Paul Feyerabend. Jonathan Geßendorfer

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Transkript:

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus 17.05.2014

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Gliederung (13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Lebenslauf Studium der Philosophie, Astronomie und Physik in Wien. Professor für Wissenschaftstheorie unter anderem in Berkeley und an der ETH Zürich. 1975 Veröffentlichung von seinem Hauptwerk Wider den Methodenzwang

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Wissenschaftsphilosophischer Einfluss Mitglied in einem Philosophiekreis um Viktor Kraft. Will nach Promotion in Cambridge bei Wittgenstein studieren, dieser verstirbt aber dann. Stattdessen geht er nach London und studiert dort bei Karl Popper...... mit Imre Lakatos mit dem er später noch eng befreundet ist.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Wissenschaftsgeschichte Geschichte der Wissenschaft zeigt: Es gibt keine einzige methodologische Regel, so einleuchtend und erkenntnistheoretisch wohlverankert sie auch sein mag, die nicht zu irgendeiner Zeit verletzt worden ist.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Wissenschaftsgeschichte Geschichte der Wissenschaft zeigt: Es gibt keine einzige methodologische Regel, so einleuchtend und erkenntnistheoretisch wohlverankert sie auch sein mag, die nicht zu irgendeiner Zeit verletzt worden ist. Fortschritt - egal in welchem Sinne - ist mit Methodenverletzung verknüpft!

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Verletzung von Regeln ist nicht nur wissenschaftshistorischer Fakt, sondern Vernunftkriterium! Egal, welche Regel, es kann unter Umständen zielführend sein, sie zu missachten oder sogar ihre Antiregel zu befolgen!

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Verletzung von Regeln ist nicht nur wissenschaftshistorischer Fakt, sondern Vernunftkriterium! Egal, welche Regel, es kann unter Umständen zielführend sein, sie zu missachten oder sogar ihre Antiregel zu befolgen! Die einzige universelle Regel, die deshalb zugelassen werden kann ist: wissenschaftlicher Anarchismus

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Antiregel: Kontrainduktion Antiregel des Empirismus:

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Antiregel: Kontrainduktion Antiregel des Empirismus: Kontrainduktion: Hypothesen entwickeln, die anerkannten Theorien widersprechen

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Antiregel: Kontrainduktion Antiregel des Empirismus: Kontrainduktion: Hypothesen entwickeln, die anerkannten Theorien widersprechen Hypothesen entwickeln, die den wohlbestätigten Tatsachen widersprechen

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Theorien 1 Konsistenzbedingung: Forderung, dass neue Hypothesen wohletablierten Theorien entsprechen.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Theorien 1 Konsistenzbedingung: Forderung, dass neue Hypothesen wohletablierten Theorien entsprechen. Theorien sollten nicht abgeändert werden, wenn es keinen Konflikt mit den Tatsachen gibt.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Theorien 1 Konsistenzbedingung: Forderung, dass neue Hypothesen wohletablierten Theorien entsprechen. Theorien sollten nicht abgeändert werden, wenn es keinen Konflikt mit den Tatsachen gibt. Problem: Argument funktioniert nur, wenn die Tatsachen unabhängig von eventuellen Alternativtheorien bestehen und verfügbar sind.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Theorien 2 Nicht unbedingt der Fall, da Theorien und Tatsachen, aufgrund der Semantik der Theorie, stark miteinander zusammenhängen.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Theorien 2 Nicht unbedingt der Fall, da Theorien und Tatsachen, aufgrund der Semantik der Theorie, stark miteinander zusammenhängen. Das heißt es werden Tatsachen ausgeschlossen, wenn Alternativtheorien nicht zugelassen werden!

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Theorien 2 Nicht unbedingt der Fall, da Theorien und Tatsachen, aufgrund der Semantik der Theorie, stark miteinander zusammenhängen. Das heißt es werden Tatsachen ausgeschlossen, wenn Alternativtheorien nicht zugelassen werden! Empirischer Gehalt und Falsifikation von Theorien hängt damit unter Umständen von der Formulierung von Theoriealternativen ab!

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Tatsachen Keine Theorie stimmt jemals mit allen Tatsachen auf ihrem Gebiet überein.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Tatsachen Keine Theorie stimmt jemals mit allen Tatsachen auf ihrem Gebiet überein. Kontrainduktion, im Sinne von den Daten widersprechenden Theorien, ist also eine Tatsache in der Wissenschaft!

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Tatsachen Keine Theorie stimmt jemals mit allen Tatsachen auf ihrem Gebiet überein. Kontrainduktion, im Sinne von den Daten widersprechenden Theorien, ist also eine Tatsache in der Wissenschaft! Das heißt mit Falsifikationismus müssen alle (!) Theorien verworfen werden! Falsifikationismus ist sinnentleert!

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Tatsachen 2 Das ist aber nicht unbedingt der Fehler der Theorien, da die Tatsachen von Beobachtungssemantiken abhängen. Beobachtungssemantik der Theorien kontaminiert die Daten.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Kontrainduktion - Tatsachen 2 Das ist aber nicht unbedingt der Fehler der Theorien, da die Tatsachen von Beobachtungssemantiken abhängen. Beobachtungssemantik der Theorien kontaminiert die Daten. Abhilfe schafft die Kontrainduktion: Neue Beobachtungssemantiken aus anderen Theorien, Mythen, Religionen und anderem helfen die Kontamination zu reduzieren.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Theorienpluralismus Ergebnis ist ein relativistischer, nicht eliminativer Theorienpluralismus.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Theorienpluralismus Ergebnis ist ein relativistischer, nicht eliminativer Theorienpluralismus. Das ist aber auch keine allgemein gültige Regel!

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Lakatos Kritik Auch bei Lakatos gibt es einen Theorienpluralismus.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Lakatos Kritik Auch bei Lakatos gibt es einen Theorienpluralismus. Aber: 1. Lakatos bezieht sich auf nicht vorhandene Regelmäßigkeiten in der Wissenschaft. 2. Die Maßstäbe, die Lakatos aufstellt liefern nicht wie von ihm behauptet allgemeingültige vernünftige Gründe für eine Verwerfung oder Beibehaltung von Theorien.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Lakatos Kritik 2 Alle Traditionen müssen als gleichwertig betrachtet werden, weil jede Tradition sich nur mit eigenen Maßstäben, mit ihrer eigenen Semantik, beurteilen kann. Es fehlt ein Super-Maßstab um Traditionen zu vergleichen. Auch Wahrheit ist kein Maßstab. Keine Theorie ist entweder wahr oder falsch.

(13.01.1924-11.02.1994) gegen den Empirismus Lakatos Kritik 2 Alle Traditionen müssen als gleichwertig betrachtet werden, weil jede Tradition sich nur mit eigenen Maßstäben, mit ihrer eigenen Semantik, beurteilen kann. Es fehlt ein Super-Maßstab um Traditionen zu vergleichen. Auch Wahrheit ist kein Maßstab. Keine Theorie ist entweder wahr oder falsch. Es folgt: Die Idealisation von Wissenschaft gegenüber anderen Traditionen ist nicht berechtigt. Lakatos kritischer Rationalismus ist versteckter wissenschaftlicher Anarchismus.