Kündigung von Arbeitnehmern nach Brandschaden



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Transkript:

Kündigung von Arbeitnehmern nach Brandschaden 1. Wenn und solange der Arbeitgeber bei einer Betriebsstockung verpflichtet ist, auch an die Arbeitnehmer, die deswegen nicht beschäftigt werden können, den Lohn fortzuzahlen, ist er nicht berechtigt, diesen Arbeitnehmern aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen. 2. Das Betriebsrisiko dafür, daß wegen eines Brandes in einem besonders feuergefährdeten Betrieb (Strumpffabrik) eine Betriebsstockung eintritt, trifft grundsätzlich den Arbeitgeber. BGB 626, 615 Betriebsrisiko. II. Senat. Urteil vom 28.9.1972 i. S. Fa. F. u. a. (Bekl.) w. W. (Kl.) 2 AZR 506 / 71. I. Arbeitsgericht Offenbach. II. Landesarbeitsgericht Frankfurt/Main Die Beklagten zu 2) bis 4) sind die persönlich haftenden Gesellschafter der Beklagten zu 1), die in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft in ihrem Werk in D. mit etwa 80 Arbeitnehmern die Herstellung von Feinstrümpfen betrieb, die sie in ihrem Zweigwerk in G. mit etwa 50 Arbeitnehmern weiterverarbeitete. Der 63 Jahre alte Kläger war seit dem 8. Januar 1962 als Färber in dem Werk in D. beschäftigt. Am 21. September 1970 brannte das Werk der Beklagten zu 1) in D. ab. Neben der gesetzlichen Brandversicherung hat die Beklagte zu 1) eine private Feuerversicherung und eine Betriebsunterbrechungsversicherung abgeschlossen, die in eventuelle Lohnfortzahlungspflichten bis zu sechs Monate lang voll eintreten muß, sofern der Versicherungsfall von dem Versicherungsnehmer nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet worden ist. Sofort nach dem Brand begannen Ermittlungen gegen den Beklagten zu 3) wegen Brandstiftung. Am 24. September 1970 hat die Beklagte zu 1) mit Ausnahme von fünf Angestellten, die mit Abwicklungsarbeiten bis zum 31. Dezember 1970 beschäftigt worden sind, ihre gesamte Belegschaft in D., darunter auch den Kläger, fristlos entlassen. Der Kläger ist bis zum 31. Oktober 1970 arbeitslos gewesen und hat in diesem Monat eine Arbeitslosenunterstützung in Höhe von DM 739,20 erhalten. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) Kündigungsschutzklage mit dem Antrag erhoben, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) vom 24.9.1970 nicht aufgelöst worden ist und bis zum 31.10.1970 fortbestanden hat. Er hat ferner gegen die Beklagte zu 1) und gegen die Beklagten zu 2) bis 4) als Gesamtschuldner die Zahlung seines Lohnes für Oktober 1970 in der unstreitigen Höhe von DM 1.118,- brutto abzüglich der erhaltenen Arbeitslosenunterstützung

nebst Zinsen eingeklagt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten das Betriebsrisiko aus einem Brand in jedem Falle zu tragen, weil Brände gerade in einer Strumpffabrik voraussehbar und damit einkalkulierbar seien. Die Beklagte zu 1) sei deshalb auch verpflichtet gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und ausgeführt, die fristlose Kündigung sei wirksam, weil der Brand ihr Werk und ihre Produktion völlig vernichtet habe. Der Kläger habe einen Teil des Betriebsrisikos mitzutragen und müsse sich deshalb für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist mit der erhaltenen Arbeitslosenunterstützung begnügen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Berufung und Revision der Beklagten blieben erfolglos. Aus den Gründen 1. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Mitgesellschafter der Beklagten zu 1), der Beklagte zu 3), den Brand im Werk D. verschuldet hat. Das ist bis zur letzten Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht durch das strafrechtliche Ermittlungsverfahren noch nicht abschließend geklärt worden. Aber auch dann, wenn man zugunsten der Beklagten zu 1) unterstellt, daß sie für den Brand nicht verantwortlich gemacht werden kann, ist ihre fristlose Kündigung unwirksam. Wie das angefochtene Urteil richtig erkannt hat, ist die Frage, ob ein Arbeitgeber bei einer Betriebsstockung denjenigen Arbeitnehmern, die nicht beschäftigt werden können, aus wichtigem Grunde fristlos kündigen kann, eng damit verknüpft, ob der Arbeitgeber bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur Lohnfortzahlung verpflichtet wäre (vgl. Müller, Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht, 1937, S. 208 ff. [210]; Herschel a.a. O., S. 297 ff.). Wenn und solange die infolge der Betriebsstockung nicht einsatzfähigen Arbeitnehmer die Fortzahlung ihres Lohnes begehren können, kommt eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nicht in Betracht. Wenn hingegen die Arbeitnehmer das Betriebsrisiko zu tragen haben und ihre Lohnansprüche damit entfallen, kann zwar nicht aus den Grundsätzen des Betriebsrisikos, wohl aber dann, wenn die beiderseitigen Rechte und Pflichten für unbestimmte Zeit ruhen, für beide Seiten ein berechtigtes Interesse bestehen, sich von einem inhaltslos gewordenen Arbeitsverhältnis zu lösen (vgl. Herschel a.a.o., S. 298). Es kommt somit entscheidend darauf an, ob der Kläger bei Einhaltung der von ihm beanspruchten Kündigungsfrist für Oktober 1970 von den Beklagten noch Lohn beanspruchen könnte.

2. Soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zur Lohnfortzahlung für Oktober 1970 zurückgewiesen hat, war die Revision allerdings entgegen der Auffassung des Klägers nicht wegen fehlender Begründung als unzulässig zu verwerfen. Die Revisionsbegründung, mit der die Beklagten darzulegen versuchen, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten zu 1) beendet worden sei, enthält nämlich zugleich einen rechtsvernichtenden Einwand gegen den Zahlungsanspruch des Klägers und erstreckt sich damit auf beide Streitgegenstände. Die Revision ist jedoch unbegründet. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, trägt die Beklagte zu 1) das Risiko dafür, daß der Kläger wegen des Brandes im Werk D. im Oktober 1970 nicht beschäftigt werden konnte. Sie ist deshalb verpflichtet, den Lohn jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzuzahlen. Auch wenn sich der Verdacht der Brandstiftung gegen den Beklagten zu 3) nicht bestätigen sollte, rechnet die durch den Brand erfolgte Zerstörung der Betriebseinrichtungen gleichwohl zu den Ereignissen, die die Beklagte zu 1) bei Anwendung eines besonders hohen Grades von Voraussicht voraussehen und deren Folgen sie zudem abwenden konnte. Die von ihr in D. betriebene Strumpffabrik ist wegen der leichten Entzündbarkeit der darin verarbeiteten synthetischen Rohstoffe in besonders hohem Maße einer Brandgefahr ausgesetzt gewesen. Mit dieser Erfahrungstatsache mußte die Beklagte zu 1) rechnen. Das Risiko einer Vernichtung der Betriebsstätte durch Brand war für die Beklagte auch in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen kalkulierbar. Das beweist schon die Tatsache, daß sie eine Betriebsunterbrechungsversicherung abgeschlossen hat, die u. a. 6 Monate lang für etwaige Lohnzahlungsverpflichtungen eintreten muß. Nicht weil sie tatsächlich eine solche Versicherung abgeschlossen hat, sondern weil es ihr möglich gewesen ist, durch eine Versicherung die Nachteile einer derartigen Betriebsunterbrechung von sich abzuwenden, gehört der Brand im Werk D. zu dem von der Beklagten zu 1) zu tragenden Betriebsrisiko (vgl. BAG AP Nr.15 zu 615 BGB Betriebsrisiko mit weiteren Nachweisen). Die damit grundsätzlich bestehende Verpflichtung zur Lohnfortzahlung wird auch nicht deshalb ausgeschlossen oder begrenzt, weil bei Zahlung des vollen Lohnes an den Kläger die Existenz des Betriebes gefährdet würde. Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, wie sich eine aus diesem Gesichtspunkt herzuleitende Haftungsbeschränkung (vgl. BGA a.a.o. und Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd.I S. 354) auf die Dauer und die Höhe der Lohnzahlungspflicht auswirkt. Schon die tatsächlichen Voraussetzungen für eine solche Risikobegrenzung sind nämlich nach dem Vortrag der Beklagten nicht erfüllt. Dem angefochtenen Urteil ist darin zu folgen, daß eine Gefährdung des

Fortbestandes des Betriebes der Beklagten zu 1) nicht schon deshalb vorliegt, weil die Produktionsstätte in D. durch den Brand völlig zerstört worden ist. Da bei der Begrenzung des Lohnrisikos die wirtschaftlichen Folgen der Lohnzahlungspflicht zu berücksichtigen sind, ist die Vernichtung der organisatorischen Betriebsmittel des Werkes D. für die Gefährdung des Betriebes der Beklagten zu 1) nicht von alleiniger und entscheidender Bedeutung. Es muß vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtung erfolgen, und darauf abgestellt werden, ob der wirtschaftliche Bestand des Unternehmens der Beklagten zu 1), das nicht nur aus dem abgebrannten Betrieb besteht, durch die Lohnfortzahlung an den Kläger und 74 andere bislang in D. beschäftigte Arbeitnehmer gefährdet würde. Dafür reicht es nicht aus, daß die Beklagten vorgetragen haben, allein der durch den Brand entstandene Sachwertschaden, gegen den sie allerdings versichert seien, betrage 10 Mill. DM und es sei unmöglich gewesen, daß nach dem Brand noch ein einziger Strumpf habe verkauft werden können, daher sei es zwangläufig auch unmöglich gewesen, dem Kläger weiterhin Lohn zu zahlen. Diesem Vortrag läßt sich nur entnehmen, daß die Beklagte zu 1) den Lohn für den Kläger nach dem Brand nicht mehr weiterhin laufend aus erzielten Gewinnen zahlen konnte. Allein die Notwendigkeit, die zur Lohnfortzahlung benötigten Mittel der Substanz des Betriebsvermögens entnehmen zu müssen, rechtfertigt es jedoch noch nicht, das Betriebsrisiko ganz oder teilweise auf den Kläger abzuwälzen. Dazu bedürfte es mehr als einer bloßen Beeinträchtigung des Bestandes eines Betriebes der Beklagten zu 1), nämlich zumindest einer echten Existenzgefährdung des Unternehmes (vgl. BAG a.a.o. und Hueck- Nipperdey, a.a.o., sowie Staudinger-Nipperdey-Mohnen, Der Dienstvertrag, 615 Anm. 67). Der wirtschaftliche Fortbestand des Unternehmens der Beklagten zu 1) und seine Gefährdung durch die Auferlegung der vollen Lohnzahlungspflicht hängt einmal von dem erforderlichen Kapitalbetrag für den Wiederaufbau des Werkes und zum anderen auch wesentlich von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten zu 1) ab. Dazu fehlt es an einem ausreichenden Vortrag durch die Beklagten. Es wären insbesondere Angaben darüber erforderlich gewesen, wie hoch das nicht in den zerstörten Betriebsanlagen investierte weitere Betriebsvermögen der Beklagten zu 1) einschließlich etwaiger Rücklagen gewesen ist, ob und in welcher Höhe die Beklagten zu 2) 4) als persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten zu 1) aufgrund des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich ihrer Geschäftseinlagen eine Nachschußpflicht haben und wie der Aufbau des Betriebes in D. finanziert werden soll. Da die Beklagten auf diese entscheidenden Gesichtspunkte nicht eingegangen sind, fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, das die Zahlung des Lohnes für Oktober 1970 an den Kläger die Beklagte zu 1) vor erhebliche, existenzbedrohende Schwierigkeiten stellen würde. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, welchen Einfluß der

Versicherungsschutz der Beklagten zu 1) gegen Lohnfortzahlungspflichten bei unverschuldeten Betriebsunterbrechungen auf die Verteilung und Begrenzung des Betriebsrisikos hat. Es konnte auch dahingestellt bleiben, ob dann, wenn ein Betrieb durch ein von außen her wirkendes Ereignis für längere Zeit lahm gelegt wird, und ein Arbeitnehmer, für den keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht, für den gesamten Zeitraum Lohn beansprucht, eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, daß eine längere Belastung mit der Lohnzahlungspflicht den wirtschaftlichen Bestand des Unternehmens gefährdet. Um einen solchen Sachverhalt geht es hier nicht, weil der Kläger nur bis zum Ablauf der relativ kurzen Kündigungsfrist bis zum 31. Oktober 1970 trotz Nichtleistung seiner Dienste die Fortzahlung des Lohnes verlangt. Die Beklagten haben auch nicht vorgetragen, daß die Gesamtsumme der Lohnforderungen der am 24. September 1970 fristlos entlassenen 75 Arbeitnehmer eine solche Höhe erreicht, daß ihre Erfüllung zwar nicht einzeln, wohl aber insgesamt betrachtet, eine Gefährdung des Bestandes des Unternehmens der Beklagten zu 1) auslösen würde. 3. Da der Beklagten zu 1) hiernach die Lohnfortzahlung zuzumuten ist, kann sie sich auch nicht darauf berufen, daß ihr wegen dieser Verpflichtung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist (vgl. Herschel und Müller a.a.o.). Die berechtigten Interessen der Beklagten sind bereits im Rahmen der Verteilung des Betriebsrisikos hinreichend berücksichtigt worden. Wie Herschel (a.a.o. S. 297) zutreffend betont hat, ist die Lehre von der Betriebsgefahr die angemessene und ausreichende Sicherung gegen unzumutbare Belastungen des Arbeitgebers im Falle der Betriebsstockung. Eines zusätzlichen Interessenausgleichs durch Zubilligung eines wichtigen Grundes zur Kündigung bedarf es daneben nicht. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grunde darf in diesen Fällen im Gegenteil nicht dazu mißbraucht werden, um das vom Arbeitgeber zu tragende Risiko auf den Arbeitnehmer abzuwälzen (vgl. Herschel und Müller, a.a.o. sowie Staudinger-Nipperdey-Neumann, Der Dienstvertrag, 626 Anm. 35). Nach dem Vortrag der Beklagten ist die Produktion in dem Werk D. noch nicht weiter aufgenommen worden. Auch die lange Dauer der Betriebsunterbrechung kann jedoch die außerordentliche Kündigung des Klägers nicht rechtfertigen. Wie Herschel (a.a.o. S. 298) überzeugend ausgeführt hat, ist allerdings der Zeitfaktor bei der Betriebsstockung kündigungsrechtlich nicht ohne Bedeutung. Einem Arbeitsverhältnis, das auf unabsehbare Zeit nicht verwirklicht werden kann, fehlt der innere Sinn. Es wird dadurch zu einem Scheingebilde, das keinen Rechtswert mehr hat. Wenn Herschel daraus eine Konsequenz zieht, daß auch dem Arbeitgeber dann ein Kündigungsrecht zuzubilligen sei, weil an der Aufrechterhaltung eines inhaltlos gewordenen Arbeitsverhältnisses niemand ein berechtigtes Interesse haben könne, dann bezieht sich das ersichtlich nur auf die Fälle, in denen die beiderseitigen Rechte und

Pflichten der Parteien für unabsehbare Zeit ruhen. Das trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu, weil die Lohnzahlungspflicht der Beklagten zu 1) über den 24. September 1970 hinaus jedenfalls bis zum Ablauf des 31. Oktober 1970 fortbestanden hat. Zum anderen hat der Kläger, indem er nur die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist begehrt, die Betriebsstockung, soweit sie ihn betrifft, von sich aus gewissermaßen auf einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum von rund 6 Wochen begrenzt. 4. Da das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) bis zum 31. Oktober 1970 fortbestanden hat und demgemäß die Beklagte zu 1) zur Fortzahlung des Lohnes für diesen Monat verpflichtet ist, kann der Kläger für diesen Zahlungsanspruch gemäß 128 HGB auch die Beklagten zu 2) bis 4) als Gesamtschulder persönlich in Anspruch nehmen.