SEPSIS IM WOCHENBETT. Fallvorstellung Kerstin Schöfferle Christina Dörbecker

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Transkript:

SEPSIS IM WOCHENBETT Fallvorstellung 15.05.2013 Kerstin Schöfferle Christina Dörbecker

Laborbefunde Patientin A.K. *16.06.1994 Cervix-Abstrich am 17.08.2012 (19. SSW) Gram: Döderleinflora Kultur: reichlich Ureaplasma urealyticum Lokalbehandlung mit VagiC und Döderlein-Flora Vaginal-Abstriche am 24.08.2012 (20. SSW) und 30.10.2012 (21. SSW) Gram: Döderleinflora Kultur: Mycoplasma hominis/ureaplasma urealyticum nicht nachweisbar Vaginal-Abstrich am 05.12.2013 (34+1 SSW) Gram: Döderleinflora Kultur: spärlich Ureaplasma urealyticum und reichlich Escherichia coli 15.05.2013 Dr. Christina Dörbecker 2

Laborbefunde Patientin A.K. *16.06.1994 Sekundäre Sectio am 09.12.2012 (34+5 SSW) Fieber ab 11.12.2012 11.12.2013 Vaginal-Abstrich/Lochien Kultur: reichlich Klebsiella oxytoca Mycoplasma hominis/ureaplasma urealyticum nicht nachweisbar 11.12.2013 Sectio-Wunde oberflächlich Kultur: kein Wachstum 12.12.2012 Vaginal-Abstrich Kultur: Nachweis von reichlich Mycoplasma hominis und reichlich U. urealyticum 12.12.2012 Blutkulturen, 2 Paar 15 17 h und 16 00 h Bis zum 18.12.2012 kein Wachstum 15.05.2013 Dr. Christina Dörbecker 3

Laborbefunde Patientin A.K. *16.06.1994 am 18.12.2012 Anruf der Kollegen der Anästhesie-Intensivstation im Labor Koblenz zur Befundbesprechung und Antibiotika-Beratung Therapie-Empfehlung: + Levofloxacin und am gleichen Tag Subkulturen der bisher negativen Blutkulturen auf Mycoplasmen-Agar: nach 2 Tagen Wachstum von Mycoplasma hominis aus beiden aeroben Blutkultur-Flaschen, Subkulturen der anaeroben Blutkultur-Flaschen bleiben unbewachsen 15.05.2013 Dr. Christina Dörbecker 4

Labordiagnostik von Mycoplasma hominis und Ureaplasma urealyticum Flüssigmedium und Festnährboden: Differenzierung und Resistenztestung Mikroskopie von Mycoplasma- Kolonien: Spiegelei -Kolonien 15.05.2013 Dr. Christina Dörbecker 5

Kolonien von Mycoplasma hominis und Ureaplasma urealyticum Ureaplasmen Mycoplasmen 15.05.2013 Dr. Christina Dörbecker 6

Mycoplasma hominis in Blutkulturen Warum wurden die Blutkulturen vom Blutkultur-Gerät nicht positiv gemeldet? Antwort: Blutkultur-Medien enthalten SPS (Sodium Polyanethyl Sulfonat), das die im Blut enthaltenen antibiotischen Substanzen neutralisieren soll. Mycoplasmen und Ureaplasmen werden durch SPS gehemmt, so dass das Blutkultur-Gerät kein Wachstum detektiert. Subkulturen auf speziellen Mycoplasmen- Medien sind erforderlich! 15.05.2013 Dr. Christina Dörbecker 7

Erkrankungen durch urogenitale Mycoplasmen Vaginale Kolonisierungen nach Geschlechtreife und Partnerkontakt zu 40-80% mit Ureaplasmen 20-50% mit Mycoplasma hominis Beide Erreger sind häufig in hohen Keimzahlen bei Aminkolpitis nachweisbar: Ätiologie unklar Cervizitis, PID: Ätiologie ebenfalls unklar Urethritis und Zystitis (hohe Keimzahlen und Leukozyten-Nachweis) Mann: Urethritis, Prostatitis Schwangerschaft: Fieber nach Geburt, nach Abort Endometritis, Chorioamnionitis Neu-/Frühgeborene: Ureaplasmen-Pneumonie 15.05.2013 Dr. Christina Dörbecker 8

Wie häufig sind Septikämien durch urogenitale Mykoplasmen? Australische Studie in einer Frauenklinik mit 8000 Geburten jährlich, Zeitraum 1983-1994 (12 Jahre)(1): Blutkulturen von Patientinnen der Gynäkologie/Geburtshilfe mit klinischen Zeichen der Sepsis wurden 7 Tage bebrütet, nach 48h Subkulturen aller Blutkultur-Flaschen auf Mycoplasmen-Medien Ergebnisse: 340 Blutkulturen mit Erregernachweis, davon 31 (9,9%) mit Mycoplasma hominis, 30 (9,6%) zeigte Ureaplasma urealyticum D.h. fast jede fünfte Sepsis mit Erregernachweis war durch urogenitale Mycoplasmen verursacht, die jedoch nur durch Subkulturen detektiert werden konnte Klinischer Kontext: postpartales Fieber, Fieber nach Sectio (Mycoplasmen); Fieber nach Kurettage, Chorioamnionitis, Sepsis nach vaginaler HE, PID (Ureaplasmen) (1) Garland SM, Kelly VN: Role of genital mykoplasmas in bacteremia: should we routinely culturing for these organisms? Infect Dis Obstet Gynecol. 1996; 4 : 329-332 15.05.2013 Dr. Christina Dörbecker 9

Zusammenfassung und Fazit Bei postpartalem Fieber, insbesondere nach Sectio, und Fieber nach Abort an urogenitale Mycoplasmen denken und mit dem Labor kommunizieren (spezielle Anzuchtmethoden nötig!) Ein negativer Vaginal/Cervix-Abstrich auf Mycoplasmen oder Ureaplasmen schließt diese nicht aus (da empfindliche, anspruchsvolle Erreger: kurze Transportzeit, Anzucht kritisch) Betalaktamantibiotika sind unwirksam bei allen urogenitalen Mycoplasmen; Makrolide (z.b. Erythromycin) ist unwirksam bei Mycoplasma hominis Wirksam sind Fluorchinolone und Doxycyclin (bei Ureaplasmen auch Makrolide) 15.05.2013 Dr. Christina Dörbecker 10