Fall 18 a Atomausstieg II (Verhältnismässigkeit des Grundrechtseingriffs, legitimer Zweck, Geeignetheit, Angemessenheit; Art.

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Transkript:

Fall 18 a Atomausstieg II (Verhältnismässigkeit des Grundrechtseingriffs, legitimer Zweck, Geeignetheit, Angemessenheit; Art. 14 GG) Fortsetzung zu Fall 18 Atomausstieg : Genügt das Gesetz dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit? Die Kernenergiebetreiber tragen hierzu vor, dass erstens der Ausstieg aus der Kernenergie nicht dem Gemeinwohl entspreche, da der Kernenergieausstieg auf der anderen Seite zu einer erhöhten Belastung der Umwelt führe, da infolge der Notwendigkeit eines verstärkten Rückgriffs fossile Energieträger ein erhöhter Ausstoß von Kohlendioxid und außerdem kurz- wie auch mittelfristig eine Erhöhung der Energiepreise zu erwarten sei. Dies wiederum könne zu sozialen Verwerfungen führen. Zweitens sei der Ausstieg aus der Kernenergie gar nicht geeignet, die durch die Kernenergienutzung ausgelösten Gesundheitsgefahren zu reduzieren, da in den Nachbarstaaten Kernkraftwerke betrieben würden, die durchweg niedrigere Sicherheitsstandards aufwiesen als die deutschen KKW`s. Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 21. Auflage 2005, Rn. 279-297; 893-958a; S. 22-25.

Fall 19 Kind als Schaden?! (Kommerzialisierung eines Menschen; Art. 1 I GG) Die F und der M wollen keine weiteren Kinder mehr. Die F lässt sich daraufhin von dem Arzt A sterilisieren. Dennoch wird die F kurze Zeit später schwanger und bringt ein gesundes Kind zur Welt. Die F und der M verklagen daraufhin den A auf Schadensersatz in Höhe des aufgrund der mangelhaften Behandlung entstehenden Unterhaltsmehraufwands. Der A trägt vor, bei dem durch ein unerwünschtes Kind verursachten Unterhaltsaufwand handelt es sich nicht um einen Schaden im rechtlichen Sinne, da dies mit der Menschenwürdegarantie nicht zu vereinbaren sei (BVerfGE 96, S. 375, 400 f. 1. Senat; anders BVerfGE 96, S. 409, 412 f. 2. Senat). S. 60/61; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 21. Auflage 2005, Rn. 349 ff.

Fall 20 Die lebenslange Freiheitsstrafe (Art. 1 I GG) Der Angeklagte des Ausgangsverfahrens war vor dem Landgericht wegen Mordes angeklagt worden. Das Landgericht sah sich jedoch zu einer Verurteilung wegen Mordes außerstande, da es die in 21 StGB allein angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe für verfassungswidrig hielt, so dass es das Verfahren aussetzte und beim Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Normenkontrolle beantragte (BVerfGE 45, 187). S. 62-65; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 21. Auflage 2005, Rn. 349 ff.

Fall 21 Der verweigerte Reisepass (allgemeine Handlungsfreiheit, verfassungsmäßige Ordnung als Schranke; Art. 2 I GG) Elfes hatte bis 1933 dem Reichsvorstand der Zentrumspartei angehört und war u.a. Mitglied des Preußischen Staatsrats. Von 1927 bis 1933 war er Polizeipräsident in Krefeld, ab 1945 Oberbürgermeister der Stadt Mönchengladbach, später dort Oberstadtdirektor. 1947 wurde er als Mitglied der CDU in den Landtag von Nordrhein-Westfalen gewählt. Ab Anfang der 50er Jahre war Elfes führend im Bund der Deutschen tätig, der die Politik der Bundesrepublik Deutschland insbesondere in Fragen der Wehrpolitik und der Wiedervereinigung öffentlich auf Veranstaltungen und Tagungen im In- und Ausland bekämpfte. Im Jahr 1953 beantragte Elfes bei der Passbehörde von Mönchengladbach die Verlängerung seines Reisepasses. Diese wurde ihm ohne nähere Begründung unter Hinweis auf 7 Abs. 1a) des Gesetzes über das Passwesen versagt. Dort heißt es: Der Pass ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass (...) der Antragsteller als Inhaber eines Passes die innere oder die äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland oder eines deutsches Landes gefährdet. Wegen des Passzwanges hatte die Versagung für Elfes die Folge, nicht mehr ins Ausland reisen zu können. Sein Widerspruch und seine Klage vor den Verwaltungsgerichten blieben erfolglos. Gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erhob Elfes erfolgreich Verfassungsbeschwerde (Sachverhaltsschilderung nach Richter/Schuppert/Bumke, Casebook Verfassungsrecht, S. 68)

S. 68/69; Pieroth/Schlink Staatsrecht II, 21. Auflage 2005, Rn. 367 ff.

Fall 22 Reiten im Walde (grundrechtsrelevante Betätigungen, Bezug zur Persönlichkeitsentfaltung; Art. 2 I GG) Das nordrhein-westfälische Landschaftsgesetz erlaubt das Reiten im Walde grundsätzlich nur auf solchen Wegen, die als Reitwege gekennzeichnet sind. Wird dadurch die freie Entfaltung der Persönlichkeit von Reitern verletzt, die außerhalb der ausgewiesenen Wege ihrem Sport nachgehen wollen? (nach BVerfGE 80, 137) S. 69-72; Pieroth/Schlink Staatsrecht II, 21. Auflage 2005, Rn. 367 ff.

Fall 23 Die Bürgschaft (allgemeine Handlungsfreiheit, Privatautonomie; Art. 2 I GG) V beantragt bei seiner Hausbank eine Verdoppelung seines Kreditlimits. Zur Sicherheit verbürgt sich seine 21-jährige überwiegend arbeitslose Tochter T selbstschuldnerisch mit einem Höchstbetrag von 50.000.-. Die Bank nahm die T aus der Bürgschaft in Anspruch und klagte vor dem Zivilgericht erfolgreich auf Zahlung. Gegen das letztinstanzliche Urteil legte die T Verfassungsbeschwerde ein (nach BVerfGE 89, 214). Mit Erfolg? S. 75-77; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 21. Auflage 2005, Rn. 367 ff.

Fall 24 Der allwissende Staat?! (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 I GG, Art. 1 I GG) Im Volkszählungsgesetz 1983 war eine weitreichende Datenerhebung vorgesehen, die von ehrenamtlichen Zählern mit Hilfe von Fragebögen durchgeführt werden sollte. Die Datenerhebung sollte der Planung der öffentlichen Hand, der Wissenschaft und einem Melderegisterabgleich dienen. In der Bevölkerung bestanden erhebliche Besorgnisse über die Folgen der Datenerhebung. Es kam daraufhin zu zahlreichen Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz (nach BVerfGE 65, S. 1 ff. Volkszählung) S. 80-83.; Pieroth/Schlink Staatsrecht II, 21. Auflage 2005, Rn. 313, 373 f.

Fall 25 Der unliebsame Name (allgem. Gleichheitssatz, Neue Formel, Rechtfertigung v. Ungleichbehandlungen, die sich auf die Ausübung v. grundrechtlich geschützten Freiheiten auswirken; Art. 3 I GG) Das TranssexuellenG a.f. schloss eine Vornamensänderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres aus. Der 22-jährige Transsexuelle T, der sich aufgrund seiner sexuellen Prägung seit einer ganzen Reihe von Jahren nicht mehr als Mann, sondern dem anderen Geschlecht zugehörig fühlt, und seinen Vornamen entsprechend ändern wollte, sah in der Festlegung dieser Altersgrenze eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Zu Recht? (nach BVerfGE 88, 87, 97 ff.). Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 21. Auflage 2005, Rn 428 ff.; S. 99-112.

Fall 26 Mit zweierlei Maß gemessen?! (allgem. Gleichheitssatz, Neue Formel, Rechtfertigung v. Ungleichbehandlungen, Differenzierungsziel und -kriterium; Art. 3 I GG) Der Gesetzgeber hat die arbeitsrechtlichen Kündigungsfristen für Angestellte und Arbeiter unterschiedlich geregelt. Das Arbeitsverhältnis eines Angestellten kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden; hingegen kann das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von nur zwei Wochen gekündigt werden (BVerfGE 82, 126). Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 21. Auflage 2005, Rn. 428 ff; Richter/ Schuppert/ Bumke, Casebook Verfassungsrecht, 4. Auflage 2001, S. 107-110.

Fall 27 Nachtarbeitsverbot (bes. Gleichheitssatz, biologische oder funktionale Unterschiede als zwingenden Differenzierungsgründe?, Gleichberechtigungsgebot- Erstreckung auf die gesellschaftliche Wirklichkeit; Art. 3 II GG) Die Unternehmerin U beschäftigt in ihrem Unternehmen regelmäßig auch Arbeiterinnen zu nächtlicher Zeit. Sie wurde daraufhin mit einem Bußgeld belegt, da sie gegen 25 Abs. 1 Nr. 5 i.v.m. 19 Abs. 1 und 2 der Arbeitszeitordnung verstoßen habe, der die nächtliche Beschäftigung von Arbeiterinnen verbietet. Nach Ausschöpfung des Rechtsweges erhob U Verfassungsbeschwerde. Sie machte geltend, dass das Nachtarbeitsverbot gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 GG verstoße, da es willkürlich zwischen Männern und Frauen unterscheide. Die Grundlage für den Bußgeldbescheid sei daher verfassungswidrig. Dementsprechend sei sie in ihrem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, verletzt. Die Konkurrentin von U, die Unternehmerin K, war ebenfalls mit einem Bußgeld aus demselben Grunde belegt worden. Das mit dem Fall befaßte Amtsgericht setzte das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob 25 der Arbeitszeitordnung mit Art. 3 Abs. 3 vereinbar sei (nach BVerfGE 85, 191). Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, 21. Auflage 2005, Rn 428 ff. (insbes. 446-458); S. 112-115.