Klauenbäder Anwendung und rechtliche Beurteilung

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Klauenbäder Anwendung und rechtliche Beurteilung Einleitung In der jüngeren Vergangenheit hat es vermehrt Diskussionen um den Einsatz von Klauenbädern in der Rinderhaltung gegeben. Dabei tauchen immer wieder Fragen der arzneimittelrechtlichen Betrachtung auf, deren Beantwortung auch seitens der zuständigen Behörden und tierärztlichen Bildungsstätten in Deutschland uneinheitlich war. Die Anwendung von Klauenbädern, und dabei entstehende rechtliche Aspekte, sollen in diesem Beitrag erläutert werden. Fäule-Komplex-Erkrankungen Die im Fäule-Komplex zusammengefaßten Krankheiten Dermatitis interdigitalis (Ballenund/oder Zwischenklauenfäule, Fäule) mit ihrem typisch süßlich-jauchigen Geruch, die hochgradig schmerzhafte Dermatitis digitalis (Mortellaro sche Krankheit) und die perakut auftretende Phlegmona interdigitalis (Panaritium) weisen viele Gemeinsamkeiten auf (Bargai, 1998; Zemljic, 2002). Die genaue Ätiologie und Pathogenese der genannten Erkrankungen ist nachwievor unklar. Es lassen sich aber bei allen drei die anaeroben Erreger Dichelobacter nodosus und Fusobacterium necrophorum, bei Dermatitis digitalis zusätzlich Treponema spp., als wahrscheinliche Verursacher isolieren (Döpfer, 1997; Zemljic 2002). Eine Übersicht der vermutlich beteiligten Erreger stellt Murray (2004) in seiner Arbeit dar. Feuchtigkeit, Einwirkung von Ammoniak und mikroanaerobe Verhältnisse sind Vorraussetzungen für den Ausbruch einer Erkrankung (Read 1998). Aufgrund der flacheren Winkelung der Klauen an den Hinterbeinen und die Exposition gegenüber einem feuchten Millieu im hinteren Drittel der Liegeboxen ist ein nahezu ausschließliches Auftreten des Fäule-Komplexes an den hinteren Klauen zu beobachten. Maßnahmen zur Vorbeugung Häufigeres Auftreten von Fäule-Komplex ist auf Rautenmuster- als auf Besenstrichböden (Wells 1999), auf planbefestigten als auf Spalten-Böden (Somers 2003; Thysen 1987), bei automatischen Faltschiebern durch die auftretende Güllewelle (Laven 2004; Barker 2007) und bei längeren Klauenpflegeintervallen zu verzeichnen (Somers 2005). Aus den bereits beschriebenen Erkenntnissen ergeben sich die entsprechenden Prophylaxemaßnahmen. Bei Problemen mit Fäule-Komplex sollten als erstes die Liegeboxen überprüft werden. Eine Tiefstreubox mit mind. 20 cm hoher Kotkante, und damit auch einem entsprechend dicken Liegebett, ist als Optimum anzusehen. Sie sollte zweimal täglich gepflegt und mit Rapsstroh oder ähnlichen Materialien eingestreut werden. Wichtig ist eine ausreichende, dauerhafte Trockenheit im hinteren Drittel der Liegebox. Als nächstes sind die Laufflächen hinsichtlich ihrer Sauberkeit und insbesondere ihrer Feuchtigkeit zu beurteilen. Spaltenbodenschieber, häufigere Abschubintervalle und viel Luftbewegung im Stall, beispielsweise durch Großventilatoren und offene Stallwände, sorgen für trockenere Laufflächen. In Betrieben mit Biogasanlagen ist sogar schon erfolgreich eine Heißlufttrocknung der Laufflächen als Abwärmekonzept eingeführt worden. Wichtigste Maßnahme ist und bleibt jedoch eine funktionelle Klauenpflege nach Kehler (2000), um eine bessere Winkelung der Klaue zu erhalten und um anaerobe Nischen im

Ballenbereich und im Zwischenklauenspalt auszuglätten. Das Klauenpflegeintervall sollte in Fäule-Komplex-Problembetrieben bei mindestens viermal je Kuh und Jahr liegen (Somers 2005). Klauenbäder Trotz aller oben beschriebener Maßnahmen, und insbesondere aufgrund der zu verzeichnenden Klimaveränderung, ist es jedoch nicht selten notwendig, durch den pround metaphylaktischen Einsatz von Klauenbädern zusätzlich dem Infektionsdruck entgegenzuwirken. Dieses ist nicht nur eine Frage der Wirtschaftlichkeit, sondern auch eine des Tierschutzes. Aus der Literatur und eigenen Erfahrungen heraus empfiehlt sich der Einsatz als Klauenbad von Oxytetrazyklin in einer Konzentration von 8-10 g/l (Blowey 1992 ), welches auch als Spray für Einzelbehandlungen eingesetzt werden kann (Britt 1998, Hernandez 1999). Erythromycin kann mit 35 mg/l (Laven 2000) und Formalin in 3-5 %iger Lösung angewendet werden (Arkins 1986, Blowey 1988, Davies 1982, Holzhauer 2004). Kupfersulfat in einer Lösung von 2 g/l (Laven 2002) hat eine ähnlich gute Wirksamkeit wie die bereits genannten Mittel, sollte jedoch aufgrund einer möglichen Anreicherung auf den Gülleflächen nicht zu häufig angewendet werden. Eine Steigerung der Wirkung ist bei vorgereinigten Klauen, ausreichendem Klauenbadvolumen und längerer Einwirkdauer zu erwarten (Blowey 1988, Holzhauer 2004, Toussaint- Raven 1989). Andere Klauenbäder, wie beispielsweise mit Lincomycin (Laven 2002, Manske 1998) oder Kalkpulverbäder, sind wegen arzneimittelrechtlicher Bedenken oder mangelnder Wirksamkeit nicht anzuraten. Rechtliche Beurteilung Zunächst muß festgestellt werden, daß nach derzeitigem Stand alle oben namentlich erwähnten Wirkstoffe zur Anwendung bei allen lebensmittelliefernden Tierarten nach EWG-VO 2377/90 ( Rosa Liste ) zugelassen sind. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sie ohne weiteres auch eingesetzt werden dürfen. Es müssen die einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften beachtet werden. Antibiotische Klauenbäder Für die antibiotischen Stoffe Oxytetrazyklin, Lincomycin und Erythromycin besteht eine Zulassungspflicht nach 21 AMG. Gemäß 56a Abs. 1 Nr. 3 müssen für die Behandlung mit und bei Abgabe von Arzneimitteln für Tiere das Anwendungsgebiet und die Tierart zugelassen sein. Für das Anwendungsgebiet Infektiöse Klauenerkrankungen sind in Deutschland keinerlei Präparate zugelassen. Daher besteht zunächst nach 56a Abs. 2, der sogenannten Umwidmungskaskade, die Möglichkeit nach Nr. 1 ein für die Tierart, aber für ein anderes Anwendungsgebiet zugelassenes Arzneimittel anzuwenden. Hier wird man beim Oxytetrazyklin und Erythromycin fündig, da es entsprechende zur Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Kälbern zugelassene Fertigarzneimittel gibt. Für Lincomycin gibt es nach Kenntnis des Autors nur eine Zulassung für Schwein und Geflügel. Eine Umwidmung dieser Präparate wäre nach 56a Abs. 2 Nr. 2 jedoch nur erlaubt, wenn nicht ein nach Nr. 1

umgewidmetes und zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht. Daher ist die Anwendung von Lincomycin als Klauenbad oder Spray ein Verstoß gegen das AMG und nicht erlaubt. Bei der Umwidmung der Antibiotika ist weiterhin die Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV) zu berücksichtigen. Nach 12a Abs. 2 TÄHAV ist eine Wartezeit von mindestens 7 Tagen für Milch und 28 Tagen für Fleisch einzuhalten, wenn eine Umwidmung nach 56a AMG vorgenommen wurde. Daher dürfte die Anwendung antibiotischer Klauenbäder in der Milchviehherde aus wirtschaftlichen Gründen uninteressant sein, da 7 Tage lang keine Milch in den Verkehr gebracht werden darf. Nichtantibiotische Klauenbäder Arzneimittel bedürfen nach 21 Abs. 2 Nr. 1b keiner Zulassung, die [...] in Unternehmen, die nach 50 zum Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken befugt sind, hergestellt werden [...]. In 50 AMG wird der Verkehr mit freiverkäuflichen Arzneimitteln näher geregelt. Interessant ist hier für die Klauenbäder, daß nach Abs. 3 Nr. 4 keinerlei Sachkenntnis zum Vertrieb von Arzneimitteln, die ausschließlich zum äußeren Gebrauch bestimmte Desinfektionsmittel sind, benötigt wird. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß jedermann ohne besondere Vorkenntnisse freiverkäufliche Klauenbäder in den Verkehr bringen darf. Es bleibt noch der Hinweis, daß die Herstellung dieser Arzneimittel nach Qualitätskriterien der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV) erfolgen muß, welche in der Regel von tierärztlichen Hausapotheken erfüllt werden. Nun bleibt zu klären, ob eine Freiverkäuflichkeit nach dem AMG vorliegt. Nach 44 Abs. 2 Nr. 5 sind Arzneimittel [...] für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben [...] wenn sie [...] ausschließlich oder überwiegend zum äußeren Gebrauch bestimmte Desinfektionsmittel [...] sind. Dieses dürfte zweifelsfrei für die Klauenbadstoffe Formalin, Kupfer- und Zinksulfat feststehen, da keine andere arzneiliche Verwendung als die äußerliche Desinfektion sinnvoll ist. Hinsichtlich der Freiverkäuflichkeit von Kupfer- und Zinksulfat stimmt das zuständige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) in einem dem Autor vorliegendem Schreiben auch zu. Bezüglich Formalin bestehen jedoch Bedenken, auch seitens des für die Zulassung von Arzneimitteln zuständige Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), aufgrund der Einschränkung, die der 44 durch den 46 AMG erfährt. Die hinsichtlich dieses Paragraphen erlassene Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel (AMVerkRV) führt in ihrer Anlage 4 Stoffe und Stoffzubereitungen auf, die vom Freiverkauf nach 44 AMG ausgenommen werden. So ist hier unter anderem Formaldehyd zu finden. Formalin ist jedoch nicht gleich Formaldehyd, sondern das Hydratisierungsprodukt aus dem gasförmigen Formaldehyd. Da in der Anlage 4 für andere Stoffe, wie Oxazin oder Pyrazol, explizit auch die Hydratisierungsprodukte aufgeführt werden, dürfte Formalin nicht von der Freiverkäuflichkeit ausgenommen sein. Von allen bisher befragten Behörden, dem BMELV, dem BVL sowie dem Niedersächsischem Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), wird jedoch die Anwendung und Herstellung von Formalin, Kupfer- und Zinksulfat-Bädern durch den Tierarzt oder -halter aufgrund des 59a Abs. 2 AMG in Frage gestellt. Übersehen wird aber seitens der Behörden, daß dieser Paragraph nur für

Stoffe oder Stoffzubereitungen gilt, die [...] nicht für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind [...], also nicht freiverkäuflich sind. Wie oben bereits dargestellt sind Formalin, Kupfer- und Zinksulfat freiverkäuflich. Zudem ist eine Wartezeit nicht zu berücksichtigen. Weitere rechtliche Aspekte beim Einsatz von Klauenbädern In der Diskussion werden neben arzneimittelrechtlichen Aspekten weitere Argumente gegen den Einsatz von Klauenbädern ins Feld geführt. So wird auf die Richtlinie 98/8/EG, der Biozidrichtlinie, in Verbindung mit dem Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen, dem Chemikaliengesetz (ChemG), verwiesen. Übersehen wird jedoch dabei, daß Arzneimittel nach RL 98/8/EG Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a) und b) in Verbindung mit 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3b ChemG von den Bestimmungen für Biozide ausgenommen sind. Die Biozidrichtlinie gilt ausdrücklich nicht für (Tier-) Arzneimittel. Weiterhin wird auf abfallrechtliche Bedenken aufmerksam gemacht. Nach 10 Abs. 4 des Bundesabfallgesetzes (KrW/AbfG) sind Abfälle [...] so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt, Tiere und Pflanzen gefährdet oder Gewässer und Boden schädlich beeinflusst werden. Die Toxizität für Formaldehyd beträgt für den Wasserfloh Daphnia magna EC 50 : ~ 2 mg/l /48 h, für die Elritze Pimephales promelas LC 50 : 24 mg/l /96 h und für den Zebrabärbling Brachydanio rerio LC 50 : 41 mg/l /96 h. Formalin besitzt nach dem Sicherheitsdatenblatt eines Herstellers, erstellt nach EG-Richtlinie 91/155/EWG, eine biologische Abbaubarkeit von 97,4 % /5 d. Die Konzentration an Formaldehyd würde bei einem 150-Liter-5%- Klauenbad und einem Güllevolumen von 1.000 m³ nur 7,5 mg/l betragen. Nach 5 Tagen wäre der Wert auf 0,195 mg/l, nach 10 Tagen schon auf 0,005 mg/l abgesunken. Unter Berücksichtigung der deutlich längeren Lagerzeiten für Rindergülle und des zusätzlichen Abbaus auf den Gülleflächen ist von einer völlig gefahrlosen Entsorgung über die Gülle ohne Beeinträchtigung der Umwelt auszugehen. Für Kupfersulfat besteht eine Zulassung als Düngemittel. Es ist daher mittels Bodenproben der entsprechende Bedarf an Kupfer zu ermitteln und die entsprechenden ausgebrachten Mengen zu dokumentieren. Zu beachten ist, daß bei häufiger Anwendung von Kupfersulfat eine Anreicherung auf den Gülleflächen zu erwarten ist. Bei den übrigen Klauenbädern sind die entsprechenden Entsorgungshinweise des Herstellers zu beachten. Für Formaldehyd ergibt sich aufgrund der Neubewertung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR; 2006) eine Einstufung als Humankanzerogen bei Aufnahme über die Atemluft. Der safe level wurde mit 0,1 ppm, entsprechend 0,124 mg/m³ Luft festgelegt. Die Bewertung der zugrundegelegten Studien läßt ein geringfügig höheres Risiko von Nasen-Rachen-Krebs, einer seltenen Krebserkrankung, bei besonders häufig und stark exponierten Berufsgruppen erwarten (Leichenwäscher, Spanplattenerzeuger). Von einer Aufnahme des Formaldehyd auf anderen Wegen als der Atemluft (z. B. Haut) ist nicht auszugehen. Eine Anreicherung im Blut konnte weder beim Menschen noch beim Tier festgestellt werden. Aufgrund der Einstufung als Humankanzerogen sind die entsprechenden Arbeitsschutzvorschriften zu beachten. Bei guter Belüftung der Kuhställe, Anwendung unter Atemwegsschutz und sonstiger Schutzausrüstung dürfte jedoch der Anwendung von Formalin nichts entgegen stehen.

Fazit Klauenbäder, insbesondere formalinhaltige, sind ein unverzichtbares Instrument in der Bekämpfung von Fäule-Komplex-Erkrankungen. Sie sind geeignet, Tiere vor unnötigen Leiden und Schmerzen zu schützen und davon zu befreien. Damit besitzt der Einsatz von Klauenbädern Tierschutzrelevanz und eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. Nicht nachvollziehbar ist daher das massive Vorgehen der zuständigen Arzneimittelüberwachungsbehörden gegen den Einsatz von Klauenbädern. Flächendeckende Razzien, wie sie häufig durchgeführt wurden, sind rechtlich nicht haltbar. Vor dem Hintergrund des unproblematischen Einsatzes und der gut beherrschbaren Risiken, was hier vorangehend aufgezeigt wurde, sind sie auch unverständlich. Es bleibt zu hoffen, daß die rechtliche Grundlage für den Einsatz von Klauenbädern erhalten bleibt und deren Anwendung eine weite Verbreitung findet. Literatur 1. Arkins, S., J. Hannan, J. Sherington (1986): Effects of formalin footbathing on foot disease and claw quality in dairy cows. Vet.Rec. 118, 580-583 2. Bargai, U. (1998): Digital dermatitis, interdigital dermatitis and heel erosion - Are these separate diseases? Proc.10th Int.Symp. Lameness in Ruminants, Lucerne, Switzerland, 265. 3. Barker, Z. E., J. R. Amory, J. L. Wright, R. W. Blowey, L. E. Green (2007): Management factors associated with impaired locomotion in dairy cows in England and Wales. J. Dairy Sci. 90, 3270 3277 4. Blowey, R. W. (1992): Disease of the bovine digit. Part 1: Description of common lesions. In Practice 14, 85-90. 5. Blowey, R. W., M. W. Sharp (1988): Digital dermatitis in dairy cattle. Vet.Rec. 122, 505-508 6. Britt, J. B., J. McClure (1998): Field trials with antibiotic and non antibiotic treatments for papillomatous digital dermatitis. Bov.Pract. 32, 25-28 7. Bundesinstitut für Risikobewertung (2006): Toxikologische Bewertung von Formaldehyd. Stellungnahme des BfR Nr. 023/2006 vom 30. März 2006, Berlin 8. Döpfer, D., A. Koopmans, F. A. Meijer, I.Szakáll, Y. H. Schukken, W. Klee, R. B. Bosma, J. l. Cornelisse, A. J. A. M. van Asten, A. A. H. M. ter Huurne (1997): Histological and bacteriological evaluation of digital dermatitis in cattle, with special reference to spirochaetes and Campylobacter faecalis. Vet.Rec. 140, 620-623. 9. Hernandez, J., J. K. Shearer, J. B. Elliott (1999): Comparison of topical application of oxytetracycline and four nonantibiotic solutions for treatment of papillomatous digital dermatitis in dairy cows. J.Am.Vet.Med.Assoc. 214, 688-690. 10. Holzhauer, M., O. C. Sampimon, G. H. M. Counotte (2004): Concentration of formalin in walkthrough footbaths used by dairy herds. Vet.Rec. 154, 755-756 11. Jeffcoat, A. R., F. Chasalow, D. B. Feldman, H. Marr (1983): Disposition of [14C] Formaldehyde after topical exposure to rats, guinea pigs, and monkeys. In: Formaldehyde Toxicity (J. E. Gibson, Hrsg.), Hemisphere Publishing Coperation, Washington DC, 38-50. 12. Kehler, W., Heilkenbrinker, T., Landmann, D., Klindworth, H. P. (2000): Funktionelle Klauenpflege. In: Funktionelle Klauenpflege, Hrsg. Landwirtschaftskammer Hannover, Hannover. 13. Laven, R. A., H. Hunt (2002): Evaluation of copper sulphate, formalin and peracetic acid in footbaths for the treatment of digital dermatitis in cattle. Vet.Rec. 151, 144-146

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