Marktbeobachtung. der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.v. VORFÄLLIGKEITSENTSCHÄDIGUNG 19.07.2012



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Transkript:

19.07.2012 Marktbeobachtung der Württemberg e.v. VORFÄLLIGKEITSENTSCHÄDIGUNG Württemberg e.v. Paulinenstraße 47 70178 Stuttgart 0711 66 91 73 1

Inhalt Vorfälligkeitsentschädigung legale Übervorteilung? Erkenntnisse aus der Beratungspraxis Datengrundlage Ergebnisse Diskussion der Ergebnisse Anhang Begriffsdefinition Berechnungsgrundlage 2

Vorfälligkeitsentschädigung legale Übervorteilung? Verbraucherinnen und Verbraucher wenden sich an die Verbrauchzentrale Baden-Württemberg, um die Berechnung der so genannten Vorfälligkeitsentschädigung durch ihr Kreditinstitut überprüfen zu lassen. Eine solche Vorfälligkeitsentschädigung fällt an, wenn Verbraucher bei Immobilienfinanzierungen von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen, um vorzeitig aus einem Immobilienkredit auszusteigen. Die Verbraucherzentrale hat 224 Fälle der letzten anderthalb Jahre nachgerechnet und ausgewertet: In 82 Prozent der Fälle lag die von der Bank verlangte Entschädigung über der von der Verbraucherzentrale berechneten Höhe. Selbst innerhalb eines Institutes kommt es zu Abweichungen bis um das Dreifache. Verbraucher, die ein Immobilienkredit vor Ablauf der Zinsbindung zurückzahlen, können die Berechnungen ihres Kreditinstituts kaum auf Richtigkeit überprüfen. Sie verfügen in der Regel weder über das rechtliche Hintergrundwissen noch über die erforderlichen finanzmathematischen Kenntnisse, um die komplexe Berechnung nachvollziehen zu können. Kreditinstitute nutzen eben diese Situation zur Übervorteilung der Verbraucher aus. Ihr Vorgehen verschleiern die Institute beispielsweise mit der Behauptung, ihre Berechnungen stünden im Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung. Die Übervorteilung der Verbraucher erfolgt auf Grundlage des 503 BGB. Durch diese Ausnahmeregelung sind Immobiliendarlehensverträge von den Regelungen zur Vorfälligkeitsentschädigung nach 502 BGB ausgenommen. In 502 BGB hat der Gesetzgeber für Ratenkredite ohne grundpfandrechtliche Besicherung klare Vorgaben erlassen. So beträgt die Vorfälligkeitsentschädigung bei Ratenkreditgeschäften, abhängig von der Restlaufzeit, 0,5 beziehungsweise ein Prozent der Restschuld. Würde die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach dieser Regelung erfolgen, wäre diese für Verbraucher nachvollziehbar und die Höhe der Entschädigung dazu deutlich geringer: Im Schnitt würde die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung dann nur noch rund 11 Prozent der (im Mittel) tatsächlich verlangten Entschädigung betragen. Eine Aufhebung der Ausnahmeregelung würde das Problem der nicht nachvollziehbaren und überhöhten Vorfälligkeitsentschädigungen lösen. Ein damit verbundenes unbedingtes Kündigungsrecht würde die Kalkulation eines langfristigen Zinssatzes, wie er gerade bei Immobiliendarlehen von Verbrauchern gewünscht wird, allerdings erschweren. Daher wäre das Kündigungsrecht gemäß 502 BGB bei grundpfandrechtlich besicherten Darlehen auf die zwei Fallkonstellationen zu beschränken, welche nach derzeitiger Rechtsprechung Verbrauchern ein Kündigungsrecht einräumen (1. Verkauf der Immobilie. 2. Die Immobilie wird zur Absicherung eines zu- 3

sätzlichen Kredites benötigt, den das bisherige Kreditinstitut verweigert, der aber bei einem anderen Kreditgeber erhältlich ist). 4

Erkenntnisse aus der Beratungspraxis Datengrundlage Im Zeitraum zwischen dem 01. Januar 2011 und dem 30. Juni 2012 wurden uns 224 Entschädigungsberechnungen zur Überprüfung vorgelegt. Diese Vorfälligkeitsberechnungen bezogen sich auf insgesamt 103 verschiedene Anbieter. Ergebnisse Die vorliegenden 224 Fälle zeigen, dass Kreditinstitute im Durchschnitt eine um rund 9 Prozent zu hohe Vorfälligkeitsentschädigung in Rechnung gestellt haben. Die Abweichungen zwischen den Berechnungen der Kreditinstitute und der Verbraucherzentrale streuen um diesen Mittelwert allerdings ganz erheblich. In dem für den Verbraucher günstigsten Fall verlangte eine Bank rund die Hälfte, in dem für den Verbraucher ungünstigsten Fall rund das Vierfache der von der Verbraucherzentrale errechneten Einbußen. In absoluten Werten beträgt die Abweichung im Mittelwert 846 Euro und schwankt zwischen -5.752 Euro und + 11.198 Euro (Übersicht 1). Mittelwert Minimalwert Maximalwert Forderung der Anbieter 9.758 566 41.835 Prozentuale Abweichung zur Berechnung 9% -58% 384% der Verbraucherzentrale Absolute Abweichung zur Berechnung der Verbraucherzentrale 846-5.752 11.198 Übersicht 1: Abweichung der Schadensforderungen zur Berechnung der Verbraucherzentrale Die Verteilung der Abweichungen in allen 224 Fällen zeigt nachfolgende Übersicht 2. Abweichung Fallzahl relative Häufigkeit bis zu 0% 40 18% zwischen 0 und 15% 125 56% über 15% 59 26% Übersicht 2 Verteilung der Abweichung (n=224) Danach haben Anbieter in 82 Prozent der Fälle eine höhere Einbuße berechnet als die Verbraucherzentrale. In 56 Prozent der Fälle wurde ein Schadensersatz verlangt, der zwischen 0 und 15 Prozent über dem Be- 5

rechnungsergebnis der Verbraucherzentrale lag. Bei jedem vierten Anbieter betrug die Abweichung 15 Prozent und mehr. Zusätzlich streuen die Berechnungen aber auch bei denselben Anbietern. Dies zeigt die Verteilung der Berechnungsergebnisse unter den Kreditinstituten mit mehr als 2 Fällen. Es handelt sich dabei um 19 Institute (siehe Übersicht 3). Anbieter Abweichung vom Berechnungsergebnis [in %] n von bis Allianz 5-12 31 BW Bank 7 2 14 Commerzbank 14-7 384 Deutsche Bank 11-58 133 DKB 7-6 16 DSL Bank 12-8 19 ING-DiBa 8 3 97 Kreissparkasse Waiblingen 3 4 10 LBS 3 4 7 Sparda-Bank Baden- Württemberg 12 1 28 Sparkasse Karlsruhe-Ettlingen 4-3 16 Sparkasse Köln-Bonn 3 21 75 Sparkasse Kraichgau 3-12 16 Sparkasse Rhein Neckar Nord 4 4 19 Sparkasse Trier 4 17 97 Unicredit (vormals HypoVereinsbank) 5 0 11 Untertürkheimer Volksbank 3-12 1 VR Bank Rhein-Neckar 3 25 47 Wüstenrot 3 15 26 Übersicht 3 Streuung der Berechnungsergebnisse (Anbieter mit n > 2) Diskussion der Ergebnisse Ermessensspielraum Die Beobachtung, dass die Berechnungen der Anbieter so stark von den Berechnungen der Verbraucherzentrale abweichen, ohne jedoch stets konstant um ein bestimmtes Verhältnis abzuweichen, hat ihre Ursache darin, dass die Rechtsprechung einen ganz erheblichen Ermessensspielraum bei den Parametern der Vorfälligkeitsberechnung zugelassen hat. Dieser Er- 6

messensspielraum führt zu einer sehr unterschiedlichen Parameterwahl. Nachfolgende Übersicht stellt unsere Beobachtungen bei der Nutzung der Ermessensspielräume dar. Übersicht 4 weist die Parameter aus, die die Kreditinstitute gegenüber ihren Kunden ausgewiesen haben. Ein erheblicher Anteil der Kreditinstitute hat allerdings keine Informationen zur Parameterwahl an ihre Kunden weitergegeben. Ermessensspielraum Renditen für die Wiederanlage des ausfallenden Zahlungsstromes Beobachtungen DGZF-Renditen VDP-Pfandbriefrenditen Hypothekenpfandbriefrenditen Bundesbank FAZ-Renditen Renditen der ICMA Zerobonds ohne Quellangabe Renditen der DZ-Bank Datenquelle: Reuters Kreditzinsen (Aktiv-Aktiv Methode) Ohne Information waren 46% der vorgelegten Berechnungen Erstattungsbetrag für entfallendes Risiko Geringster Wert: 0% Mittelwert: 0,06% Höchstwert: 0,20% Ohne Information waren 17% der vorgelegten Berechnungen Erstattungsbetrag für entfallende Verwaltung Geringster Wert: 0 Euro Mittelwert: 29,70 Euro Höchstwert: 100 Euro Ohne Information waren 17% der vorgelegten Berechnungen Entgelt für die Schadensberechnung Geringster Wert: 0 Euro Mittelwert: 158,48 Euro Höchstwert: 350 Euro Ohne Information waren 8% der vorgelegten Berechnungen Übersicht 4: Ermessensspielraum der Parameter einer Vorfälligkeitsberechnung 7

Bereits geringe Unterschiede in der Höhe der Renditen für die Wiederanlage des entfallenden Zahlungsstroms wirken sich auf die berechnete Einbuße aus. Es besteht daher für die Anbieterseite ein Anreiz, möglichst solche Renditen anzusetzen, bei denen der Schaden maximal ist. Bei den Risikokosten besteht hingegen ein klarer ökonomischer Anreiz für Anbieter, diese so gering wie möglich anzusetzen. Einige Anbieter gehen sogar so weit in ihrer Annahme, dass sie überhaupt kein Kreditrisiko unterstellen und deshalb auch keine Risikokosten erstatten. Diese Annahme ist allerdings fragwürdig. Selbst beim Schuldner Bundesrepublik Deutschland nimmt die Kreditwirtschaft ein Kreditausfallrisiko von 0,14 Prozent der Kreditsumme jährlich an 1. Vor diesem Hintergrund erscheinen die beobachteten durchschnittlichen Risikokosten von 0,06 Prozent bei Verbraucherdarlehen zur Immobilienfinanzierung nicht plausibel. Alle oben dargestellten Berechnungsparameter bis auf die Risikokosten sind grundsätzlich unabhängig vom Einzelfall. Bei den Risikokosten wäre zu erwarten, dass bei entsprechend hoher Fallzahl die Kreditinstitute verschiedene Werte verwendet haben, um dem unterschiedlichen Bonitätsrisiko ihrer Kunden gerecht zu werden. Auf Grundlage der vorliegenden Fälle können wir dies aber nur für zwei von 19 Anbietern beobachten. Im Gegensatz dazu haben neun Anbieter stets identische Risikokosten in unterschiedlichen Fällen angenommen. So hat die Sparda-Bank Baden-Württemberg in allen 12 Fällen mit Risikokosten in Höhe von 0,06% kalkuliert. Die BW Bank hat in allen 7 Fällen stets einen Wert von 0,04% angenommen (vgl. Übersicht 5). Für Verbraucher ist die Höhe der erstatteten Risikokosten nicht in jedem Fall erkennbar geschweige denn nachvollziehbar, da sie oft nicht explizit ausgewiesen ist oder sich ihr Wert in einem Euro Betrag versteckt. 1 Vgl. http://www.deutscher-derivate-verband.de/deu/transparenz/creditspreads vom 12.07.2012: Credit Default Swaps mit einer Laufzeit von fünf Jahren, Bundesrepublik Deutschland: 69,27 8

Anbieter n unterschiedliche Risikokosten Anmerkung Allianz 5 Ja 0 oder 0,05% BW Bank 7 Nein stets 0,04% Commerzbank 14 unklar 0,06% oder nicht ausgewiesen Deutsche Bank 11 nicht relevant, andere Methode DKB 7 unklar 0,16% oder nicht ausgewiesen DSL Bank 12 unklar 0,06% oder nicht ausgewiesen ING-DiBa 8 Nein stets 0,05% Kreissparkasse Waiblingen 3 Ja 0 oder 0,10% oder nicht ausgewiesen LBS 3 unklar 0,10% oder nicht ausgewiesen Sparda-Bank Baden- Württemberg Sparkasse Karlsruhe-Ettlingen Sparkasse Köln- Bonn Sparkasse Kraichgau Sparkasse Rhein Neckar Nord 12 Nein stets 0,06% 4 unklar 0,06% oder nicht ausgewiesen 3 Nein stets 0,06% 3 Nein stets 0,06% 4 unklar 0,06% oder nicht ausgewiesen Sparkasse Trier 4 Nein stets 0,05% Unicredit (vormals 5 Nein stets 0,10% HypoVereinsbank) Untertürkheimer Volksbank VR Bank Rhein- Neckar 3 Nein stets 0,10% 3 unklar 0,10% oder nicht ausgewiesen Wüstenrot 3 Nein stets 0,10% Übersicht 5: Streuung der Risikokosten (Anbieter mit n > 2) Die mit Vertragsbeendigung ferner entfallende Verwaltung des Vertrags kalkulieren die Anbieter im Mittel mit rund 29,70 Euro jährlich. Wird berücksichtigt, dass mit den Verwaltungskosten die jährliche Überwachung der Bonität, die Prüfung von Zahlungseingängen und die Anforderung von Einkommensnachweisen verbunden sind, erscheint dieser in Abzug zu bringende Betrag sehr gering. Da dieser Betrag in der Abrechnung der Kredit- 9

institute nicht näher erläutert wird, ist er für Verbraucher nicht nachvollziehbar. Schließlich können Kreditinstitute für die vorzeitige Rücknahme eines Darlehens Kostenersatz verlangen. Bei einigen Kreditinstituten scheint die Berechnung keinen Zusatzaufwand darzustellen, sie kalkulieren die Einbuße ohne dafür einen Aufwandsersatz in Rechnung zu stellen. Im Mittel verlangen die Kreditinstitute allerdings 158,48 Euro und in der Spitze 350 Euro. In keinem Fall allerdings legen die Kreditinstitute detailliert offen, wie sich dieser Betrag zusammensetzt. Der zugrunde gelegte Aufwandsersatz entspricht zwar der Rechtsauffassung des BGH, dagegen kann jedoch eingewandt werden: dass Entgelte nicht vereinbart werden können, wenn das Kreditinstitut ausschließlich im eigenen Interesse handelt (BGH XI ZR 197/00). Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung erfolgt ausschließlich im Interesse des Kreditinstituts. Eine Vereinbarung im Preisverzeichnis ist demnach unseres Erachtens unzulässig dass Aufwandsersatz grundsätzlich nicht pauschaliert werden darf dass ein Aufwand, der im Wege einer Schadenersatzforderung geltend gemacht wird, grundsätzlich nachzuweisen ist. Diesen Nachweis führen die Institute regelmäßig nicht. Die Position Berechnungsentgelt ist daher unseres Erachtens nicht gerechtfertigt. Fehlberechnung Neben den geschilderten Ermessensspielräumen konnten wir aber auch klare Fehler in den Berechnungen der Kreditinstitute feststellen, die nach entsprechender Reklamation auch stets korrigiert wurden. Bei den festgestellten Berechnungsfehlern sind im Wesentlichen zwei Fälle zu unterscheiden. Zum einen wurde das vertraglich vereinbarte Recht des Verbrauchers, eine Sondertilgung zu leisten oder den Tilgungssatz zu erhöhen (gesonderte Tilgungsrechte), nicht berücksichtigt. Dies ist in 12 Prozent der Fälle geschehen. Zum anderen wurden in 13 Prozent der Fälle Renditen für die Ersatzanlage zum Berechnungsdatum anstelle des tatsächlichen Ablösedatums herangezogen. 10

Anhang Begriffsdefinition Die Vorfälligkeitsentschädigung ist die finanzielle Einbuße, die der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber zu ersetzen hat, welche diesem aus der vorzeitigen Kündigung des Darlehens mit fest vereinbartem Zins entsteht (vgl. 490, Abs. 2 BGB). Vorfälligkeitsentschädigungen fallen nur bei den Darlehen mit fest vereinbartem Zins an, für die der Darlehensnehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht besitzt. Dieses Recht hat er, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten. In 490, Abs. 2 BGB heißt es: Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache hat. (vgl. 490, Abs. 2 BGB). Konkret anerkannt worden ist ein solches Interesse bislang in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) für zwei Fälle: die Immobilie wird verkauft (BGH XI ZR 267/96) oder die Immobilie wird zur Absicherung eines zusätzlichen Kredites benötigt, den das bisherige Kreditinstitut verweigert, der aber bei einem anderen Kreditgeber erhältlich ist (BGH XI ZR 197/96). Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung hat der Darlehensgeber (i.d.r. Kreditinstitut), wenn er die vorzeitig zurückgezahlte Darlehensumme bis zum Ende der vereinbarten vertraglichen Bindung nur zu niedrigeren Zinssätzen wieder anlegen kann. Er hat also keinen Anspruch, wenn er die vorzeitig zurückgezahlte Darlehensumme bis zum Ende der vereinbarten vertraglichen Bindung zu gleichen oder gar höheren Zinssätzen wieder anlegen kann. Ist das vertraglich vereinbarte Darlehen noch nicht ausgezahlt, spricht man von einer Nichtabnahmeentschädigung. Für diese gelten die Regeln der Vorfälligkeitsentschädigung analog. Ein Vorfälligkeitsentgelt (auch: Aufhebungsentgelt) hingegen kann von einem Kreditinstitut dann verlangt werden, wenn der Verbraucher kein Kündigungsrecht besitzt. Dies ist beispielsweise bei einer Umschuldung eines Darlehens der Fall, deren Grund darin liegt, dass eine Offerte einer anderen Bank günstiger ist als die derzeit laufende, oder dass die Tilgung aus Eigenmitteln vorgenommen werden soll (etwa aus einer Erbschaft). 11

Berechnungsgrundlage Die Vorfälligkeitsentschädigung ist nach Auffassung des BGH so zu bemessen, dass das Kreditinstitut nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt wird als bei einer vereinbarungsgemäßen Abwicklung des ursprünglichen Darlehensvertrages (vgl. BGH XI ZR 285/03). Der Zinsausfall des Kreditinstituts ist die Differenz zwischen den Zinsen, die der Darlehensnehmer bei vereinbarungsgemäßer Durchführung des Vertrages tatsächlich gezahlt hätte, und den Zinsen des Ersatzgeschäfts. Ersatzgeschäfte können entweder neue Kredite ( Aktiv-Aktiv-Methode ) oder die Anlage in Hypothekenpfandbriefen ( Aktiv-Passiv-Methode ) sein. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg überprüft Vorfälligkeitsentschädigungen auf Basis der Aktiv-Passiv-Methode, welche auch nahezu alle Kreditinstituten verwenden. Denn nur bei dieser Methode sind die Zinsen für das Ersatzgeschäft (Hypothekenpfandbriefrenditen) nachvollziehbar und öffentlich zugänglich in der Statistik der Deutschen Bundesbank. Der BGH hat die Zulässigkeit dieser Methode anerkannt (BGH XI ZR 285/03). Um den Zinsausfall zu berechnen, muss erhoben werden, welchen Mittelzufluss (Cash-Flow) das Kreditinstitut noch bis zum regulären Zinsbindungsende erwarten konnte. Dieser Mittelzufluss setzt sich zusammen aus den regelmäßigen Leistungsraten und der Schlussrate. Es muss sodann derjenige Geldbetrag errechnet werden, der exakt so groß ist, dass daraus die vertraglichen regelmäßigen Leistungsraten sowie die Schlussrate bedient werden können. Da die Zahlungen zeitlich versetzt fällig werden, kann dieser Geldbetrag zwischenzeitlich anteilig verzinslich in Hypothekenpfandbriefe angelegt werden. Um den zum Kündigungszeitpunkt notwendigen Geldbetrag auszurechnen, werden die einzelnen Zahlungen des Zahlungsstromes in ihren Wert zum Kündigungszeitpunkt (Barwert) transformiert. Die einzelnen laufzeitbezogenen Diskontierungszinssätze sind Hypothekenpfandbriefrenditen aus der Bundesbank Statistik. Die Summe der so errechneten Barwerte der einzelnen Zahlungen ergibt schließlich denjenigen Betrag, den das Kreditinstitut anlegen muss (mit jeweils gestaffelten Anlagezeiträumen), um den ausfallenden Zahlungsstrom zu rekonstruieren. Die Differenz zwischen diesem Betrag und dem vorzeitig zurückgezahlten Darlehensbetrag markiert die Zinseinbuße der Bank. Durch die vorzeitige Rückzahlung entfällt allerdings das Kreditausfallrisiko, außerdem entfallen Verwaltungskosten für die restliche Vertragslaufzeit. Diese Kostenersparnisse mindern die Vorfälligkeitsentschädigung. Nachfolgende Übersicht 6 stellt die Berechnungsparameter dar, welche die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg anwendet. 12

Parameter Berechnung der Württemberg 1. Entfallender Zahlungsstrom 2. Wiederanlagezins Der Schaden wird nur für den Zeitraum der rechtlich gesicherten Zinserwartungen bestimmt (BGH XI ZR 27/00). Sondertilgungsrechte mindern den Schaden (LG Darmstadt, 25 S 43/06 und LG Heidelberg, 1 O 219/05). Gleiches gilt für ein etwaiges Recht zur Erhöhung der Tilgungsrate. Hypothekenpfandbriefrenditen (BGH XI ZR 27/00), nach Statistik der Deutschen Bundesbank (BGH XI ZR 285/03), datiert zum Zeitpunkt der Rückzahlung (BGH XI ZR 66/05) 3. Risikokosten Der BGH hat darauf hingewiesen, dass die Risikokosten stets im Einzelfall zu betrachten sind. Wir veranschlagen die ersparten Risikokosten mit 0,15 Prozent p.a., weisen aber aufgrund des Einzelfallbezugs auch für niedrigere und höhere Werte das Ergebnis aus. 4. Verwaltungskosten In den Verwaltungskosten sind nicht nur Kontoführungskosten enthalten, sondern auch Jahreskontoauszüge, die Überprüfung der jeweiligen Eingänge und der Bonität sowie schriftliche Anforderung von Einkommensnachweisen bzw. Steuerbescheiden. Da empirische Untersuchungen hierüber nicht vorliegen, schätzen wir die Kosten auf 5,- pro Ratenzahlung. Übersicht 6: Wesentliche Vorgaben durch Gerichte an Parameter der Schadensberechnung Als weitere Einbuße machen Kreditinstitute die Kosten geltend, die durch die Berechnung der Höhe der Einbuße entstehen (Berechnungsentgelt). Diese Kosten ließen sich laut BGH jedoch kaum exakt beziffern und könnten daher gemäß 287 ZPO geschätzt werden (BGH XI ZR 27/00). Solange der Nachweis für die entstandenen Kosten allerdings nicht plausibel dargelegt wird, enthält die Berechnung der Württemberg diese Position nicht. 13