Stellungnahme der Arbeitsgruppe Antibiotic Stewardship (ABS-AG) im MRE-Netz Rhein-Main zum Versorgungsmangel mit Piperacillin/Tazobactam

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Transkript:

Stellungnahme der Arbeitsgruppe Antibiotic Stewardship (ABS-AG) im MRE-Netz Rhein-Main zum Versorgungsmangel mit Piperacillin/Tazobactam Diese Empfehlungen wurden erstellt für ABS-Teams der ABS-AG im MRE-Netz Rhein-Main. I. Hintergrund 1. Derzeit besteht weltweit ein akuter und mittelfristig anhaltender Lieferengpass von Piperacillin/Tazobactam (Tazobac ), bedingt durch den Ausfall der zentralen Produktionsstätte (China). 2. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat den Versorgungsmangel nach 79, Abs. 5 AMG festgestellt. 3. Die Landesbehörden (für unsere Region: Regierungspräsidium Darmstadt) können nun nach 79, Abs. 5, Satz 1 AMG auf Antrag im Einzelfall befristete Ausnahmen zum Import Piperacillin-haltiger Arzneimittel gestatten. Die Antragstellung und der Import sind allerdings nur über Krankenhaus- oder krankenhausversorgende Apotheken möglich. 4. Da es sich um einen Ausfall der zentralen Produktionsstätte handelt, bietet diese Öffnung derzeit allerdings keine nachhaltige Lösung. II. Piperacillin/Tazobactam in der klinischen Anwendung. 1. Piperacillin/Tazobactam ist eines der zentralen Breitspektrumantibiotika für die Therapie schwerer und schwerster Infektionen bei Risikopatienten, insbesondere auch im Kontext nosokomial erworbener Infektionen. 2. Piperacillin/Tazobactam ist zudem als Breitspektrumpenicillin mit relativ geringem Selektionsdruck ein zentraler Pfeiler zur Prävention von Multiresistenzen im Rahmen von ABS-Massnahmen. Übergeordnete und lokale Therapieleitlinien und Antiinfektiva(Haus)-Listen, die unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Leitlinien sowie lokaler und regionaler Erreger- und Resistenzstatistiken erstellt wurden, sehen daher häufig Piperacillin/Tazobactam in der ersten Linie der wirksamen Therapieoptionen vor. 3. ABS-Strukturen in Kliniken / Einrichtungen beinhalten sinnvolle Restriktionen insbesondere von Drittgenerationscephalosporinen, Fluorchinolonen oder Carbapenemen zur Vermeidung von C.difficile-Infektionen und zur Begrenzung einer Selektion von ESBL-produzierenden gramnegativen Erreger, carbapenemasebildender gramnegativer Erreger sowie von MRSA und VRE. Diese werden durch die Nichtverfügbarkeit von Piperacillin/Tazobactam in Frage gestellt. 1

4. Der Lieferausfall von Piperacillin/Tazobactam bedroht deshalb zentrale Strategien des Antibiotic Stewardship in Einrichtungen der klinischen Krankenversorgung. III. Konsequenzen aus Sicht der ABS-AG im MRE-Netz Rhein-Main In einer ad hoc-sitzung am 16.01.2017 in der BG Unfallklinik Frankfurt am Main fanden sich ABS-Experten des MRE-Netzwerkes zusammen. Auf der Basis der Stellungnahme der DGKH vom Januar 2017 zum Lieferengpass von Piperacillin/Tazobactam durch Ausfall der zentralen Produktionsstätte in China, erstellt von Prof. Dr. Martin Exner/Dr. med. Peter Walger wurde versucht, pragmatische Strategien zu entwickeln, um mit einer ggf. eingeschränkten Verfügbarkeit von Piperacillin/Tazobactam umzugehen. Die nachfolgenden Aussagen sind mehrheitlich konsentiert innerhalb der ABS-AG. 1. Die von der Arbeitsgruppe herausgearbeiteten alternativen Strategien sind allerdings individuell von der Infrastruktur, dem Patientengut und der Versorgungslage der einzelnen Einrichtungen abhängig. Es wurde auch empfohlen, ein einrichtungsspezifisches Risikoprofil zu erstellen, welches neben der Größe der Einrichtung auch die Komplexität des vorrangig behandelten Patientengutes berücksichtigt. Als eine wesentliche Strategie wird empfohlen, die ABS-Experten, infektiologisch fortgebildete Ärzte oder Infektionsmediziner vor Ort in den einzelnen Kliniken zur Vermeidung von Unter- oder Übertherapien vermehrt zu konsultieren. Auch kollegiale Kontakte bzw. der Zugriff auf externes Expertenwissen innerhalb der ABS-AG wird ausdrücklich unterstützt. Kurze Kommunikationswege können hier schnell zu individuellen Lösungen führen. 2. Bezüglich der Liefersituation von Piperacillin/Tazobactam zeigt sich derzeit ein extrem heterogenes Bild in den verschiedenen Einrichtungen und Krankenhäusern bzw. den Klinikapotheken und krankenhausversorgende Apotheken. In einer ad hoc-umfrage im Anschluss an die Sitzung wurde festgestellt: Gleiches Verordnungsverhalten vorausgesetzt, reicht das Spektrum der Verfügbarkeit bei Piperacillin/Tazobactam derzeit von weitgehend vollständiger Bedarfsdeckung für ein Jahr über eine moderate Kontingentierung bis hin zu teilweise dramatischen Lieferengpässen mit fast vollständigem Lieferausfall. 3. Da die Qualität der mikrobiologischen Diagnostik einschließlich der Empfindlichkeitstestung als wesentliche Voraussetzung für eine rationale antiinfektive Therapie u.a. entscheidend von einer leitliniengerechten Präanalytik abhängt, sollen die diesbezüglichen Strukturen und Prozesse überprüft und ggf. durch die Verantwortlichen in den Kliniken und medizinischen Einrichtungen optimiert werden. Positive Blutkulturbefunde, mikroskopische Zwischenbefunde, die Ergebnisse von (bakteriologischen) Schnelltests oder Schnellresistenztestungen sollen von dem versorgenden mikrobiologischen Labor umgehend dem behandelnden Arzt mitgeteilt werden. Ziel ist, frühestmöglich eine gezielte erreger- und resistenzgerechte antibiotische Therapie einzuleiten. Antibiogramme sollten deshalb bezüglich der Verwendung geeigneter antiinfektiver Substanzen klinik- bzw. einrichtungsspezifisch optimiert und stets an den lokalen Leitlinien orientiert sein. Dies setzt ggf. auch die vermehrte Einbindung und Information der hauseigenen ABS-Experten und infektiologisch fortgebildeten Kollegen durch die jeweils behandelnden Ärzte voraus. 4. Die hauseigene Resistenzstatistik gilt dabei als essentielle Basis für die Festlegung einer möglichen Piperacillin/Tazobactam-Ersatztherapie. 5. Insbesondere bei ausgeprägten Lieferengpässen muss das infektiologische Risikoprofiel des jeweils behandelten Patientenkollektivs der Klinik / Einrichtung 2

sowie die lokale Resistenzlage bei der Kontingentierung der verbleibenden Piperacillin/Tazobactam Vorräte und der Formulierung entsprechender (empirischer ) antiinfektiver Alternativtherapien Berücksichtigung finden (siehe III. 1. Risikoprofil )! I.d.R. werden hierbei zunächst schwerstkranke Patienten der Intensivstation, immunsupprimierte/-defizitäre Patienten, Patienten der Haemato-Onkologie mit erhöhtem Infektrisiko, polytraumatisierte Patienten, Schwerbrandverletzte und Patienten im erschwerten Weaning etc. weiterhin vorrangig mit Piperacillin/Tazobactam versorgt. Weniger lebensbedrohlich Erkrankte können alternativ mit den im Weiteren genannten Alternativpräparaten kalkuliert versorgt werden (s. III. 6.). Als kalkulierte (empirische) Piperacillin/Tazobactam-Therapiealternativen kommen dabei durchaus einige Präparate bzw. Kombinationen von Antibiotika in Frage, wobei festzuhalten bleibt, dass die festgestellte bzw. sich abzeichnende Krankheitsschwere stets den individuellen antiinfektiven Therapiepfad leiten muss. Ganz bewusst werden an dieser Stelle (Punkt 6) zur Vermeidung von MRE- und Resistenz-selektiven Prozessen zunächst nur drei Penicillin(-Kombinationen) als bedenkenswerte Therapiealternative genannt. Dies geschieht in dem sicheren Verständnis, dass je nach lokaler Epidemiologie der jeweiligen Institutionen indikationsbezogene Therapieschemata und die Schwere der Erkrankung auch andere individuelle Therapiestrategien mit alternativen Antiinfektiva rechtfertigen. 6. Mögliche Piperacillin/Tazobactam-Therapie-Alternativen: Für das Universitätsklinikum Frankfurt/Main wird auf ein eigenes publiziertes Therapieschema verwiesen. 6.1. Die im Folgenden dargelegten Piperacillin/Tazobactam-Alternativen sind ausdrücklich nicht als diagnose-/indikationsbezogene kalkulierte (empirische) Antibiotikatherapie zu verstehen! Aufgrund der Heterogenität der Einrichtungen bleiben sinnvollerweise diagnosebezogene, klinikindividuelle Antibiotika-Therapiestrategien unangetastet! Ist in diesen lokalen Strategien Piperacillin/Tazobactam das Therapeuticum der ersten Wahl, so können abhängig vom Schweregrad der Erkrankung des Patienten, die bereits etablierten alternativen Strategien (z.b.: Therapieempfehlung bei Penicillinallergie ) unmittelbar angewendet werden. Es gilt: Überprüfung der Piperacillin/Tazobactam-Indikation bezüglich Krankheit/Krankheitsschwere. Als erster Eskalationsschritt bei leichten und mittelschweren Infektionen kann dann zunächst abgesehen von Patienten der Haemato-Onkologie mit Neutropenie (< 0,5/nl) der Therapieversuch mit Ampicillin/Sulbactam unternommen werden. ACHTUNG: Basiert die Indikation der Piperacillin/Tazobactam-Anwendung - zumindest wahrscheinlich - nicht auf einer Infektion mit Pseudomonas (häufig z.b. bei ambulant erworbenen Infektionen), so kann eine kalkulierte (empirische) Antibiotikatherapie mit Ampicillin/Sulbactam erwogen werden (s. ab 6.2.). Bei Infektionen mit wahrscheinlicher Pseudomonas(mit-)beteiligung muss die antibiotische Therapie pseudomonaswirksam kalkuliert (empirisch) eingeleitet werden. 3

6.2. Bei nicht lebensbedrohlichen Infektionen / i.d.r. auch auf Normalstation: Ampicillin/Sulbactam (= 2 g/1g) (Unacid 3 g) 3 x 3 g, i.v. bei Infektionen durch Ampicillin/Sulbactam-empfindliche Erreger (hauseigene Resistenzstatistik!). Cave: Wirklücke bzw. geringe Wirkung gegen Pseudomonas, Enterobacter, Serratia, MRSA! Cave: Unacid unterliegt bei einigen krankenhausbeliefernden Apotheken, bzw. Krankenhausapotheken ebenfalls Lieferengpässen und Kontingentierungen. 6.3. Bei leichten und mittelschweren Infektionen Ampicillin/Sulbactam (2 g/1 g) (Unacid 3 g) 3 x 3 g, i.v. plus Aminoglycosid, i.v. (z.b. Gentamicin 3 bis 6 mg/kg 1 x täglich): Bewertung: Die Kombination Ampicillin/Sulbactam + Gentamicin i.v. hat eine erweiterte Wirksamkeit gegen grampositive, gramnegative und anaerobe Erreger incl. Klebsiella spp., E.coli, Enterobacter spp., H. influenza, Bacteroides fragilis und indikationsabhängig gegen Pseudomonas spp. (durch Gentamicin). Cave: Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz beachten; Drug-Monitoring für Gentamicin obligat! Im Rahmen eines septischen Schockgeschehens kann die (dauerhafte) Gabe eines Aminoglycosids eine Niereninsuffizienz verstärken. 6.4. Bei mittelschweren Infektionen Mezlocillin/Sulbactam* (4 g/1 g) 3 x 5 g, i.v.; [ggf. plus Aminoglycosid, i.v. (z.b. Gentamicin 3 bis 6 mg/kgkg 1 x täglich)]: Insbesondere bei Kombination mit einem Aminoglykosid näherungsweise in Spektrum und Wirkung ähnlich einsetzbare Präparatekombination wie Piperacillin / Tazobactam. In jedem Falle muss aber die hauseigene Resistenzsstatistik beachtet werden! Cave: Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz beachten; Drug-Monitoring für Gentamicin obligat! Im Rahmen eines septischen Schockgeschehens kann die (dauerhafte) Gabe eines Aminoglycosids eine Niereninsuffizienz verstärken. * ACHTUNG: in dieser Kombination individueller Heilversuch; Patientenanwendung individuell dokumentieren. Cave: Möglicherweise sind bei vermehrter Anforderung von Mezlocillin: Lieferengpässe nicht auszuschließen. Vor Einsatz dieser Alternative sollte allerdings mit dem mikrobiologischen Labor geklärt werden, ob die Testung von Mezlocillin im Antibiogramm abgebildet werden kann (Hinweis: Testung ist auch aktuell noch möglich). Es stehen noch einige weitere alternative Antibiotika/Antibiotikakombinationen (z.b. Ertapenem 1x1g/ d, i.v.; Cave: Pseudomonaslücke) zur Verfügung, die allerdings eher auf lokaler Klinik- bzw. Einrichtungsebene festgelegt werden sollen. Werden durch den Lieferengpass von Piperacillin/Tazobactam bisher gültige einrichtungsspezifische Anwendungsbeschränkungen einzelner Substanzen oder ganzer Substanzklassen aufgehoben, so wird empfohlen, eine kontinuierliche Verbrauchs- und Erregersurveillance durchzuführen, um frühzeitig unerwünschte Auswirkungen dieser Maßnahmen erkennen zu können; ggf. kann eine Resistenzstatistik (Infektionserreger und Resistenz) außerhalb des mindestens geforderten einjährigen Zyklus erstellt werden. Hierzu ist eine Absprache zwischen den Verantwortlichen der Klinik/Einrichtung und dem mikrobiologischen Labor notwendig. 4

ACHTUNG: Antibiotikastrategien, die ausschließlich diagnose-/indikationsbezogen sind, können zu einem besseren Patientenoutcome führen! Generell gilt: Jede kalkulierte Therapie sollte nach Erhalt des Erregernachweises antibiogramm-gerecht als gezielte Therapie weitergeführt werden. Addendum Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und Auswahl sowie Dosierung der Antibiotika wurden die allgemein zugänglichen Daten beachtet. Die Anwendungsspezifizierungen sind der Übersichtlichkeit halber bewusst kurz gehalten und zeigen nur einige bedenkenswerte Fakten auf. Gleichwohl wird jeder Benutzer vor Einsatz eines Antibiotikums aufgefordert, die Fachinformationen der Hersteller zu würdigen oder im Zweifelsfall einen erfahrenen Spezialisten (z.b. Infektiologe / ABS-Experte usw.) hinzuzuziehen. Der indikationsstellende Arzt bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Kombination verschiedener Medikamente sowie Dosierungen der hier aufgeführten Substanzen. Anlage: Stellungnahme der DGKG zum Lieferengpass von Piperacillin/Tazobactam durch den Ausfall der zentralen Produktionsstätte in China 5