Ernährungsbericht nur für Gesunde? Prof. Dr. Peter Stehle IEL - Ernährungsphysiologie

Ähnliche Dokumente
Ausgewogene Ernährung zur Gesundung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes

Sinn und Zweck von Functional food: Eine ernährungsphysiologische Bestandsaufnahme

Rede von Frau Katrin Sandmann Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Was heißt qualitätsgesichert - in der Prävention?

Nationaler Aktionsplan Ernährung NAP.e

Gesundheitspolitische Bedeutung der Beobachtungsstudie

Fachtagung des BAGSO-Projektes Im Alter IN FORM Potenziale in Kommunen aktivieren

in der Schulverpflegung in Mecklenburg-Vorpommern

Ernährungsmuster und Nährstoffzufuhr von Studentinnen und Studenten

Rede von Herrn Abteilungsleiter MinDirig Kühnle Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Die repräsentativen Daten zur Prävalenz von Präadipositas und Adipositas zeigen sehr deutlich, dass

Bundesrat Drucksache 428/08 (Beschluss) Beschluss des Bundesrates

voja Projekt ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung

Ernährung des Intensivpatienten: Wie lange darf ich warten?

Gesund älter werden in Deutschland

Wird unser Essen weiblich?

Landesbericht zum 13. Kinder- und Jugendbericht

Gemeinsam klug entscheiden in der Ernährungsmedizin. Leitlinie DAG. DGEM Fortbildung, Machern Prof. Dr. med. J. G.

Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit (GERN) ist ein Projekt im Rahmen von

Konsequenzen aus Sicht des BMG

Die Herausforderungen an das Gesundheitswesen in Sachsen-Anhalt

NDS RUE 1. Inhalt. Konsequenzen aus dem 6.SEB: Was will der Bund erreichen?

Textbausteine: Werbung mit der- Zertifizierung durch die DGE

Kurs 1: Grundlagen der Ernährung

Empfehlungen für Genuss und Nährstoffe für ältere Menschen

Chancen und Hürden des Transfers von Projekten auf andere Regionen. Mag. Angelika Stöckler, MPH, Ernährungs- und Gesundheitswissenschafterin

Sexuelle Gewalt gegen Frauen Betroffene versorgen und begleiten

Evidenzbasierte Ernährung: DGE-Leitlinie Fettkonsum und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter. Prof. Dr. Peter Stehle

So dick war Deutschland noch nie. Das Körpergewicht ist viel zu oft viel zu hoch. Prof. Dr. Helmut Heseker

Ernährungsbericht1984

Ein umfassender europäischer Rahmen für das Online-Glücksspiel - Die Mitteilung der Kommission und ihre Umsetzung

Exemplarisch: Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege

Nationale Strategie Palliative Care. Pia Coppex, Projektleiterin Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren GDK

Colecalciferol. Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Januar 2017

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

Armut und Verschuldung in der Schweiz

Entschließung des Bundesrates zur Umsetzung eines Nationalen Diabetesplans

IN FORM. Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung

2 Fettzufuhr in Deutschland. J. Linseisen

Ausgewählte Fragen und Antworten zur 2. Version der DGE-Leitlinie Fettzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten

Verordnung über Beiträge an die Bekämpfung von Krankheiten

Kriterien der Struktur- und Prozessqualität in stationären Einrichtungen

Der Beitrag von Nahrungsergänzungsmitteln zur Versorgung mit ausgewählten Nährstoffen

Gelius Heidelberg 12/2014

Gesundheitsorientierte Ernährung und Lebensmittelsicherheit aus Sicht eines Ernährungswissenschaftlers

Gesundheitspolitik und Psychotherapie

Ausbildung zum geriatrisch geschulten Koch

6 THESEN ZUR ZUKUNFT DER ERNÄHRUNG

Psychische Gesundheit

Demografischer Wandel auch in Zukunft gut versorgt?

Auf dem richtigen Weg? Ein kritischer

WIR SIND FÜR SIE DA!

Gesundheitsförderung für alle ab 60

Diabetes Surveillance am RKI Konzept und aktuelle Daten

Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung einer Influenza-Pandemie

Bewertung der Krankenhäuser die neuen

Ernährungs- und Gesundheitssituation pflegebedürftiger Seniorinnen und Seniorinnen in Privathaushalten und in Senioreneinrichtungen

Gesundheitsfördernde Ernährung Brauchen wir neue Lebensmittel? Prof. Dr. Peter Stehle Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften

Aktuelle Strategien der Krankenkassen im Qualitätsmanagement der Rehabilitation

Psychotherapie bei Diabetes: Weiterbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten

Beobachtungsstudie. Dipl.psych. Reinhard Mann. 26. Jahrestagung DAG BZgA-Symposium Berlin, 5. November 2010

Ernährung und Demenz Kompetenzcluster Diet-Body-Brain neue Ansätze in Forschung und Kommunikation

Mahlzeiten mit Genuss und ausgewogener Nährstoffversorgung Empfehlungen für ältere Menschen

Das Forschungsinstitut für Kinderernährung: Forschungsbereiche und aktuelle Themen. Prof. Dr. Mathilde Kersting

Linz, 2. Mai Presseinformation Krankenhaus der Elisabethinen Linz Strategie, Marketing & Öffentlichkeitsarbeit Fadingerstr.

Epidemiologische Beobachtungsstelle. Die Ernährung PASSI

Ernährungszustand und Essgewohnheiten

Schweizerische Adipositas-Stiftung SAPS

Zusammenarbeit in der Versorgung

Gesunde Ernährung für PatientInnen:

Ernährungsverhalten Studierender:

Prof. Dr. Stefan Greß. Mehr und besser qualifiziertes Personal im Krankenhaus

Public-Private-Partnership- Übungen im Krisenmanagement

Inhouse-Seminarangebote

Wie geht es weiter mit den Pflege-Qualitätsprüfungen? Alternative Bewertungskriterien: Ergebnisqualität

Errichtung einer Geschäftsstelle Nationaler Impfplan

Ernährungswissenschaften in Berlin und Brandenburg

BEOBACHTUNG VOLL DABEI. EinTrainingsprogramm für übergewichtige Kinder und Jugendliche

Jahresschwerpunkt 2017/2018

Erkennen der Mangelernährung bei alten Menschen

Ernährungssituation pflegebedürftiger Senioren in Privathaushalten

Alter gesund erleben,

Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung einer Influenza-Pandemie

gesund essen besser leben.

Patientinnen und Patienten mit Demenz im Allgemeinkrankenhaus

Unangeforderte Stellungnahme

UN-Behindertenrechtskonvention Umsetzung in der Praxis

2 Terminologie Tatjana Schütz Einleitung Screening und Assessment Ernährungsbedingtes Risiko Literatur...

Plattform Palliative Care

Leben in Bewegung. Teilprojekt 2: Bewusste Ernährung im Vorschulalter

Klinische Krebsregister

Klare Strukturen und planvolles Vorgehen sichern Qualität im BGM. Betriebliches Gesundheitsmanagement AWO OWL e.v.

Eidgenössisches Departement des Innern EDI Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV. Novel Food. 25. April 2017

Wer beansprucht physiotherapeutische Leistungen und wie oft? Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1)

Herzlich Willkommen. Prävention-was kann ich für meine Gesundheit tun?

Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit Zusammenfassung der Ergebnisse

NEWSLETTER November 2006 Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.v.

Die Nationale Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) des Bundes: Ihre Ziele und Folgen

Prof. Dr. Stefan Greß Prof. Dr. Klaus Stegmüller. Personalbemessung in der Pflege

Herzlich Willkommen! 4/12/2004 Ernährungslehre 1

Transkript:

Ernährungsbericht nur für Gesunde? Prof. Dr. Peter Stehle IEL - Ernährungsphysiologie 10. Juni 2016

Hintergrund (1) Wissenschaftlich belegt: Hohe Prävalenz von Fehl-/Mangelernährung bei stationärer Aufnahme Ernährungstherapeutische Maßnahmen werden (zu) selten initiiert Qualität der Krankenhauskost wird häufig nicht hinterfragt Regelmäßige Überprüfung des Essverhaltens fehlt Diagnostik zum Ernährungsstatus ist keine Routine Pirlich et al 2006, Schindler et al, 2014, Goisser et al, 2015, Wirth et al 2016

Hintergrund (2) Bekannt: Ein schlechter Ernährungsstatus vermindert in vielen Krankheitssituationen die Heilungschancen bzw. verzögert die Genesung Paradox: Trotz des Wissens schaffen wir es nicht, generelles Bewusstsein für diese Problematik zu wecken! Erklärung: Regelmäßiges Monitoring zur Ernährungssituation in Krankenhäusern fehlt Bewusstsein in der Politik, in der Bevölkerung, bei den Betroffenen wird nicht geschaffen!

Hintergrund (3) Nationale Aktionspläne (NAP) haben bisher nur die Prävention im Fokus: 1. Erwachsene sollen gesünder leben, Kinder gesünder aufwachsen und von einer höheren Lebensqualität und einer gesteigerten Leistungsfähigkeit in Bildung, Beruf und Privatleben profitieren. 2. Krankheiten sollen deutlich zurückgehen, die durch einen ungesunden Lebensstil mit einseitiger Ernährung und Bewegungsmangel mit verursacht werden.

Projekte des Bundes

Lösungsansätze Ernährung in Krankenhäusern und Betreuungseinrichtungen müssen Teil von NAPs werden: wir müssen die Politik überzeugen eine langfristige Aufgabe! International seit mehreren Jahren durchgeführte Erhebungen müssen in geeigneter Form in das nationale Gesundheitsmonitoring integriert werden Vorschlag: Aufnahme in die Systematik der Ernährungsberichte

Ernährungsberichte in D-A-CH Deutscher Ernährungsbericht seit 1968 alle 4 Jahre erstellt durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) im Auftrag des BMEL (früher auch BMG) Österreichischer Ernährungsbericht seit 1998 in 4- bis 5-jährigen Zeitabständen erstellt durch das Department für Ernährungswissenschaften (IfEw), Universität Wien im Auftrag des BMG Schweizerischer Ernährungsbericht im 7-jährigen Rhythmus herausgegeben vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) im Auftrag des Eigenössischen Departements des Innern

DGE-Ernährungsberichte 1968: Die DGE erhält von den Bundesministerien BMELV und BMG den Auftrag, einen Ernährungsbericht vorzulegen: Ziel.. ist es, gestützt auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse Unterlagen für die Aufklärung der Verbraucher über eine gesunde Ernährung zu liefern und den Erzeugern Hinweise für die Anpassung der landwirtschaftlichen Produktion an die ernährungsphysiologischen Notwendigkeiten zu geben. Außerdem soll der EB der Bundesregierung bei ihren agrar- und gesundheitspolitischen Maßnahmen als Entscheidungshilfe dienen. Finanzierung durch Projektmittel

DGE-Ernährungsberichte 30.06.1969 Vorlage des 1. Ernährungsberichts (140 Seiten) 1972 Vorlage des 2. Ernährungsberichts mit deutlich erweitertem Themenspektrum ab 1988 Englische Zusammenfassung bis 2000 Vorlage der Berichte im 4-Jahres-Rhythmus im Auftrag von BMELV und BMG ab 2004 Vorlage der Berichte im 4-Jahres-Rhythmus im Auftrag von BMELV

DGE-Ernährungsberichte - Organisation Benennung durch Wissenschaftliches Präsidium: Chefredaktion Themen Kapitelbetreuer Ausschreibung von Projekten ab 2012 in Eigenverantwortung Inhaltliche/Redaktionelle Arbeit HGSt der DGE, Bonn Referat Wissenschaft Abstimmung mit dem BMEL

DGE-Ernährungsberichte - Organisation Ab 2016 Veröffentlichung einzelnen Kapitel on-line nach Fertigstellung Aufnahme neuer, regelmäßig bearbeiteter Themenbereiche (!) Kapitelbetreuer

12. Ernährungsbericht - Inhalt Kapitel 1: Ernährungssituation in Deutschland Trendanalysen zum LM-Verbrauch auf Basis der Agrarstatistik (seit Beginn fortgeschrieben) Nationale Verzehrsstudie II LM-Verzehr Nährstoffzufuhr Supplementaufnahme Ernährungssituation verschiedener Bevölkerungsgruppen

12. Ernährungsbericht Beispiel Agrarstatistik Stehle 2014

12. Ernährungsbericht - Inhalt Kapitel 1: Ernährungssituation in Deutschland Jodversorgung von Schulkindern DONALD-Studie Übergewicht (Präadipositas und Adipositas) in Deutschland Notfallversorgung

12. Ernährungsbericht - Inhalt Kapitel 2: Ernährungssituation von Seniorinnen und Senioren mit Pflegebedarf in Privathaushalten (ErnSiPP-Studie) Kapitel 3: Situation, Qualität, Zufriedenheit mit dem Angebot von Essen auf Rädern

12. Ernährungsbericht - Inhalt Kapitel 4: Lebensmittelsicherheit Mikrobiologische Aspekte Unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln Kapitel 5: Prävention durch Ernährung Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebsentstehung Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die Gesundheit

DGE-Ernährungsberichte Bewertung Auftragsgemäß werden nur Fragestellung der Prävention behandelt Adressaten sind überwiegend Beratungskräfte, Entscheidungsträger in der Politik, Lebensmittelindustrie, Teile der Wissenschaft Langer Bearbeitungszeitraum (Abhilfe: Vorab- Veröffentlichung) Keine Einbeziehung anderer Fachgesellschaften mit Ernährungsbezug BMG gegenwärtig nicht integriert

Ernährungsberichte warum nur für Gesunde? Zukunftsperspektiven Monitoring der Ernährungssituation von Patientinnen und Patienten im Krankenhaus und stationär betreuten Personengruppen, z.b. in Pflegeheimen, als integraler Bestandteil von EBs Bewertung der erfassten Daten auf der Basis von international anerkannten Kriterien ggf. Empfehlungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation

Voraussetzungen für die Umsetzung Enge Kooperation zwischen DGEM und DGE (entsprechend auch in A und CH) Gemeinsame Erarbeitung und dauerhafte Implementierung eines Monitoring-Systems Gemeinsame Festlegung von Bewertungskriterien (Ernährungsstatus, Lebensmittelauswahl, Nährstoffzufuhr, Entscheidungshilfen für die Durchführung von Therapiemaßnahmen ) Einwerbung von Finanzmitteln Integration in nationales Gesundheitsmonitoring

Erweiterung von EBs mögliche Vorteile Regelmäßige Berichterstattung zur Vorlage bei den Ministerien Verstärkte mediale Aufmerksamkeit Bisher vernachlässigte wissenschaftliche Kooperation werden (re)aktiviert: Wir treten gemeinsam auf und sind daher stärker! Stärkung der Position von Ernährungswissenschaft/Ernährungsmedizin in der Hochschullandschaft: weitere Forschung zum Nährstoffbedarf, zu Stoffwechselveränderungen bei Krankheit etc. unabdingbar

Erweiterung von EBs mögliche Nachteile?????? open for discussion!!!

für ihre Aufmerksamkeit! Many thanks for your attention! 10. Juni 2016