PD Dr. Karl Horvath EBM Review Center Klin. Abt. Endokrinologie und Stoffwechsel Universitätsklinik für Innere Medizin; MUG S c r e e n i n g a u f G D M 1.Jahrestagung des ebm-netzwerk.at 19. April 2012; Hall/Tirol
Agenda Einführung Was sind die Risiken eines Schwangerschaftsdiabetes? Was ändert eine Behandlung an diesen Risiken? Aktuelle Diskussion Reicht die Evidenz für ein Screening? Wenn ja: Welche Strategie mit welchen Grenzwerten? Wie könnte ein Screening auf Schwangerschaftsdiabetes erfolgen? 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 2
Agenda Einführung Was sind die Risiken eines Schwangerschaftsdiabetes? Was ändert eine Behandlung an diesen Risiken? Aktuelle Diskussion Reicht die Evidenz für ein Screening? Wenn ja: Welche Strategie mit welchen Grenzwerten? Wie könnte ein Screening auf Schwangerschaftsdiabetes erfolgen? 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 3
B l u t g l u k o s e GDM GDM Definition Gestationsdiabetes (GDM) Jede erstmalig im Rahmen einer Schwangerschaft auftretende oder diagnostizierte Einschränkung der Glukosetoleranz, unabhängig von ihrer Ausprägung. Manifester DM Eingeschränkte Glukosetoleranz Schwangerschaftskomplikationen und unerwünschte Langzeiteffekte Prävalenz: <1% bis 20%; Deutschland: 3% 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 4
Screening GDM bleibt häufig symptomlos fällt erst durch Komplikationen auf Screening von zahlreichen Fachgesellschaften empfohlen Hoffnung durch frühzeitige Diagnose und Intervention das Risiko für Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen zu verringern. 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 5
Mutter-Kind-Pass 25., 26., 27. oder 28. SSW Bestimmung des Hämatokrits und des Hämoglobinwerts Hepatitis-B-Untersuchung (HBS-Antigen-Bestimmung) Oraler Glukosetoleranztest Ausführliche Anamneseerhebung Gynäkologische Untersuchung (Vaginalbefund) Erhebung von mütterlichen und kindlichen Risikofaktoren Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Untersuchungen Für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld müssen Sie die fünf Untersuchungen während der Schwangerschaft und die fünf Untersuchungen in den ersten 14 Lebensmonaten des Kindes korrekt durchführen lassen und diese auch nachweisen.... Die Nichtdurchführung einer Untersuchung... führt zu einer Halbierung des Kinderbetreuungsgeldes. http://www.help.gv.at/content.node/8/seite.082200.html, access 18.01.2011 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 6
Österreich / ÖDG http://www.springerlink.com/content/3540562266364567/fulltext.pdf; 03.12.2010 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 7
Agenda Einführung Was sind die Risiken eines Schwangerschaftsdiabetes? Was ändert eine Behandlung an diesen Risiken? Aktuelle Diskussion Reicht die Evidenz für ein Screening? Wenn ja: Welche Strategie mit welchen Grenzwerten? Wie könnte ein Screening auf Schwangerschaftsdiabetes erfolgen? 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 8
Wie hoch ist das Risiko? - HAPO Welcher Zusammenhang besteht zwischen der BG Konzentration im ogtt und möglichen Schwangerschaftskomplikationen? 75g ogtt in der 24. - 32. SSW NÜ-BG 105mg/dl; 2h < 200mg/dl 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 9
Assoziation von BG und Schwangerschaftskomplikationen Endpunkte Patientenrelevant Pos. Assoziation (Risiko steigt mit BG-Konzentration) Häufigkeit Mütterliche Mortalität nein 2 von 23000 Kindliche Mortalität nein 5,6 von 1000 Schulterdystokie (und/oder Geburtstraumen) ja 1,3% Erstkaiserschnitte ja aber Störgröße BMI 23,7% Präeklampsie ja 4,8% Intensivstation ja 8% (3%-29%) Unklar /Surrogate Hyperbilirubinämie ja 8,3% (3%-25%) Hypoglykämie ja 2,1% LGA ja 9,5% Frühgeburtlichkeit ja 6,9% 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 10
Assoziation von BG und Schwangerschaftskomplikationen NEJM 2008:358;19 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 11
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GDM-spezifische Therapie BMJ 2010:340:c1395 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 13
GDM-spezifische Therapie keine NNT 48 ns NNT 33 ns BMJ 2010:340:c1395 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 14
GDM-spezifische Therapie ns ns ns NNT 11 NNT 12 ns 5 von 1958 2,5 Kein Zusammenhang mit BG in HAPO BMJ 2010:340:c1395 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 15
Zusammenhänge in HAPO vs. Effekte der Therapie Endpunkte Patientenrelevant HAPO: mit BG steigt Risiko Nachweis: Therapie senkt Risiko Erstkaiserschnitte ja nein Schulterdystokie ja ja Präeklampsie ja vermutlich Intensivstation ja nein perinatale Todesfälle nein nein Unklar Hyperbilirubinämie ja nein Hypoglykämie ja nein Surrogat LGA ja ja Frühgeburtlichkeit ja nein 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 16
Agenda Einführung Was sind die Risiken eines Schwangerschaftsdiabetes? Was ändert eine Behandlung an diesen Risiken? Aktuelle Diskussion Reicht die Evidenz für ein Screening? Wenn ja: Welche Strategie mit welchen Grenzwerten? Wie könnte ein Screening auf Schwangerschaftsdiabetes erfolgen? 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 17
Nutzen von Screening? Beleg für den Nutzen einer Gestationsdiabetes-spezifischen Therapie. Keine direkten Belege für einen Nutzen oder einen Schaden durch ein Screening auf Gestationsdiabetes. Trotzdem kann indirekt ein Hinweis darauf abgeleitet werden, dass ein Screening auf Gestationsdiabetes zu einer Reduktion von perinatalen Komplikationen führt.? Verpflichtung zum Screening 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 18
Größe des möglichen Effekts von GDM Screening - Schulterdystokie Nicht bestimmbar, da entsprechende Studien fehlen. Annäherung (Effekt überschätzend) durch Hochrechnung aus Therapiestudien. 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 19
Größe des möglichen Effekts von GDM Screening - Schulterdystokie 75000 Geburten / Jahr in Österreich Prävalenz GDM: 10% 7500 betroffene Frauen NNT 48 bei rund 2 von 100 (20 von 1000) Frauen kann durch die GDM Therapie eine Schulterdystokie vermieden werden. Bei 150 Frauen / Jahr wird durch die Therapie eine Schulterdystokie vermieden. Da rund 1% aller Schulterdystokien zu bleibenden Armplexuslähmungen führen heißt das: In Österreich könnte, bei 100%iger Beteiligung am Screening, möglicherweise bei 2 Kindern / Jahr eine bleibende Armplexuslähmung verhindert werden. 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 20
Größe des möglichen Effekts von GDM Screening - Schulterdystokie Nutzen untersucht therapiert 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 21
Vorgehen zur Festlegung des IADPSG-Konsensus International Association of Diabetes in Pregnancy Study Group Consensus Panel Basis: Ergebnisse der HAPO Studie Festlegung der wichtigen Endpunkte LGA (Geburtsgewicht > 90. Perzentile) C-Peptid im Nabelschnurblut > 90. Perzentile Kindl. Körperfett > 90. Perzentile Festlegung des nicht mehr akzeptablen Risikos OR 1,75 Ableitung der Blutzuckergrenzen, bei der diese Risiken überschritten werden. Nü 92mg/dl 1h 180mg/dl 2h 153mg/dl 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 22
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus Risikoschwellen beruhen nicht auf patientenrelevanten Endpunkten Für den Surrogatendpunkt Hyperinsulinämie (C-Peptid > 95. Perzentile) ist unbewiesen, dass er durch eine Therapie (klinisch bedeutsam) beeinflusst werden kann. Für den Endpunkt Fettmasse ist unklar, ob die Reduktion eine klinische Bedeutung hat. 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 23
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus Surrogatendpunkte als Grundlage Nur bei einer Minderzahl der Schwangerschaften bei denen einer der Surrogatparameter (z.b. LGA) auftritt, kommt es auch zu patientenrelevanten Komplikationen (z.b. Geburtstraumen, Sectio, Schulterdystokie). Das OR für die gewählten Endpunkte zu allen Zeitpunkten in HAPO höher war als für patientenrelevante Endpunkte. Niedrigere BG-Grenzwerte als bei Heranziehung von patientenrelevanten Endpunkten. Durch das Heranziehen dieser Surrogatparameter werden mehr Schwangere mit der Diagnose GDM gelabelt, als dies bei Verwendung patientenrelevanter Endpunkte der Fall wäre. 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 24
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus Surrogatendpunkte als Grundlage Nur bei einer Minderzahl der Schwangerschaften bei denen einer der Surrogatparameter (z.b. LGA) auftritt, kommt es auch zu patientenrelevanten Komplikationen (z.b. Geburtstraumen, Sectio, Schulterdystokie). Das OR für die gewählten Endpunkte zu allen Zeitpunkten in HAPO höher war als für patientenrelevante Endpunkte. Niedrigere BG-Grenzwerte als bei Heranziehung von patientenrelevanten Endpunkten. Durch das Heranziehen dieser Surrogatparameter werden mehr Schwangere mit der Diagnose GDM gelabelt, als dies bei Verwendung patientenrelevanter Endpunkte der Fall wäre. NEJM 2008:358;19 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 25
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus Es werden überproportional viele Schwangere mit niedrigem Risiko für patientenrelevante Komplikationen mit der Diagnose GDM gelabelt. D.h. die IADPSG Kriterien identifizieren überproportional viele Frauen am unteren Ende des Risikospektrums. Das Risiko für Komplikationen nimmt mit ansteigender BG Konzentration im ogtt zu. Der Anteil der Frauen mit einem solchen erhöhtem BG Wert an der Gesamtzahl der Schwangeren sinkt. 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 26
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 27
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus Es werden überproportional viele Schwangere mit niedrigem Risiko für patientenrelevante Komplikationen mit der Diagnose GDM gelabelt. D.h. die IADPSG Kriterien identifizieren überproportional viele Frauen am unteren Ende des Risikospektrums. Das Risiko für Komplikationen nimmt mit ansteigender BG Konzentration im ogtt zu. Der Anteil der Frauen mit einem solchen erhöhtem BG Wert an der Gesamtzahl der Schwangeren sinkt. Für die individuelle Frau sinkt somit der potenzielle Nutzen und die Nutzen-Schaden Abwägung wird ungünstiger. 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 28
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus BMJ 2010:340:c1395 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 29
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus BMJ 2010:340:c1395 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 30
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus Durch IADPSG Kriterien werden Schwangere identifiziert, die in Interventionsstudien nicht eingeschlossen waren Mehr Schwangere werden mit GDM Diagnose gelabelt. Interventionsstudien GCT (RF) + ogtt V.a. Schwangere mit postprandialer Glukosestoffwechselstörung ogtt IADPSG Auch Schwangere mit lediglich erhöhter Nüchtern-Blutglukose 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 31
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus Durch IADPSG Kriterien werden Schwangere nicht identifiziert, die in Interventionsstudien eingeschlossen waren Interventionsstudien Crowther: 2h 140mg/dl Landon: 100mg Glucose IADPSG 2 h 153mg/dl 75g Glucose 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 32
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus Es ist wahrscheinlich, dass durch die unterschiedlichen Diagnosestrategien Schwangere mit unterschiedlichen Risikoprofilen identifiziert werden. Unterschiedliche LGA Inzidenz in HAPO, Crowther, Landon bei annähernd gleichen Nü-BZ Werten Nü-BG LGA Crowther 86,5mg/dl 22% Landon 86,6mg/dl 15% HAPO 80,9mg/dl 9,5% 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 33
Kritische Punkte des IADPSG - Konsensus Es ist wahrscheinlich, dass durch die unterschiedlichen Diagnosestrategien Schwangere mit unterschiedlichen Risikoprofilen identifiziert werden. Unterschiedliche LGA Inzidenz in HAPO, Crowther, Landon bei annähernd gleichen Nü-BZ Werten Ergebnisse aus Interventionsstudien sind nicht auf durch IADPSG Kriterien identifizierte Schwangere mit GDM übertragbar. Kein sicherer Nutzen für GDM-spezifische Therapie bei Schwangeren mit GDM, die nach den IADPSG Kriterien identifiziert wurden. 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 34
GDM Screening in Österreich Kein Beleg eines Nutzens eines Screenings auf GDM. Therapieeffekte aus Therapiestudien nicht übertragbar. Die Nutzen Schaden Abwägung des Screeningprogramms ist unklar, möglicherweise auch negativ. Zahl der Schwangeren mit Diagnose GDM nimmt wahrscheinlich zu. Es werden überproportional viele Frauen mit geringem Risiko identifiziert. Viele Frauen werden unnötig mit der Diagnose GDM belastet. Größe des möglichen Effekts ausreichend? Verpflichtung zum Screening 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 35?
Agenda Wieso Screening auf Schwangerschaftsdiabetes? Was sind die Risiken eines Schwangerschaftsdiabetes? Was ändert eine Behandlung an diesen Risiken? Wie ist die aktuelle Regelung in Österreich? Aktuelle Diskussion Reicht die Evidenz für ein Screening? Wenn ja: Welche Strategie mit welchen Grenzwerten? Wie könnte ein Screening auf Schwangerschaftsdiabetes erfolgen? 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 36
How to screen Screening aufgrund der aktuellen Datenlage vertretbar unter folgenden Voraussetzungen: Freiwillige Teilnahme von Schwangeren an einem Screeningprogramm. Aufklärung über tatsächliche Risken eines GDM und Effekte einer GDM Therapie. Diagnosekriterien zur Identifizierung von Frauen mit GDM analog den Diagnosekriterien in den Interventionsstudien, in denen ein Nutzen einer Therapie gezeigt wurde. Zweistufiger Test: GCT und nachfolgend ogtt Ein Nutzen einer GDM spezifischen Therapie kann nur für jene Frauen abgeleitet werden, bei denen ein GDM in gleicher Weise diagnostiziert wurde, wie dies in den Interventionsstudien erfolgte. 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 37
Danke für die Aufmerksamkeit 19.04.2012 PD Dr. Karl Horvath 38