Konzeptionelle Überlegungen und internationale Erfahrungen mit Qualitätsindikatoren

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Transkript:

14.11.2017 Fachtagung EQUAM Stiftung Bern Konzeptionelle Überlegungen und internationale Erfahrungen mit Qualitätsindikatoren Prof. Dr. David Schwappach, MPH Wissenschaftlicher Leiter, Stiftung für Patientensicherheit Schweiz

Qualität ist nie absolut, sondern immer bezogen auf Anforderungen, ergibt sich aus einem Bündel von Eigenschaften, ist latent und nicht direkt beobachtbar.? % Wundinfektionen 10 15 20 0 5 Krankenhäuser 2

Qualität Konzeptueller Rahmen Latent Konkretisierung Operationalisierung Manifest WAS? Gegenstand WIE? Messung Qualitätsziele Dimensionen Messgrössen Erhebungsverfahren Wirksam Sicher Patientenzentriert Gerecht Effizient Rechtzeitig Struktur Prozess Ergebnis <Einzelereignisse> <Standards> Indikatoren Prosp. Dokumentation Beobachtung Patientenbefragung Meldesysteme Routinedaten Retrosp. Aktenanalyse % Wundinfektionen 10 15 20 0 5 Krankenhäuser 3

Anforderungen an Q-Indikatoren 4

Warum eigentlich Qualitätsmessungen? Öffentlichkeit Transparenz Vertrauen ins System Patienten Nutzung für Nachfragentscheidungen Leistungserbringer Anreiz für Verbesserungsaktivitäten Gesamtsystem Qualitätswettbewerb 5

Warum eigentlich Qualitätsmessungen? Qualitätsmessung Transparenz Qualitätsvergleiche Pay for Performance? Qualitätsverbesserung 6

Der lange Weg zur Nachfragentscheidung Patienten ist bewusst, dass Qualitätsunterschiede existieren Patienten wissen über öffentliche Qualitätsdaten und haben Zugang dazu Patienten verstehen die Informationen, vertrauen ihnen und finden die Inhalte relevant Patienten können mit Entscheidungen auf die Informationen reagieren 7

Was wäre denn eine gute Wahl? Ein 55-jähriger Patient mit Bluthochdruck und neu diagnostiziertem Asthma wechselt den Wohnort. Er sucht einen Hausarzt. Für die Praxen findet er Daten zu: Diabetes-Management (5 Indikatoren) Einstellung Bluthochdruck (2 Indikatoren) Prävention und Gesundheitsförderung (5 Indikatoren) Zufriedenheit der Patienten (2 Indikatoren) Notfall-Hospitalisationen (1 Indikator) Mortalität (1 Indikator) Teilnahme an Qualitätsaktivitäten, z.b. CIRS (3 Indikatoren) 8

Nutzung von Q-Daten durch Patienten Steigendes theoretisches Interesse an Qualitätsdaten Oft Probleme in Verständnis und Interpretation der Daten Vertrauen in Qualitäts-Rankings oft (zu recht) sehr begrenzt Interesse an Patientenbeurteilungen oft hoch Andere Faktoren mind. ebenso wichtig (z.b. Empfehlung) Bislang kaum Einfluss auf Nachfrage-Entscheidungen Gefahr dysfunktionaler Konsequenzen spielt für qualitätsbezogene Steuerung derzeit keine grosse Rolle 9

Warum eigentlich Qualitätsmessungen? Qualitätsmessung Transparenz Qualitätsvergleiche Pay for Performance? Qualitätsverbesserung 10

Verordnung von Breitband-AB bei Atemwegserkrankungen in der Pädiatrie Intervention: Audit und Feedback Gerber et al. JAMA. 2014;312:2569-2570 11

Verordnung von Breitband-AB bei Atemwegserkrankungen in der Pädiatrie Intervention: Audit und Feedback Gerber et al. JAMA. 2014;312:2569-2570 12

Warum eigentlich Qualitätsmessungen? Qualitätsmessung Transparenz Qualitätsvergleiche Pay for Performance? Qualitätsverbesserung 13

Quality & Outcomes Framework (QOF), UK Eingeführt 2004 Ursprünglich 130 Q-Indikatoren, heute 77 Schwerpunkt klinische Prozess-Indikatoren, chronische Erkrankungen Indikatoren sind sehr handlungsleitend Patienten können als Ausnahme deklariert werden Vollständige Transparenz und Kopplung an Vergütung Jeder Indikator entspricht einem Punktwert Insgesamt 559 Punkte Wert eines Punktes aktuell ~ 165 Praxen generieren 15-20% des Einkommens über QOF Durchschnittliche Punkte / Praxis: 534 von 559 (96%) 14

Quality & Outcomes Framework (QOF), UK https://qof.digital.nhs.uk/search/index.asp 15

Quality & Outcomes Framework (QOF) https://qof.digital.nhs.uk/search/index.asp 16

https://qof.digital.nhs.uk/search/index.asp 17

Folgen von QOF Indikatoren werden weit überwiegend erfüllt Schub für die IT / Elektronifizierung der Praxen Einkommenssteigerung der Grundversorger Erhebliche Reduktion der Variation in der Versorgung Kein Effekt auf Mortalität Wenig Verbesserung der Behandlung chronisch Erkrankter Geringe Kontinuität und Holistik in der Grundversorgung QOF hat seinen Dienst getan ein neues System wird entwickelt Campbell, H. et al. NEJM 2009;361:368 Ryan et al. Lancet Volume 388, Issue 10041, 2016, 268 274 Forbes et al. Br J Gen Pract 2017; DOI:10.3399/bjgp17X693077 18

Fazit Indikatoren sind eine Form des «Feedbacks» Verständigung über wesentliche Qualitätsanliegen, z.b. Medikationssicherheit, insb. bei betagten Patienten Umgang mit Antibiotika Betreuung von Patienten mit psychischen Erkrankungen Effekt zu Beginn oft gut, dann häufig Stagnation Herausforderung: Dynamisches und gleichzeitig nachhaltiges und verlässliches «Anreiz-System» «Daten» machen Steuerung möglich, nicht überflüssig 19