Rechtsanwalt Dr. Tobias Weimer, M.A. Fachanwalt für Medizinrecht RA Dr. Tobias Weimer
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Die Lagerungs-Brennpunkte (Auswahl) - Pflegestandard: Lagerung - Lagerung auf dem OP-Tisch (Lagerungshlefer) - Dokumentation 3
Grundlagen der Haftung Haftungsdreieck Patient Behandlungsvertrag Krankenhausträger Kein Vertrag, aber 823 BGB Arbeitsvertrag Pflegemitarbeiter Achtung: Patientenrechtegesetz gilt ab 01.01.2013 und enthält einen eigenen Abschnitt Behandlungsvertrag, 630 a ff. BGB 4
Brennpunkt: Pflegestandard Lagerung 5
Sorgfältige & ordnungsgemäße Lagerung stellt wesentlichen Gesichtspunkt der Dekubitusprophylaxe! 6
(Pflege-) Standard Maßstab: Das Verhalten einer durchschnittlich befähigten, gewissenhaften Pflegefachkraft in der konkreten Pflegesituation Beurteilungsperspektive: ex ante!! 7
Haftungsmaßstab/Pflegestandard Expertenstandard der DNQP Pflege von Menschen mit chronischer Wunde, 2008 Dekubitusprophylaxe in der Pflege, 12/2012 Expertenstandards rechtsverbindlich? 8
Haftungsmaßstab: Expertenstandard Früher: umstritten, ob rechtsverbindlich oder ein bloßes Anleitungsund Koordinationsinstrument für pflegerisches als auch ärztliches Handeln. Jetzt: 113a Abs. 3 SGB XI, danach sind Expertenstandards für alle Pflegekassen und deren Verbände sowie für die zugelassenen Pflegeeinrichtungen unmittelbar verbindlich. 9
Haftungsmaßstab: Expertenstandard Expertenstandards tragen für ihren Themenbereich zur Konkretisierung des allgemein anerkannten Standes der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse bei, vgl. 113a Abs. 3 SGB XI. 10
Cave! Die Expertenstandards sind von den zugelassenen Pflegeeinrichtungen ausdrücklich anzuwenden, vgl. 112 Abs. 2 SGB XI. 11
Ansonsten droht.. 12
durch den MDK. Der MDK wird im Rahmen seiner Qualitätsprüfungen nach 114 SGB XI die Einhaltung der Expertenstandards überprüfen. durch die Krankenkasse. Die Krankenkassen gehen immer mehr dazu über, Behandlungskosten wegen Dekubital-Erkrankungen abzulehnen & Folgekosten im Regresswege einzufordern. 13
Krankenkassen-Sicht: Behauptung: Ein Dekubitus ist immer vermeidbar. Das Auftreten eines erheblichen Druckgeschwürs lässt regelmäßig auch bei einem Schwerstkranken auf grobe Pflege- und/oder Lagerungsmängel schließen. OLG Köln, Urt. v. 04.08.1999 5 U 19/99 14
aber: Behauptung nicht richtig!! Die Ausbildung eines Dekubitus kann durchaus schicksalhaft entstehen. Auch bei Beachtung größtmöglicher Sorgfalt ist dieser nicht in jedem Falle zu verhindern. Dies gilt namentlich bei besonders kritischen Patienten, bei denen die Dekubitusgefahr durch hohes Körpergewicht und durch Diabeteserkrankung in besonderer Weise erhöht ist. OLG Köln, Beschl. v. 20.08.2007 5 U 87/7 15
Die Pflegefachkraft verfügt über u.a. über aktuelles Wissen zu krankheitsspezifischen Maßnahmen je nach Wundart (z.b. Druckentlastung). Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischer Wunde, Jan. 2008 16
Recht 17
Verwendung von druckverteilenden Hilfsmitteln reduzieren Belastung (z.b. großzellige, dynamische Matratzen) zusätzlich zur Druckentlastung (z.b. Positionswechsel, Bewegungsförderung) Expertenstandard Dekubitusprophylaxe, S. 31 f. 18
Pflegemaßnahmen bei bestehendem Dekubitusrisiko: z.b. Lagerungswechsel (grds. alle 2 Std., aber Erstellung individueller Lagerungspläne) Bei bestehendem Dekubitus sind betroffene Körperpartien von Druck gänzlich zu befreien. Einsatz Druck reduzierender Hilfsmittel (z.b. dynamische Systeme, Gel-Pads, Polymer-Pads) 19
Beispiel: Die intraoperative Periode stellt für den Patienten eine erhebliche Dekubitusgefahr dar. 20
Multiple beeinflussende Faktoren: Alter, Gewicht, Art der Operation, Verwendung von Heizdecken, Dauer der Operation, extrakorporale Zirkulation etc. 21
Brennpunkt: Lagerung auf dem OP-Tisch 22
Verantwortlichkeiten für Lagerung auf dem OP-Tisch Faustformel Der Operateur ist für alle Lagerungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Operation zuständig. Der Anästhesist trägt Verantwortung für alle Lagerungen, die aufgrund der Narkose notwendig sind. Beachte! Letzte Kontrolle obliegt Ärzten, soweit OP-Pflegepersonal oder Anästhesiefachpflegepersonal Lagerung im OP vornimmt! 23
Cave! Ordnungsgemäße Lagerung auf dem OP-Tisch samt Überprüfung während der OP ist vom Klinikpersonal vollbeherrschbares Risiko! OLG Thüringen, Urt. v. 28.03.2007 4 U 1030/04 Ist bewiesen, dass Schädigungsursache aus einer voll beherrschbaren Risikosphäre entstammt, muss sich die Behandler- bzw. Beklagtenseite hinsichtlich Pflichtwidrigkeit / Verschulden entlasten. BGH, Urt. v. 20.3.2007 VI ZR 158/07 24
Ausnahme! Keine Beweislastumkehr bei OP-Lagerung, wenn der Patient eine im Voraus nicht erkennbare seltene körperliche Anomalie aufweist, die ihn für den eingetretenen Schaden anfällig macht. Beispiel: Nervläsion bei Lagerung wegen beidseitigem hypertrophischen Querfortsatz des 7. Halswirbels (so OLG Thüringen, Urt. v. 28.03.2007 4 U 1030/04) 25
Ausnahme! Keine Beweislastumkehr bei OP-Lagerung, wenn der Patient vor der Operation dem medizinischen Standard entsprechend gelagert worden ist, und diese vor dem Beginn der Operation auch kontrolliert wurde. Es ist nicht beherrschbar, dass es während der OP nicht zu minimalen, nicht vermeidbaren Verlagerungen z.b. der Beine und dadurch zu Druckstellen kommt. OLG Hamm, Urt. v. 20.05.2012 I-26 U 23/10 26
Optimale Lagerung auch unter Verwendung von Hilfsmitteln bietet nicht immer sicheren Schutz vor der Entstehung von Druckstellen. Sicherheit bietet auch nicht der Einsatz eines Lagerungshelfers, da die Pflicht zur fehlerfreien Lagerung davon unabhängig besteht. Die Verlagerung von Aufgaben aus dem ärztlichen u./o. pflegerischen Bereich auf OP-Hilfskräfte ergibt keinen anderen Qualitätsstandard. OLG Hamm, Urt. v. 20.05.2012 I-26 U 23/10, in PKR 4/11, S. 90 ff. 27
Patientin wird 2,5 Stunden lang an der Schulter operiert und erleidet in der Folge einen Dekubitus. Krankenkasse fordert Behandlungskosten. Gutachter stellt fest, dass aufgrund des Alters, des Übergewichts und der sonstigen Risikofaktoren des Patienten, die Entstehung eines Dekubitus trotz aller Sorgfalt nicht zu vermeiden war. Oberlandesgericht Köln Hinweisbeschluss vom 20.8.2007 5 U 87/07 Besondere Bedeutung im Blick auf OLG Köln Urt. v. 4.8.1999
Brennpunkt: Dokumentation 29
Dokumentation Dekubitus-Prophylaxe Im Krankenblatt eines Krankenhauspatienten, bei dem die ernste Gefahr eines Dekubitus besteht, sind sowohl die Gefahrenlage als auch die ärztlich angeordneten Vorbeugemaßnahmen zu dokumentieren. BGH, Urt. v. 18.03.1986, VI ZR 215/84 30
OP Dokumentation Dekubitus-Prophylaxe - Grundsatz: Alle prophylaktischen & therapeutischen Maßnahmen müssen ordnungsgemäß und lückenlos dokumentiert werden. - Grundsatz: Die im OP durchgeführte Dekubitusprophylaxe muss dokumentiert werden! 31
OP Dokumentation Lagerung - Technik der Lagerung sowie Lagewechsel des Patienten während OP ist schlagwortartig (Ausnahme: Abweichen von Standard der Lagerungsmethode!) zu dokumentieren. Maßstab: Erkennbarkeit der Lagerungsmethode aus Dokumentation für Fachmann! - Wer war an Lagerung o. Lagewechsel beteiligt? Sind & wenn ja, welche Lagerungshilfsmittel eingesetzt worden? 32
OP Dokumentation Dekubitus-Prophylaxe - Klägerin erlitt Schlaganfall, Lungenödem, erhöhter Hirndruck, Magen-Darm-Blutung, lag apathisch im Bett Dekubitus am Steißbein! - Fehlende Dokumentation der prophylaktischen & therapeutischen Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Behandlung führte zur Haftung! - Beweislastumkehr zu Lasten der Behandler wegen Dokumentationslücken. 33
Versicherungsrecht: Sofern der Krankenhausträger eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, die auch die Deckung für die persönliche gesetzliche Haftpflicht der Mitarbeiter für ihre dienstlichen Tätigkeiten bietet, besteht Versicherungsschutz für die zivilrechtliche Haftung! 34
Fazit: Arbeiten Sie immer sorgfältig, dann kann Ihnen nichts passieren!
RA Dr. Tobias Weimer, M.A. 36
Noch Fragen?? 37
Kontakt Dr. Tobias Weimer, M.A. Fachanwalt für Medizinrecht Master of Arts - Management von Gesundheitseinrichtungen Frielinghausstr. 8 44803 Bochum Tel.: 0234 60 49 11 92 Fax.: 0234 60 49 11 94 Mobil.: 0179-4872 - 947 weimer@kanzlei-weimer-bork.de www.kanzlei-weimer-bork.de 38