Wohltun/ Schaden vermeiden

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Transkript:

Wohltun/ Schaden vermeiden - Kompetenz Ethik - Anja Sickmann, Dipl. Theol., Supervisorin DGSv Regina Bannert, Dipl. Theol., Supervisorin DGSv Peter Bromkamp, Dipl.-Religionspädagoge, Dipl.-Sozialgerontologe Diözesanbeauftragte für Ethik im Gesundheitswesen im Erzbistum Köln

Prinzipien der medizinischen Ethik Principles of biomedical Ethics Wohltun Schaden vermeiden Respekt vor Autonomie Gerechtigkeit

Abwägung Wohltun Schaden vermeiden Wesentliche Analyse zur ethischen Beurteilung Anforderung: Nutzen muss Schaden überwiegen Impliziert: Schaden ist bei ärztlicher Behandlung und Pflege nicht vermeidbar! Beauchamp und Childress: Wohltuns-Schadens Abwägung ist anderen Beurteilungsprinzipien überlegen

Ein Schaden ist dann gerechtfertigt Wenn er für mit einem größeren Nutzen verbunden ist, UND Wenn die Handlung dem Willen des Patienten entspricht Wohltun Schadens Analyse allein kann noch kein ärztliches Handeln rechtfertigen

Konsequenz aus Wohltun-Schaden- Analyse In der Regel keine unmittelbare Handlungsbegründung Gewichtung erfolgt letztlich durch Patienten selbst (Autonomie) Ausnahme: Wenn Schaden den Nutzen eindeutig überwiegt, ist keine Handlungsrechtfertigung möglich!

Grundlage der Wohltun-Schaden- Analyse: FAKTEN = fachliche Expertise, bezieht sich auf Teilaspekte des Menschseins Medizinisch (Diagnose, Prognose, Effektivität der Behandlung) Pflegerisch Soziologisch, sozialpsychologisch Organisatorisch, juristisch, ökonomisch Werden BEWERTET

Die physiologische Wirksamkeit einer PEG-Ernährung ( Maßnahme) ist also nur eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung dafür, dass sie einen Nutzen für den Patienten hat. Prof. Dr. med. G. Marckmann Institut für Ethik und Geschichte in der Medizin, Tübingen M. Synofzik, M.A. Hertie Institut für Klinische Hirnforschung, Abteilung für Neurodegeneration, Tübingen Hier: Deutschs Ärzteblatt, Jg. 104, Heft 49, Dezember 2007

Bewertung anthropologisch umfassende Sichtweise Setzt Fakten in Beziehung zueinander Gewichtet auf Grundlage einer umfassenden anthropologischen Sichtweise

Aspekte der Wohltun-Schaden- Analyse: Lebenserhalt Körperliches Wohlbefinden Geistiges Wohlbefinden Seelisches Wohlbefinden Spirituelles Wohlbefinden Soziale Integration Persönliche Entfaltung

Chance: Klärung von Entscheidungen am Lebensende Schaden Lebensverkürzung relativiert sich im Sterbensprozess Versachlichung hoch aufgeladener Diskussionen ( Sie können Ihre Mutter nicht verhungern lassen! )

Risiko: kaum vorhandenen Autonomie- Äußerungen Wohltun-Schadens-Analyse hat zentrale Bedeutung bei Recherche des mutmaßlichen Patientenwillens Entscheidungen, die ein früheres Sterben zur Folge haben, können nicht mehr durch aktuelle Willensäußerungen verifiziert werden.

Risiko: Paternalismus Definition: Prinzip Wohltun wird über das Prinzip Respekt vor der Autonomie gesetzt Lange verbreitet: Vorenthalt von Informationen, um Schaden zu vermeiden Schwacher Paternalismus: Vorenthalten schlechter Nachrichten bis zur sicheren Diagnosestellung

Risiko: Zwang zur Schadensvermeidung Fixierung Zwangseinweisung Zwangsbehandlung

Risiko: Lebenswerturteile Das ist doch nur noch Quälerei! Das ist doch kein Leben mehr! Das ist nicht mehr zumutbar! Das würde ich nicht wollen!

Utilitaristisches Denken Lebensqualität ist quantitativ erfassbar Lebenswert und Lebensqualität werden verknüpft Konsequenz: Hemmschwelle gegenüber lebensbegrenzenden Entscheidungen sinkt

Christliches Menschenbild Würde nicht an Wohlbefinden gekoppelt Leben verliert nicht an Wert durch Mangel an Lebensqualität Sinn von Behandlung entsteht durch Lebensdeutung des Betroffenen Nicht durch Deutung von außen!

Gutes Weiterdenken!