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Transkript:

UWE JAHN RECHTSANWALT Auflösungserscheinungen Wer vor dem Arbeitsgericht bereits einmal einen Abfindungsvergleich in einem Kündigungsschutzverfahren abgeschlossen hat, wird sich an die Floskel erinnern, wonach eine Abfindung in entsprechender Anwendung der 9,10 Kündigungsschutzgesetz gezahlt werden soll. Und es ist sicherlich keine sonderlich gewagte Behauptung, dass diese beiden Normen sehr selten direkt zur Anwendung gelangen, dafür aber sehr häufig in entsprechender Anwendung. Für diese seltene Anwendung gibt es unterschiedliche Gründe, einer davon ist sicherlich, dass diese Vorschrift so nicht im Bewusstsein der Beteiligten ist. A R B E I T S R E C H T Fachanwalt M E D I Z I N R E C H T Fachanwalt WIRTSCHAFTSRECHT Spezialgebiet Eine der wichtigsten Erkenntnisse in einem Kündigungsschutzverfahren ist der Grundsatz, dass es dort tatsächlich um die Erhaltung des Arbeitsverhältnisses geht, um die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und damit den Fortbestand. Die in der Realität überwiegende Übung, vor dem Arbeitsgericht spätestens dann eine gütliche Einigung über die Kündigung herbeizuführen, in dem man einen Abfindungsvergleich schließt, widerspricht eigentlich dieser grundsätzlichen Intention des Kündigungsschutzgesetzes. Aber das Kündigungsschutzgesetz hat natürlich aus einer gewissen Lebenserfahrung heraus die Erhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht absolut gesetzt. Es gibt Fälle, in denen im Verlauf des Kündigungsschutzverfahrens das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so nachhaltig erschüttert wird, dass dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Und auch umgekehrt kann es passieren, dass der Arbeitgeber erkennt, dass eine dem betrieblichen Zweck dienliche Zusammenarbeit mit dem gekündigten Arbeitnehmer nicht mehr möglich ist. Und dafür wurde dann 9 Abs. 1 KSchG konzipiert. Wenn der Arbeitsrichter feststellt, dass die Kündigung unwirksam ist, kann er auf Antrag des Arbeitnehmers bzw. des Arbeitgebers feststellen, dass das Arbeitsverhältnis aufgelöst ist. Dies geschieht zu dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis bei einer sozial gerechtfertigten Kündigung geendet hätte. Und verbunden ist diese Auflösung mit der Zahlung eines Abfindungsbetrages, der vom Richter anhand der Maßstäbe des 10 KSchG zu bemessen ist. Neumühler Straße 22 1 9 0 5 7 S c h we rin T e l 0 3 85 6161 0 6 F a x 0 3 85 6126 8 0 ra- jahn@ m v ne t. d e www. ra - u we - jahn.de

- 2 - Die Voraussetzungen für einen solchen Auflösungsantrag sind allerdings in 9 Abs. 1 KSchG so gefasst, dass sie der Auslegung bedürfen. Die Unzumutbarkeit für den Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis trotz rechtswidriger Kündigung fortzusetzen, kann sich zum einen aus den Umständen der Kündigung ergeben, wenn diese mit ehrverletzenden oder diffamierenden Äußerungen verbunden wurde, sie kann sich aber auch aus den Umständen nach Ausspruch der Kündigung ergeben, etwa wenn der Arbeitgeber Beleidigungen gegen den Arbeitnehmer ausspricht. Wichtig ist, dass die Umstände, die die Unzumutbarkeit bedingen, auch wenn Dritte sie verursachen (Mobbing), auf das Verhalten des Arbeitgebers zurückgehen. Hat der Arbeitnehmer mittlerweile ein neues Arbeitsverhältnis gefunden, gibt es die Lösung in 12 KSchG ohne Abfindung. Diese gesetzgeberische Entscheidung kann nicht durch einen Auflösungsantrag umgangen werden. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers ist sehr viel schwieriger zu stellen. Nach dem Gesetzestext muss eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien nicht zu erwarten sein. Da der Arbeitnehmer trotz rechtswidriger Kündigung seinen Arbeitsplatz verlieren soll, sind strenge Anforderungen an dieses Kriterium zu stellen. Der Arbeitgeber muss sich auf konkrete Tatsachen beziehen und kann sich nicht in Vermutungen verlieren. Sehr häufig kann sich der Arbeitgeber erfolgreich auf ein Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzverfahren stützen. Geht der Arbeitnehmer oder sein Prozessbevollmächtigter deutlich über das hinaus, was in Wahrnehmung berechtigter Interessen zulässig ist, kann darin ein Grund liegen. Allerdings sind pointierte Erklärungen und Rechtsausführungen im Prozess davon nicht betroffen. Unter Wahrung der Wahrheitspflicht muss auch in gebotener Schärfe vorgetragen werden können, selbst wenn vorsichtigere Formulierungen möglich sind. Auch direktes Verhalten des Arbeitnehmers kann in der Situation einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers rechtfertigen, wenn sich zum Beispiel der Arbeitnehmer in Hinblick auf eine zwar die Kündigung nicht rechtfertigende Verfehlung, die aber gleichwohl eine Verfehlung ist, völlig uneinsichtig zeigt. Auch bei dem Verdacht einer schwerwiegenden Straftat oder Pflichtverletzung kann eine Verdachtsauflösung unter strengsten Voraussetzungen möglich sein. Dementsprechend ist nicht zwingend ein schuld-

- 3 - haftes Verhalten des Arbeitnehmers Voraussetzung, sondern objektive Umstände, die die Besorgnis rechtfertigen, ein weiteres gedeihliches Zusammenarbeiten sei ausgeschlossen. Bei Betriebsräten und anderen kündigungsgeschützten Funktionsträgern ist, um das Kündigungsverbot gemäß 103 BetrVG zu schützen, der Betriebsrat um Zustimmung zu bitten. Anderweitig kündigungsgeschützte Personen sind diesbezüglich nicht weitergehend geschützt. Zum Beispiel bei einem Schwerbehinderten muss nicht das Integrationsamt dem Auflösungsantrag des Arbeitgebers zustimmen. Stellen beiden Seiten einen Auflösungsantrag, hat das Gericht keine weitere Prüfung durchzuführen, sondern das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzuheben. Einige prozessuale Besonderheiten sind bei dem Auflösungsantrag zu beachten, dieser kann nämlich bis zum letzten Moment der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden. Für den Tatsachenvortrag im Zusammenhang mit diesem Auflösungsantrag gelten daher die Verspätungsregelungen nicht. Allerdings muss natürlich auch dem Antragsgegner dann eine Stellungnahme ermöglicht werden. Die Entscheidung über den Auflösungsantrag erfolgt per Gericht. Folgt das Gericht dem Antrag, stellt es zum einen durch Urteil fest, dass die Kündigung rechtswidrig ist, sodann zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet wurde oder wird und schließlich die Höhe der Abfindung gemäß 10 KSchG. Ansonsten weist das Gericht den Antrag auf Auflösung zurück und auch dagegen sind dann die entsprechenden Rechtsmittel möglich. Die Bemessung der Abfindung gemäß 10 KSchG steht im Ermessen des Gerichts, Abs. 1 dieser Regelung nennt eine Obergrenze von 12 Monatsverdiensten, die in Abs. 2 allerdings für Arbeitnehmer, die über 50 Jahre alt sind und bereits 15 Jahre im Betrieb waren, auf 15 Monatsverdienste erhöht wird. Für Mitarbeiter ab dem vollendeten 55. Lebensjahr und mit 20 Jahren Betriebszugehörigkeit können sogar bis zum 18 Monatsverdienste festgesetzt werden. Und diese Ausnahme hat wiederum

- 4 - eine Ausnahme, wenn nämlich der Arbeitnehmer zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung des Gerichts die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festgesetzt ist, bereits das Rentenalter erreicht hat. Und in Abs. 3 wird auch noch der Monatsverdienst benannt. Es ist der Bruttomonatslohn mit allen weiteren geldwerten Vorteilen. Bei seiner Ermessenentscheidung berücksichtigt das Gericht neben diesen Höchstgrenzen eine gewissen Sanktionswirkung der Abfindung, allerdings vor allem die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers ggf. auch die Schwierigkeit des Arbeitnehmers, einen neuen Arbeitsplatz zu finden sowie weitere Sozialdaten wie Unterhaltspflichten und Gesundheitszustand. Die Vermögensverhältnisse des Arbeitnehmers spielen allerdings keine Rolle. Im Rahmen der Sanktionsfunktion hat das Gericht den Grad der Sozialwidrigkeit der Kündigung zu würdigen. Eine grob sozialwidrige Kündigung erhöht die Abfindung. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers gibt nur sehr begrenzt den Ausschlag. Nur wenn tatsächlich die Existenz des Unternehmens und damit weitere Arbeitsplätze bedroht ist, hat der Arbeitgeber eine Chance auf Gehör. Allerdings wird er das dann auch tatsächlich sehr genau und nachvollziehbar darzulegen haben. Wer dies wirklich möchte, mag es dann tun. Ein allgemeines Jammern und Wehklagen wird hier wenig helfen, ein Arbeitsrichter hört so etwas im Rahmen von Gerichtsverhandlungen mehrmals in der Woche. Trägt das Kündigungsschutzgesetz also mit 9, 10 KSchG dem Umstand Rechnung, dass nicht immer am Ende einer rechtswidrigen Kündigung eine harmonische Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses stehen kann, so findet sich in 14 Abs. 2 KSchG eine ebenfalls lebensweise Regelung, die von der Nähe und dem besondere Vertrauensverhältnis zu einem leitenden Mitarbeiter ausgeht. In diesem Falle bedarf nämlich der Auflösungsantrag durch den Arbeitgeber keiner Begründung. Dieses besondere Vertrauensverhältnis muss allerdings bestehen und Voraussetzung für die Tätigkeit sein. Was ein leitender Angestellter ist, wird an verschiedenen Stellen des Arbeitsrechts definiert und nicht etwa einheitlich. Im vorliegenden Fall greift die Literatur allerdings zu der Definition des 5 Abs. 3 BetrVG zurück, um sodann den Begriff an die in 14 Abs. 2 KSchG genannte Funktionsebene zu reduzieren. Es sind Mitarbeiter gemeint, die leitende unternehmerische Aufgaben, wie die Führung ei-

- 5 - nes Betriebes oder eines Unternehmens wahrnehmen. Auf welchem Gebiet diese Leitung ausgeübt wird, ist dabei unerheblich, sei es technisch, sei ein kaufmännisch, sei es personaltechnisch. Entscheidend ist dabei nicht das Einkommen, sondern die Entscheidungskompetenz. Nach ganz herrschender Meinung muss daher der leitende Angestellte gemäß 14 Abs. 2 KSchG die Kompetenz haben, Mitarbeiter des Unternehmens einzustellen oder auch zu entlassen. Dieser Kompetenz nach Außen hin muss auch eine Eigenverantwortlichkeit nach Innen hin gegenüber stehen. Ein leitender Mitarbeiter, der sich für jede seiner Entscheidungen erst einmal rückversichern muss, entbehrt dieser Eigenverantwortlichkeit. Und ein Arbeitgeber, der einen leitenden Mitarbeiter an so kurze Leine führt, verliert die Möglichkeiten des 14 Abs. 2 KSchG. Die Einschränkungen beziehen sich allerdings nur auf die Begründungspflicht des Arbeitgebers für den Auflösungsantrag. Diese Begründung erlässt der Gesetzgeber dem Arbeitgeber, wohlwissend, dass die Begründung regelmäßig stereotyp auf den Verlust des Vertrauensverhältnisses abstellen würde. Die Abfindungsregelung allerdings kommt uneingeschränkt zur Anwendung zu den oben genannten Kriterien. Die hohen Anforderungen an die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Auflösungsantrag, sowohl auf Arbeitnehmerseite, als auch vor allem auf Arbeitgeberseite haben dazu geführt, dass dieses Mittel zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht zwingend im Bewusstsein ist. Es ist auch kein Zaubermittel, aber es lohnt sich, in solchen Situationen zumindest anzuprüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, egal auf welcher Seite. In Hinblick auf leitende Mitarbeiter dürfte die Anwendung eines Auflösungsantrages noch viel seltener zu Gebote stehen. Erfahrungsgemäß wird auch sehr viel seltener eine gerichtliche Entscheidung gefordert, sehr viel häufiger einigt man sich außergerichtlich auf dem Gütewege und spätestens dann bei Gericht. Ein leitender Mitarbeiter mit den hier erforderlichen Kompetenzen klammert sich regelmäßig nicht an eine Position, wenn das Tischtuch bereits zerschnitten ist. Uwe Jahn Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht