Qualitätsstandards bei klinischen Studien gleiches Recht für alle?

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Transkript:

Editorial Seite 1 Qualitätsstandards bei klinischen Studien gleiches Recht für alle? Generell kann man eine klinische Studie als systematische Überprüfung medizinisch relevanter Interventionen oder Verfahren am Menschen beschreiben. Es ist dabei praktikabel, unter einer systematischen Überprüfung die prospektive (!) Festlegung sämtlichen Procederes, insbesondere der Datenerhebungen, zu verstehen. Die Ausklammerung von retrospektiven Erkenntnisgewinnungen ist weder zwingend noch abwertend, ermöglicht aber eine homogenere Betrachtungsweise bei formalen und ethischen Erfordernissen. In der Hierarchie einer Klassifizierung von Studienarten macht es Sinn, primär eine Unterscheidung zwischen Beobachtungsstudien und interventionellen Studien vorzunehmen. Während bei ersteren ausschließlich in der klinischen Routine anfallende Daten zur Erkenntnisgewinnung herangezogen werden, ist für letztere das Setzen von spezifischen Maßnahmen (Interventionen) zur Erleichterung bzw. Ermöglichung der Beantwortung von Fragestellungen charakteristisch. Nur bei interventionellen Studien können die wirksamsten Maßnahmen für eine Ergebnisobjektivierung, nämlich Randomisierung und Verblindung, eingesetzt werden. Derartige Studien genießen den höchsten Anerkennungsgrad und stellen das gängigste Instrument zur Absicherung von Wirksamkeit und Sicherheit klinischer Behandlungsmethoden dar. Interventionelle Studien mit Arzneimitteln und Medizinprodukten (klinische Prüfungen) unterliegen sehr detaillierten Gesetzesvorschriften (österreichisches Arzneimittelgesetz [1], österreichisches Medizinproduktegesetz [2]), die u.a. den Schutz der Studienteilnehmer (Befassung einer Ethikkommission, Aufklärung und Einwilligungseinholung, Versicherung etc.), aber auch Aspekte der Qualitätssicherung (Qualitätskontrolle z.b. mittels Monitoring und Audit, Erfordernis von Dokumenten wie z.b. Prüfplan und Prüfbogen) regeln. Wie alle interventionellen Studien gelten auch für klinische Prüfungen die ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen (Deklaration von Helsinki [3]) als einschlägiger Standard. Als zusätzliches Regulativ gelten auf dem Arzneimittelsektor die Grundsätze der Guten Klinischen Praxis (ICH-GCP-Leitlinie [4], WHO-GCP-Leitlinie [5]), zusätzlich gibt es eine Fülle von weiteren Leitlinien und Empfehlungen der International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) und der europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA). Vieles aus den Grundsätzen der Guten Klinischen

Seite 2 Editorial Praxis und diversen Leitlinien ist entweder Inhalt des Arzneimittelgesetzes oder erhält durch dieses mittels entsprechender Hinweise auf Formalstandards eine obligatorische Note. Für die Forschungsprojekte der pharmazeutischen Industrie ist aus Gründen der behördlichen Anerkennbarkeit von Studienergebnissen die komplette ICH-GCP-Leitlinie so gut wie verbindlich. Auf dem Medizinproduktesektor ist vor allem bei kommerziellen Studien die Norm EN ISO 14155 [6], deren Inhalte jenen der Guten Klinischen Praxis im Arzneimittelbereich ähnlich sind, einzuhalten. Summa summarum sind bei klinischen Prüfungen (sowohl von Arzneimitteln als auch von Medizinprodukten) Patientenschutz- und Qualitätssicherungsdetails dermaßen (in manchen Bereichen sicherlich allzu) ausführlich festgelegt, dass ein angemessenes Projektniveau gewährleistet sein müsste. Inwieweit die Einhaltung dieser Gesetzesvorschriften von Behörden und Ethikkommissionen wirksam kontrolliert wird (bzw. z.t. auch kontrolliert werden kann), ist eine andere Sache Interventionelle Studien, die nicht als klinische Prüfungen (von Medizinprodukten oder Arzneimitteln) eingestuft werden können, unterliegen dann einer gewissen gesetzlichen Regelung (im österreichischen Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten [7]), wenn es sich dabei um die Anwendung neuer medizinischer Methoden handelt. In diesem Fall ist vorgeschrieben, dass durch eine Ethikkommission neben dem Patientenschutz auch der Prüfplan auf Angemessenheit bzw. Eignung überprüft wird. Für interventionelle Studien, bei denen keine neuen medizinischen Methoden im Mittelpunkt stehen (z.b. randomisierter Vergleich von bewährten Methoden, Evaluierung bewährter Methoden unter Zuhilfenahme zusätzlicher diagnostischer Verfahren etc.), fehlen explizite Gesetzesregelungen. Auf alle Methodenstudien sind jedoch die ethischen Grundsätze der Deklaration von Helsinki anwendbar. Diese Grundsätze enthalten u.a. auch die Niederlegung von Planung und Durchführung der Versuche in einem Prüfplan (Versuchsprotokoll) und die Vorlage desselben (incl. Informationen zum Patientenschutz) bei einer Ethikkommission. Gute, für Österreich aber derzeit unverbindliche Ergänzungen zu den Grundsätzen der Deklaration von Helsinki, stellen die ethischen Leitlinien für biomedizinische Forschung des Council for International Organizations of Medical Sciences (CIOMS-Leitlinien [8]) und das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin über biomedizinische Forschung des Europarats [9] dar. In den beiden letztgenannten Dokumenten sind z.t. ausführliche Anforderungen an die Qualitätssicherung klinischer Studien enthalten, gleich ob Arzneimittel, Mediziprodukte oder sonstige Themen im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens stehen. Schließlich

Editorial Seite 3 ist noch anzumerken, dass die WHO-GCP-Leitlinie die sinngemäße Anwendung ihrer Inhalte auch außerhalb des Arzneimittelsektors explizit empfiehlt. Beobachtungsstudien erhöhen definitionsgemäß das Patientenrisiko nicht. Interpretiert man die Vorgangsweise bei Beobachtungsstudien so, dass hier aus der klinischen Routine gewonnene Daten anonymisiert und anschließend für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, so entfällt auch die Grundlage für eine Anwendung der Grundsätze der Deklaration von Helsinki (medizinische Forschung schließt hier nur die Forschung an identifizierbaren Daten, nicht aber an anonymisierten Daten mit ein). Dies steht im Einklang mit der Tatsache, dass im Arzneimittelbereich Anwendungsbeobachtungen u.a. von den Verpflichtungen einer Ethikkommissionsvorlage sowie einer Aufklärung und Einwilligung der Studienteilnehmer befreit werden ( 2a Abs.3 österreichisches Arzneimittelgesetz). Lediglich die unverbindliche CIOMS-Leitlinie fordert gewisse Maßnahmen wie eine allgemein gehaltene Information von Patienten, wenn routinemäßig gewonnene Daten wissenschaftlich verwertet werden sollen. Neben der Patientenaufklärung und einwilligung stellt aber die Qualitätssicherung das zweite wesentliche Kriterium bei der Durchführung klinischer Studien dar. Die Qualitätssicherung soll eine möglichst hohe Validität der Studienergebnisse gewährleisten, was mit einem Schutz zukünftiger Patienten (z.b. vor Konsequenzen aus falschen Studienergebnissen) gleichzusetzen ist. Leider sind Beobachtungsstudien in Österreich von jeglichem verpflichtenden Melde- oder Begutachtungsprocedere ausgeschlossen, sodass hier einem Missbrauch des Begriffs Forschung nur schwer entgegengewirkt werden kann. Gerade Anwendungsbeobachtungen auf dem Arzneimittelsektor haben sich mit der Zeit einen vernichtenden Ruf erworben, da sie zu einem großen Teil als reine Marketinginstrumente (Vermittlung von Incentives an Kunden der pharmazeutischen Industrie) und nicht in ihrem eigentlichen Sinn (wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung) verwendet wurden. Dies ist insofern bedauerlich, als in vielen Bereichen der klinischen Forschung wichtige Erkenntnisse ausschließlich mit Beobachtungsstudien gewonnen werden können (z.b. Kohortenstudien mit Alter, Geschlecht, Primärerkrankung etc. als Stratum). Insgesamt gesehen gibt es also auf den Ebenen der Rechtsvorschriften und der mehr oder weniger verbindlichen Leitlinien bzw. Empfehlungen durchaus gravierende Unterschiede zwischen den Qualitätsanforderungen an klinische Studien mit Arzneimitteln, Medizinprodukten und diversen Methoden bzw. anderweitigen Themen, sowie an interventionelle Studien und Beobachtungsstudien. Vom Standpunkt des Versuchs, möglichst wirklichkeitsnahe Erkenntnisse zu gewinnen, ist dies nicht nachvollziehbar. Selbstverständlich sind bei unterschiedlichen Fragestellungen auch unterschiedliche Qualitäts-

Seite 4 Editorial sicherungsmaßnahmen zulässig, so benötigen sicherlich groß angelegte epidemiologische Studien nicht den selben engmaschigen Kontrollaufwand wie etwa kleinere Studien zur Evaluierung neu entwickelter medizinischer Präparate und Produkte. Dies bedeutet, dass der Umfang von Qualitätssicherungsmaßnahmen eher von deren Angemessenheit in Bezug auf die Möglichkeit einer korrekten Beantwortung der gestellten Fragen als von der Eingliederung des Studienthemas in den Arzneimittel-, Medizinprodukte- oder Methodenbereich bzw. von der Einstufung als interventionelle Studie oder als Beobachtungsstudie abhängen soll. So wie die Teilnehmer an interventionellen Studien ein Recht darauf haben, aufgeklärt zu werden, freiwillig einer Mitwirkung zuzustimmen und ausreichend geschützt zu werden, so muss es auch ein Recht der Allgemeinheit, also aller zukünftigen Patienten geben, dass in klinischen Forschungsprojekten nicht infolge Qualitätsmängeln falsche Ergebnisse produziert werden, die dann der Optimierung zukünftiger Behandlungen und Erkennungen von Krankheiten entgegenstehen. Was kann man nun allgemein an Qualitätsstandards für klinische Studien fordern? Als wichtigster Punkt wäre hier die Erstellung eines Prüfplans (Versuchsplans, Beobachtungsplans, Protokolls) zu fordern. Dessen Inhalte haben sich nach den spezifischen Projekterfordernissen zu richten, so könnte man z.b. die für den Arzneimittelbereich aus der Guten Klinischen Praxis stammenden Vorgaben im Bereich von Methoden- und Beobachtungsstudien sinngemäß adaptieren und in angemessen gekürzter Form anwenden. Auch Prüfbögen (Beobachtungsbögen, Case Report Forms, CRFs) sollten zum Standardrepertoire einer klinischen Studie gehören, wobei Hard-Copy- und EDV-Versionen (nötigenfalls einfache Versionen auf Datenbankbasis) zur Auswahl stehen. Das für klinische Prüfungen verpflichtende Monitoring (insbesondere der Vergleich von in den Prüfbögen dokumentierten Daten mit den Originaldaten) ist bei gewissen Studien durch andere Maßnahmen ersetzbar (z.b. durch verstärkte Plausibilitäts- und Vollständigkeitskontrollen im Bereich des Datenmanagements), bei Beobachtungsstudien in der Regel aufgrund der fehlenden Patienteneinwilligung zur Einsichtnahme in die Krankenakte nicht durchführbar. Eine manchmal erwägenswerte Alternative zur herkömmlichen direkten Einsichtnahme in die Krankenakte wäre die Anwendung eines sogenannten Interviewverfahrens, wobei der Monitor den zuständigen Arzt, der die Krankenakte ja problemlos verwenden kann, über die diversen Details befragt. Audits sind als Qualitätskontrollmaßnahme nicht einmal bei jeder klinischen Prüfung verpflichtend, eine entsprechende Notwendigkeit muss von Fall zu Fall zwar

Editorial Seite 5 sicherlich erwogen werden, wird bei vielen Forschungsprojekten aber nicht gegeben sein. Als obligatorische Faktoren für eine adäquate Studienqualität sind auf jeden Fall ein professionelles Datenmanagement (Eingabe, Kontrolle und Aufbereitung der erhobenen Daten) und eine professionelle biometrische Auswertung (deskriptive und schließende Statistik) zu nennen. Und last but not least sollte auch die verbindliche Absichtserklärung, die Studienergebnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren (Publikation), als generelles Qualitätskriterium, das leider trotz all seiner Selbstverständlichkeit heutzutage oft besonders gehäuft auf dem Sektor der Beobachtungsstudien - nicht erfüllt wird, gelten. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die rechtlichen Verpflichtungen zur Qualitätssicherung bei klinischen Studien äußerst unterschiedlich sind bei klinischen Prüfungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten umfangreich, bei der Überprüfung neuer Methoden in einem Mindestausmaß, bei anderen Studien nicht vorhanden. Ethische Grundsatzdokumente fordern zumindest für alle interventionellen Studien eine gewisse qualitative Basis. Für Beobachtungsstudien gibt es zwar keine hochrangigen Abhandlungen, die Berechtigung der Allgemeinheit, dass in klinischen Forschungsprojekten nicht infolge Qualitätsmängeln falsche Ergebnisse produziert werden, die dann zu zukünftigen Behandlungsmängeln führen, spricht aber für sich. Die eingangs gestellte Frage Qualitätsstandards bei klinischen Studien gleiches Recht für alle? kann somit aus juristischer Sicht (österreichische Legislatur) mit einem nein, aus ethisch-logischer Sicht mit einem klaren ja beantwortet werden. Die durch die EU in gewissen Bereichen (insbesondere bei klinischen Prüfungen von Arzneimitteln) induzierte gesetzliche Überregulierung behindert allerdings durch ihre Unflexibilität oft mehr als sie nützt und sollte folglich nicht das zukünftige Maß aller Dinge werden. Vielmehr wäre wünschenswert, dass vorhandene, rechtlich unverbindliche Standards und Empfehlungen je nach ihrer Angemessenheit (!) beim jeweiligen Forschungsprojekt auf freiwilliger Basis berücksichtigt werden. Ansonsten ist absehbar, dass irgendwann Qualitätsmängel bei klinischen Studien zu relevanten Problemen und konsekutiv auch zu massiven Imageverlusten der medizinischen Forschung führen werden. Es ist zu hoffen, dass die Vernunft dieses Szenario nicht zulässt und nicht nach dem Grundsatz gehandelt wird: Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht. Wolfgang Schimetta, Werner Pölz, Linz Literatur: [1] Arzneimittelgesetz (AMG idf BGBl I Nr. 35/2004)

Seite 6 Editorial [2] Medizinproduktegesetz (MPG idf BGBl I Nr. 119/2003) [3] Weltärztebund. Deklaration des Weltärztebundes von Helsinki: Ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen. Verabschiedet von der 52. Generalversammlung des Weltärztebundes, Edinburgh, Schottland. Okt. 2000. [4] International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH): ICH Harmonised Tripartite Guideline: Guideline for Good Clinical Practice (E6). Updated Sept. 1997. [5] World Health Organisation. WHO Technical report series, No. 850, guideline for good clinical practice (GCP) for trials on pharmaceutical products. 1995. [6] EN ISO 14155-1:2003. Clinical investigation of medical devices for human subjects -- Part 1: General requirements. EN ISO 14155-2:2003. Clinical investigation of medical devices for human subjects -- Part 2: Clinical investigation plans. [7] Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG idf BGBl I Nr. 35/2004) [8] Council for International Organizations of Medical Sciences (CIOMS). International Ethical Guidelines for Biomedical Research Involving Human Subjects. 2002 (cited 2003 June 04). Available from URL: http://www.cioms.ch/guidelines_nov_2002_blurb.htm [9] Council of Europe. Additional Protocol to the Convention on Human Rights and Biomedicine, concerning Biomedical Research. Strasbourg. 25.I.2005 (cited 2005 Jan 24). Available from URL: http://conventions.coe.int/treaty/en/treaties/html/195.htm Korrespondenzadresse: Dr. Wolfgang Schimetta Arbeitsgruppe zur Systemoptimierung klinischer Forschungsprojekte ASOKLIF Institut für Angewandte Systemforschung und Statistik Altenbergerstraße 69 4040 Linz Österreich Tel.: 0043 732 2468 8850 Fax : 0043 732 2468 8798