www.wir-fuer-sie-in-nrw.de Wir für Sie Eine Initiative der Freien Wohlfahrtspflege NRW zum Internationalen Tag der Pflege am 12.05.2015 Informationen zum Hintergrund Wir für Sie - im Quartier 124 000 Pflegekräfte und zahlreiche Ehrenamtliche sind in 829 ambulanten Pflegediensten, 379 Tagespflegeeinrichtungen und 1 399 Alten- und Pflegeheimen der Wohlfahrtspflege für 276 000 Mitbürgerinnen und Mitbürger in Nordrhein-Westfalen im Einsatz. Dazu kommen sogenannte niedrigschwellige Unterstützungsleistungen. Sie alle tragen dazu bei, dass Menschen auch bei Betreuungs- und Pflegebedürftigkeit in ihrem vertrauten Wohnumfeld, in ihrem Quartier, alt werden können. Diese Strukturen zukunftsfest zu machen, stellt angesichts des demographischen Wandels der vor allem bestimmt ist durch einen generellen Rückgang der Bevölkerung und eine deutliche Zunahme der alten und hochaltrigen Menschen eine große gesamtgesellschaftliche Herausforderung im Sinne der Pflegebedürftigen dar. Die steigende Zahl der Pflegebedürftigen verdeutlicht die große Herausforderung. Pro Jahr kommen in NRW durchschnittlich ca. 10 000 Pflegebedürftige hinzu: Jahr Pflegebedürftige in NRW Pflegebedürftige bundesweit 1 2011 548 000 2,5 Mio. 2013 581 000 2,6 Mio. 2030 700 000 3,4 Mio. 2050 930 000 4,5 Mio. 1 IT.NRW: Zahl der pflegebedürftigen Leistungsbezieherinnen und -bezieher; Hinweis: Konstante Hochrechungsvariante, d.h. es wird ein gleichbleibendes Pflegerisiko unterstellt. IT.NRW: Leistungsempfänger/-innen der Pflegeversicherung in Nordrhein-Westfalen (im Dezember 2013) http://www.it.nrw.de/presse/pressemitteilungen/2015/pres_028_15.html DESTATIS: Pflegestatistik 2013 - Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung Deutschlandergebnisse https://www.destatis.de/de/publikationen/thematisch/gesundheit/pflege/pflegedeutschlandergebnisse5224001139004. pdf;jsessionid=9fe77ce4f4feabb34165a71793b60eed.cae4? blob=publicationfile Seite 1 von 5
Daraus resultiert: Die pflegerische Versorgung muss qualitativ und quantitativ gesichert und ausgebaut werden. Hierzu müssen auch Quartiere gestärkt werden. Quartiersarbeit orientiert sich vorrangig an den sozialen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger und schafft positive Rahmenbedingungen für die soziale Teilhabe. Gut entwickelte Quartiere können dazu beitragen, dass betreuungs- und pflegebedürftige Menschen länger in ihrer Häuslichkeit verbleiben können. Angehörige können in einer Quartierskultur des Sichkümmerns eine erhebliche Entlastung erfahren. Quartiere haben das Potential, die Pflege durch Angehörige zu stärken. Ohne die ambulanten Pflegedienste oder die Tagespflege stößt die Pflege durch Angehörige allerdings oft schnell an ihre Grenzen. Wenn häusliche Pflegearrangements nicht ausreichen, muss es auch stationäre Wohnformen geben, in denen pflegebedürftige Menschen nach ihren Bedarfen leben, betreut und gepflegt werden können. Für einige Menschen kommen dann betreute Wohngemeinschaften in Frage, andere brauchen die Versorgungssicherheit stationärer Einrichtungen. Die pflegerische Versorgung im Quartier muss so vielfältig organisiert sein, wie die Bedarfe der Menschen sind. Dabei müssen insbesondere im Hinblick auf die prognostizierten sinkenden familialen Pflegepotentiale neben den neuen Wohnformen auch die bestehenden institutionellen Pflegestrukturen erhalten und gestärkt werden. Konkreter Handlungsbedarf: 1. Quartierstrukturen, die die Pflege durch Angehörige unterstützen und fördern, entwickeln sich nicht von alleine. Erforderlich sind professionelle Strukturen und eine geregelte Finanzierung. Projektförderung oder das Förderangebot des Landes Altengerechte Quartiere reichen nicht aus. Seite 2 von 5
Das Förderangebot des Landes sieht zum Beispiel vor, dass Kreise, kreisfreie Städte sowie kreisangehörige Städte und Gemeinden für einen Förderzeitraum von maximal drei Jahren (bis max. Februar 2018) eine Person beschäftigen können, die über die erforderlichen Fachkenntnisse zur Sozialraumgestaltung / Quartiersentwicklung verfügt. Die Aufteilung der geförderten Stelle auf bis zu zwei in Teilzeit beschäftigten Personen ist zulässig. ( ) Zu den Aufgaben der Stelleninhaberin / des Stelleninhabers gehören insbesondere die Gesamtkoordination der partizipativ anzulegenden Quartiersentwicklung und ihrer Umsetzung, die Steuerung der Konzeptentwicklung, die Koordination und Unterstützung lokaler Akteurinnen und Akteure, die Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen, Quartiersforen, Werkstattgesprächen etc., die Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements und die Stärkung sozialer Netze im Quartier. ( ) Diesen Ansprüchen kann mit einer Personalförderung, wie sie das MGEPA hier vor sieht, nicht entsprochen werden. Für eine nachhaltige und demographiefeste Entwicklung der Quartiere benötigen wir ein gemeinsames Bündnis unter auch finanzieller Beteiligung des Landes und der Kommunen! 2. Auf die Situation der ambulanten Pflegedienste hat die Freie Wohlfahrtspflege NRW bereits im Jahr 2013 mit der Initiative Hilfe! Mehr Zeit für Pflege! aufmerksam gemacht: Die bis zuletzt bestehende unzureichende Finanzierung der häuslichen Pflege insbesondere durch die Krankenkassen gefährdet das Versorgungsniveau. Immer mehr Menschen sind auf Unterstützung im Bereich der medizinischen Behandlungspflege angewiesen. Um weiterhin gute Arbeit leisten zu können, benötigen die ambulanten Pflegedienste von den Kranken- und Pflegekassen die Anerkennung tarifbedingter Personalkosten sowie die Sicherstellung der leistungsgerechten Bezahlung durch Tariflohn und Kostendeckung im Bereich Personal als wichtigen Rahmen für qualitätsvolle Arbeit. Die Politik auf der Landes- und der Bundesebene ist aufgefordert, sich dafür stark zu machen und geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um einem ambulanten Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung zu ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen. 3. Auch in der teilstationären und stationären Pflege ist eine chronische Unterfinanzierung festzustellen. Der Leistungsaufwand ist durch die sich verändernde Gäste- und Bewohnerstruktur mit steigenden körperlichen und psychosozialen Pflegebedarfen seit Einführung der Pflegeversicherung stetig angestiegen. Trotzdem sind die notgedrungen in den Verhandlungen praktizierten Personalorientierungswerte in NRW nahezu unverändert geblieben. Diese Werte vermitteln auf den ersten Blick einen ausgewogenen Eindruck. Aber mit jeder Stelle sind Früh-, Spät- und Nachtdienste zu leisten und Urlaubs-, Krankheits- und Fortbildungszeiten zu berücksichtigen. Konkret bedeutet dies im Pflegealltag: Für einen Bewohner in einer Pflegeeinrichtung mit der Pflegestufe I stehen z. B. im Mittel 65 Minuten pro Tag für die Pflege zur Verfügung 2. Hierin sind Zeiten für die Dokumentation, die Pflegeplanung und z. B. Leitungsaufgaben bereits inbegriffen. 2 Rechnung: Es wird angenommen, dass ein Mitarbeiter 1.550 Jahresarbeitsstunden (nach Abzug von Urlaub, Krankheit und Fortbildungen) leisten kann. Geteilt durch 365 Tage ergeben sich ca. 4,25 h pro Tag, die nunmehr gemäß Personalschlüssel auf 4 Pflegedürftige der Pflegestufe I aufzuteilen sind (Schlüssel von 1:4). Dies ergibt im Mittel ca. 65 Minuten pro Tag und Pflegebedürftigem in der Pflegestufe I. Seite 3 von 5
Hier sind die Pflegekassen und die Sozialhilfeträger aufgefordert, die gestiegenen Bedarfe endlich anzuerkennen und mehr Personal zu finanzieren sowie die tarifbedingten Personalkosten wie inzwischen im SGB XI festgesetzt anzuerkennen. Die Politik auf der Landes- und der Bundesebene ist aufgefordert, sich dafür stark zu machen und geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Pflege ermöglichen, die über die Versorgung der körperlichen Bedürfnisse hinausgeht. Die zusätzliche Betreuung nach 87b (niedrigschwellige Betreuungsangebote durch angelernte Kräfte in der sozialen Betreuung) reicht dazu nicht aus. Erforderlich sind auch zusätzliche Fachkräfte, um angemessen auf die psychosozialen Belange der Bewohnerinnen und Bewohner einzugehen. Nur so lassen sich auch in der Zukunft noch genügend Menschen für den Pflegeberuf gewinnen. Wir für Sie heute und in Zukunft Um die pflegerische Versorgung in der Zukunft zu sichern, qualifizieren wir in unseren rund 2 600 Diensten und Einrichtungen sowie in 115 Altenpflegeschulen pro Jahr rund 13 000 neue Kolleginnen und Kollegen. Sie sind der Garant einer gesicherten pflegerischen Versorgung der Zukunft. Die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger in NRW wird in den nächsten Jahren erheblich abnehmen. Dies wird zu einer noch stärkeren Konkurrenz zwischen Ausbildungsplätzen in der Pflege bzw. in der Altenpflege und anderen Ausbildungsberufen führen. Aktuell gibt es rund 471 000 Schulabgängerinnen und Schulabgänger. In nur fünf Jahren im Jahr 2020 werden es etwa 60 000 weniger sein 3. Gleichzeitig steigt demographiebedingt der absolute Bedarf an Pflegekräften. Um auch in Zukunft genügend Menschen in unserem Land für eine Ausbildung in der Pflege zu interessieren, muss die Attraktivität der dazugehörigen beruflichen Handlungsfelder gesteigert werden. Auch in diesem Kontext haben Forderungen nach einer qualitativen und quantitativen Sicherung der pflegerischen Versorgung, nach einer Sicherstellung leistungsgerechter Bezahlung und der Anerkennung der tatsächlichen Bedarfe eine besondere Bedeutung. Aber auch die Finanzierung der Ausbildung an sich muss verbessert werden. Die schulische Altenpflegeausbildung findet in den Fachseminaren für Altenpflege statt, die praktische Altenpflegeausbildung in den Handlungsfeldern der ambulanten und stationären Pflege vor Ort. Die Betriebskosten der Fachseminare werden durch das Land gefördert, die Kosten der Einrichtungsträger werden über den Pflegesatz im Rahmen der Altenpflegeausbildungsumlage finanziert. Die Finanzierung der schulischen Ausbildung ist viel zu knapp bemessen und die Finanzierung der praktischen Ausbildung wird allein auf die Schultern der pflegebedürftigen Menschen geladen. 3 Quelle: Schülerprognose und Schulabgängerprognose bis zum Schuljahr 2049/2050, Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NRW, 2014; Allgemeinbildende Schulen und Berufskolleg Seite 4 von 5
Konkreter Handlungsbedarf: 1. Die Förderung des schulischen Teils der Ausbildung wurde seit 2006 schrittweise von 317 Euro auf 280 Euro pro Altenpflegeschülerin bzw. pro Altenpflegeschüler reduziert. Gleichzeitig sind die Anforderungen an den Pflegeberuf und damit die Anforderungen an die Qualität der Ausbildung gestiegen. Statt entsprechend der gestiegenen Anforderungen die Förderung wieder anzuheben, hat die Landesregierung die Förderung in Höhe von 280 Euro Ende letzten Jahres in dem Gesetz zur finanziellen Beteiligung an den Schulkosten für die Ausbildung von Altenpflegerinnen und Altenpflegern und über die Berufsausübung der Gesundheitsfachberufe festgeschrieben. Damit lässt sich keine Ausbildung in der gebotenen Qualität gewährleisten. Unsere bereits lange vor dem Gesetzesbeschluss aufgestellten Forderungen behalten daher nach wie vor ihre Gültigkeit: Die Festschreibung des Förderbetrages von 280 Euro pro Platz im Monat durch das Land ist nicht annähernd ausreichend, um die fachlich-pädagogische Qualität der theoretischen Ausbildung zu gewährleisten. Wir fordern eine auskömmliche Finanzierung der schulischen Ausbildung in der Altenpflege. 2. Die Ausbildungsvergütung wird in NRW in einem Umlageverfahren über die Pflegesätze aller ambulanten Dienste und stationären Einrichtungen finanziert. Das bedeutet, dass die betroffenen Pflegebedürftigen, deren Angehörige oder die Sozialhilfeträger die Ausbildung bezahlen müssen. In der Krankenpflegeausbildung ist das anders. Hier werden die Kosten direkt von den Krankenkassen getragen. Wir fordern daher: Die Finanzierung der Altenpflegeausbildung muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe festgeschrieben werden. Die Ausbildungskosten müssen aus unserer Sicht direkt aus der Pflegeversicherung finanziert werden so wie die Krankenpflegeausbildung direkt von den Krankenkassen gezahlt wird. Wir fordern die Landesregierung auf, sich gegenüber dem Bundesgesetzgeber dafür stark zu machen. Freie Wohlfahrtspflege NRW im Mai 2015 Seite 5 von 5