Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Strafrecht

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Transkript:

Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Strafrecht zu den Gesetzesentwürfen der Fraktion Die Linke vom 22.11.2017 in der Bundestagsdrucksache 19/93, dem Gesetzesentwurf der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 02.02.2018 in der Bundestagsdrucksache 19/630 und dem Gesetzesentwurf der Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Thüringen vom 12.12.2017 in der Bundesratsdrucksache 761/17 - jeweils mit dem Ziel der Änderung des Strafgesetzbuches durch Aufhebung von 219a StGB (Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft) Stellungnahme Nr.: 10/2018 Berlin, im März 2018 Mitglieder des Ausschusses Deutscher Anwaltverein Littenstraße 11, 10179 Berlin Tel.: +49 30 726152-0 Fax: +49 30 726152-190 E-Mail: dav@anwaltverein.de Büro Brüssel Rue Joseph II 40, Boîte 7B 1000 Brüssel, Belgien Tel.: +32 2 28028-12 Fax: +32 2 28028-13 E-Mail: bruessel@eu.anwaltverein.de Transparenz-Registernummer: 87980341522-66 - RA Dr. Rainer Spatscheck, München (Vorsitzender) - RA Stefan Conen, Berlin - RAin Dr. Margarete Gräfin von Galen, Berlin - RAin Dr. Gina Greeve, Frankfurt am Main - RA Dr. Stefan Kirsch, Frankfurt am Main - RAin Dr. jur. Jenny Lederer, Essen - RA Prof. Dr. Bernd Müssig, Bonn - RA Dr. Ali B. Norouzi, Berlin - RAin Gül Pinar, Hamburg - RA Michael Rosenthal, Karlsruhe - RA Martin Rubbert, Berlin (Berichterstatter) - RAin Dr. Heide Sandkuhl, Potsdam - Jun.-Prof. in Dr. Elisa Hoven, Köln (ständiger Gast) Zuständig in der DAV-Geschäftsführung - RAin Tanja Brexl, Berlin www.anwaltverein.de

Verteiler Bundesministerium des Innern Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Rechts- und Verbraucherschutzausschuss, Innenausschuss des Deutschen Bundestages Vorsitzenden des Rechts- und Verbraucherschutzausschusses des Deutschen Bundestages Vorsitzenden des Innenausschusses des Deutschen Bundestages Landesjustizministerien Rechts- und Innenausschüsse der Landtage Bundesgerichtshof Bundesanwaltschaft Vorstand des Deutschen Anwaltvereins Landesverbände des Deutschen Anwaltvereins Vorsitzende der Gesetzgebungsausschüsse des Deutschen Anwaltvereins Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins Geschäftsführender Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer Vorsitzende des Strafrechtsausschusses des KAV, BAV Vorsitzende des FORUM Junge Anwaltschaft des DAV Deutscher Strafverteidiger e. V. Regionale Strafverteidigervereinigungen Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen und -initiativen Arbeitskreise Recht der im Bundestag vertretenen Parteien Deutscher Richterbund Bund Deutscher Kriminalbeamter Strafverteidiger-Forum (StraFo) Neue Zeitschrift für Strafrecht, NStZ Strafverteidiger Juris KriPoZ Kriminalpolitische Zeitschrift Prof. Dr. Jürgen Wolter, Universität Mannheim ver.di, Bereich Recht und Rechtspolitik Deutscher Juristentag (Präsident und Generalsekretär) Prof. Dr. Schöch, LMU München Seite 2 von 7

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit derzeit rund 65.000 Mitgliedern vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Der Gesetzesentwurf der Fraktion Die Linke vom 22.11.2017 sieht vor, 219a StGB zu streichen, zumindest aber in 219a Abs. 1 StGB die Worte anbietet, ankündigt. Ziel des Gesetzesentwurfes ist die Entkriminalisierung von Ärzten, die zum Beispiel auf ihrer Homepage oder in anderen Medien darüber informieren, dass sie den Abbruch von Schwangerschaften als Leistung anbieten. Die Alternative der anstößigen Werbung soll ebenfalls gestrichen werden. Dies wird nicht begründet. Die weitergehende gesamte Streichung des 219a StGB soll nach der Begründung die Informationen darüber, wo und durch wen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt, generell straffrei stellen, da auch die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs bei Einhaltung des in 218a StGB beschriebenen Verfahrens straflos ist. 1 Der Gesetzesentwurf der Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Thüringen in der Bundesratsinitiative vom 12.12.2017 sieht die völlige Streichung des 219a StGB vor. Die Strafvorschrift sei nicht mehr zeitgemäß. Sie widerspreche den heutigen Vorstellungen von Informationsfreiheit, Selbstbestimmung und freier Arztwahl. Schwangere sollten durch Informationen in die Lage versetzt werden, selbstständig zu entscheiden, wie und bei welcher Ärztin oder bei welchem Arzt sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen. Zugleich dürfen Ärztinnen und Ärzte nicht dafür kriminalisiert und sanktioniert werden, dass sie ihrer Aufklärungspflicht gegenüber Patientinnen nachkommen. Der Schutz vor anpreisender oder irreführender Werbung im Hinblick auf Schwangerschaftsabbrüche über 3 UWG und der ärztlichen Berufsordnungen sei ausreichend 2. Der Gesetzesentwurf der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 02.02.2018 schließlich sieht ebenfalls die ersatzlose Streichung des 219a StGB vor. Jenseits verfassungsrechtlicher Bedenken gegen 219a StGB müsse die sachliche Information 1 Vgl. Gesetzesentwurf v. 22.11.2017, Bundestagsdrucksache 19/93 2 Vgl. Antrag v. 12.12.2017, Bundesratsdrucksache 761/17 Seite 3 von 7

über Schwangerschaftsabbrüche gesichert und zugleich Rechtssicherheit für betroffenen Ärzte und Ärztinnen gewährleistet sein. 3 Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) unterstützt die in den Gesetzesentwürfen enthaltene Forderung auf Streichung des 219a StGB. Der Straftatbestand ist entbehrlich 4. Ausreichender Schutz ist soweit erforderlich über andere gesetzliche Vorschriften gegeben. Für den Fall aber, dass es nicht zu der geforderten Aufhebung des 219a StGB kommen sollte, so sind zumindest die Worte anbietet, ankündigt zu streichen. Diese Minimalkorrektur der aktuellen Gesetzeslage ist alternativlos und überfällig. 219a StGB (Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft) hat folgenden Wortlaut: (1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ( 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise 1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder 2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen. (3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handeln mit den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird. Die zu streichende Tathandlung des Anbietens 219a StGB stammt mit einigen zwischenzeitlichen eher redaktionellen Änderungen aus dem Gesetz zur Abänderung strafrechtlicher Vorschriften vom 26.05.1933. Nach 1945 ging die Kommentarliteratur 3 Vgl. Bundestagsdrucksache 19/630 4 Vgl. auch Prof. Wersig, Berliner Anwaltsblatt 2018, 57 Seite 4 von 7

davon aus, dass das gegen Abtreibungsärzte gerichtete Sonderdelikt des Jahres 1933 wieder unbeschränkt anwendbar sei 5 und legte es weit aus. Durch das 5. Strafrechtänderungsgesetz vom 18. Juni 1974 erfolgte mit der Einführung der Fristenlösung in 218a StGB und der Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs unter den dort genannten Voraussetzungen eine erste grundsätzliche Änderung in der strafrechtlichen Bewertung des Schwangerschaftsabbruchs, welche sich modifiziert in dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 21.08.1995 fortsetzte. 6 Zu einer Änderung der Tathandlung des Anbietens in 219a StGB seinen wesentlichen Gehalt betreffend kam es in diesem Zusammenhang nicht. Hinzugefügt wurde lediglich das Verbot der grob anstößigen Werbung. Die herrschende Meinung legt trotz kritischer Stimmen 7 - die Tathandlung des Anbietens weit aus und geht davon aus, dass die an einzelne Personen gerichtete Mitteilung eines oder einer Ärztin, im Rahmen der ärztlichen Leistungen auch Schwangerschaftsabbrüche gegen Honorar vorzunehmen, den Tatbestand des 219a Abs. 1 Nr. 2 StGB erfülle 8, ebenso wie etwa die Auslage einer Liste mit Ärzten, welche bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, in einem allgemein zugänglichen Wartezimmer einer Beratungsstelle. 9 Angesichts der Straflosigkeit des legalen Schwangerschaftsabbruchs erscheint diese die Vorschrift des 219a StGB anachronistisch. Zwar führte sie über Jahre ein Schattendasein, was die offiziell registrierten Verurteilungen betrifft, nicht aber in der staatsanwaltschaftlichen Praxis. Der im Gesetzesentwurf der Fraktion Die Linke aufgezeigte Anstieg der Verfahrenszahlen in den Jahren 2015 und 2016 zurückzuführen auf das Durchforsten von frauenärztlichen Internetseiten durch eine Gruppe von Abtreibungsgegnern 10 verlangt nunmehr gesetzgeberisches Handeln. Denn zuletzt wurde durch das Amtsgericht Gießen eine Ärztin aufgrund eines Verstoßes gegen 219 a StGB zu einer Geldstrafe von insgesamt 6000,00 (40 5 Schönke/Schröder, 3. Aufl. 1947, Vorbem. zu 219,220 StGB mit Hinweis auf Kohlrausch 6 MüKo-Gropp, StGB, 3. Auflage, 219a Rdn. 1 7 SK-Kommentar/-Rogall, 219 a Rn. 1, 8 vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen-Merkel, StGB, 5. Auflage, 219a Rdn. 15; Schönke/Schröder-Eser, StGB, 219a Rdn. 8 9 vgl. MüKo-Gropp, StGB, 3. Auflage, 219a Rdn. 7 10 Vgl. etwa www.babycaust.de Seite 5 von 7

Tagessätze zu 150,00 Euro) verurteilt, weil sie Frauen über einen Link auf ihrer Homepage sachliche Informationen zu einem Schwangerschaftsabbruch gab. 11 Die Tatbestandsalternative des Anbietens und Ankündigens in 219a Abs. 1 StGB sind bereits mit dem Blick auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung bedenklich. Das Bundesverfassungsgericht stuft Schwangerschaftsabbrüche als ärztliche Handlungen, die innerhalb des Schutzbereiches von Art. 12 GG und im Rahmen wirksamer Verträge erfolgen, auch wenn die Gesetzgebung den Schwangerschaftsabbruch missbilligt 12. Noch deutlicher formuliert dies der Beschluss vom 24.05.2006, wo es heißt: Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, muss es dem Arzt auch ohne negative Folgen für ihn möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können." 13 Diese Entscheidung erging im Zusammenhang mit einer Unterlassungsverfügung auf Antrag eines Arztes, der sich gegen eine Flugblattaktion wegen seiner Tätigkeit vor seiner Praxis wehrte. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts überwog das Persönlichkeitsrecht des Arztes über die Meinungsfreiheit des Flugblattverteilers. 219a StGB verbietet jede Differenzierung zwischen legalen und illegalen Eingriffen. Damit wird nicht nur die Vorbereitung einer an sich legalen Handlung unter Strafe gestellt, sondern auch jegliche Informationsweitergabe von Ärzten an Patienten maßgeblich erschwert. 14 Zudem wird die Informationsfreiheit der Frauen beeinträchtigt, die sich zu einem Schwangerschaftsabbruch entschlossen haben und einen Arzt suchen, der diesen vornehmen kann. Nach aktueller Rechtslage dürfen ihnen nur im persönlichen Gespräch durch Beratungsstellen ein oder mehrere Ärzte genannt werden. Eine allgemeinere Information im Wartezimmer oder gar im Internet ist bereits tatbestandlich ein Verstoß gegen 219a StGB. In der Konsequenz darf die zum Schwangerschaftsabbruch entschlossene Frau trotz Straffreiheit dieses Abbruchs nur eingeschränkt 11 Urteil des AG Gießen v. 24.11.2017 zum Az 507 Ds 501 Js 150031/15; vgl. zb Der Tagesspiegel vom 24.11.2017 12 Vgl. BVerfG, Urteil v. 27.10.1998, 1 BvR 2306/961, BvR 2314/96, 1 BvR 1108/97, 1 BvR 1109/97, 1 BvR 1110/97 13 vgl. BVerfG, Beschluss v. 24.05.2006, 1 BvR 1060/02 und 1139/03, Rdn. 36 14 Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/-Merkel, 219 StGB Rn. 2., vgl. auch Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf/-Hilgendorf, 5 Rn. 40. Seite 6 von 7

darüber informiert werden, welche Ärzte einen Abbruch vornehmen würden. Die Regelung des 219a StGB führt zu einer erheblichen Einschränkung des Rechtes auf freie Arztwahl und die Informationsfreiheit. 219a StGB ist seiner Struktur nach ein abstraktes Gefährdungsdelikt und soll in einem noch dem 30 StGB vorgelagertem Vorfeld das ungeborene Leben gegen die Verharmlosung und Ausbeutung des Schwangerschaftsabbruchs abschirmen 15. Angesichts des im Strafrecht geltenden ultima-ratio-prinzips - der Einsatz des Strafrechts als Mittel der Normstabilisierung ist stets nur als ultima ratio legitim 16 - ist die weite Vorverlagerung der Strafbarkeit zudem nicht gerechtfertigt. Der Schutz über 3 UWG ist ausreichend. In 3 Abs. 1 UWG heißt es: Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. Weiteren Schutz bieten die Berufsordnungen für Ärzte, wie in den Begründungen der Gesetzesentwürfe ausgeführt. 27 MBO-Ä Ärzten untersagt berufswidrige Werbung - insbesondere anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. 17 Zuletzt weist der Strafrechtausschuss darauf hin, dass die höchstpersönliche Entscheidung einer Frau für einen Schwangerschaftsabbruch nicht von derzeit in 219a StGB pönalisierten Verhaltensweisen abhängen dürfte, sondern von ihrer persönlichen Lebenssituation. Auch hier gilt die Erkenntnis Franz von Liszts, wonach eine gute Sozialpolitik die beste Kriminalpolitik bleibt. 15 Vgl. Schöne/Schröder/Eser, StGB, 29. Auflage, 219a StGB Rdn. 1 16 Vgl. Hamm, http//rsw.beck.de/rsw/upload/njw/editorial_51-2015 17 Vgl. Bundestagsdrucksache 761/17 Seite 7 von 7