Mikrosimulationsmodelle zur Einkommen- und zur Unternehmenssteuer in der Politikberatung

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Transkript:

Mikrosimulationsmodelle zur Einkommen- und zur Unternehmenssteuer in der Politikberatung Nutzerkonferenz Finanz-, Personal- und Umsatzsteuerstatistiken Sven Stöwhase 23. September 2015

ÜBERBLICK I. Steuerstatistiken und Politikberatung II. Verwendete Mikrodaten III. Simulationsmodelle IV. Anwendungsbeispiele V. Ausblick

STEUERSTATISTIKEN UND POLITIKBERATUNG Statistisches Bundesamt Datenanforderung Datenbereitstellung BMF Fraunhofer FIT Simulationsauftrag Simulationsergebnisse Anfrage Gesetzgeber Öffentlichkeit

STEUERSTATISTIKEN UND POLITIKBERATUNG Input Statistisches Bundesamt Fraunhofer FIT Aufgaben: Kommunikation BMF - Aufbereitung und regelmäßige Aktualisierung der Steuerdaten - Anpassung und Aktualisierung des Mikrosimulationscodes an geltendes Steuerrecht - Betrieb des Simulationsmodells zur Einkommen- und zur Unternehmenssteuer - Ergebniskommunikation

VERWENDETE MIKRODATEN Für die Unternehmenssteuer: Vollerhebung aller Unternehmen die entweder Körperschafts- oder Gewerbesteuerpflichtig sind - Bezugsjahr aktuell: 2007 (2010 in Vorbereitung) - neuere Daten nicht verfügbar Aktualisierung der Mikrodaten: bisher alle 3 Jahre - Datenbasis enthält kombinierte Informationen der Körperschafts- und Gewerbesteuerstatistik, ab 2010 ergänzt um Informationen aus der Umsatzsteuerstatistik und der Statistik der Personengesellschaften - Etwa 3 Millionen Einzelfälle mit jeweils über 110 Merkmalen (z.t. zusammengefasst aus über 1.000 Merkmalen der Originalstichprobe)

VERWENDETE MIKRODATEN Für die Einkommensteuer: Repräsentative Stichprobe aus den Einzeldaten der jährlichen Geschäftsstatistik bzw. Bundesstatistik der Einkommensteuer - Bezugsjahr aktuell: 2009 (2010 in Vorbereitung) neuere Daten nicht verfügbar Aktualisierung der Mikrodaten: Jährlich - Geschichtete Unterstichprobe der anonymisierten 10%-Stichprobe der ESt-Statistik sowie nicht-veranlagte Lohnsteuerfälle aus ELSTER - Etwa 520.000 Einzelfälle (alle mit GDE>500.000; 80.000 aus ELSTER) mit jeweils über 220 Merkmalen (z.t. zusammengefasst aus über 1.000 Merkmalen der Originalstichprobe)

VERWENDETE MIKRODATEN Für die Einkommensteuer (weitere Projekte): Daten der Faktisch Anonymisierten Lohn- und Einkommensteuerstichprobe (FAST) - Bezugsjahr aktuell: 2007 neuere Daten nicht verfügbar Aktualisierung der Mikrodaten: alle 3 Jahre - Geschichtete und anonymisierte 10%-Stichprobe der ESt-Statistik sowie nicht-veranlagte Lohnsteuerfälle aus ELSTER teilweise deutlich geringer Informationsgrad als in der ESt-Statistik - Etwa 3,5 Mio. Einzelfälle mit jeweils über 220 Merkmalen (z.t. zusammengefasst aus über 1.000 Merkmalen der Originalstichprobe)

VERWENDETE MIKRODATEN Problem der veralteten Datenbasis: Daten müssen zunächst bis zum aktuellen Rand und dann ebenfalls bis zum Ende der aktuellen Finanzplanungszeitraums fortgeschrieben werden - Strukturfortschreibung der Steuerpflichtigen (static aging) Anpassung der Fallgewichte (auch bei Vollerhebungen!) an inzwischen bekannte oder für die Zukunft geschätzte Rahmengrößen (Familienstand, Alter, Erwerbsstatus,...; Unternehmen nach WZ, nach Umsatzkategorie, ) - Differenzierte Fortschreibung der Einkünfte Datenquellen z.b. Bevölkerungsfortschreibung/-vorausberechnung, Mikrozensus, AK Steuerschätzung, Umsatzsteuerstatistik, Bundesbankdaten, - Aktualisierung: Jährlich

SIMULATIONSMODELLE Detaillierte Abbildung des Steuerrechts im Jahr der Datenbasis Bspw.: Tatsächlich festgesetzte ESt im Jahr 2009 wird für etwa 99,5% aller Steuerpflichtigen in der Datenbasis exakt nachgerechnet und bestätigt. Detaillierte Abbildung der Steuerrechtsänderungen bis zum aktuellen Rand. Wesentliche aufkommensrelevante Rechtsänderungen im Simulationsprogramm berücksichtigt: - Tarifänderungen - Erhöhter WK-Pauschbetrag, Kindergeld und -freibeträge - Bürgerentlastungsgesetz, Unternehmenssteuerreform Rein statische Modelle die den Day-After-Effekt ermitteln

SIMULATIONSMODELLE Datenbasis Fortschreibung Parameter Status Quo Simulation Fortschreibung Parameter Reform geltendes Recht gde Vorsorge zve ESt / SolZ geändertes Recht gde Vorsorge zve ESt / SolZ Ergebnisse

SIMULATIONSMODELLE Beschränkungen vor allem durch die Datenbasis - Zensierte Daten - Oftmals keine Informationen über solche Abzugsbeträge, die im geltenden Recht nicht anerkannt werden (Bsp. Ausbildungsfreibetrag; Unterhaltszahlungen) - für den Steuerpflichtigen im Status Quo irrelevante Daten (geringe außergewöhnliche Belastungen; geringe Werbungskosten) - Nur Informationen zur Höhe der Einkünfte, beschränkte Informationen zur Höhe der Einnahmen (unvollständige Erfassung von Betriebsausgaben) - Fehlende Merkmale bei Einführung neuer Tatbestände - Fehlende Informationen zur Ableitung von Verhaltenseffekten

ANWENDUNGSBEISPIELE - Erster Steuerprogressionsbericht der Bundesregierung (2015) - Quantifizierung der kalten Progression - Halbjährliche Steuerschätzungen - Berechnung von Lohnsteuerelastizitäten als Grundlage der Abschätzung des Einkommensteueraufkommens t(y ) t(y) - Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags (2015) Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung (2009) - Berechnung der fiskalischen und distributiven Effekte der Gesetze - Berechnungen zur geplanten Gemeindefinanzreform (2010) - Einführung eines Zuschlags zur Einkommensteuer

AUSBLICK Weiterentwicklung und Anpassung der Modelle/Herausforderugen Aktuell: - Einarbeitung /Anpassung an die Daten des Jahres 2010 Bessere Abbildung des Bürgerentlastungsgesetzes und der U-Reform Mittelfristig: - Stärkere Verknüpfung zwischen den beiden Modellen - Bisher lediglich Verwendung der Querschnittsdaten; Paneldaten könnten weitere nützliche Informationen liefern und es ermöglichen potentielle Zweitrundeneffekte abzuschätzen Perspektivisch: - Ergänzung der verwendeten Daten um die E-Bilanz

REFERENZEN: Weitere Informationen zum Einkommensteuermodell: Flory & Stöwhase, 2012, MIKMOD-ESt: A Static Microsimulation Model of Personal Income Taxation in Germany, International Journal of Microsimulation, 5(2), 66-73. Weitere Informationen zu Mikrosimulation: International Microsimulation Association www.microsimulation.org Weitere Informationen zum International Journal of Microsimulation: www.microsimulation.org/ijm/