Risk Controlling in der Praxis



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Risk Controlling in der Praxis Rechtliche Rahmenbedingungen und geschäftspolitische Konzeptionen in Banken, Versicherungen und Industrie von Henner Schierenbeck überarbeitet Schäffer-Poeschel 2006 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 7910 2533 9 Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Herausforderungen bei der Konzeption und Umsetzung einer Gesamtbanksteuerung 13 Einleitung: Die marktlichen Entwicklungen als Ausgangspunkt und Treiber der Entwicklung von Gesamtbanksteuerungssystemen Die Finanzdienstleistungsbranche in Deutschland sieht sich weiterhin großen Herausforderungen ausgesetzt. Zwar haben sich beginnend mit dem Jahr 2003 und auf breiterer Basis fortgesetzt 2004 und 2005 in Teilen deutliche Ergebnisverbesserungen gegenüber den Vorjahren gezeigt, diese waren in großen Teilen allerdings auf die zinsphasenbedingten Ergebnisverbesserungen im Zinsüberschuss und Handelsergebnis sowie auf das erstmalige Greifen der Kostensenkungsmaßnahmen und eine Rückführung der Abschreibungen und Wertberichtigungen auf kreditrisikobehaftete Positionen zurückzuführen. Die in der Branche teilweise noch bestehenden strukturellen Defizite sowie die zu geringe Ertragsausschöpfung der Kundenbeziehungen verhindern die Erzielung einer angemessenen Kosten-Ertrags-Relation. Im Ergebnis führen diese E=ekte zu Eigenkapitalrenditen, die für eine große Anzahl von Instituten deutlich von den häufig als Benchmarkwert angegebenen Größen von 15 Prozent vor Steuern (Sparkassen und Genossenschaftsbanken), geschweige denn 15 Prozent nach Steuern (Großbanken) abweichen. Eine integrierte ertrags- und risikoorientierte Gesamtbanksteuerung ist vor dem Hintergrund dieser Entwicklung zu einer dringenden Herausforderung geworden, der sich alle Kreditinstitute auch hinsichtlich aufsichtsrechtlicher Anforderungen ( 25a KWG, Basel II) zu stellen haben. Durch die Implementierung geeigneter Steuerungsinstrumente sind frühzeitig Informationen über die Ertrags-, Kosten- und Risikosituation zu generieren und entsprechend zu analysieren. Nur mit einem integrierten System besteht die Möglichkeit der eindeutigen Identifikation von Handlungserfordernissen und damit der Ableitung klarer geschäftspolitischer Impulse. Im Rahmen dieses Beitrages werden zunächst die Struktur und die Elemente einer fundierten Gesamtbanksteuerung dargestellt. Im Anschluss hieran werden ausgewählte konzeptionelle Herausforderungen der Gesamtbanksteuerung diskutiert. Den Abschluss bildet ein kurzer Blick auf mögliche Umsetzungshürden.

14 risk controlling in banken Die Struktur einer Gesamtbanksteuerung im Überblick Elemente der Gesamtbanksteuerung Den konzeptionellen Rahmen einer Gesamtbanksteuerung bildet grundsätzlich ein duales Steuerungssystem, welches aus einer zentralen Struktur-/Portfoliosteuerung und einer dezentralen Einzelgeschäftssteuerung besteht (vgl. Grafik 1). 1 Zielsetzung eines solchen Systems ist die Konzeption der pretialen Lenkung, das heißt die Ermöglichung dezentraler Entscheidungen bei zentraler Koordination im Sinne der Gesamtbankzielsetzung. Jedem dieser Steuerungskreise werden dabei diejenigen Aufgaben zugeordnet, die in ihrem Einfluss- bzw. Verantwortungsbereich liegen. Zentrale Struktur-/Portfoliosteuerung Dezentrale Geschäftssteuerung Kapital-Allokations-Mechanismus Risikosteuerung Eigenkapital/Risikokapital freies Risikokapital Marktzinssätze für das Zinsrisiko Risikokosten für das Ausfallrisiko Allokation Strategische Geschäftsfelder Risiken Ergebniserwartungen Standardstückkosten Privatkunden Firmenkunden Marktpreisrisiko Ausfallrisiko Ertrags-Risiko-Steuerung (Portfoliomanagement, Planung, Soll-Ist-Vergleich) Festlegung von Transferpreisen für Risiken Kundengeschäftssteuerung Festlegung von Marktpreisen für Inanspruchnahme von Serviceleistungen bzw. Vermittlungsprovisionen Risiko-Rendite-Profil Zentrale Geschäftsfeldsteuerung Produktivitätssteuerung Provisionen für Vermittlungen Grafik 1 Duale Steuerungsphilosophie Zur zentralen Gesamtbanksteuerung zählen grundlegende Entscheidungen über Ertrags- und Risikoziele sowie die Definition von anzustrebenden Gesamtbankzielen. 2 Für die Geschäftsbereiche bedeutet dies die konkrete Vorgabe von Ergebnisansprüchen unter Berücksichtigung des allozierten Risikokapitals. Der Ergebnisanspruch ist dabei abhängig von den Ertragserwartungen der Kapitalgeber, 3 der Risikoneigung der Unternehmensleitung sowie den Risiko-Rendite-Profilen

Herausforderungen bei der Konzeption und Umsetzung einer Gesamtbanksteuerung 15 der am Markt existierenden Investitionsmöglichkeiten. Das Risikokapital als zweite zentral vorgegebene Größe stellt schließlich die Obergrenze für die Übernahme von Risiken innerhalb der Ergebnisbereiche dar. Die Bereitstellung des Risikokapitals erfolgt als Bestandteil eines gesamtbankweiten Allokationsprozesses über die Festlegung bereichsbezogener Limiten, deren Höhe die jeweiligen dezentralen Möglichkeiten der Risikoübernahme kennzeichnet. 4 Mit den beschriebenen zentralen Festlegungen ist es möglich, die einzelnen Geschäftsbereiche als dezentrale, eigenständig agierende Einheiten organisatorisch zu verankern. Das Grundprinzip bei der dezentralen Steuerung ist die Freistellung des Kundengeschäftes von sowohl Marktpreis- als auch Ausfallrisiken. 5 Für den Transfer dieser Risiken hat der Kundengeschäftsbereich eine Prämie zu zahlen, die als Versicherungsprämie zu verstehen ist und welche den Erfolg des Einzelgeschäftes mindert. Die Marktpreis- sowie die Ausfallrisikosteuerung erfolgt dann zwar wiederum auf einer zentralen, gesamtbankorientierten Ebene, kann aber organisatorisch wie der Kundengeschäftsbereich als selbstständig agierende und disponierende Einheit verankert werden. Aufgabe der Risikobereiche ist es schließlich, die von den dezentralen Kundengeschäftsbereichen übernommenen Risiken unter Ertrags- und Risikoaspekten zu steuern. Es wird dabei angestrebt, auf das zur Abdeckung der Risiken bereitgestellte Risikokapital eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, insbesondere im Vergleich zu anderen Verwendungsmöglichkeiten des Risikokapitals. Hieraus ergeben sich zentrale und dezentrale Module der Gesamtbanksteuerung, die in Grafik 2 zusammengefasst sind. 9 Planung, zentrale Ertrags- und Risikosteuerung, Budgetierung, Limitierung Organisatorische Zuständigkeiten 2 3 4 5 6 7 8 Methoden Kundengeschäftssteuerung Steuerung operat. Risiken Vertriebs-/ Aktivitätensteuerung Produktivitätssteuerung Marktpreisrisikosteuerung Ausfallrisikosteuerung Aufsichtsrecht Ablaufbezogene Regelungen Ertrags-/ Kostenmanagement Risikomanagement DV-Umsetzung 1 Datenmanagement Grafik 2 Haus der Gesamtbanksteuerung

16 risk controlling in banken In vielen Fällen werden Fragestellungen der Gesamtbanksteuerung vor einem methodischen Hintergrund diskutiert. Neben einem adressatengerechten Management-Informationssystem darf insbesondere die Gestaltung von Organisation und Prozessen für die Funktionsfähigkeit eines derartigen Systems nicht unterschätzt werden. Hierzu gehören unter anderem die Festlegung von fachlichen und disziplinarischen Zuständigkeiten, die Bestimmung eines ertrags- und risikoadäquaten Kompetenzsystems wie auch die Implementierung von angemessenen Genehmigungs- und Kontrollprozessen (vgl.marisk). Kundengeschäftssteuerung Im Rahmen der Kundengeschäftssteuerung besteht die Aufgabe zum einen im Aufbau eines Vertriebscontrollings und zum anderen in der Implementierung einer aktivitätsorientierten Vertriebssteuerung. Letztere dient dazu, die dem eigentlichen Geschäftsabschluss vorgelagerten Aktivitäten wie das Führen von Telefonaten zwecks Terminvereinbarung, die Durchführung von Terminen usw. einem Steuerungsprozess zu unterziehen. Das «klassische» Vertriebscontrolling setzt dann mit der Messung von Ergebnissen am erfolgten Geschäftsabschluss an. Dieser Aspekt der Ergebnismessung soll im Folgenden noch vertieft werden. Die erste Aufgabe beim Aufbau eines derart definierten Vertriebscontrollings besteht in der Implementierung einer einzelgeschäftsorientierten Deckungsbeitragsrechnung. Die Deckungsbeitragsrechnung dient der Kalkulation von Bankprodukten bzw. konkreter Einzelgeschäfte mit dem Ziel, deren Vorteilhaftigkeit aus Sicht der Bank zu beurteilen. Im Sinne dieser Zielsetzung soll die Deckungsbeitragsrechnung eine Antwort auf die Frage geben, ob und in welchem Maße der Abschluss eines bestimmten Geschäftes für ein Kreditinstitut von Vorteil ist. Maßstab für die Beurteilung ist der Betrag, der sich aus der Gegenüberstellung der Nettoerlöse einer Leistung und der ihr zurechenbaren Kosten ergibt. Bei der Kostenzurechnung werden dabei im Sinne einer stufenweisen Deckungsbeitragsrechnung zunächst die echten Einzelkosten eines Geschäftes berücksichtigt und danach geschlüsselte Größen. Eine Systematik findet sich in Grafik 3. Bis zum Deckungsbeitrag III handelt es sich um die Einzelkosten eines Geschäftes. 6 Der Abschluss von Einzelgeschäften mit negativem Deckungsbeitrag III kann sich damit nur vor dem Hintergrund einer Betrachtung der Gesamtkundenbeziehung rechtfertigen. Die Kalkulation von Eigenkapitalkosten kann unterschiedlichen methodischen Ansätzen folgen. Hier hat sich nach Kenntnis des Verfassers noch kein einheitlicher Standard herausgebildet. Die Einbeziehung von führt dazu, dass ein Deckungsbeitrag V größer null zu einer positiven Wertgenerierung durch den Abschluss eines Einzelgeschäftes führt. Jedes Geschäft mit einem positiven Wertbeitrag erwirtschaftet eine Rendite jenseits

Herausforderungen bei der Konzeption und Umsetzung einer Gesamtbanksteuerung 17 Operative Erträge Standardrisikokosten Wertbeitrag Operative Erträge Deckungsbeitrag 1 Standardrisikokosten Deckungsbeitrag 2 Standardstückkosten Deckungsbeitrag 3 Deckungsbeitrag 4 Deckungsbeitrag 5 DB I 0 DB II 0 DB III 0 DB IV 0 DB V 0 DB 0 Std.risikokosten Std.risikokosten Operative Erträge Operative Erträge Operative Erträge Operative Erträge Operative Erträge Std.risikokosten Std.risikokosten Std.risikokosten Std.risikokosten Keine Kostenkomponente ist gedeckt Die erwarteten Verluste sind gedeckt Die standardisierten Einzelkosten sind gedeckt Die standardisierten Einzelkosten sowie die Kosten für das gebundene Eigenkapital sind verdient Sämtliche direkten sowie anteilige indirekte Kosten sind gedeckt Wertbeitrag wird generiert Grafik 3 Deckungsbeitragsstufen der Einzelgeschäftskalkulation der. Im Ergebnis bedeutet dieses, dass auch Geschäfte mit einem Deckungsbeitrag V von null positiv zu interpretieren sind. Dieser E=ekt kann in Teilen zu Verständnis- und Motivationsproblemen im Vertrieb führen. Risikosteuerung Die Kernaufgaben des Risikomanagements bestehen im Sinne der Kalküle des Risikomanagements zum einen in dem Erhalt der Risikotragfähigkeit und zum anderen in der Risiko-Chancen-optimierten Allokation der Risikodeckungsmasse. 7 Die grundlegende Systematik findet sich in Grafik 4. Wie auf Seite 14 =. bereits kurz erwähnt, bildet den Ausgangspunkt der Risikosteuerung die Ermittlung des ökonomischen Risikodeckungspotenzials. In Abhängigkeit vom «Risikoappetit» des Vorstandes wird ein entsprechender Teil der Risikodeckungsmasse zurückbehalten und findet keinen Eingang in den Allokationsprozess. Das für die Abdeckung sämtlicher Risiken bereitgestellte Risikokapital muss die nach einheitlichen Konventionen aggregierten Risiken eines Institutes mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit übersteigen. Im Einzelnen geht es um die Abdeckung von Kredit-, Marktpreis- und Liquiditätsrisiken sowie

18 risk controlling in banken Ökonomisches Risikokapital Gesamtbank Allokation des ökonomischen Risikokapitals Ökonomische Risikokapitallimite Gesamtbank Freies RDP Adressrisiko Geschäftsbereich A Geschäftsbereich B Geschäftsbereich C Ökonomisches Risikokapital Ökonomisches RDP Risk Tolerance Marktpreisrisiko Liquiditätsrisiko Operation. Risiko Sonstiges Risiko Limit Adressrisiko Limit Marktpreisrisiko Limit Adressrisiko Limit... Risikodeckungsmasse Risikokapital 1 Die Lenkung des Kapitals in die ertrags- und risikooptimale Verwendungsrichtung ist Ziel des Allokationsprozesses 1 Einheitliche Messung des Risikokapitals für ein Konfidenzniveau z.b. von 99,95 % und einem Horizont von einem Jahr auf Basis des VaR-Ansatzes. Ggf. Berücksichtigung einer Korrelation 1 bei Aggregation Grafik 4 Verteilung des ökonomischen Risikokapitals daneben der operationellen und eventueller sonstiger Risiken. In Abhängigkeit von der Art des Umgangs mit operationellen sowie sonstigen Risiken und deren geschäftsbereichsspezifischer Quantifizierung kann ein «Abzugsposten» vom Risikokapital definiert werden. Dieser dient der institutsweiten Abdeckung von Risiken, die nicht einzelnen Geschäftsfeldern zugewiesen werden. Die übrigen Risikoarten werden in der Regel geschäftsbereichsbezogen zugewiesen und finden damit Eingang in den Allokationsprozess. Das nach zentralem Abzugsposten verbleibende Risikokapital wird über einen Allokationsprozess in die ertrags- und risikooptimale Verwendungsrichtung gelenkt. Im Falle einer vollständigen, das vorhandene Risikokapital übersteigenden Nachfrage sehen die Geschäftsfeldverantwortlichen ausreichende Ertragspotenziale in Geschäften, die der Anforderung einer Abdeckung der genügen. In diesem Fall gibt es einen internen Wettbewerb um die Ressource Risikokapital, und die Geschäftsbereiche drängen auf eine Erhöhung des bereitgestellten Risikokapitals. Damit können auch die auf das Risikokapital transformierten Ergebnisansprüche an das Eigenkapital realisiert werden. Ein Problem taucht dann auf, wenn das Risikokapital nicht vollständig nachgefragt wird. In diesem Fall stellt sich die Frage der Allokation dieses «excess capital». Zum einen ist es möglich, den Ertragsanspruch an das Risikokapital zu reduzieren, um eine vollständige Risikokapitalausschöpfung zu erreichen. Zum anderen ist es denkbar,

Herausforderungen bei der Konzeption und Umsetzung einer Gesamtbanksteuerung 19 dieses «excess capital» zentral zu disponieren. In jedem Fall wird das Problem einer Nichterreichung der Ertragsansprüche auf das Eigenkapital resultieren. Zum Ausgleich eines im Jahresverlauf schwankenden Bedarfes einzelner Geschäftsfelder an Risikokapital ist die Einrichtung eines internen Marktes für Risikokapital sinnvoll. Mögliche Ergebnisse dieses internen Marktes können interne Reallokationsmaßnahmen, aber auch Maßnahmen der externen Bescha=ung zusätzlichen Kapitals sein. Einzelbetrachtung ausgewählter konzeptioneller Herausforderungen Die Ermittlung von Transferpreisen für Zinsänderungs- und Kreditrisiken in der Kundengeschäftssteuerung Zur Kalkulation des Konditionsbeitrages ist es erforderlich, eine detaillierte Kalkulationssystematik entsprechend der Typologie der zinstragenden Bankgeschäfte zu entwickeln. Eine besondere Herausforderung besteht hier in der richtigen Festlegung von Duplikationsvorschriften und damit in der Ergebnisspaltung zwischen Vertrieb und Treasury. Mit anderen Worten geht es damit um die Frage der richtigen Bewertung von Zahlungsströmen aus dem Kundengeschäft und dem Preis für die Übernahme dieser Zahlungsströme in das für die Zinsrisikosteuerung zuständige Treasury. Mit der Übergabe wird der Vertrieb gemäß dem Konzept der Marktzinsmethode vom Zinsänderungsrisiko freigestellt. Zinssatz vertraglich fixiert o=en Kapitalabfindung vertraglich fixiert o=en Typ 1 100 4 4 4 104 t0 t1 t2 t3 t4 Typ 3 100 4 4 4 104 t0?? Typ 2 100???? t0 t1 t2 t3 t4 Typ 4 100?? t0?? Grafik 5 Typologie von Bankgeschäften

20 risk controlling in banken Aus der Perspektive der Gesamtbank ist zu konstatieren, dass jede Quersubventionierung über die Gestaltung interner Verrechnungspreise (Referenzzinsen) konsequent abzulehnen ist, da diese nur zu Fehlallokationen führt. Die im Referenzzinsgebäude in der Schnittstelle von Treasury und Vertrieb kalkulierten Verrechnungspreise sollten zwingend auch am Markt realisierbar sein. Bei Nichtbeachtung besteht die Gefahr, dass die kalkulatorisch ausgewiesenen Ergebnisse im Vertrieb e=ektiv durch das Treasury für die GuV der Bank gar nicht durchgesetzt werden. Treasury sollte stets an dem existierenden marktlichen Rahmen gemessen werden und adäquate Möglichkeiten zur Duplikation des Kundengeschäftes am Geld- und Kapitalmarkt haben, um die Zinsänderungsrisiken aus dem Kundengeschäft zu hedgen. Eine besondere Herausforderung stellen in diesem Zusammenhang die Positionen mit o=enen Kapitalbindungen dar. Hier stellt sich die Frage, ob sich die Kalkulationsvorschriften an den formaljuristischen Fälligkeiten (und damit in der Regel kurzfristigen Duplikationsvorschriften) oder an faktischen Verweildauern orientieren sollen. In der Regel geht die Tendenz in der Praxis zu einer adäquaten Berücksichtigung von Bodensätzen durch eine Kalkulationsvorschrift, die sich an einem Mix von Tranchen unterschiedlicher Laufzeit orientiert. Darüber hinaus ist festzustellen, dass der bewusste Aufbau und das Durchhalten von Fristentransformationspositionen, unabhängig von kurzfristigen Zinsprognosen, stets sinnvoll ist. Dies umso mehr, als ein zinsanstiegsbedingter Ergebnisrückgang in diesem Bereich auf der Gesamtbankebene in der Regel durch wachsende Neugeschäftsmargen und verbesserte Wiederanlagebedingungen kompensiert werden kann. Diese Fragestellung ist allerdings in den Bereich der Steuerung von Marktpreisrisiken einzuordnen und damit unabhängig von der präzisen Kalkulation im Einzelgeschäft. Der Bestimmung der Risikoprämie (für Kreditrisiken) als einzigem von der Kundenseite determinierten Kostenelement kommt eine besondere Bedeutung zu. Eine pauschale Berücksichtigung von Risikokosten führt in aller Regel zu fehlerhaften Steuerungsimpulsen, da Kunden besserer Bonität übermäßig mit Risikokosten belastet werden, während Kunden schlechterer Bonität über die Durchschnittsbildung subventioniert werden. Dies kann zu einer adversen Selektion führen. Kunden guter Bonität wechseln zu den Kreditinstituten, die an die Kreditnehmerbonität gekoppelte Zinssätze anbieten, Kunden schlechterer Bonität gehen zu den Kreditinstituten, die weiterhin eine nicht risikoadäquate Preiskalkulation durchführen. Um solchen Entwicklungstendenzen entgegenzuwirken, sind Verfahren zu entwickeln, die eine verursachungsgerechte Bestimmung der Kreditrisikokosten ermöglichen und diese in Form von adäquaten Risikoprämien in die Konditionengestaltung integrieren.

Herausforderungen bei der Konzeption und Umsetzung einer Gesamtbanksteuerung 21 Kundenkreditzins Differenzierter Kundenkreditzins «Gute» Kunden verlassen Bank «Schlechte» Kunden verlassen Bank «Kundenverlustpotenzial» «Verlustkundenpotenzial» Undifferenzierter Kundenkreditzins Opportunitätssatz Gut Durchschnittlich Schlecht Bonität des Kunden (Rating) Der Kreditzins muss eine adäquate Risikoprämie enthalten Grafik 6 Risikoprämien als Determinanten einer bonitätsabhängigen Kundenkondition Bei der Risikoprämie handelt es sich um den in Euro ausgedrückten erwarteten Verlust im Kundenkreditgeschäft, welcher durch die Möglichkeit des Ausfalls eines Kreditnehmers bedingt ist. Die Risikoprämie ist eine kreditindividuelle Größe und wird von einer Reihe von Einflussfaktoren determiniert. Sie reflektiert: r die Bonität (und damit Ausfallwahrscheinlichkeit) des Kreditnehmers, r die Laufzeit (und damit Länge der Kapitalbindung, das heißt den Zeitraum, in dem der Kreditnehmer ausfallen kann), r das Kreditvolumen (und damit den maximal möglichen Verlust bei Ausfall des Kreditnehmers), r die Besicherung (und damit den Anteil des Kreditvolumens, der auch im Falle der Rückzahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers abgedeckt ist). Im Gegensatz zu marktgehandelten Titeln wie Anleihen lässt sich die vom Markt geforderte Ausfallrisikoprämie im klassischen Kreditgeschäft nicht im Kurswert ablesen. Es ist daher erforderlich, die Höhe des erwarteten Verlustes in Form einer Risikoprämie explizit zu quantifizieren. 8 Die Determinanten der Risikoprämie respektive des erwarteten Verlustes sind das im Ausfallzeitpunkt noch

22 risk controlling in banken o=ene Kreditvolumen (Kreditäquivalent/Loan Equivalent Exposure/«credit exposure»), die Ausfallwahrscheinlichkeit (Expected Default Rate Frequency/Probability of Default) sowie die Verlustquote des Kreditengagements im Insolvenzfall (Loss-given Default 1Besicherungsquote oder 1Recovery Rate). Die Risikoprämie ergibt sich dabei aus der multiplikativen Verknüpfung dieser drei Komponenten. Diese Parameter bilden gleichzeitig das Fundament für nahezu alle Ansätze zur Quantifizierung von Kreditportfoliorisiken. Hervorzuheben sind die unterschiedlichen Bezugsgrößen der drei Parameter. Die Ausfallrate ist dem Kreditnehmer zuzuordnen, während sich das Kreditäquivalent und die Verlustquote in grundlegender Hinsicht auf eine Kreditposition beziehen. Auf der Ebene eines einzelnen Kreditnehmers werden die drei Determinanten des erwarteten Verlustes in der Regel als voneinander unabhängige Variablen modelliert, da eine Messung der Korrelationen de facto kaum realisierbar ist. Der Separationsansatz und die Annahme der Unabhängigkeit gestatten es auch, für jede Komponente isoliert zweckmäßige Ansätze und Module zu entwickeln, die anschließend zu einem optimierten Gesamtverfahren zusammengeführt werden können. Die konkrete Ermittlung des erwarteten Verlustes ist auf Basis verschiedener Ansätze möglich. 9 Diese sind im Überblick in der Grafik 7 dargestellt. 10 Versicherungsmathematische Ansätze Optionspreisansätze Traditionelle Verfahren auf Basis normalisierter Ist-Kosten Ratingbasierte Verfahren Firmenwertmodelle (strukturelle Modelle) Intensitätsmodelle (reduzierte Modelle) Di=erenzierungskriterien Art der Segmentabbildung Kundengruppenorientiert Produktorientiert Bonitätszustandsorientiert Mehrdimensionale Abbildung Art des Ratingverfahrens Externes Rating Internes Rating a) logisch-deduktiv b) empirisch-induktiv Logit-Modell Probit-Modell Diskriminanzanalyse Künstliche neuronale Netze Art des Optionspreismodells Black-Scholes-basiert Binomialansätze Compound-Options- Ansätze Art der Modellierung des Zinsprozesses und des Ausfallprozesses Grafik 7 Verfahren zur Ermittlung des erwarteten Verlustes im Kreditgeschäft

Herausforderungen bei der Konzeption und Umsetzung einer Gesamtbanksteuerung 23 Aufbauend auf einer einzelgeschäftsorientierten Betrachtung ist dann eine Aggregation in Richtung der einzelnen Steuerungsbereiche vorzunehmen. In der Regel handelt es sich dabei um die Dimensionen Kunde, Produkt, Profitcenter (Region, Kundensegment oder strategisches Geschäftsfeld). Einen Überblick liefert die Grafik 8. 1 Produktgruppenrechnung 2 Kundenkalkulation Produktart Produkt Nr. Produkt betr. Stand Kunde Kunde Nr. Kunde betr. Stand ZM DB 1 DB 2 DB 3 DB 3 Vorjahr DB 3 Plan Summe ZM DB 1 DB 2 DB 3 DB 3 Vorjahr DB 3 Plan Summe Aktivprodukte Aktivprodukte Passivprodukte Passivprodukte Provisionsgeschäft Provisionsgeschäft Summe 2620 Summe 2620 A B C D Filiale1 Filiale 2 Filiale 3 DB-Struktur Kundengeschäft Filiale 4 Filiale 5 3 Filialkalkulation Kontokorrent/ Darleh. konto Hypo- Anlage- Fonds Lombardkredit Depotgeschäft/ VA Filiale Leiter Stand DB 3 DB 3 ZM DB 1 DB 2 DB 3 Summe Vorjahr Plan Aktivprodukte Passivprodukte Provisionsgeschäft Summe 11156 Grafik 8 Die Verdichtung der einzelnen Steuerungsbereiche Integrierte barwertige und periodische Steuerung von Zinsänderungsrisiken Marktpreisrisiken resultieren aus nicht geschlossenen Positionen im Zins-, Währungs- und Aktienbereich. So unterliegen Bestände mit o=enen Positionen einem Wertänderungsrisiko durch Veränderungen der zugrunde liegenden Marktparameter. Die einzelnen Marktpreisrisikoarten sollen im Folgenden nicht weiter betrachtet werden. 11