Der internationale Getreidemarkt: Globale Perspektive, lokales Handeln Christoph Kempkes Vorstandsvorsitzender VK Mühlen AG Augsburg, 21. Februar 2013
VK Mühlen ist Marktführer und ein Großabnehmer von deutschem Qualitätsget treide Hamburg Jarmen Rund 20% Marktanteil in Deutschland: jedes 5. Semmel mit Mehl von VK Mühlen Berlin Gelsenkirchen Köln Frankfurt Mannheim Völklingen Landshut VK kauft 6% der deutschen Getreideernte und verarbeitet 1,5 Mio. t in 10 Werken 25% der Ernte gehen insgesamt in die deutsche Müllerei
Für die deutsche Müllerei sind Weizen und Roggen das täglich Brot Produktion Profit 0-2% Finanzierung Transport 5-7% 10-15% 15% 7-8% 72-76% Gt Getreide Wichtigster Rohstoff Als Hauptkostenfaktor bis zu 76% der Erlöse Kostenstruktur einer Mühle (Musterbetrieb)
Getreide war bis 2007 gut zu managen Geringe Preisschwankungen Ernte vor Ort maßgeblich Jeder war ein Fachmann in Bezug auf die lokalen Mechanismen alles war klar Deshalb Spekulation im Ein- und Verkauf: bei Erfolg leidliche Gewinne Misserfolg verkraftbar
Seit 2008 ist Getreide plötzlic ch unberechenbar Hohe Preisschwankungen und Volatilität; steigende Volumina an den Börsen Preisen ntwicklung losgelöstlö von regionalen Fundamentaldaten Spekul ation kann bei Misserfolg für den Verarbeiter wirtschaftlich tödlich sein Preisbi ldungsmechanismen sehr komplex und unberechenbar in Wirklichkeit kennt sich keiner mehr aus
Neue (etwas vereinfachte) These: Alles läuft in Richtung ein nes Weltmarktpreises Große Erfasser kaufen in Überschussgebieten günstig und verkaufen anderswo teurer, auch virtuell (wirkt preisharmonisiernd) Bessere Logistik und tiefe Frachtraten begünstigen den Transport von Getreide Leitbörsen stellen Preistransparenz sicher; physische Preise folgen ( MATIF-Schauen ist neuer Volkssport) -> alles hängt mit allem zusammen und kulminiert in einem Preis, auf den dann eine Vielzahl von Faktoren durchschlagen und der deshalb ziemlich volatil ist
Die Nachfrage nach Getreidee steigt kontinuierlich Bevölkerungswachstum Mehr Mittelstand, mehr Fleischkonsum: Steigende Nachfrage nach Tierfutter + 90 Mio. t in 10 Jahren Bioethanol inzwischen beachtlich groß: +150 Mio. t Verbrauch letzte 10 Jahre USA versprittet ~40% der Maisernte liefert 30% des Weltexports von Mais Steig gender Maispreis auch Motor Motor für hohen Weizenpreis
Das Angebot an Weizen wächst langsamer als die Nachfrage Angebot Nachfrage Mais treibt Weizen (rauf aber auch runter): Blockiert Anbaufläche Hohe/ /tiefe Maispreise machen Weizen für Futtermittel attraktiv/unattraktiv Flächenkonkurrenz auch durch andere (profitablere) Fruchtarten Umorientierung europäische Agrarpolitik (weg von Mengenanreizen) -> führt tendenziell zu Angebotsverengung bei mahlfähigem Weizen
Diese Angebotsverengung reduziert den Puffer der weltweiten Weizen-Lagerbes stände zu Ernteende Jahresbedarf Weizen Jahresbedarf Weizen 1998/99 200 7/08 Jahresbedarf Weizen Prognose 2012/13 Lagerbestand 36% Differenz: ~ 70 Mio. Tonnen 21 % 26%
Weil Lager-Puffer zur Dämpfung von Störeinflüssen weg ist, schlagen diese voll auf den Preis durch zusätzliche Faktoren beschleunigen die Volatilität Wenige Exportländer Weizen Angebots- verengung
Nur drei Länder liefern 40% der Weizen-Exporte: scheinbar weit weg aber beeinflussen auch uns Exportanteil von Ernte Gewichtung global Australien 70-80% ~ 18% Kanada 60-70% ~ 13% Argentin ien 50-70% ~ 9% Augsburg g USA Ukraine Russland EU 27 ~ 50% ~ 21% 10-50% ~ 8% 10-35% ~ 13% 10-20% ~ 17%
Zahlreiche zusätzliche Faktoren beschleunigen die Preis-Auswirkungen der Ang gebotsverengung Hohe Börsenvolumina Wenige Exportländer Weizen Angebots- verengung Wetterkapriolen Politsche Interventionen
Fazit Weizendynamik: Angebotsverengung plus Beschleuniger ergibt einen volatilen Preis Angebot - Agrarpolitik - Flächenkonkurrenz - Mais Nachfrage + Bevölkerung + Futtermittel + Bioethanol Hohe Börsen- volumina Wetter- kapriolen Wenige Export- länder Weizen Angebots- = global +/- verengung Politsche Interventionen
Erkenntnis: starke Volatilitätt ist das Neue Normal; deshalb Risiken erkennen un nd reduzieren Komplexität Produzen nten (Landwirte, Erfasser, Händler): Nicht in hohen/tiefen Preisen, sondern in Marge en denken (und dann Gewinne auf auskömmlichen Niveau mitnehmen) Auf d ie Verarbeiter zugehen (gemeinsame Optimierung der Wertschöpfungskette) Nicht von den letzten zwei guten Jahren täuschen lassen (auch runter ist möglich!) Verarbeit ter (Müller, Bäcker, Industrie): Risiken ignorieren kann tödlich sein Einzig nachhaltiger (Aus)Weg ist Risiken reduzieren durch Risikomanagement Präm mien entsprechend kalkulieren
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!