Zusammenfassung. Einführung

Ähnliche Dokumente
Verträge, Abkommen und Vereinbarungen mit den osteuropäischen

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

die Berliner Mauer die Geschichte zwei deutscher Staaten

Konrad Adenauer. Die Demokratie ist für uns eine Weltanschauung" Reden und Gespräche ( )

Berlin Das Manuskript zum Film von Werner May

vitamin de DaF Arbeitsblatt - zum Geschichte

Karsten Hartdegen. Entstehung der Bundesrepublik Deutschland

Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten. ["Deutschlandvertrag"]

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Die 16 Bundesländer. Das komplette Material finden Sie hier: School-Scout.

Etappen und Ereignisse auf dem Weg zur Spaltung Deutschlands

Der Mauerbau am

Peter Boenisch in einem Kommentar der Zeitung BILD am Sonntag am 13. Dezember 1970:

Gustav Stresemann und die Problematik der deutschen Ostgrenzen

NATIONALISMUS, NATIONALSTAAT UND DEUTSCHE IDENTITÄT IM 19. JAHRHUNDERT 8

Einleitung des Herausgebers 11

BESCHLUSS Nr. 964 WEITERLEITUNG DES ENTWURFS DER GEDENKERKLÄRUNG VON ASTANA AN DAS GIPFELTREFFEN

file:///c /Dokumente%20und%20Einstellungen/Michael/Desktop/REFS/Ready%20to%20do/fa/Hausarbeit.html

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Deutschland Die deutschen Staaten vertiefen ihre Teilung

Die deutsch-polnischen Beziehungen bis Polnisch / Förderung des Erlernens kleiner europäischer Sprachen

Grundzüge der BRD und der DDR

Volker Busse. Bundeskanzleramt und. Bundesregierung. Aufgaben Organisation Arbeitsweise. - mit Blick auf Vergangenheit und Zukunft -

Revisionismus in der deutschen Außenpolitik,

Selbstüberprüfung: Europa und die Welt im 19. Jahrhundert. 184

Grundgesetz. Im Grundgesetz für die BRD war vom der Artikel 23 vorhanden

1. Ordnen Sie die Ereignisse der deutschen Geschichte den Daten zu.

nationalismus, nationalstaat und deutsche identität im 19. jahrhundert 8

Öffentliches Recht (Völkerrecht) VL - Die Geschichte der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin in der DDR Prof. Dr. R.

Europa zwischen Spaltung und Einigung 1945 bis 1993

xxx Zwecks Dringlichkeit, per und FAX.

mentor Grundwissen: Geschichte bis zur 10. Klasse

Deutschland nach dem Krieg

Ton-Aufzeichnung eines Telefonats zwischen Egon Krenz und Helmut Kohl, 11. November 1989, Uhr

Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten

Politisches System der Bundesrepublik Deutschland

ONLINE DOKUMENTATION

Wirtschaftsschule: Geschichte/Sozialkunde 10 (dreistufige Wirtschaftsschule)

25 Jahre. deutsch-deutsche Währungsunion

Anmerkungen zum EU-Vertrag von Lissabon

Sachanalyse: Bundesrepublik Deutschland und DDR ( )

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland

DOWNLOAD VORSCHAU. Kleines Politiklexikon. zur Vollversion. Politik ganz einfach und klar. Sebastian Barsch. Downloadauszug aus dem Originaltitel:

Einbürgerungstest Nr. 1

Im Original veränderbare Word-Dateien

Souveränität (nach Stephen Krasner)

Video-Thema Manuskript & Glossar

Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Förderung der Menschenrechtserziehung in der Schule

BVerfGE 36, 1 - Grundlagenvertrag

Politik Wirtschaft Gesellschaft

Einbürgerungstest Nr. 5

Zwischen Krieg und Hoffnung

Thema: Nationalismus, Nationalstaat und deutsche Identität im 20. Jahrhundert

Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder anlässlich der Verleihung des Heinrich-

Guide to linguistic competence for tourist guides and tour leaders. Module 6

Gesetze. Thema: Geltungsbereich und Einfuehrungsgesetze

4 Inhaltsverzeichnis. Die Weimarer Republik

Michael Lüders Iran: Der falsche Krieg Wie der Westen seine Zukunft verspielt

Hiermit übersende ich den von der Bundesregierung beschlossenen

Michail Gorbatschow Das neue Russland

DIE NACHKRIEGSZEIT. Die Jahre

2) Hunderttausende West-Berliner haben sich vor dem Schöneberger Rathaus versammelt, um Kennedys Rede zu hören.

Kuba - Das Überleben des Regimes aufgrund ausbleibender Massenproteste

Geschichte - betrifft uns

Bundeskanzleramt und Bundesregierung

Grußwort des Herrn Landtagspräsidenten Dr. Matthias Rößler zum 25. Jahrestag der friedlichen Revolution am 09. Oktober 2014

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Epochen-Quiz: Geschichte nach Das komplette Material finden Sie hier:

A. GRUNDLAGEN DER AUSSENPOLITIK DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND 2

Führungsverhaltensanalyse

Übersetzung 1 Sechstes Zusatzprotokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates

liebe Gäste aus Oldenburg in Holstein, Goleniow in Polen und Svedala in Schweden,

Die Außenpolitik der Europäischen Union die Meinungen in Polen und Deutschland

EU Außen- und Sicherheitspolitik GASP-ESVP

Norddeutsche Meisterschaften 2006 Praktikerklasse 2 in Lüneburg

ON! DVD Föderalismus in Deutschland Arbeitsmaterialien Seite 1. Zu Beginn der Einheit bekommen die SchülerInnen

1965 EWG, EGKS und Euratom werden zu den Europäischen Gemeinschaften zusammengefasst

Geschichte betrifft uns

Die Kuba-Krise. John F. Kennedy - ein brillanter Krisenmanager?

Geschichte erinnert und gedeutet: Wie legitimieren die Bolschewiki ihre Herrschaft? S. 30. Wiederholen und Anwenden S. 32

Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französisc... Januar 1963 [A] und Gemeinsame Erklärung [B]; ("Elysée-Vertrag")

Geschichte und Geschehen 4 Bayern (9. Jahrgangsstufe) Kapitel: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg Obligatorische Inhalte

dtv Völkerrechtliche Verträge

Baustelle Demokratie

Schauen Sie mit den Augen der Anderen die die Macht definitiv haben und ausüben und fragen SIE SICH ernsthaft

Grundkurs Q 1/1 Nationalismus, Nationalstaat und deutsche Identität im 19. und 20. Jahrhundert Ein deutscher Sonderweg?

Die alliierten Kriegskonferenzen Übersicht. Konferenz von Casablanca (1943, Januar) 1. Washington-Konferenz (Trident) (1943,

Konrad-Adenauer-Stiftung in Eichholz Villa Hammerschmidt

Band 8. Die Besatzungszeit und die Entstehung zweier Staaten Sowjetischer Grundriß eines Friedensvertrages Erste Stalin Note (10.

Der Friedenstisch für persönliche Konfliktgespräche

Das Bandtagebuch mit EINSHOCH6 Folge 9: DIE BERLINER MAUER

a) Erklären Sie die Wörter in der ersten Spalte oder übersetzen Sie sie in Ihre Muttersprache.

Die EU und Russland in der Krise die Rolle Deutschlands. Dr. Sabine Fischer, SWP, Berlin Stiftung Demokratie Saarland 24.

Büro Hans-Dietrich Genscher. Rede. von Bundesminister a. D. Hans-Dietrich Genscher. anlässlich des Festkonzertes. zum Tag der deutschen Einheit

Herder-Taschenbücher herausgegeben im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung

Handelspartner DDR- Innerdeutsche Wirtschaftsbeziehungen

Meine Damen und Herren, ich freue mich, Sie heute hier im Namen der Frankfurt School of Finance und Management begrüßen zu dürfen.

Geschichte und Rolle. Andreas Schaufler Seminar Ethik und Biopolitik SS 2009

Antworten der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) und der Christlich-Sozialen Union in Bayern (CSU) auf die Fragen des Zentralrates

Schautafel-Inhalte der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bremen zur Nakba-Ausstellung

Gesprächskreis Partnerschaft mit Russland in Europa Konkrete Schritte für eine Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU

Transkript:

Interview des Ministerialdirektors, Professor Dr. Wilhelm G. Grewe mit dem Chefredakteur des Nordwestdeutschen Rundfunk, Hans Wendt ["Hallstein-Doktrin"], 11. Dezember 1955 Zusammenfassung Die "Hallstein-Doktrin", benannt nach dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts Walter Hallstein (1951 1958), war von September 1955 bis zur staatlichen Anerkennung der DDR in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Willy Brandt im Oktober 1969 die Leitlinie der Deutschlandpolitik der Bundesregierung. Es existiert kein amtlicher Text, der als "Hallstein-Doktrin" bekannt gegeben wurde. Sie besagte, daß die Bundesregierung es als einen "unfreundlichen Akt" (acte peu amicable) betrachte, wenn dritte Staaten die DDR völkerrechtlich anerkennen, mit ihr diplomatische Beziehungen aufnehmen oder aufrechterhalten mit Ausnahme der UdSSR als eine der vier für Deutschland als Ganzes verantwortlichen Mächte. Spiritus rector der Doktrin war nicht Hallstein, wie ein FAZ-Journalist meinte und damit den Namen prägte, sondern der damalige Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts Wilhelm G. Grewe. Formuliert wurde die "Hallstein-Doktrin" in folgenden Ausführungen: Regierungserklärung von Bundeskanzler Konrad Adenauer am 22. September 1955 vor dem Deutschen Bundestag, Ausführungen des Rechtsberaters Erich Kaufmann und des Ministerialdirektors Wilhelm G. Grewe auf der Botschafterkonferenz des Auswärtigen Amts am 8. Dezember 1955 in Bonn, Interview des Ministerialdirektors Wilhelm G. Grewe mit dem Chefredakteur im Nordwestdeutschen Rundfunk, Hans Wendt, am 11. Dezember 1955. Staatssekretär Hallstein brachte am 16. Januar 1956 in einem vertraulichen Runderlaß des Auswärtigen Amts das Ergebnis der Botschafterkonferenz vom 8. Dezember 1955 lediglich intern zur Kenntnis. Einführung Seit ihrer Gründung 1949 leitete die Bundesrepublik Deutschland aus der Präambel des Grundgesetzes das Ziel der Wiederherstellung der deutschen Einheit ab. Aus dem Gedanken der Verantwortung für die in der sowjetischen Besatzungszone und in deutschen Ostgebieten lebenden Menschen, eben "auch für jene Deutschen gehandelt" zu haben, "denen mitzuwirken versagt" geblieben war, erhob die Bundesregierung den Anspruch, "bis zur Erreichung der deutschen Einheit insgesamt die alleinige legitimierte staatliche Organisation des deutschen Volkes" (Adenauer am 21. Oktober 1949 vor dem Deutschen Bundestag) und damit eigentlicher Kernstaat des wiedervereinigten Deutschlands und Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches zu sein. Zugleich fühlte sie sich beauftragt, dafür zu sorgen, daß "das gesamte deutsche Volk, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands" vollendet. Angesichts ihrer mangelnden demokratischen Legitimität sprach die Bundesregierung, die selbst aus freien Wahlen hervorgegangen war, der DDR das Recht ab, verbindlich für das deutsche Volk Stellung zu nehmen. Dieser Alleinvertretungsanspruch und das Bestreben, die DDR international zu isolieren,

waren grundlegende Pfeiler der Deutschlandpolitik der Bundesregierung bis zum Inkrafttreten der Pariser Verträge im Mai 1955. Schon im Laufe des Jahres 1954, lange bevor die sowjetische Führung Bundeskanzler Adenauer am 7. Juni 1955 zu Gesprächen nach Moskau einlud, stellte das Auswärtige Amt Überlegungen an, wie man bei Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion die Präsenz von Botschaften der DDR und der Bundesrepublik Deutschland in Moskau international rechtfertigen solle. Bestrebungen sowohl westlicher Staaten wie auch blockfreier Staaten, handelspolitische oder diplomatische Beziehungen mit der DDR aufzunehmen, implizierten aus Sicht der Bundesregierung die Gefahr einer sukzessiven weltweiten völkerrechtlichen Anerkennung der DDR und damit die Verfestigung der Teilung Deutschlands. Die von Bundeskanzler Adenauer bei seinem Besuch in Moskau vom 9. bis 14. September 1955 mit der Sowjetunion vereinbarte Aufnahme diplomatischer Beziehungen machte eine Stellungnahme der Bundesregierung erforderlich. Sie mußte erklären, warum sie in Moskau einen zweiten deutschen Botschafter akzeptieren würde, anderen Staaten aber das Recht, gleichzeitig diplomatische Beziehungen zu beiden deutschen Staaten zu unterhalten, unter Androhung von Sanktionen praktisch verbieten wollte. Dadurch hoffte sie, die DDR weiterhin international isolieren und die Vertiefung der Spaltung Deutschlands verhindern zu können. In seiner Regierungserklärung am 22. September 1955 über die Ergebnisse der Moskau-Reise betonte Bundeskanzler Adenauer daher: "Auch dritten Staaten gegenüber halten wir unseren bisherigen Standpunkt bezüglich der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik aufrecht. Ich muß unzweideutig feststellen, daß die Bundesregierung auch künftig die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR durch dritte Staaten, mit denen sie offizielle Beziehungen unterhält, als einen unfreundlichen Akt ansehen würde." Dieser Grundsatz bedurfte der weiteren Ausführung, als die von den Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen im Juli 1955 in Genf einberufene Außenministerkonferenz, die im November 1955 ebenfalls in Genf zusammentrat, keine greifbaren Ergebnisse zur Lösung der deutschen Frage erbrachte. Auf der Botschafterkonferenz am 8. Dezember 1955 in Bonn wurde die "Hallstein-Doktrin" diskutiert. Anschließend erläuterte Ministerialdirektor Grewe am 11. Dezember 1955 die Grundsätze in einem Interview mit dem Nordwestdeutschen Rundfunk. Er wies darauf hin, daß die Bundesregierung eine Intensivierung der Beziehungen dritter Staaten zur DDR als "unfreundliche Handlung" empfinden werde, auf die man mit gestuften Maßnahmen bis hin zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen reagieren könne. Eine Doppelvertretung Deutschlands bei dritten Staaten werde voraussichtlich den Abbruch der Beziehungen zur Folge haben. Damit ließ die Bundesregierung bewußt Mittel und Umfang ihrer Reaktion offen. Eine Ausnahme bildeten die beiden deutschen Botschaften in Moskau. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion als ehemalige Besatzungsmacht und eine der Vier Mächte rechtfertigte die Bundesregierung mit dem Argument, diese könnten ein Mittel zur Überwindung der Spaltung und zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands sein. Anwendung fand die "Hallstein-Doktrin", als das kommunistisch orientierte, aber blockfreie Jugoslawien 1957 und Kuba unter Führung Fidel Castros 1963 diplomatische Beziehungen zur DDR aufnahmen. Die Bundesrepublik Deutschland brach danach jeweils die diplomatischen Beziehungen zu diesen Staaten ab. Eine umgekehrte Reaktion erfuhr die Bundesregierung im Jahre 1965, nachdem sie

diplomatische Beziehungen mit Israel aufgenommen hatte und daraufhin eine Reihe arabischer Staaten den Abbruch ihrer Beziehungen zur Bundesrepublik verkündeten, jedoch nicht alle anschließend die DDR völkerrechtlich anerkannten. Infolge der allmählichen Anbahnung von Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten in den 1960er Jahren stellte die Bundesregierung die Anwendung der "Hallstein-Doktrin" zusehends selbst in Frage. Mit der De-facto-Anerkennung der DDR durch Bundeskanzler Brandt im Oktober 1969 und der Aufnahme direkter Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zur vertraglichen Regelung der Beziehungen, die 1972 zum Grundlagenvertrag führten, wurde die "Hallstein-Doktrin" praktisch aufgegeben. Hanns Jürgen Küsters Quellen- und Literaturhinweise Booz, R.M., "Hallsteinzeit". Deutsche Außenpolitik 1955 1972, Bonn 1994. Grewe, W.G., Deutsche Außenpolitik der Nachkriegszeit, Stuttgart 1960. Kilian, W., Die Hallstein-Doktrin. Der diplomatische Krieg zwischen der BRD und der DDR 1955 1973. Aus den Akten der beiden deutschen Außenministerien, Berlin 2001. Quellentext deutsch [...] Ministerialdirektor Professor Dr. Grewe, Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, gab am 11. Dezember 1955 Chefredakteur Hans Wendt im Nordwestdeutschen Rundfunk nachstehendes Interview über die am 10. Dezember 1955 beendete Botschafter-Konferenz im Auswärtigen Amt in Bonn: Die Botschafter-Konferenz drehte sich in erster Linie um die Folgerungen aus den beiden Genfer Konferenzen und der Moskauer Begegnung, nicht wahr? Oder was war das Hauptthema? Es liegt natürlich nahe, daß man sich auf dieser Botschafter-Zusammenkunft in erster Linie mit den Folgen dieser Konferenzen befaßt hat, mit der neuerlichen Verschärfung des Ost-West-Konflikts, der Ost-West-Beziehungen und mit den verschiedenen Vorstößen des Ostblocks und insbesondere auch der "DDR" nach der zweiten Genfer Konferenz. Wie beurteilen Sie die Presseberichte über einen angeblichen Stimmungswandel im Westen zugunsten einer angeblich weniger unnachgiebigen Haltung gegenüber Pankow? Solche Zweifel sind in der öffentlichen Meinung ja schon häufiger einmal hervorgetreten. Aber es handelt sich bei dieser ganzen Frage ja nicht in erster Linie um eine juristische Frage, sondern in der Tat um eine politische Frage. Und es scheint mir wichtig zu sein, daß wir das immer wieder mit der gebührenden Deutlichkeit klarmachen. Der Westen weiß im Grunde aber, daß unsere Ansicht zu dieser ganzen Frage hier die maßgebliche sein muß, und wir können in dieser Politik, glaube ich, gar keinen entscheidenden Wandel eintreten lassen. Wir sind nicht nur gebunden durch unsere Verfassung, durch unser Grundgesetz, das jeder Bundesregierung aufgibt, die staatliche und nationale Einheit Deutschlands zu wahren und die Anerkennung Pankows würde die Zweiteilung Deutschlands bedeuten -, wir können auch deswegen nicht, weil wir uns vertraglich mit unseren

Bündnispartnern zusammengetan haben zu einer Politik der Wiedervereinigung in Freiheit. Und wir können endlich auch deswegen nicht anders, weil unsere politischen Grundinteressen so sind, daß wir von dieser Haltung nicht ablassen können. Unsere Grundinteressen gehen auf die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands. Wir können deswegen keinen Schritt tun, der die Spaltung befestigt. Wir können auch den Einwohnern der Sowjetzone gegenüber es nicht auf uns nehmen, das Regime anzuerkennen, dem sie inneren und häufig genug auch äußeren Widerstand leisten. Das Wiedervereinigungs-Programm des ganzen freien Westens ist also einschließlich der freien Wahlen und allem unverändert geblieben? Ich sehe auch keine Anzeichen dafür, daß es sich ändern wird. Ist es richtig, daß auf dieser Botschafter-Konferenz die Politik der Bundesregierung dahingehend definiert worden ist, daß sie die diplomatischen Beziehungen mit jedem Staat abbrechen würde, der etwa Pankow anerkennt? Man wird zunächst sagen müssen, daß man nicht ganz generell festlegen kann, in welchem Augenblick eine Anerkennung im völkerrechtlichen Sinne vorliegt. Es gibt da eine Reihe von Zwischenstufen, die sowohl in der Staats-Praxis wie im Völkerrecht umstritten sind. Klar ist und das haben wir oft genug deutlich gemacht, daß die Intensivierung der Beziehungen mit Pankow von uns als eine unfreundliche Handlung empfunden wird. Auf unfreundliche Akte anderer Staaten kann man mit verschieden gestuften Maßnahmen reagieren, kann entweder seinen Botschafter zunächst einmal zur Berichterstattung zurückberufen, oder man kann auch einen weiteren Abbau einer solchen Mission vornehmen. Kurz, es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die noch vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen liegen. Und es ist klar, daß man einen so schwerwiegenden Schritt wie den Abbruch diplomatischer Beziehungen immer nur nach sehr reiflicher Überlegung und in einer sehr ernsten Situation tun wird. Aber soviel ist klar, daß diese ganze Frage für uns in der Tat eine äußerst ernste Frage ist und daß in dem Augenblick, in dem das Problem der Doppelvertretung Deutschlands bei dritten Staaten auftaucht, wir wahrscheinlich gar nicht anders können, als sehr ernste Konsequenzen daraus zu ziehen. Daß wir jede Anerkennung Pankows als unfreundlichen Akt betrachten würden, haben wir ja auch schon vorher gesagt? Das ist bereits im Bundestag und bei verschiedenen Gelegenheiten deutlich genug gesagt worden. Nun könnte natürlich jemand einwenden: Warum stellt ihr keine diplomatischen Beziehungen zu Polen, der #SR oder den südosteuropäischen Staaten her, nachdem ihr ja solche mit Moskau eingegangen seid? Ich begrüße es sehr, daß Sie gerade diese Frage stellen, denn diese nach meinem Gefühl falsche Analogie wird in der Tat immer wieder gezogen. Wenn wir in Moskau die Tatsache hinnehmen, daß in Zukunft dort neben unserem Botschafter auch ein Botschafter des Pankow-Regimes sein wird, so nur deswegen, weil die Sowjetunion in ihren Beziehungen zu uns eben eine ganz besondere Stellung einnimmt. Sie

gehört zu den ehemaligen vier Besatzungsmächten. Sie gehört zu denjenigen vier Mächten, die die Spaltung Deutschlands durch die Einteilung Deutschlands in militärische Besatzungszonen herbeigeführt haben und die daher auch allein im Zusammenwirken die Einheit Deutschlands wieder herstellen können. Wenn wir die Beziehungen mit Moskau aufgenommen haben, obgleich solche Beziehungen zur "DDR" bestehen, so doch nur mit der Maßgabe, die ja auch in dem Notenwechsel mit Moskau ihren Ausdruck gefunden hat, daß diese diplomatischen Beziehungen ein Mittel sein sollen auf dem Wege zur Überwindung der Spaltung und zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands. Dazu können uns aber diplomatische Beziehungen mit Polen, Ungarn, Rumänien und anderen kommunistischen Staaten nicht verhelfen. Das ist der große Unterschied. Hier nach: Bulletin des Presse- und Informationsamtes, 1955, Nr. 233, S. 1993f. Faksimile Die 4 Faksimile werden nicht mit ausgedruckt. Hier nach: Bulletin des Presse- und Informationsamtes, 1955, Nr. 233, S. 1993f. Quelle: http://1000dok.digitale-sammlungen.de/dok_0019_hal.pdf Datum: 07. Mai 2018 um 08:53:42 Uhr CEST. BSB München