Mandanten Newsletter Ausgabe 42 Taylor Wessing Oktober 2006 Ausgabe 42/06 (Oktober 2006) Newsletter Employment 42/06 Zugangsvereitelung von Arbeitgeberkündigungen Taylor Wessing Practice Department Employment
enewsletter 02 Zugangsvereitelung von Arbeitgeberkündigungen Der Zugang ist elementare Wirksamkeitsvoraussetzung einer Kündigung, nicht nur im Arbeitsrecht. Wichtig ist er dort auch, weil sich an ihn der Beginn der dreiwöchigen Präklusionsfrist der 4 S. 1, 7, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG anschließt, innerhalb derer der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit jeder Kündigung gelten machen muss. Danach besteht für den Arbeitgeber in der Regel Rechtssicherheit, was die Wirksamkeit der Kündigung anbelangt. Ausnahmsweise kommt noch die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage nach 5 Abs. 1 KSchG in Betracht. Weil es sich auch bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses um eine normale Willenserklärung handelt, gelten für sie die 116 ff. BGB. Üblicherweise wird dabei zwischen dem Zugang unter Abwesenden und dem Zugang unter Anwesenden differenziert. Nach 130 Abs. 1 S. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber und in dessen Abwesenheit abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Das ist der Fall, sobald sich der Empfänger bei normaler Gestaltung seiner Verhältnisse Kenntnis von der Kündigung verschaffen kann und die Kenntnisnahme nach den Gepflogenheiten des Verkehrs von ihm erwartet werden muss. Wenn für den Empfänger diese Möglichkeit besteht, ist es unerheblich, wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat oder ob er davon durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände zunächst gehindert war; dies gilt auch für eine urlaubsbedingte Abwesenheit (vgl. BAG, Urt. v. 02.03.1989 2 AZR 275/88). Die Kündigung unter Anwesenden geht dem Empfänger dagegen grundsätzlich sofort zu und wird damit wirksam (vgl. BAG, Urt. v. 04.11.2004 2 AZR 17/04)., so z.b. bei der Übergabe einer Kündigungserklärung. Ob und wann der Empfänger die Kündigung liest, ist hingegen ohne Bedeutung. Was passiert nun aber, wenn der Zugang durch den Arbeitnehmer vereitelt wird? Speziell hinsichtlich der Wahrung der Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber in kurzfristigen Fällen können hier Probleme auftreten. Grundsätzlich gilt, dass sich der Empfänger einer Willenserklärung nach Treu und Glauben nicht auf den verspäteten Zugang der Willenserklärung berufen kann, wenn er die Zugangsvereitelung selbst zu vertreten hat. Er muss sich dann so behandeln lassen, als habe er der Erklärende die entsprechenden Fristen gewahrt (vgl. BAG, Urt. v. 25.04.1996 2 AZR 13/95). Lehnt aber beispielsweise ein als Empfangsbote anzusehender Familienangehöriger des abwesenden Arbeitnehmers die Annahme eines Kündigungsschreibens des Arbeitgebers ab, so muss der Arbeitnehmer die Kündigung nur dann als zugegangen gegen sich gelten lassen, wenn er auf die Annahmeverweigerung, etwa durch vorherige Absprache mit dem Angehörigen, Einfluss genommen hat (vgl. BAG, Urt. v. 11.11.1992 2 ZR 328/92). Auch bei schweren Sorgfaltsverstößen kann der Adressat nach Treu und Glauben zudem regelmäßig nur dann so behandelt werden, als habe ihn die Willenserklärung erreicht, wenn der Erklärende alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten erreichen kann (vgl. BAG, Urt. v. 22.09.2005 2 AZR 366/04). Auf eine Zugangsvereitelung kann sich der Kündigende (deswegen) nur berufen, wenn er unmittelbar nach Kenntnis des gescheiterten Zugangs einen erneuten Zustellungsversuch unternimmt. Zudem muss der Kündigende beweisen, dass die gescheiterte Übermittlung auf ein Verhalten des Adressaten zurückzuführen ist. Dies setzt den Nachweis voraus, dass der Adressat von einer unmittelbar bevorstehenden Kündigung Kenntnis hat (vgl. LAG München, Urt. v. 15.12.2004 10 Sa 246/04). In seinem Urteil vom 14.06.2006 (Az.: 14 (4) Sa 61/06) hat das LAG Köln in diesem Zusammenhang nunmehr festgestellt, dass eine Zugangsvereitelung auch dann nicht vorliegt, wenn der Arbeitgeber die Kündigung dem Arbeitnehmer am Abend des letzten Tages der ordentlichen Kündigungsfrist am Arbeitsplatz übergeben will und dieser bereits kurz vor Arbeitsschluss gegangen ist. Im zugrunde liegenden Fall ging es um die ordentliche Kündigung eines Angestellten, der bei der Beklagten seit dem 01.10.2002 als Zahntechniker arbeitete. Die Beklagte wollte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31.03.2005 zum 30.04.2005 kündigen. Als sie dem Kläger das Kündigungsschreiben kurz vor Arbeitsschluss übergeben wollte, war dieser
enewsletter 03 schon nach Hause gegangen. Weitere Versuche, das Schreiben noch an diesem Tag zu übermitteln, unternahm die Beklagte nicht. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger deshalb erst am 01.04.2005 zu. Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Feststelllung, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31.05.2005 beendet worden sei. Die Beklagte machte dagegen geltend, der Kläger habe den Zugang der Kündigung bewusst vereitelt. Er habe von der unmittelbar bevorstehenden Kündigung erfahren und deshalb seinen Arbeitsplatz vorzeitig verlassen. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Nach Ansicht des LAG Köln sei eine Zugangsvereitelung durch den Kläger hier aus mehreren Gründen nicht anzunehmen. Zum einen treffe den Arbeitnehmer auch bei Kenntnis einer bevorstehenden Kündigung keine Verpflichtung, aktiv Vorkehrungen dafür zu treffen, dass ihm die Kündigung auch zugehen könne. Vielmehr sei es Aufgabe des Kündigenden, für einen ordnungsgemäßen Zugang zu sorgen und entsprechende Vorsorge zu treffen. Weiterhin sei die Beklagte ein erhebliches Risiko eingegangen, indem sie die Kündigungsfrist bis zum letzten Tag und sogar bis zu den letzten Stunden habe ausreizen wollen. Wer dies tue, müsse auch die Folgen tragen, wenn sich dieses Risiko realisiere. Schließlich habe es diverse andere Möglichkeiten gegeben, den Zugang noch an diesem Tag zu bewirken, die aber allesamt nicht genutzt worden wären. Weder sei ein Mitarbeiter oder ein Taxiunternehmen mit der Übergabe der Kündigung in der Wohnung des Klägers beauftragt worden, noch habe der Geschäftsführer der Beklagten persönlich den Kläger aufgesucht und die Kündigung übergeben. Der letzte Gesichtspunkt dürfte für die Beurteilung des Falles entscheidend sein, der auf den ersten Blick gerade wegen der Kenntnis des Arbeitnehmers von der bevorstehenden Kündigung den Gedanken an eine Zugangsvereitelung zumindest nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheinen lässt. Wer jedoch nicht im Sinne der Rechtsprechung des BAG alles ihm Mögliche und Zumutbare versucht, um den Zugang einer Kündigung herbeizuführen, kann sich dann aber eben auch nicht auf Sorgfaltsverstöße des Arbeitnehmers berufen. Ob sich hingegen ohne weiteres vertreten lässt, der Arbeitnehmer sei auch in Kenntnis einer bevorstehenden Kündigung nicht zur aktiven Ermöglichung des Zugangs verpflichtet, erscheint dagegen in dieser pauschalen Form fraglich. Das BAG hatte in seinem Urteil vom 22.09.2005 (Az.: 2 AZR 366/04) nämlich noch entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der mit dem Zugang einer Kündigung rechnen müsse, die ihm obliegende Sorgfaltspflicht erheblich verletze, wenn er, obwohl dem Arbeitgeber seine derzeitige Anschrift nicht bekannt ist, bei der Übersendung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber als Absender eine Anschrift mitteile, unter der er tatsächlich (etwa durch Botenzustellung) nicht erreichbar wäre. Im Ergebnis läge darin dann eine Zugangsvereitelung, jedenfalls aber eine Verhinderung des Zugangs mit Tendenz zur Arglist. Ebenso ist nach dem Urteil des BAG vom 03.04.1986 (Az.: 2 AZR 258/85) ein Arbeitnehmer, der mit einer Kündigung rechnen muss, beispielsweise gehalten, die in seinem Hausbriefkasten enthaltenen Schriftstücke besonders sorgfältig durchzusehen. Er verhält sich dann in der Regel treuwidrig, wenn er eine ihm durch Benachrichtigungszettel über einen vergeblichen Zustellungsversuch näher bezeichnete Einschreibe-Sendung nicht alsbald während der postalischen Aufbewahrungszeit abholt. In Einklang bringen mit dieser Rechsprechung des BAG lassen sich die Ausführungen des LAG Köln daher nur im Ergebnis. Im vorliegenden Fall würde das BAG die Zugangsvereitelung nämlich wohl schon deswegen verneinen, weil hier eben gerade kein weiterer Zustellversuch unternommen wurde. Es bleibt damit festzuhalten, dass der Zugang einer beabsichtigten Kündigung immer sorgfältig geplant werden muss. Alle in Betracht kommenden Möglichkeiten der Übermittlung müssen erwogen und gegebenenfalls auch versucht werden. Die Durchführung selber sollte mit Bedacht erfolgen. Übereilte und kurzfristige Maßnahmen sollten wie das Urteil des LAG Köln zeigt nach Möglichkeit vermieden und wenn, dann keinesfalls vorschnell aufgegeben werden. Lars C. Möller Rechtsanwalt Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth) Taylor Wessing Frankfurt a. M.
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