Sitzung des Studienseminars Geschichte B I N N E N D I F F E R E N Z I E R U N G I M G E S C H I C H T S U N T E R R I C H T For a fair selection everybody has to take the same exam. Please climb that tree! 1. EINLEITUNG Dem aufgabenbasierten Geschichtsunterricht, etwa in Form von Lernstationen etc., ist letztlich bereits eine Differenzierung implizit, weil etwa in einer Lerntheke zur Dekolonisation jeder Schüler in seinem Tempo mit der von ihm bevorzugten Sozialform und gegebenenfalls auch über den von ihm bevorzugten inhaltlichen Zugang zum Stoff arbeiten kann. Neben einem sinnvollen Kern an verbindlichen Aufgaben gilt es optionale Aufgabenformate anzubieten, die durch differenzierende Perspektiven, Themen und Aufgabenformate Schülern adaptive Lernangebote machen. Die Praxis hat allerdings gezeigt, dass das noch nicht ausreichend ist, sondern auch innerhalb einzelner Aufgabenstellungen Differenzierung nötig ist, um vor allem den schwächeren Schülern konkrete Hilfe oder Anleitung zu geben, damit sie z.b. eine Quelle überhaupt erst einmal an ihrer Textoberfläche verstehen. Diese Passung der Aufgaben an die unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler wird durch Variation des Materials oder durch Variationen der Aufgabenstellung realisiert. Beispiele für Variationen des Materials sind naheliegend. Die Variation in der Aufgabenstellung zeigt sich hingegen vielfältiger. Organisch werden z.b. Hilfestellungen schon in der Art der Fragestellungen verborgen. Daneben lassen sich komplexe Aufgaben in Teilschritte zerlegen. Gute Erfahrungen haben wir auch mit Hilfekarten zu den Aufgaben gemacht, die sich Schüler bei Bedarf am Pult der Lehrkraft holen. Sie können aus Schaubildern, zu nutzenden Begriffsketten, aber auch ergänzenden Informationstexten bestehen oder bieten schlicht simple Lösungshilfen. Eher unbeliebt und meist
wenig effektiv war lernstrategischer Input wie Versucht zuerst das Problem in einem Schema/einer Skizze zu veranschaulichen. In der Praxis waren im Gegenteil nur die stärksten Schüler einem solchen Aufgabentransfer halbwegs gewachsen. Schließlich lässt sich auch auf der sozialen Ebene differenzieren, etwa indem in leistungshomogenen oder leistungsheterogenen Teams gearbeitet wird oder mittels der Etablierung von Expertensystemen. 1 2. MERKMALE BINNENDIFFERENZIERTER AUFGABEN 2 Binnendifferenzierte Aufgaben 2.1. berücksichtigen unterschiedliche Lernstände und Fähigkeitsniveaus 2.2. geben allen Schülern die Chance zur Bewältigung einer sie herausfordernden Aufgabe 2.3. bieten unterschiedliche und im Niveau variable Zugänge an 2.4. erlauben unterschiedliche Lernwege und Lernstrategien (zum Beispiel: offene Aufgaben, welchen dieses Prinzip implizit ist) 2.5. erlauben nach Möglichkeit kooperatives Problemlösen (Ko-Konstruktion) 3. KOMPETENZORIENTIERUNG UND BINNENDIFFERENZIERUNG 3.1. Die Aufgaben Im Rahmen der Kompetenzorientierung kommt den Aufgaben eine entscheidende Rolle zu. Da der Kompetenzorientierung ein konstruktivistischer Lernbegriff (Lernen als aktiver, konstruktiver, situativer, kumulativer, zielorientierter Prozess) zu Grunde gelegt wird, wird neben anderen Kriterien der Binnendifferenzierung der Aufgaben zu einem wichtigen Qualitätskriterium. 3.2. Bildungsstandards Kompetenzorientierte Aufgaben orientieren sich an Bildungsstandards, die [ ] der Leistungsheterogenität [ ] dadurch Rechnung tragen, dass sie im gleichen inhaltlichen Kontext ein breites Spektrum an unterschiedlichen Anforderungen und Schwierigkeiten abdecken. Dadurch können die Aufgabenbeispiele zugleich als Muster für einen differenzierenden Unterricht fungieren, in dem alle Kinder am gleichen Inhalt arbeiten, aber nicht unbedingt dieselben Aufgaben lösen. (KMK-Bildungsstandards Mathematik 2004, 13) 4. ASPEKTE DER BINNENDIFFERENZIERUNG 4.1. Adaptivität von Aufgaben Anknüpfen an unterschiedliche Voraussetzungen der Schüler durch entsprechende Variation von Materialien und Arbeitsaufträgen. In der didaktischen Theorie kann man alle offenen und vor allem wertenden Aufgabenformate bereits per se als adaptiv ansehen, weil es hier kein strenges Richtig 1 Spateneder, Wirksamer Geschichtsunterricht, 2017 2 In das Skript sind Informationen des Leitfadens für die Entwicklung kompetenzorientierter Aufgaben des ISB von 2013 eingeflossen
oder falsch gibt, wie bei Wissensfragen, sondern eher graduelle Unterschiede in der Güte der Antworten, so dass die Aufgaben eben adaptiv bearbeitet werden. 4.1.1. Differenzierende Materialangebote (z.b. statt Quelle einen Darstellungstext, zusätzliche Erläuterungen als Hilfestellung) 4.1.2. Aufgabenstellungen mit nach Schwierigkeit unterschiedlichen Zielen ( Deute die Statistik in eigenen Worten oder Nimm kritisch Stellung zu der Aussage dieser Statistik, unterschiedliche Antwortformate wie ganze Sätze, Stichpunkte, Diagramm, Forderung unterschiedliche Lernprodukte: Fülle den Lückentext oder Antworte in einem fortlaufenden Text in eigenen Worten ) 4.1.3. Veränderung der sprachlichen Komplexität der Aufgabenstellung (Verwendung einfacher Haupt- und Nebensätze oder komplexe Satzgefüge, zusätzliche irrelevante Informationen) 4.1.4. Unterschiedliche Zugänge zum Thema (kognitiv kreativ, Texte Bilder ) 4.1.5. Unterschiedliche Präsentation von Materialien und insb. Quellen (Verfremdung, Faksimile, lückenhafte Texte, Weglassen oder Hinzufügen von Kontexttexten zu Bildquellen etc.) 4.1.6. Hilfekärtchen als Lösungshilfe: Infokästen, Wortspeicher etc. anfügen, weglassen, bereitstellen 4.1.7. Kombination dieser Elemente 4.2. Pflicht- Wahl Konzepte bei Aufgaben Schüler wählen Aufgaben aus Aufgaben zu grundlegendem Wissen und zusätzliche Expertenaufgaben für Vertiefungen oder Randwissen (Speisekarte mit drei Gängen, fakultative Zusatzaufgaben und obligatorische Basisaufgaben, Punktesystem oder Klassifizierungssysteme für Aufgaben: ein rote, zwei gelbe und drei grüne Aufgaben etc.) 4.3. Scaffolding (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/scaffolding) 4.4. Inhaltlicher Input 4.4.1. Formulierung von Hinweisen als Aussage oder Fragesätze in der Aufgabenstellung: Deutsche Militärstrategen standen immer wieder vor dem Problem eines Zweifrontenkrieges. Erkläre, was damit gemeint ist. oder Erkläre, das militärstrategische Problem, das sich Deutschland aufgrund seiner geographischen Lage immer wieder stellte. ) 4.4.2. Hilfestellungen, die sich Schüler holen können, zum Beispiel am Pult der Lehrkraft (z.b. Hilfen auf Niveau 1, 2, und 3). Praxistipp: Bei der Präsentation der gestuften Hilfen kann man sich mit nummerierten Hilfekärtchen behelfen, welche die Schüler in Umschlägen erhalten. Bei Bedarf können sie sich die dazugehörige Hilfekarte mit einer gestuften Hilfe am Pult des Lehrers abholen 4.5. Lernstrategischer Input 4.5.1. Formuliert die Aufgabe in eigenen Worten 4.5.2. Erklärt Euch gegenseitig die Aufgabe in eigenen Worten 4.5.3. Schüler-Experten erklären die Aufgabe 4.5.4. Versuche, die wichtigen von den unwichtigen Informationen zu trennen 4.5.5. Was wisst ihr schon über den Sachverhalt und was könnt ihr daraus folgern? 4.5.6. Kennt ihr etwas Ähnliches? 4.5.7. Versucht das Problem in einem Schema/einer Skizze zu veranschaulichen 4.6. Lenkung durch Untergliederung einer Aufgabe in Teilaufgaben I
4.6.1. Beispiel ohne Teilaufgaben: Analysiere dieses Propagandabild aus dem 1. WK. 4.6.2. Beispiel mit Teilaufgaben: Analysiere dieses Propagandabild aus dem 1. WK. Gehe dabei wie folgt vor: a) Beschreibe das Bild b) Bestimme den Urheber des Bildes. c) Überlege, an welche Zielgruppe sich dieses Bild wendet. d) Deute, welche Wirkung der Urheber bei seiner Zielgruppe erreichen wollte. Beim Prinzip der gestuften Hilfestellungen dieser Art sollten solche kleinschrittigen Anleitungen im Lernprozess wo sie von Nöten sind, genutzt werden, um sie später dieses Gerüst einer Anleitung wieder wegzulassen 4.6.3. Beispiel Quellenanalyse: Für schwache Schüler respektive Schüler sprachlichen Schwierigkeiten hat sich gezeigt, dass in eigenen Aufgabenstellungen zunächst das Verständnis der Textoberfläche einer Quelle gesichert werden muss, zum Beispiel durch eine Satz für Satz Übertragung des Inhalts in die Sprache der Schüler. 4.7. Differenzierung auf der sozialen Ebene I: 4.7.1. Möglichkeiten institutionalisieren, Experten Fragen zu stellen Schüler fragen Schüler, wenn sie nicht weiterkommen (muss etabliert werden) Schüler bieten sich, wenn Sie fertig sind ihren Mitschülern als Hilfslehrer an Kennzeichnung eines besonderen Bereichs im Klassenzimmer, wo man Experten (Schüler oder Lehrer) treffen kann Schüler schreiben im Lernprozess stumm an die Tafel, bei welcher Aufgabe sie Hilfe brauchen, Schüler der helfen kann, schreibt seinen Namen dazu, beide verlassen das Klassenzimmer und klären das Problem 4.7.2. Arbeit in leistungshomogenen und leistungsheterogenen Teams Nutzung des peer-topeer-effekts (Unterstützung durch die Peer Group als Form der Binnendifferenzierung) 4.7.3. Rollenverteilung innerhalb der Arbeitsgruppe (Zeitwächter usw.) 4.7.4. Unterschiedliche Sozialformen unter denen Schüler wählen können 4.8. Unterschiedliche Arbeitszeiten Mehr Zeit geben oder weniger Aufgaben auftragen, durch Lösungshilfen, Zwischenergebnisse auch schwächeren Schüler ermöglichen, die Aufgabe in der anberaumten Zeit zu lösen 5. ANREGUNGEN FÜR DIE ENTWICKLUNG VON AUFGABEN 5.1. Je mehr Teilaufgaben, umso kleinschrittiger ist der Lösungsweg vorstrukturiert Komplexität und Schwierigkeit von Aufgaben lassen sich so reduzieren 5.2. Aufgaben werden umso schwieriger, je mehr Vorwissen vorausgesetzt wird und je höher die Anforderungen an das Ergebnis sind 5.3. Schwierigkeit kann erhöht werden, indem man eine Bewertung oder Beurteilung oder Reflexion des Sachverhalts fordert (ist schon per se adaptiv)
6. WEITERE MÖGLICHKEIT DER SYSTEMATISIERUNG Binnendifferenzierung ist möglich durch 6.1. Material 6.2. Aufgaben 6.3. Grad der Unterstützung 6.4. Lernprodukt