Ernährungsbericht nur für Gesunde? Prof. Dr. Peter Stehle IEL - Ernährungsphysiologie 10. Juni 2016
Hintergrund (1) Wissenschaftlich belegt: Hohe Prävalenz von Fehl-/Mangelernährung bei stationärer Aufnahme Ernährungstherapeutische Maßnahmen werden (zu) selten initiiert Qualität der Krankenhauskost wird häufig nicht hinterfragt Regelmäßige Überprüfung des Essverhaltens fehlt Diagnostik zum Ernährungsstatus ist keine Routine Pirlich et al 2006, Schindler et al, 2014, Goisser et al, 2015, Wirth et al 2016
Hintergrund (2) Bekannt: Ein schlechter Ernährungsstatus vermindert in vielen Krankheitssituationen die Heilungschancen bzw. verzögert die Genesung Paradox: Trotz des Wissens schaffen wir es nicht, generelles Bewusstsein für diese Problematik zu wecken! Erklärung: Regelmäßiges Monitoring zur Ernährungssituation in Krankenhäusern fehlt Bewusstsein in der Politik, in der Bevölkerung, bei den Betroffenen wird nicht geschaffen!
Hintergrund (3) Nationale Aktionspläne (NAP) haben bisher nur die Prävention im Fokus: 1. Erwachsene sollen gesünder leben, Kinder gesünder aufwachsen und von einer höheren Lebensqualität und einer gesteigerten Leistungsfähigkeit in Bildung, Beruf und Privatleben profitieren. 2. Krankheiten sollen deutlich zurückgehen, die durch einen ungesunden Lebensstil mit einseitiger Ernährung und Bewegungsmangel mit verursacht werden.
Projekte des Bundes
Lösungsansätze Ernährung in Krankenhäusern und Betreuungseinrichtungen müssen Teil von NAPs werden: wir müssen die Politik überzeugen eine langfristige Aufgabe! International seit mehreren Jahren durchgeführte Erhebungen müssen in geeigneter Form in das nationale Gesundheitsmonitoring integriert werden Vorschlag: Aufnahme in die Systematik der Ernährungsberichte
Ernährungsberichte in D-A-CH Deutscher Ernährungsbericht seit 1968 alle 4 Jahre erstellt durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) im Auftrag des BMEL (früher auch BMG) Österreichischer Ernährungsbericht seit 1998 in 4- bis 5-jährigen Zeitabständen erstellt durch das Department für Ernährungswissenschaften (IfEw), Universität Wien im Auftrag des BMG Schweizerischer Ernährungsbericht im 7-jährigen Rhythmus herausgegeben vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) im Auftrag des Eigenössischen Departements des Innern
DGE-Ernährungsberichte 1968: Die DGE erhält von den Bundesministerien BMELV und BMG den Auftrag, einen Ernährungsbericht vorzulegen: Ziel.. ist es, gestützt auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse Unterlagen für die Aufklärung der Verbraucher über eine gesunde Ernährung zu liefern und den Erzeugern Hinweise für die Anpassung der landwirtschaftlichen Produktion an die ernährungsphysiologischen Notwendigkeiten zu geben. Außerdem soll der EB der Bundesregierung bei ihren agrar- und gesundheitspolitischen Maßnahmen als Entscheidungshilfe dienen. Finanzierung durch Projektmittel
DGE-Ernährungsberichte 30.06.1969 Vorlage des 1. Ernährungsberichts (140 Seiten) 1972 Vorlage des 2. Ernährungsberichts mit deutlich erweitertem Themenspektrum ab 1988 Englische Zusammenfassung bis 2000 Vorlage der Berichte im 4-Jahres-Rhythmus im Auftrag von BMELV und BMG ab 2004 Vorlage der Berichte im 4-Jahres-Rhythmus im Auftrag von BMELV
DGE-Ernährungsberichte - Organisation Benennung durch Wissenschaftliches Präsidium: Chefredaktion Themen Kapitelbetreuer Ausschreibung von Projekten ab 2012 in Eigenverantwortung Inhaltliche/Redaktionelle Arbeit HGSt der DGE, Bonn Referat Wissenschaft Abstimmung mit dem BMEL
DGE-Ernährungsberichte - Organisation Ab 2016 Veröffentlichung einzelnen Kapitel on-line nach Fertigstellung Aufnahme neuer, regelmäßig bearbeiteter Themenbereiche (!) Kapitelbetreuer
12. Ernährungsbericht - Inhalt Kapitel 1: Ernährungssituation in Deutschland Trendanalysen zum LM-Verbrauch auf Basis der Agrarstatistik (seit Beginn fortgeschrieben) Nationale Verzehrsstudie II LM-Verzehr Nährstoffzufuhr Supplementaufnahme Ernährungssituation verschiedener Bevölkerungsgruppen
12. Ernährungsbericht Beispiel Agrarstatistik Stehle 2014
12. Ernährungsbericht - Inhalt Kapitel 1: Ernährungssituation in Deutschland Jodversorgung von Schulkindern DONALD-Studie Übergewicht (Präadipositas und Adipositas) in Deutschland Notfallversorgung
12. Ernährungsbericht - Inhalt Kapitel 2: Ernährungssituation von Seniorinnen und Senioren mit Pflegebedarf in Privathaushalten (ErnSiPP-Studie) Kapitel 3: Situation, Qualität, Zufriedenheit mit dem Angebot von Essen auf Rädern
12. Ernährungsbericht - Inhalt Kapitel 4: Lebensmittelsicherheit Mikrobiologische Aspekte Unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln Kapitel 5: Prävention durch Ernährung Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebsentstehung Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die Gesundheit
DGE-Ernährungsberichte Bewertung Auftragsgemäß werden nur Fragestellung der Prävention behandelt Adressaten sind überwiegend Beratungskräfte, Entscheidungsträger in der Politik, Lebensmittelindustrie, Teile der Wissenschaft Langer Bearbeitungszeitraum (Abhilfe: Vorab- Veröffentlichung) Keine Einbeziehung anderer Fachgesellschaften mit Ernährungsbezug BMG gegenwärtig nicht integriert
Ernährungsberichte warum nur für Gesunde? Zukunftsperspektiven Monitoring der Ernährungssituation von Patientinnen und Patienten im Krankenhaus und stationär betreuten Personengruppen, z.b. in Pflegeheimen, als integraler Bestandteil von EBs Bewertung der erfassten Daten auf der Basis von international anerkannten Kriterien ggf. Empfehlungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation
Voraussetzungen für die Umsetzung Enge Kooperation zwischen DGEM und DGE (entsprechend auch in A und CH) Gemeinsame Erarbeitung und dauerhafte Implementierung eines Monitoring-Systems Gemeinsame Festlegung von Bewertungskriterien (Ernährungsstatus, Lebensmittelauswahl, Nährstoffzufuhr, Entscheidungshilfen für die Durchführung von Therapiemaßnahmen ) Einwerbung von Finanzmitteln Integration in nationales Gesundheitsmonitoring
Erweiterung von EBs mögliche Vorteile Regelmäßige Berichterstattung zur Vorlage bei den Ministerien Verstärkte mediale Aufmerksamkeit Bisher vernachlässigte wissenschaftliche Kooperation werden (re)aktiviert: Wir treten gemeinsam auf und sind daher stärker! Stärkung der Position von Ernährungswissenschaft/Ernährungsmedizin in der Hochschullandschaft: weitere Forschung zum Nährstoffbedarf, zu Stoffwechselveränderungen bei Krankheit etc. unabdingbar
Erweiterung von EBs mögliche Nachteile?????? open for discussion!!!
für ihre Aufmerksamkeit! Many thanks for your attention! 10. Juni 2016