Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren der Landespresse, sehr geehrte Gäste,

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Transkript:

Redetext für die Landespressekonferenz am 18.05.2015, 11.00 Uhr, in Stuttgart zur Vorstellung einer repräsentativen bundesweiten Lehrerbefragung Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer und der Auswertung für Baden-Württemberg im Auftrag des VBE Es gilt das gesprochene Wort. Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren der Landespresse, sehr geehrte Gäste, der Verband Bildung und Erziehung, VBE, stellt Ihnen heute die Ergebnisse des Meinungsforschungsinstitutes forsa vor. forsa hatte im Auftrag des VBE bundesweit, und mit einer Länderauskoppelung für Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein- Westfalen, Lehrerinnen und Lehrer zum Thema Inklusion nach ihren Meinungen, Einstellungen und Erfahrungen befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ. Alles, was ich Ihnen hier vortrage, finden Sie auch in Ihren Unterlagen. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist in Deutschland seit 26. März 2009 in Kraft und damit gilt der Auftrag, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu gewährleisten. Insbesondere hat sich Deutschland wie alle Vertragsstaaten verpflichtet, in Übereinstimmung mit dem Ziel vollständiger Inklusion wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen anzubieten. Weiter sind die Vertragsstaaten aufgefordert, geeignete Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften, zur Schulung von Fachkräften sowie von Mitarbeitern auf allen Ebenen des Bildungswesens zu treffen. Es ist aus Sicht des VBE höchste Zeit, ein Bild von der realen Situation in den allgemeinbildenden Schulen zu haben. Der VBE hat bei forsa deshalb eine repräsentative Befragung von Lehrerinnen und Lehrern in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse Ihnen hier vorliegen. Es ist sowohl bundesweit, wie auch speziell für Baden-Württemberg, die erste Lehrerbefragung, die wir in diesem Umfang durchgeführt haben. Eine gemeinsame Unterrichtung von Kindern mit und ohne Handicap befürworten bundesweit 57 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer, in Baden-Württemberg 66 Prozent. Stets unter der Voraussetzung, dass die finanziellen, die räumlichen und die personellen Ressourcen gesichert sind. Als Hauptgründe für Inklusion sprechen aus Sicht der Befragten die Förderung sozialer Kompetenzen, die Förderung von Toleranz, die bessere Integration behinderter Kinder und das gemeinsame

!2 Voneinander-Lernen. Gründe, die aus Sicht der Befragten dagegen sprechen, ergeben sich bezeichnenderweise vor allem aus dem Mangel an nötigen Bedingungen vor Ort: fehlendes Fachpersonal an Regelschulen, individuelle Förderung beider Gruppen in zu großen Lerngruppen nicht möglich, mangelnde Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer für Inklusion, ungenügende materielle Ausstattung, die Regelschule kann erhöhten Förderbedarf behinderter Kinder nicht leisten. Diese Einschätzung speist sich aus der erlebten Schulwirklichkeit und erklärt, dass bundesweit 41 Prozent die Beschulung an Förderschulen für sinnvoller halten, in Baden-Württemberg sind es 33 Prozent. 98 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer bundesweit und 94 Prozent in Baden-Württemberg sprechen sich für eine Doppelbesetzung aus Lehrer und Sonderpädagoge in inklusiven Klassen aus. 89 Prozent in Baden-Württemberg geben an, die Doppelbesetzung müsse es immer und nicht nur zeitweilig geben. Bundesweit meinen das 88 Prozent. Eine solche Doppelbesetzung ist aber schulrechtlich nicht zwingend vorgesehen. Wie steht es um die notwendige Fortbildung? Nur 13 Prozent der Befragten bundesweit, in Baden-Württemberg sogar nur 10 Prozent, beurteilen das Fortbildungsangebot zur Vorbereitung auf die Arbeit in inklusiven Klassen als sehr gut bis gut, hingegen 44 Prozent der Befragten in Baden-Württemberg als weniger gut und gar 25 Prozent als nicht gut. 61 Prozent der Befragten in Baden-Württemberg, 52 Prozent bundesweit, geben an, dass ihre Schule überhaupt nicht barrierefrei sei. Dies sind die Rahmenbedingungen, unter denen derzeitig Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen unterrichtet werden. Laut unserer forsa-umfrage arbeiten 54 Prozent der Befragten in Baden-Württemberg, 75 Prozent bundesweit, an einer Schule, an der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden. Vor diesem Hintergrund sprechen sich 55 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer bundesweit und 63 Prozent in Baden-Württemberg für den Erhalt der bisherigen Förder- und Sonderschulen aus. 34 Prozent für teilweises Erhalten und nur 1 Prozent für die Abschaffung. Lehrerinnen und Lehrer an Schulen mit inklusiven Lerngruppen sprechen sich dabei genauso häufig für den Erhalt aus wie Lehrerinnen und Lehrer an Schulen ohne inklusive Lerngruppen. Die Bedingungen an Regelschulen für Inklusion entsprechen nicht im Mindesten den eingangs genannten Auflagen laut Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention. Bereits unsere Meinungsumfragen von 2011 und 2013 hatten ergeben, dass zwei

!3 Drittel der Bürger am Willen der Politik zweifeln, für eine ausreichende Finanzierung der Inklusion zu sorgen. Die Schulwirklichkeit bestätigt alle Zweifel. Aufgrund der zurückhaltenden Entwicklung in Baden-Württemberg unterrichten aktuell nur 13 Prozent der Befragten in inklusiven Lerngruppen. Da ein Teil dieser Befragten aus den Modellregionen kommt, gilt für Baden-Württemberg mit Blick auf die folgenden sechs Aussagen keine Repräsentativität. Deshalb wurde bei der Länderauskoppelung für Baden-Württemberg auf diesen Datenteil verzichtet. In der Bundesauswertung ist der Datenteil enthalten, denn bundesweit unterrichten 32 Prozent der Befragten in inklusiven Lerngruppen. Die Angaben dieser Kolleginnen und Kollegen sprechen Bände und können für Baden-Württemberg einen Blick in die Zukunft geben. Das was jetzt folgt darf in Baden-Württemberg nicht passieren. Es ist eine Bitte und gleichzeitig eine deutliche Warnung an die politisch Verantwortlichen: 65 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer machten die Erfahrung, dass die Größe von inklusiven Klassen im Vergleich zu nicht inklusiven Klassen beibehalten wurde. 4 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass die Klassengröße sich erhöhte. 65 Prozent gaben an, dass gewöhnlich nur eine Person in der inklusiven Klasse unterrichtet. Nur zwei von drei befragten Lehrern steht an ihrer Schule ein Sozialpädagoge beziehungsweise Sonderpädagoge als Unterstützung zur Verfügung, in jedem zweiten Fall aber nur zeitweise. 9 Prozent der Befragten haben überhaupt keine Unterstützung vor Ort. In hohem Maße beunruhigt uns auch die Tatsache, dass Lehrer bei der Inklusion vom Dienstherrn einfach ins kalte Wasser geworfen werden. Für 82 Prozent der Befragten war die Inklusion kein Bestandteil der Lehrerausbildung. 57 Prozent verfügen über keine sonderpädagogischen Kenntnisse. 38 Prozent haben keine begleitende Fortbildung. Zugleich hatten 55 Prozent der Befragten nur wenige Wochen Zeit, um sich auf inklusives Unterrichten vorzubereiten. 5 Prozent gaben an, höchstens eine Woche Vorbereitungszeit zu haben. Fehlanzeige auch im Hinblick auf Unterstützungsmaßnahmen bei physischen und psychischen Belastungen der Lehrer, die inklusiv unterrichten. 87 Prozent der Befragten verneinen eine derartige Unterstützung. Mit der Gesundheit der Lehrkräfte wird Schindluder getrieben. Hinzu kommt, dass die räumliche Situation an Schulen mit inklusiven Klassen vollkommen unzureichend ist. An beinahe jeder zweiten Schule gibt es nach Angabe der Befragten keine Räume für Kleingruppen oder Differenzierungsräume. An zwei Drittel der betreffenden Schulen haben Sonderpädagogen nicht einmal einen

!4 Arbeitsplatz vor Ort. Diese Daten belegen: Es wird von der Politik billigend in Kauf genommen, dass Inklusion an die Wand gefahren wird. Die Ergebnisse unserer repräsentativen Lehrerbefragung sind ein Alarmsignal an die Politik. Wir sagen ganz klar: Ja zur Inklusion, aber Nein zu einer Umsetzung, die im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention steht und die nötigen Ressourcen und Unterstützungsmaßnahmen verweigert. Die UN-Behindertenrechtskonvention auferlegt den Zugang der Menschen mit Behinderungen zu einem hochwertigen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen. Dabei sind angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen zu sichern. Davon sind wir bundesweit und in Baden-Württemberg meilenweit entfernt. Der VBE fordert: Bei der Inklusion darf es keine Verlierer geben, nicht die Kinder mit Behinderung, nicht die Kinder ohne Behinderung und nicht die Lehrerinnen und nicht die Lehrer. Schulen müssen personell und räumlich in die Lage versetzt werden, inklusiv unterrichten zu können. Es muss eine Vorbereitung für Lehrer angeboten werden, bevor sie inklusiv unterrichten sollen. Inklusiver Unterricht braucht eine Doppelbesetzung aus Lehrer und Sonderpädagoge. Die Klassengröße muss deutlich verringert werden. Den Schulen muss kontinuierliche Unterstützung durch Sozialpädagogen, Schulpsychologen und medizinische Assistenzen zur Verfügung stehen. Aus- und -fortbildung von Lehrern und Sonderpädagogen müssen die Herausforderung inklusiven Unterrichtens wissenschaftlich und schulpraktisch aufnehmen. Pädagogen in inklusiven Klassen brauchen verlässliche Unterstützung, um physischen und psychischen Belastungen entgegnen zu können. Inklusion muss in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung umgesetzt werden. Inklusion darf nicht nur als Aufgabe der Schule gesehen werden. Bund, Länder und Kommunen müssen Inklusion gemeinsam und mit tragfähigen Finanzierungskonzepten anpacken. Es muss Schluss sein mit der Praxis, die für Inklusion notwendigen personellen, sächlichen und räumlichen Ressourcen zu verweigern oder unter Finanzierungsvorbehalt zu stellen. Und:

!5 Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nicht schließen, ohne einen Blick auf unser Nachbarland Nordrhein-Westfalen zu werfen. Da sich Nordrhein-Westfalen früher als Baden-Württemberg auf den Weg zur Umsetzung der Inklusion gemacht hat, liegen uns dort Länderauskoppelungen aus den Jahren 2011, 2013 und aktuell 2015 vor. Was wir daraus für Baden-Württemberg lernen können und müssen, möchte ich Ihnen abschließend mit auf den Weg geben: Ich hatte Ihnen vorgetragen, dass aktuell 57 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer bundesweit eine gemeinsame Unterrichtung von Kindern mit und ohne Handicap befürworten. In Baden-Württemberg sind es sogar 66 Prozent. Offensichtlich sind wir Baden-Württemberger der Inklusion gegenüber aufgeschlossener, als es das übrige Bundesland ist. Ist das tatsächlich so? 2011 konnten wir bei der Auswertung der Bevölkerungsbefragung in Nordrhein- Westfalen sehen, dass 77 Prozent der Befragten Inklusion befürworteten. Bei unserer zweiten Untersuchung, im Jahr 2013, waren es noch 69 Prozent. Wenn wir für das Jahr 2015 nur den Lehrerbereich in den Blick nehmen, dann sind es in Nordrhein- Westfalen nur noch 54 Prozent. Diese Auflistung hinkt leicht, weil wir für 2015 nur den Lehrerbereich erfasst haben und nicht die Gesamtbevölkerung. Dennoch ist ein klarer Rückgang der Befürworter auszumachen. Diese Umfragen machen deutlich, dass die Anfangs positive Grundstimmung in dem Maße gelitten hat, wie das Vertrauen in die Politik, der Aufgabe gerecht zu werden, sank. Und dieses Vertrauen sank und sinkt in Nordrhein-Westfallen Jahr für Jahr weiter. Es liegt mir fern, Wasser in den Wein kippen zu wollen, aber aufgrund dieser Erfahrungen sehen wir klar eine Gefahr auf Baden-Württemberg zukommen: Wenn die Politik es nicht schafft, die Rahmenbedingungen in die von uns formulierten Gelingensbedingungen zu überführen, dann wird die noch überwiegend positive Stimmung kippen. Das ist der Grund weshalb der VBE seine Forderungen an die Politik in dieser Differenziertheit, Klarheit und Dringlichkeit formuliert hat. Ich danke Ihnen sehr für Ihr Interesse an diesem nicht nur bildungs- sondern gerade auch gesellschaftspolitisch wichtigen Thema und freue mich auf Ihre Berichterstattung. Gerhard Brand 18.05.2015 Anmerkung: Sie haben in Ihren Unterlagen sowohl den Datenteil für Baden-Württemberg, wie auch den Datenteil für den Bund. So liegen Ihnen alle erhobenen Daten in ihrer Gesamtheit vor. Was Sie nicht haben sind die Länderauskoppelungen für Bayern und für

Nordrhein-Westfalen. Daran haben wir keine Rechte. Bei Bedarf können Sie diese Unterlagen bei den jeweiligen Landesgeschäftsstellen anfordern wir sind Ihnen dabei gerne behilflich.!6