Putins Spaltungspolitik eint den Westen

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Transkript:

KOMMENTAR ZU WIRTSCHAFT UND POLITIK 29/3/2018 Putins Spaltungspolitik eint den Westen Und verstärkt Russlands selbsterzeugtes Dilemma von NORBERT F. TOFALL Die russische Außenpolitik hat in den letzten Jahren jede Möglichkeit genutzt, die Glaubwürdigkeit der erweiterten Abschreckung in Europa zu unterminieren. Bislang haben die westlichen Regierungen sehr verhalten darauf reagiert, scheinen nach dem Giftgasanschlag in Großbritannien aber aufgewacht zu sein. Putin hat Russland seit dem Jahr 2000 in ein selbsterzeugtes geopolitisches Dilemma geführt. Eine Auflösung dieses Dilemmas dürfte das Regime Putin aber vermutlich hinwegspülen. I. Die heutige russische Außenpolitik ist nicht die Reaktion einer Einkreisung von Russland durch feindliche Mächte, 1 sondern der praktische Versuch der russischen Führung, ehemalige Sowjetrepubliken heim ins Russische Reich zu holen und den hegemonialen Einfluß auf ehemalige Staaten des Warschauer Paktes zurückzuerlangen. 2 Dieser Versuch kann mittel- und langfristig 1 Die Einkreisungstheorie hat insbesondere Peter Scholl- Latour öffentlichkeitswirksam verbreitet, siehe: PETER SCHOLL-LATOUR: Rußland im Zangengriff. Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam, Berlin (Ullstein) 2006. 2 Zur ausführlichen Begründung siehe NORBERT F. TOFALL: Worauf zielt die russische Außenpolitik? Und wie müßte der Westen reagieren?, Kommentar zu Wirtschaft und Politik des FLOSSBACH VON STORCH RESEARCH INSTITUTE vom 25. Oktober 2016, online abrufbar unter: www.fvsri.com nur gelingen, wenn Russland verhindert, daß die heute souveränen mittel- und osteuropäischen Staaten in einem glaubwürdigen militärischen Konzept der erweiterten Abschreckung des Westens eingebunden bleiben. Nicht nur das Baltikum kann sich selbst nicht wirksam verteidigen und ist auf erweiterte Abschreckung angewiesen, die sich aus dem glaubwürdigen militärischen Beistand der westlichen NATO- Bündnispartner ergibt. Deshalb nutzt die russische Führung jede Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit der erweiterten Abschreckung zu unterminieren. Zu diesem Zweck unterstützt das russische Regime unter Putin überall in Europa sowohl rechte als auch linke systemkritische politische Bewegungen und autoritäre Politiker. Diese haben

das Potential zur politischen und gesellschaftlichen Destabilisierung qua Polarisierung und wenden sich gegen Globalisierung und internationale Zusammenarbeit. Die politische Durchsetzung militärischer Konzepte erweiterter Abschreckung soll so erschwert werden. Die zukünftige Einbindung der Ukraine in ein Konzept der erweiterten Abschreckung hat Putin durch die Annektierung der Krim und seinen verdeckten Krieg im Osten der Ukraine bereits verhindert. Die Russland unterstützenden Reaktionen von rechten und linken systemkritischen Bewegungen und sonstigen Putinisten in Europa und die Behauptung, die Krim habe ja schließlich immer zu Russland gehört, was historisch falsch ist, sollen davon ablenken, daß Russland sowohl die Schlußakte von Helsinki von 1975, die Charta von Paris für ein neues Europa von 1990 sowie das Budapester Memorandum von 1994 durch die Annektierung der Krim verletzt hat. Obwohl das konventionelle und nukleare militärische Potential Russlands zusammen mit Russlands Willen zu Neuen Kriegen 3 und hybrider Kriegführung eine strategische Sicherheitslücke in Europa erzeugt, hat der Westen sehr verhalten auf die russische Hegemonialpolitik reagiert. Erst jetzt nach dem Giftgasanschlag in England scheinen die westlichen Regierungen aufzuwachen und bereit zu sein, Russland offensiv entgegenzutreten und Maßnahmen zu ergreifen, die über die unwirksamen Wirtschaftssank- tionen 4 hinausgehen. Putins Politik, den Westen zu spalten und zu destabilieren, scheint den Westen zumindest im Moment zu einen. Ob das von Dauer sein wird, ist im Moment offen. II. Die russische Politik wird nur dann ansatzweise verständlich, wenn man sich verdeutlicht, daß Putin Russland seit dem Jahr 2000 mehr und mehr in ein selbsterzeugtes Dilemma geführt hat. Russlands größtes ökonomisches Entwicklungshemmnis besteht außenpolitisch in seinem imperialen Streben nach Hegemonie und innenpolitisch in seiner zwanghaften Kontrolle und Beherrschung aller gesellschaftlichen Bereiche einschließlich der Wirtschaft. Entgegen der eigenen Intentionen hat sich Russland dadurch selbst in eine geopolitische Lage manövriert, in der vorerst nur noch China als Kooperationspartner zur Verfügung zu stehen scheint. In einer Partnerschaft mit China wäre Russland jedoch nicht Hegemonialmacht, sondern nur Juniorpartner. Innen- und wirtschaftspolitisch hat Russlands Kontroll- und Beherrschungswahn aller gesellschaftlichen Bereiche dazu geführt, daß Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des realexistierenden Sozialismus 1991 seine ökonomischen Strukturprobleme immer noch nicht gelöst hat, während andere Staaten der ehemaligen Sowjetunion und des Ostblocks wie beispielsweise Litauen, Lettland, Estland, Polen und Tschechien in einem schmerzhaften 3 Unter Neuen Kriegen werden Kriege ohne formale Kriegserklärung und ohne immer klare Fronten verstanden. Oftmals handelt es sich um maskierte Stellvertreterkriege. In diesen Neuen Kriegen werden über Wochen Auseinandersetzungen gleichzeitig geschürt und verleugnet; siehe HERFRIED MÜNKLER: Die neuen Kriege, Reinbeck (Rowohlt) 2002 sowie MARRY KALDOR: Neue und alte Kriege. Organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung, aus dem Englischen von Michael Adrian und Bettina Engel, Frankfurt a. M. (Suhrkamp) 2007. 4 Siehe auch NORBERT F. TOFALL: Ziele und Wirksamkeit von Wirtschaftssanktionen. Eine Betrachtung hinsichtlich des Russland-Ukraine-Konflikts, Makroanalyse des FLOSSBACH VON STORCH RESEARCH INSTITUTE vom 2. Februar 2015, online abrufbar unter: http://www.fvsri.com/analysen/analysen-details.html#analysis_13 2

Entwicklung des realen BIP (in USD, indexiert auf das Jahr 2009 = 100) 200,00 180,00 160,00 140,00 120,00 100,00 80,00 60,00 USA EU China Russland 40,00 20,00 0,00 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Quelle: HAVER ANALYTICS und eigene Berechnungen FLOSSBACH VON STORCH RESEARCH INSTITUTE Transformationsprozess der schöpferischen Zerstörung ganz erhebliche Leistungen vorzuweisen haben. Und Innen-, Außen- und Wirtschaftspolitik gehören in Russland zusammen; denn Russland hat die eigene Energiewirtschaft und den Export von Öl und Gas zur zentralen geopolitischen und vom Kreml zentralgesteuerten Waffe geformt und dadurch sowohl die freie wirtschaftliche und auf Wettbewerb beruhende Entwicklung des eigenen Landes als auch die friedliche außenwirtschaftliche Kooperation mit seinen Nachbarn verhindert. Um die Tragweite dieses Dilemmas abschätzen zu können, muß immer wieder daran erinnert werden, daß 1991 nicht die Marktwirtschaft in der Sowjetunion eingeführt wurde. 1991 ist auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion der Sozialismus zusammengebrochen. Marktwirtschaft kann man nicht einführen. Marktwirtschaft ist ein Oberbegriff für die dezentrale direkte und indirekte Kooperation von Millionen und unter Globalisierungsbedingungen von Milliarden von Menschen. Diese Kooperation kann nicht von oben eingeführt werden. Die Entwicklung dieser dezentralen direkten und indirekten Kooperation von Individuen kann bestenfalls von oben zugelassen und nicht behindert werden. Mancur Olson, der die Evolution von Ökonomien sowjetischen Typs analysiert hat, identifiziert darüber hinaus die Bedingungen, die für ökonomischen Erfolg notwendig sind: einerseits sichere und wohl definierte Rechte für alle auf privates Eigentum und unparteiische Durchsetzung von Verträgen, sowie andererseits die Abwesenheit von Raub. 5 Leider werden im heutigen Russland durch das System Putin alle diese Bedingungen verletzt. Würden diese Bedingungen in Russland erfüllt, wüchse zum einen die Wahrscheinlichkeit, daß Russland seine ökonomischen Strukturprobleme überwindet, sich Wohlstand für alle entwickelt 5 Einleitung von CHARLES CADWELL in MANCUR OLSON: Macht und Wohlstand. Kommunistischen und kapitalistischen Diktaturen entwachsen, übersetzt von Gerd Fleischmann, Tübingen (Mohr) 2002, S. 2. 3

und sowohl inländischen als auch ausländischen Investoren Rechtssicherheit garantiert würde. Zum anderen ergäben sich neue und tragfähige geopolitische Kooperationen für Russland mit dem Westen und insbesondere der EU. Das System Putin würde jedoch hinweggespült oder müßte sich was sehr unwahrscheinlich ist zu einem freiheitlichen Rechtsstaat mit einer auf Wettbewerb und freier Entwicklung beruhenden Ökonomie entwickeln, welche mit seinen Nachbarn friedlich Handel führt und Gas und Öl nicht als geopolitische Waffe einsetzt. Die Gründung einer Eurasischen Union war der Versuch der russischen Führung, dem selbsterzeugten Dilemma zu entgehen. Weder will man freiheitliche und Wohlstand für alle ermöglichende Institutionen einführen, man bezeichnet diese sogar als westliche Dekadenz, noch will man der Juniorpartner Chinas sein. Russland will als Hegemonialmacht zusammen mit seinen Satelliten in einer Eurasischen Union eine Weltmacht vom Range Chinas und der USA sein und sich vor allem nicht an die Regeln halten, die als Rule of Law und Limited Government sowie Safe Property Rights die Bedingung für wirtschaftlichen Wohlstand bilden. Durch staatlich gelenkten und zentral geplanten Handel unter Einbindung von dem Kreml dienlichen und gehorsamen Oligarchen innerhalb der Eurasischen Union und den staatlich und zentral geplanten Handel mit Öl und Gas der gesamten Eurasischen Union soll Wohlstand auf merkantilistische und global-planerische Art und Weise erwirtschaftet werden. Da für Putin die Gründung einer Eurasischen Union der einzige Ausweg aus dem selbsterzeugten ökonomischen und geopolitischen Dilemma darstellt, hat Russland auch vier Jahre nach der Annektierung der Krim und dem andauernden verdeckten Krieg im Osten der Ukraine kein Interesse, den Russland-Ukraine- Konflikt zu lösen und auf die Grundlage der Schlussakte von Helsinki zurückzukehren. Denn ohne die Ukraine bleibt die Eurasische Union Putins ein Papiertiger. Zudem kann das Regime Putin in der russischen Öffentlichkeit die ökonomischen Probleme Russlands auf die westlichen Sanktionen schieben und so den innenpolitischen Druck zu ökonomischen Strukturreformen ausweichen. Bislang haben die westlichen Regierungen verkannt, daß es für das Regime Putin keinen Trade-Off zwischen Änderungen der russischen Hegemonialpolitik und wirtschaftlicher Kooperation bzw. Rücknahme der Wirtschaftssanktionen geben kann. Das Regime Putin würde den außenpolitischen Feind verlieren, den es zum Überleben braucht. Und deshalb sind die Wirtschaftssanktionen gegen Russland auf ganzer Linie gescheitert. Die massiven Wirtschaftssanktionen gegen Russland haben zwar wirtschaftlichen Schaden erzeugt, aber nicht das politische Ziel erreicht, Russland zurück zur praktizierten Anerkennung der Schlussakte von Helsinki zu bewegen. Bislang konnte nicht erreicht werden, daß Russland das militärische Abenteuer eines verdeckten Krieges im Osten und Süden der Ukraine aufgibt oder gar die Krim zurückgibt. Zudem haben die Wirtschaftssanktionen in Moskau die dirigistischen politischen Gruppen gefördert und nicht westlich orientierte Reformer. Und besonders problematisch ist, daß der Westen durch seine ablenkenden, aber nicht abschreckenden Wirtschaftssanktionen versucht hat, abschreckende militärische Gegenmaßnahmen weitgehend zu vermeiden. Auf militärische Bedrohungen muß durch militärische Abschreckung geantwortet werden, nicht durch Wirtschaftssanktionen. 4

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