeschaffungsprobleme Bekommen bzw. hohe Abschreibungen auf das unternehmensspezifische Humankapital hinnehmen müssen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung konnte in einer Studie aus dem Jahr 2000 zeigen, dass in Westdeutschland derzeit bei den Familien mit einem Kind bis drei Jahre 77% das Modell einer arbeitet Vollzeit, der andere ist nicht erwerbstätig praktizieren (müssen) gewünscht wird dieses Modell aber nur von 14%. Die Präferenzen liegen anders: Gewünscht wird mit 63% das Modell einer arbeitet Vollzeit, der andere Teilzeit, das aber derzeit nur von 15% realisiert werden kann. In Deutschland gibt es eine im internationalen Vergleich sehr großzügige Freistellungsregelung (Elternzeit), mit der Optionalität auf eine bis zu dreijährige Erwerbsunterbrechung (im Durchschnitt der OECD-Länder sind es 10 Monate). Mehr als zwei Drittel der Mütter nutzen diese Regelung. Es sei darauf hingewiesen, dass von den Erziehungsurlauberinnen nur 60% nach drei Jahren wieder eine - zumeist zeitlich reduzierte Beschäftigung aufgenommen haben und dass immerhin 30% der Frauen ihre Beschäftigung nicht mehr im alten, sondern in einem neuen Betrieb aufgenommen haben (IABDaten für Westdeutschland, 2000). IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 8

3. Kosten-Nutzen-Aspekte früher Bildung Nutzen der Kinderbetreuung Anmerkungen Deutliche Verringerung der Transferleistungsbedingten Haushaltsbelastung des Staates bzw. der Sozialversicherungen. Das DIW (2002) hat ausgehend von 244.000 Kindern unter 13 Jahren von alleinerziehenden Eltern, die sich im Sozialhilfebezug befinden, potenzielle Einsparungen in Höhe von 1,5 Mrd. pro Jahr bei der Sozialhilfe bei einer entsprechenden Ausweitung der Erwerbstätigkeit berechnet. Wenn 1.000 alleinerziehende Mütter eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, dann können die Sozialhilfeausgaben um 6,6 Mio. reduziert werden zusätzlich kommen dann noch Steuermehreinnahmen von 3,8 Mio. und Beitragsmehreinnahmen von 8,1 Mio. hinzu. Bei diesen Berechnungen wurden mögliche Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer aufgrund eines steigenden Konsumniveaus nicht berücksichtigt, weil sie schwer abschätzbar sind. IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 9

3. Kosten-Nutzen-Aspekte früher Bildung Nutzen der Kinderbetreuung Mittel- und langfristig positive Auswirkungen auf die Geburtenrate und damit Beeinflussung der demografischen Entwicklung. Anmerkungen So konnte z.b. Kohler (2000) anhand neuerer demografischer Forschungsbefunde zeigen, dass der noch 1970 von der OECD festgestellte negative Zusammenhang zwischen Frauenerwerbsquote und Fertilität (im Sinne einer Konkurrenzbeziehung) sich nunmehr in den 80er und 90er Jahren grundlegend gewandelt hat. Mittlerweile können wir recht gut gesichert von einer komplementären Beziehung ausgehen, also Länder mit einer hohen Frauenerwerbsquote haben auch eine hohe Fertilität und umgekehrt. Kohler schlussfolgert, dass ein Teil des demografischen Wandels - nämlich das Fertilitätsverhalten sowie die absolut notwendige Steuerung der Migration nach Deutschland - durch politische Weichenstellungen beeinflussbar und durchaus steuerbar ist. Apps und Rees (2001) haben zudem zeigen können, dass die empirisch beobachtbare Verschiebung von der Konkurrenz- zu einer Komplementärbeziehung darauf zurückzuführen ist, dass die Länder, die eine hohe Frauenerwerbsquote mit einer hohen Fertilitätsrate kombinieren, neben einer Unterstützung der Familien in Form von Kinderbetreuungsinfrastruktur statt auf direkte kindbezogene Transferleistungen zusätzlich auf eine individuelle Besteuerung setzen (statt auf eine gemeinsame Veranlagung, in Deutschland noch verschärft durch das Ehegattensplittingverfahren). Quelle: Sell (2007): Bildungspolitik und Bildungsökonomie. S. 112 ff IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 10

4. E.v.A - Chancen Quelle: Hessisches Sozialministerium (2013): Familien- und Bildungspolitik als besondere Herausforderung für Städte und Gemeinden. S. 38 f. IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 11

5. langfristige Perspektive Erhöhung Kosten-Nutzen-Relation Reduktion der Gesamtkosten höhere Identität mit der Kommune bessere Integration der Familien in die Kommune / Inklusion bessere Umsetzung des Bildungsplanes Herausforderung Investitionen erfolgen auf lokaler Ebene; Nutzen generiert sich persönlich, gesellschaftliche, lokal, regional und überregional. IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 12

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Prof. Dr. Ralf Haderlein Hochschule Koblenz Fachbereich Sozialwissenschaften Vorsitzender BAG-BEK e.v. Konrad-Zuse-Str. 1 56068 Koblenz haderlein@hs-koblenz.de IFW Prof. Dr. Ralf Haderlein 13