Executive Summary Neighborhood Fighting a Ring of Fire or Creating a Ring of Friends Leadership Seit dem 2. Weltkrieg ist die Anzahl der Kriege und bewaffneter Konflikte angestiegen. Länder und heutige Gesellschaften scheinen sich sowohl zahlenmäßig als auch in ihrer Komplexität ständig wachsenden Krisen gegenüber zu stehen: vom Ukraine-Konflikt, der Nordkorea-Krise, dem Streit um die Inseln im Süd-Chinesischen Meer, dem Israel-Palästina Konflikt, hin zum Krieg gegen den Islamischen Staat im Irak, Gewalt wegen religiöser Unterschiede in Myanmar, dem syrischen Bürgerkrieg, dem Uyghurs-Konflikt in China, den Kurdenkämpfe bis hin zum Konflikt zwischen Pakistan und Indien - und nicht zuletzt die scheinbar allgegenwärtigen Angriffe und Amokläufe der Terroristen in USA und Europa.
Laut dem Bertelsmann Transformations Index verschlechtern sich vor allem der Mittlere Osten, Nordafrika und Asien, wohingegen die amerikanischen Kontinente verhältnismäßig stabil und gefestigt sind, mit Ausnahme von Venezuela. Aber sogar in relativ stabilen Ländern, sehen sich viele Regierungen mit politischen und sozialen Konflikten konfrontiert. Wenn eine Krise in einem Nachbarstaat besteht, ist das Risiko sehr hoch, dass es zu einer Art Kettenreaktion kommt, sei es in Form von Flüchtlingsbewegungen, der Notwendigkeit humanitärer und/oder wirtschaftlicher Hilfe oder sogar eines bewaffneten Konflikts. Der Umgang mit Nachbarn ist nicht immer leicht. Wie bei Familienmitgliedern, kann man sich die Nachbarschaft nicht aussuchen. Stattdessen muss man irgendwie mit ihnen leben. Nachbarschaft ist nicht statisch; Nachbarschaft kann sich entwickeln, sich verschlechtern oder den Charakter komplett verändern langsam über einen bestimmten Zeitraum oder aber ganz plötzlich wegen massiver Intervention oder anderer Ereignisse. Durch den direkten Einfluss, den jegliche Veränderung im politischen oder wirtschaftlichen System eines Landes hat, muss Nachbarschaftspolitik daher neu gedacht werden. Vor allem für Europa hat sich die Situation in den letzten zehn Jahren dramatisch geändert. Was einmal als Ring of Friends rund um Europa angedacht war, hat sich zu einem Ring of Fire entwickelt mit folgenschweren Konsequenzen für die EU im Hinblick auf Migration und Terrorismus. Konsequenzen, die den Funken der Instabilität mitten in das Herz von Europa sprühen. Was einmal die Vision einer sich stetig positiv verändernden Region im Süden und Osten trug, ist in einen Ring of Fire umgeschlagen. In 12 von 16 Ländern der Europäischen Nachbarschaftspolitik bestehen eingefrorene Konflikten, Bürgerkriege, Gebietsbesetzungen oder zwischenstaatliche Kriege.
Die Entwicklung der Länder entlang der EU-Grenzen ist eines der Beispiele für die Dynamik, die nachbarschaftlichen Beziehungen innewohnt. Diese Beziehungen können sich grundlegend verändern je nach Entwicklung des relativen wirtschaftlichen Gewichts; des relativen politischen Gewichts; der politischen Richtung; des relativen militärischen Gewichts; der Sicherheitsangelegenheiten und externen Einmischungen; der regionalen und überregionalen Rahmenbedingungen; des Ausmaßes bilateraler Abhängigkeiten; der religiösen, ethnischen oder kulturellen Identitäten in den jeweiligen Nachbarschaftsländern; des Wohlfahrtsgefälles zwischen den Nachbarschaftsländern; der historisch umkämpften Gebiete und territorialer Ansprüche.
Das Spektrum der Beziehungen zwischen Nachbarschaftsländern umfasst verschiedene Ausprägungen von visa-freien Reiseabkommen und Freihandelszonen, Aufbau regionaler Wirtschaftsinstitutionen und Entwicklungsprogrammen bis hin zu Grenzschutz und Grenzpatrouillen, sowie Sanktionen und Anrufung internationaler Institutionen, um Streitigkeiten beizulegen ebenso wie militärische Interventionen. Der Anstieg der weltweiten Vernetzung durch Internet und Digitalisierung während der letzten 20 Jahre mag zu der Vorstellung geführt haben, die Welt sei ein globales Dorf, in dem das Nachbarschaftskonzept an Bedeutung verloren hat, da Grenzen nun leicht überschritten werden können und Kommunikation sofort die Menschen überall auf dem Globus erreicht. Diese Vernetzung hat jedoch auch eine viel stärkere gegenseitige Abhängigkeit mit sich gebracht, vor allem im Hinblick auf die direkten Nachbarn eines Landes. Klimawandel, natürliche und durch den Menschen gemachte Katastrophen (etwa nukleare Unfälle), Migration und Terrorismus erfordern internationale Allianzen, um derartige Krisen effizient zu bewältigen. Somit ist geographische Nähe generell ein Indikator für die Wichtigkeit einer Beziehung. Die in verschiedenen weltweiten Nachbarschaftsbeziehungen zu beobachtende Zwickmühle zwischen Wirtschaftsinteressen und staatlicher Eigenständigkeit scheint ein wesentliches Kriterium für Staaten zu sein, um einen Ansatz für Außen- und Nachbarschaftspolitik zu definieren. Das kann zu unterschiedlichen Konsequenzen führen, je nachdem welche Seite die Oberhand gewinnt. Der liberale Traum, im Sinne der Aufklärung und seine Traditionen, fördert Freiheit und Offenheit und, in Folge dessen, Globalisierung, freien Handel und (kontrollierte) Migration. Der autoritäre Traum hingegen stärkt den Sinn für Heimat und Identität. Er hält an Beschwörungen nationalen Stolzes (und der eigenen Überlegenheit) und den (früheren) goldenen Zeiten fest; Somit ist er ein Rückschritt von der Moderne. Der starke Identitätsfokus impliziert, dass Migration keine Vorteile bringen kann, da diese die Zusammensetzung einer Gesellschaft verändert und Einflussnahme auf Kultur und Tradition mit sich bringt. Die Auseinandersetzung dieser beiden gegensätzlichen Lager war vor der Entscheidung des britischen Referendums zum Verbleib in der EU in vollem Gang. Die beunruhigende Dominanz des autoritären Traums wurde auch nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei augenscheinlich.
Empfehlungen Eine Evaluation der historischen und aktuellen Beziehungen der drei Global Player (USA, China, Europäische Union) zu den Nachbarn vermittelt wertvolle Anregungen, wie eine erfolgreiche Nachbarschaft sich entwickeln könnte und sollte. Individuelle Ansätze im regionalen Kontext Nachbarländer neigen dazu, einzigartig zu sein und haben individuelle Interessen und Bedürfnisse. Daher wird ein one-size-fits-it-all Ansatz (wie z. B. im Rahmen der ENP) nicht funktionieren. Die Europäische Union und China haben beide sehr diverse und zahlreiche Nachbarstaaten, die individuell zu behandeln sind, ohne den regionalen Kontext aus dem Blick zu verlieren. Strategische Prioritäten zuerst definieren Abhängig vom momentanen Status bilateraler Beziehungen gibt es immer wieder aktuelle Entwicklungen, die Nachbarschaftspolitik in den Fokus nehmen muss. Ob bei Migration oder der Absicherung von wirtschaftlichen Investitionen: Jede Priorisierung muss zunächst definiert werden, um diese möglicherweise mit den Prioritäten des Nachbarlandes abzustimmen und um Programme und Politik so zu gestalten, dass diese für beide Parteien vorteilhaft sind. Instrumente verbessern und erweitern. Bilaterale Handelsabkommen und Sicherheitsmaßnahmen waren bisher die wichtigsten Instrumente, um Nachbarschaftspolitik zu gestalten. Kultureller Austausch, Bildungskooperationen, gemeinsame Kommissionen zur Überwindung historischer Streitpunkte, Studierendenund Expertenaustausch, gemeinsame Entwicklungsprogramme etc., sollten ebenso als Mittel zur Erweiterung des gegenseitigen Verständnisses betrachtet werden. Entwicklungen zeitnah verfolgenund Adaptierungen einplanen. Während der letzten Jahre wurden viele politische Beobachter durch bestimmte Entwicklungen wie zum Beispiel den arabischen Frühling, den massiven Zustrom von Migranten und Flüchtlingen, das Ergebnis der Abstimmung zum Brexit und die Terrorattacken in europäischen Großstädten überrascht. Offensichtlich besteht eine Notwendigkeit, sich näher mit den Entwicklungen in den Nachbarländern zu befassen, um früh genug auf Zeichen fundamentaler Änderungen aufmerksam zu werden.