INTESO FACT Sheet Netzwerke Sozialräumlicher Geflüchteten- und Integrationsarbeit 1

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Transkript:

Hier erscheint der Kurztitel INTESO Integration im Sozialraum: Lokale Konzepte zur Vernetzung und Steuerung zivilgesellschaftlicher und institutioneller Ressourcen in der Arbeit mit Flüchtlingen INTESO FACT Sheet Netzwerke Sozialräumlicher Geflüchteten- und Integrationsarbeit 1

INTESO in Kürze Ziel des Forschungsprojekt INTESO ist die Erprobung und forschende Begleitung eines sozialräumlichen Ansatzes zur Ausgestaltung von Integration und zur Erschließung lokaler Diversitätspotentiale. Das Forschungsprojekt untersucht in zwei Düsseldorfer Stadtbezirken die Arbeit von sozialräumlich ausgerichteten Welcome Points. Die Welcome Points nehmen die Funktion einer Schnittstelle zwischen den lokalen Akteur_innengruppen und den zuständigen Institutionen und Akteur_innen der Landeshauptstadt Düsseldorf ein. INTESO fragt nach Bedingungen und Voraussetzungen einer sozialräumlichen Zuwanderungs- und Integrationsarbeit, nach der Rolle der Welcome Points im Stadtbezirk und den zuwanderungsbedingten Veränderungen im Sozialraum. Abbildung 1: Projektskizze INTESO. Eigene Darstellung. Das vorliegende Fact Sheet Netzwerke Sozialräumlicher Geflüchteten- und Integrationsarbeit gibt summarisch die Ergebnisse unserer ersten Erhebungen in den sozialräumlichen, bezirksweiten und kommunalen Arbeitszusammenhängen der lokalen Geflüchtetenarbeit wieder. Es korreliert sozialstrukturelle und räumliche Daten mit der Intensität bezirksweiter Vernetzung, rekonstruiert die lokalen Netzwerke aus der Perspektive der Sozialbetreuung und weist auf strukturelle Lücken der lokalen Kommunikationszusammenhänge hin. Fact Sheet INTESO ǀ 2

Sozialräumliche Ausdifferenzierung integrationsrelevanter Einrichtungen Die hier dargestellte lokale Netzwerkarchitektur basiert auf 1. protokollierten Expert_innengesprächen (n=4) zur Felderkundung, 2. Workshops in den ansässigen Netzwerken 1 (n=4) sowie 3. transkribierte, leitfadengestützte Expert_inneninterviews (Meuser/ Nagel 2002) mit Sozialbetreuer_innen (n=5). Auf Basis der Expert_innengespräche konnten eine Reihe bezirks- wie auch stadteilbezogener Kommunikationszusammenhänge identifiziert werden: - Runder Tisch Rath (SB 6) - Runder Tisch Lichtenbroich (SB 6) - Runder Tisch Flüchtlinge (SB 6) - Stadtbezirkskonferenzen Seniorenarbeit (SB 5 und SB 6) - AK Wohnen (SB 6) - Treffen der Schulsozialarbeiter_innen des SB 6 im Rahmen des Modellprojekts Kein Kind zurücklassen - Stadtbezirkskonferenz Jugend (SB 6) - Ehrenamtliche Flüchtlingshilfeinitiativen (SB 5) Damit boten sich im Stadtbezirk 6 eine Reihe, teilweise schon langjährig tagender Gremien und Koordinationsstrukturen zum Feldzugang, während im Stadtbezirk 5 kaum stadtbezirksweite institutionalisierte Austauschgremien zum Thema Flucht bestanden. 1 Netzwerke bezeichnet hier einzig institutionalisierte Kommunikationszusammenhänge, wie die u.g. Runden Tische etc., Arbeitszusammenhänge bezeichnet die verschiedenen Kontakte der einzelnen Akteur_innen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe. Fact Sheet INTESO ǀ 3

Die Stadtbezirke 5 und 6 Unterschiede bestehen nicht nur hinsichtlich des Grades an Stadtbezirksweiter Koordination. Die beiden untersuchten Stadtbezirke 5 und 6 unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Sozial- wie auch ihrer Bebauungsstruktur: Abbildung 2: Kurzprofile der SB 5 und 6. Eigene Darstellung. Quellen: Düsseldorf 2016a, Düsseldorf 2016b, Düsseldorf 2016c, Düsseldorf 2017. Auch der Grad an institutionalisierter Vernetzung variiert auf Stadtbezirksebene. Diese lokale Varianz lässt sich auf die räumliche Fragmentierung im SB 05 wie auf die sozialstrukturell bedingte Dichte an integrationsrelevanten sozialen Dienstleistungen im Stadtbezirk zurückführen. Netzwerke im Sinne institutionalisierter Austauschforen waren vor der Fluchtmigration der Jahre 2014 bis 2016 im SB 5 nicht nötig. Gleichermaßen bemerkenswert ist die Entwicklung hochgradig organisierter ehrenamtlicher Initiativen im SB 5, die entsprechendes unternehmerisches Organisationswissen, materielle Ressourcen und Zeit gleichermaßen bündeln. Fact Sheet INTESO ǀ 4

Die Arbeitszusammenhäng der Sozialbetreuer_innen Beispielhaft haben wir die Nennungen von Kontakten und Arbeitszusammenhängen aus einem Workshop im Runden Tisch Lichtenbroich visualisiert. Vor allem die Sozialbetreuer_innen setzen sich unmittelbar mit den multiplen Anliegen der geflüchteten Personen auseinander und weisen damit die umfangreichste Kontaktstruktur auf. Abbildung 3: Arbeitszusammenhänge des Runden Tischs Lichtenbroich Es lohnt deshalb sich die Arbeitszusammenhänge der Sozialbetreuer_innen genauer anzusehen. Die folgende Grafik basiert auf Nennungen von Kontakten in den Workshops und auf Nennungen und Ausführungen von Sozialbetreuer_innen in den leitfadengestützten Expert_inneninterviews. Sie zeigt 1) die Arbeitsfelder mit den beteiligten Institutionen und Akteur_innen, 2) den räumlichen Bezug des Kommunikationszusammenhanges sowie wenn möglich 3) die Art der Akteur_in/ der Institution, mit der kooperiert wurde. Fact Sheet INTESO ǀ 5

Abbildung 4: Arbeitszusammenhänge von Sozialbetreuer_innen nach Themenfeldern Fact Sheet INTESO ǀ 6

Vor allem auffällig ist die große Zahl von Akteur_innen, die nicht eine spezifische Aufgabe wahrnehmen, sondern die mehrere Aufgabenfelder abdecken und/ oder Koordinierungsfunktionen einnehmen. Auch die Verschiedenartigkeit von Institutionen und Akteur_innen, lässt sich nur schwer in das Begriffsschema Staat-Markt-Zivilgesellschaft integrieren. Gerade diese Diffusion von Akteur_innen mit unterschiedlichen Organisationsgraden und Interessenlagen legt Formen sozialräumlicher Handlungskoordination nahe. Rollentausch? Ehrenamt und Sozialbetreuung Zu den Akteur_innen, die verschiedene Aufgabenbereiche abdecken, gehören Ehrenamtler_innen genauso wie Sozialbetreuer_innen. Aus Sicht der Sozialbetreuer_innen steht fest: Ohne die können wir nicht die Arbeit leisten. Gleichermaßen unklar sind die Aufgabenzuschreibungen und Grenzen ehrenamtlicher Tätigkeitsbereiche, die ganzheitliche persönliche Begleitung aber auch sehr spezifische Unterstützungs- und Hilfeleistungen gleichermaßen umfassen. Damit decken sich die Aufgaben ehrenamtlich tätiger Personen mit den Aufgaben der Sozialbetreuung, auch in deren Wahrnehmung: Ehrenamtliche müssten dafür bezahlen werden, wenn die die gleiche Arbeit leisten wie wir. Betrachtet man dagegen die Kontaktstrukturen von zivilgesellschaftlichen Organisationen in den besuchten Workshops, so wird hier eine interne Versäulung sichtbar. Vereinsvertreter_innen etwa wünschen sich mehr Kontakt in die professionellen Hilfearrangements, während die tatsächlichen Kontakte nicht über die vereinsrelevanten Zusammenhänge (andere Vereine und Landesverband) hinausreichen. Der Diskurs zu Potentialen wie auch Grenzen ehrenamtlichen Engagements in der Arbeit mit Geflüchteten steckt noch in den Kinderschuhen und es bedarf eines systematischen Abgleichs von Perspektiven und Arbeitsselbstverständnissen wie auch eines Diskurses über Grenzen und Potentiale ehrenamtlicher Tätigkeiten. Gleichzeitig muss an einer engeren Verknüpfung zivilgesellschaftlichen Engagements und den professionellen Hilfearrangements des dritten Sektors gearbeitet werden. Das ist die Diskurs- und Schnittstelle, an der die Arbeit der Welcome Points, als Intermediäre im Sozialraum, ansetzen kann. Integrationsdiskurse und lokale Praktiken Was verstehen wir überhaupt unter Integration und in welche Gesellschaft integrieren wir? Diese, in den Workshops aufkommenden Fragestellungen überschreiten den administrativen Fokus auf die verwaltungstechnische Handhabung von Zuwanderung, die Effektivität einzelner Maßnahmen und deren Zusammenspiel in der Gesamtschau. Gleichermaßen deutlich wird die Verschränkung dieser genuin gesamtgesellschaftlich politischen Fragestellungen mit den nur scheinbar rein technischen Problemlösungen vor Ort. Die Praktiken vor Ort schreiben sich in das Spannungsverhältnis restriktiver ordnungspolitischer Zuwanderungskontrolle und sozialstaatlicher Integrationsbestrebungen (Schamann 2017) genauso ein wie in das Spannungsverhältnis von ökonomischer Verwertung von Zuwanderung und einem humanitären gesellschaftlichen Selbstverständnis, wie es etwa Art 16 GG 2 genauso formuliert, wie ein prinzipiell existierendes gemeinsames europäisches Asylsystem (Schott Mehrings 2016, S. 128). Auch die 2 Das zahlenmäßig kaum mehr eine Rolle spielt (BAMF 2017, S. 7; Ritgen 2016, S. 23). Fact Sheet INTESO ǀ 7

noch unentschiedene Form der Ausprägung eines rechtlich-administrativ zugeschnitten Feldes der Integrationspolitik mit eigenständiger rechtlicher Grundlage, Institutionen, Akteur_innen und Themen (Blätte 2015) und dessen Verhältnis zu bestehenden spezialisierten Formen der Problembearbeitung wird nicht nur thematisiert, sondern schlägt sich in überlappenden Zuständigkeiten nieder. Notwendig ist hier eine engere Verschränkung von politischen Diskursen zu gesellschaftlichen Selbstverständnissen, der Formulierung politischer Ziele und der operativen Arbeit vor Ort. Der blinde Fleck lokaler Governance Unser Blick auf die organisierten Kommunikationszusammenhänge rekonstruiert die Sichtweisen und Arbeitszusammenhänge der Personen, die mit Geflüchteten arbeiten. Umgekehrt exkludiert der Fokus auf die Koproduktion sozialstaatlicher Leistungen und Formen des Local Governance systematisch die Bedarfe, Bewertungen und Sinnzuschreibungen der Adressat_innen dieser komplexen Arbeitszusammenhänge. Es ist sicherlich kein einfaches Unterfangen, die heterogene Gruppe der neuzugewanderten Personen in die Weiterentwicklung der für sie entwickelten Organisationslösungen und Verfahren einzubinden, um hier tatsächlich von Koproduktion sprechen zu können. Über Bewertungen und Lebensweltwissen der geflüchteten Personen haben bislang weder Wissenschaft noch Politik systematisches Wissen. Es ist deshalb Aufgabe der Wissenschaft, entsprechende partizipative Erhebungsformate zu entwickeln, die diese Datenlücke schließen 3. Gleichermaßen ist es politische Aufgabe, ein Maß demokratischer Teilhabe für neuzugewanderte Personen zu öffnen, Formen der Interessenvertretung von Geflüchteten zu erproben und zu institutionalisieren. Diese Aufklärung der Arbeit mit Geflüchteten von unten ist nicht nur normativ-partizipatorisch geboten, sondern sie gewährleistet zugleich eine bessere Information und Passgenauigkeit operativer Arrangements. 3 Erste Ansätze liefert auch hier die IAB-BAMF-SOEP Befragung (IAB 2016). Fact Sheet INTESO ǀ 8

Quellen: Blätte, Andreas (2015): Grenzen und Konfigurationen politischer Handlungsfelder. Skizze einer typlogischen Theorie, in: dms der moderne staat 8 (1), S. 92-112. IAB (2016): Geflüchtete Menschen in Deutschland eine qualitative Befragung, IAB-Forschungsbericht 9/2016. Nürnberg. Köhling, Karola/ Stöbe-Blossey, Sybille (2017): Integration durch Bildung. Die Berufsorientierung jugendlicher Flüchtlinge als Querschnittsaufgabe. Zwischenbericht zum Projekt Kooperation von Akteuren vorbeugender Sozialpolitik. Eine Analyse am Beispiel der Berufsorientierung jugendlicher Flüchtlinge. Duisburg. Auf: http://www.iaq.uni-due.de/iaq-forschung/2017/fo2017-04.pdf [10.08.2017]. Landeshauptstadt Düsseldorf (2016a): Statistische Daten. Düsseldorf 2016. Bevölkerung. Auf: https://www.duesseldorf.de/fileadmin/amt12/statistik/stadtforschung/download/05_bevoelkerung/sd_2016_kap_5.pdf [01.03.2017]. Landeshauptstadt Düsseldorf (2016b): Stadtbezirk 05. Auf: https://www.duesseldorf.de/fileadmin/amt12/statistik/stadtforschung/download/stadtbezirke/stadtbezirk05.pdf [01.03.2017]. Landeshauptstadt Düsseldorf (2016c): Stadtbezirk 06. Auf: https://www.duesseldorf.de/fileadmin/amt12/statistik/stadtforschung/download/stadtbezirke/stadtbezirk06.pdf [01.03.2017]. Landeshauptstadt Düsseldorf (2017): Aktueller Bericht zur Flüchtlingssituation in Düsseldorf. Ausschuss für Gesundheit und Soziales. 08.02.2017. Auf: https://ratsinfo.duessel- dorf.de/ratsinfo/duesseldorf/13202/u2l0en- VuZ3N1bnRlcmxhZ2VuICBBdXNzY2h1c3MgZi4gR2VzdW5ka- GVpdCB1LiBTb3ppYWxlcyA1MC0gMi4yMDE3IC0gMDguMDIuMTcgKG9lZmZlbnRsaWNoKSA=/21/n/287046.doc [10.03.2017]. Meuser, Michael/ Nagel, Ulrike (2002): ExpertInneninterviews vielfach erprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion, in: Bogner, Alexander/ Littig, Beate/ Menz, Wolfgang (Hrsg.): Das Experteninterview. Theorie, Methode, Anwendung. Wiesbaden, S. 71-93. Ritgen, Klaus (2016): Die völker- unions- und verfassungsrechtlichen Vorgaben des nationalen Flüchtlingsrechts, in: Hennecke, Hans-Günther (Hrsg.): Flüchtlingsunterbringung und -integration als kommunale Herausforderung. Schriften zum deutschen und europäischen Kommunalrecht. Stuttgart u.a., S. 11-35. Schott Mehrings, Tillmann (2016): Nächster Halt: Kopenhagen oder Dublin, in: Migration und Soziale Arbeit 38 (2), S. 126 133. Schamann, Hannes (2017): Stadt, Land, Flucht. Konzeptionelle Überlegungen zum Vergleich städtischer Flüchtlingspolitik in Deutschland, in: Barbehöhn, Marlon / Münch, Sybille (Hrsg.): Variationen des Städtischen Variationen lokaler Politik. Wiesbaden, S. 91 115. Fact Sheet INTESO ǀ 9

Impressum INTESO Hochschule Düsseldorf Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften Münsterstraße 156 40476 Düsseldorf Autor_innen: Dr. Thorsten Schlee Katja Jepkens Projektleitung: Dr. Anne van Rießen Prof. Dr. Ulrich Deinet Prof. Dr. Reinhold Knopp Telefon: +49 211 4351-3336 E-Mail: inteso.soz-kult@hs-duesseldorf.de Homepage: https://soz-kult.hs-duesseldorf.de/forschung/forschungsaktivitaeten/ forschungsprojekte/inteso Fact Sheet INTESO ǀ 10