Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit Wie groß ist der Mangel an neuen Wohnungen? Dr. Ralph Henger Gesprächskreis Mittelstand, Berlin, 3. April 2014
Kompetenzfeld Immobilienökonomik Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) ist das größte private Wirtschaftsforschungsinstitut in Deutschland Die Immobilienökonomik ist eines von elf Kompetenzfeldern im IW Köln Analyse der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Immobilienmärkte, insbesondere im Zusammenspiel mit den Finanzmärkten Untersuchung von strukturellen Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft Weitere Informationen: www.immobilienoekonomik.de Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 2
Inhalt Einleitung Demografische Entwicklung Auswirkungen auf die Wohnimmobilienmärkte Baubedarf vs. Bautätigkeit Schlussfolgerungen Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 3
Determinanten der Wohnflächennachfrage Demografische Faktoren Anzahl Altersstruktur Wanderungen Wohlstand Einkommen Beschäftigung Sozioökonomische Faktoren Individuellen Präferenzen Kultur Lebensstile Trends Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 4
Wieder mehr Wohnungsbau Fertigstellungen und Baugenehmigungen seit 1991 800.000 700.000 600.000 Baugenehmigungen Baufertigstellungen 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 270.000 230.000* 0 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 5, Reihe 1 Wohnungen einschl. Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden; *Schätzung Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 5
Angebot zieht langsam & gleichmäßig an Fertigstellungen nach Gebäudearten seit 1995 500.000 400.000 Ein- und Zweifamilienhäuser Mehrfamilienhäuser 300.000 200.000 100.000 +45 % seit 2010 80.900 122.360 0 Quelle: Statistisches Bundesamt Wohnungen in neu errichteten Wohngebäuden; *Schätzung Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 6
Wieder mehr Mietwohnungen Fertigstellungen nach Nutzung seit 1995 600.000 500.000 Mietwohnungen Eigenheime 400.000 300.000 200.000 100.000 0 +61 % seit 2010 120.000 110.000 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 5, Reihe 1 Wohnungen einschl. Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden; *Schätzung Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 7
Preise und Mieten auf dem Höhenflug (?) Steigerungsraten p.a. MFH (1. Quartal 2005 bis 4. Quartal 2013) 6% Marktmieten Deutschland 1,1% 6% Bestandsmieten Deutschland 0,4% 4% 2% 0% 2,5% 2,7% 1,8% 1,9% 1,2% Frankfurt Köln HamburgMünchen Berlin 4% 2% 0% 0,8% 0,7% 1,1% 0,8% 0,1% Frankfurt Köln Hamburg München Berlin 6% 4% 2% Preise Wiederverkauf Deutschland 1,6% 4,6% 4,8% 4,3% 3,0% 2,3% 6% 4% 2% 5,7% Preise Neubau 7,4% 7,0% 7,6% 5,0% Deutschland 4,9% 0% Frankfurt Köln HamburgMünchen Berlin 0% Frankfurt Köln HamburgMünchen Berlin Quelle: F+B Zum Vergleich: Preissteigerung p.a. im gleichen Zeitraum bei 1,8% Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 8
Sehr starke Dynamik seit 2010 Steigerungsraten p.a. MFH (1. Quartal 2010 bis 4. Quartal 2013) 6% 4% 2% Marktmieten Deutschland 1,6% 2,1% 2,1% 2,3% 2,5% 4,1% 6% 4% 2% 1,1% 0,9% Bestandsmieten 1,6% Deutschland 0,6% 1,1% 1,0% 0% Frankfurt Köln Hamburg München Berlin 0% Frankfurt Köln Hamburg München Berlin 10% 8% 6% Preise Wiederverkauf 8,9% 7,9% 7,9% 5,2% 5,1% Deutschland 4,1% 10% 8% 6% Preise Neubau 11,0% 11,9% 10,9% 8,1% 8,1% Deutschland 8,1% 4% 4% 2% 2% 0% Frankfurt Köln Hamburg München Berlin 0% Frankfurt Köln Hamburg München Berlin Quelle: F+B Zum Vergleich: Preissteigerung p.a. im gleichen Zeitraum bei 2,0% Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 9
Übersicht Baubedarfsprognosen Prognose der Anzahl der Haushalte / Wohnungen BBSR 2010: 183.000 / 256.000 Wohnungen pro Jahr bis 2025 (davon Ersatzbedarf ca. 50.000 / 80.000) Pestel Institut 2009: 400.000 Wohnungen p.a. bis 2025 (davon 175.000 Ersatzbedarf) Schätzungen Mieterbund 2012: 250.000 Wohnungen pro Jahr Ableitung der Wohnflächennachfrage auf Basis von Bevölkerungsprognosen, Umrechnung in Wohneinheiten IW Köln 2014: 224.000 Wohnungen pro Jahr bis 2030 (davon 100.000 Ersatzbedarf) Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 10
Inhalt Einleitung Demografische Entwicklung Auswirkungen auf die Wohnimmobilienmärkte Baubedarf vs. Bautätigkeit Schlussfolgerungen Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 11
Demografie: Deutschland schrumpft Bevölkerungsentwicklung bis 2060 in Millionen 85 80 75 70 14 % 65 Variante 1 - W2: Obergrenze der "mittleren" Bevölkerung, +200.000 Variante 1 - W1: Untergrenze der "mittleren" Bevölkerung, +100.000 21 % 60 2010 2020 2030 2040 2050 2060 Quelle: Statistisches Bundesamt 2009, 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 12
Deutschland wird älter Quelle: Statistisches Bundesamt 2009, 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Variante 1 - W1: Untergrenze der "mittleren" Bevölkerung Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 13
Erhebliche regionale Unterschiede Veränderung der Bevölkerung 2030 gegenüber 2012 Bundesland Veränderung in Prozent Veränderung Absolut Baden-Württemberg -0,7-70.000 Bayern 0,7 100.000 Berlin 5,5 190.000 Brandenburg -5,6-140.000 Bremen 0,1 1.000 Hamburg 6,8 120.000 Hessen -2,9-180.000 Mecklenburg-Vorpommern -12,3-200.000 Niedersachsen -4,6-370.000 Nordrhein-Westfalen -5,2-920.000 Rheinland-Pfalz -4,3-170.000 Saarland -10,8-110.000 Sachsen -10,0-410.000 Sachsen-Anhalt -18,5-430.000 Schleswig-Holstein -0,9-30.000 Thüringen -14,7-330.000 Deutschland -3,6-2.890.000 Quelle: IW Köln, Bertelsmann Stiftung Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 14
Anhaltende Wanderung in die Metropolen Zunahme der Bevölkerung (A-Städte in Tausend) 300 250 200 150 104 Veränderung 2022 gegenüber 2012** Veränderung 2012 gegenüber 2002* 100 50 0 105 160 67 26 13 51 39 50 57 14 9 23 19 München Berlin Hamburg Frankfurt Köln Düsseldorf Stuttgart Quelle: IW Köln, *Statistisches Bundesamt, **Bertelsmann Stiftung Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 15
Kompensation durch Zuwanderung? Nach Abwanderungsjahren 2008/2009 -> Starker Anstieg In Tausend 1.600 1.400 1.200 1.000 800 Zuzüge Fortzüge Saldo 600 400 2013: + 410 200 0-200 Quelle: Statistisches Bundesamt Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 *2013 auf Basis von Halbjahreszahlen geschätzt 16
Jeder Zweite in die Großstadt Nettozuwanderung nach Deutschland und Anteile in die Großstädte In Tausend 400 368 350 300 273 279 250 219 200 49% 150 143 127 50% 100 35% 36% 81 79 50 35% 44 48% 52% 24% 23 35% 0 91% 68% -50-13 -56-100 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Quelle: Statistisches Bundesamt Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 *2009 übersteig die Nettoabwanderung in die Großstädte die der gesamtdeutschen Nettoabwanderung 17
Inhalt Einleitung Demografische Entwicklung Auswirkungen auf die Wohnimmobilienmärkte Baubedarf vs. Bautätigkeit Schlussfolgerungen Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 18
Steigender Pro-Kopf-Bedarf Individuelle Wohnflächennachfrage in m² seit 1995 Alter, in Jahren Quelle: Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), IW Köln 1995 2000 2005 2010 2011 bis 18 26,6 28,7 29,5 30,3 30,8 19 bis 24 32,3 34,4 35,6 35,8 36,7 25 bis 44 34,4 37,2 38,7 42,2 40,8 45 bis 64 42,8 47,7 47,9 50,2 50,5 65 bis 79 52,9 55,7 56,4 60,9 60,7 80 und älter 56,2 59,8 62,1 65,3 63,7 Deutschland West 40,1 43,0 44,2 47,5 47,3 Ost (mit Berlin) 30,5 35,9 38,0 41,1 41,4 Insgesamt 38,3 41,7 43,1 46,2 46,2 Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 19
Große (Prognose-)Unsicherheit Zukünftige Pro-Kopf-Wohnfläche Für eine weiterhin steigende Pro-Kopf-Wohnfläche spricht: Seit 1990: Stetig 1 Prozent Wachstum p.a. (Starke Einkommensabhängigkeit) Steigende Haushaltszahlen noch bis 2020iger Trend zum Single-Haushalt ungebrochen Gegen steigende Pro-Kopf Wohnfläche Erste Sättigungstendenzen Steigende Energiekosten Re-Urbanisierung Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 20
Wohnflächennachfrage in Deutschland Veränderung nach unterschiedlichen Vorausberechnungsvarianten Untergrenze, Nettozuwanderung: 100.000 Obergrenze, Nettozuwanderung: 100.000 25% 20% 15% 10% Untergrenze, Nettozuwanderung: 200.000 Obergrenze; Nettozuwanderung: 200.000 20,0% 15,5% 14,3% 6,0% 5% 0% -5% 0,6% 1,4% -10% -15% -20% -8,7% -15,4% Quellen: IW Köln Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 21
Differenziertes regionales Bild Veränderung der Wohnflächennachfrage 2012 2030* in Prozent Schrumpfung der Wohnungsmärkte findet v.a. in Ostdeutschland statt Hamburg Berlin Aber auch Westdeutschland betroffen: Saarland, Oberfranken, Nordhessen, NRW etc. Sehr hoher Anstieg der Nachfrage in den Ballungszentren Hamburg, Frankfurt / Main, Köln und München Köln Frankfurt / Main München * Mittlere Variante; Quelle: IW Köln, Karte: Regiograph Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 22
Metropolen wachsen weiter Veränderung der Wohnflächennachfrage 2012 2030* Großstädte mit mehr als 500.000 Einwohnern 25% 20% 15% 10% 10% 11% 12% 13% 15% 16% 16% 17% 20% 23% 5% 0% 2% 4% * Mittlere Variante; Quelle: IW Köln, Bertelsmann Stiftung Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 23
Differenziertes Bild bei regionalen Zentren Veränderung der Wohnflächennachfrage 2012 2030 Großstädte mit mehr als 200.000 Einwohnern 20% 18% 15% 10% 5% 0% -5% -5% -3% -1% 0% 0% 1% 2% 2% 3% 4% 4% 4% 4% 6% 6% 11% 11% 11% 12% 12% 12% 13% 15% 13% -10% * Mittlere Variante; Quelle: IW Köln, Bertelsmann Stiftung Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 24
Inhalt Einleitung Demografische Entwicklung Auswirkungen auf die Wohnimmobilienmärkte Baubedarf vs. Bautätigkeit Schlussfolgerungen Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 25
Bedarf vs. Bautätigkeit Vergleich des theoretischen Baubedarfs mit aktueller Bautätigkeit 50.000 40.000-5.500 Baubedarf p.a. bis 2030 Bautätigkeit 2012 30.000 20.000 10.000-10.000-5.300-4.400 0 Quelle: IW Köln Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 26
Bedarf vs. Bautätigkeit Vergleich des theoretischen Baubedarfs mit aktueller Bautätigkeit 15.000-10.000 10.000-5.300-5.500 Baubedarf p.a. bis 2030 Bautätigkeit 2012 5.000 0 Quelle: IW Köln Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 27
Bedarf vs. Bautätigkeit Vergleich des theoretischen Baubedarfs mit Bautätigkeit 2012 In den meisten lokalen Wohnungsmärkten entspricht Bautätigkeit ungefähr dem langfristigen Baubedarf Wohnungsmangel herrscht in den Ballungszentren und Universitätsstädten, insbes. Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt / Main Köln Frankfurt / Main Hamburg Berlin Quelle: IW Köln, Karte: Regiograph Überschuss: > 500 Überschuss: < 500 Mangel: > -500 Mangel: < -500 in Wohneinheiten München Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 28
Ausweichreaktionen privater Haushalte Absorptionsmöglichkeiten der Wohnungsmärkte Wohnungsangebot vor Ort kann Nachfragesteigerung zum Teil ohne Neubau auffangen, etwa durch: Mehr kleinere Wohnungen (oft auch geringere Qualität) Mehr alternative Wohnformen (z.b. Wohngemeinschaften) Mehr Zwischen- und Untervermietungen Mehr Zwischennutzungen, weniger Leerstand Mehr Umnutzungen zu Wohngebäuden Mehr Abwanderung ins Umland (Aber auch: weniger Umzüge wegen zu hoher Marktmieten) Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 29
Inhalt Einleitung Demografische Entwicklung Auswirkungen auf die Wohnimmobilienmärkte Baubedarf vs. Bautätigkeit Schlussfolgerungen Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 30
Schlussfolgerungen Die gespaltene Republik Demografischer Wandel führt in vielen Metropolen zu einem Nachfrageüberhang nach Wohnraum und einem Anstieg der Preise und Mieten Wohnungsknappheit insbesondere für einkommensschwache Haushalte Demografischer Wandel führt in vielen ländlichen Räumen zu einem Angebotsüberhang nach Wohnraum und konstanten/sinkenden Preisen und Mieten Ineffizienzen (in der Versorgung, in der Nutzung, Leerstand etc.) steigenden Infrastrukturkosten Allein neue Wohnungen können Probleme in den Metropolen auflösen Regulierungen (wie die Mietpreisbremse) sind nur Kosmetik Hauptproblem der Zukunft liegt in den ländlichen Räumen Dr. Ralph Henger Wohnungsbedarf vs. Bautätigkeit 3. April 2014 31
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit Dr. Ralph Henger Senior Economist Kompetenzfeld Immobilienökonomik 0221 4981-744 henger@iwkoeln.de