Massiv unterschätzter Strassenverkehr

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Transkript:

67. ordentliche Mitgliederversammlung von strasseschweiz Verband des Strassenverkehrs FRS 20. Juni 2012 Massiv unterschätzter Strassenverkehr Von Rudolf Zumbühl, Präsident strasseschweiz Verband des Strassenverkehrs FRS (Es gilt das gesprochene Wort) Immer noch wird der Strassenverkehr bewusst oder unbewusst massiv unterschätzt. Tatsache ist, dass der motorisierte Strassenverkehr in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in allen Belangen enorme Fortschritte erzielt hat. Und auch seine Bedeutung für die Wirtschaft unseres Landes, aber auch für den Staat ist immens und grundsätzlich unbestritten. Die aktuellen Zahlen sind eindrücklich: So setzt die Automobilbranche in der Schweiz insgesamt rund 90 Milliarden Franken pro Jahr um. Sie beschäftigt in insgesamt fast 21'000 Betrieben gegen 230'000 Personen. Am meisten Umsatz erwirtschaften das Transportgewerbe (18,5 Mrd. Franken), das Garagengewerbe (gegen 18 Mrd. Franken), die schweizerischen Produktionsbetriebe für die internationale Automobilindustrie (14 Mrd. Franken), die Neuwagenverkäufe (rund 13 Mrd. Franken), die Benzingesellschaften samt Raffinerien und die Tankstellen (11 Mrd. Franken), das Fahrzeugleasing (rund 6 Mrd. Franken) sowie die Autoversicherungen (rund 4,6 Mrd. Franken). Im Jahr 2011 machten die allein dem Bund zur Verfügung stehenden Strassen- und Autosteuern nahezu 9,9 Milliarden Franken aus, was rund einem Sechstel der gesamten Fiskaleinnahmen der Eidgenossenschaft entsprach. Davon flossen fast 42 Prozent (4,1 Mrd. Franken) voraussetzungslos in die allgemeine Bundeskasse. Knapp 30 Prozent (2,9 Mrd. Franken) wurden für Strassenaufgaben wie z.b. den Unterhalt, Betrieb und Ausbau von Nationalstrassen verwendet. Rund 20 Prozent wurden zum aller grössten Teil (fast 2 Mrd. Franken) in die Finanzierung der Eisenbahngrossprojekte (FinöV) Neue Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT), Bahn 2000 bzw. ZEB, Lärmschutzmassnahmen, Anschluss der Ost- und Westschweiz an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz

67. ordentliche Mitgliederversammlung - 2/6 - Ansprache von Rudolf Zumbühl (HGV) sowie in Schieneninfrastrukturen in Agglomerationen investiert. Rund fünf Prozent (500 Mio. Franken) gingen in Form von LSVA-Erträgen an die Kantone. Und für den Umweltschutz, die Forschung, etc. wurden gut drei Prozent (rund 400 Mio. Franken) verwendet. Der motorisierte Strassenverkehr war und ist nicht nur ein begehrtes Steuerobjekt, er ist im Lauf der Zeit auch um einiges effizienter geworden. Moderne Personenwagen verbrauchen heute pro Sitzplatz gleich viel oder sogar weniger Energie, als dies für einen Hochleistungszug der Fall ist. Ein heutiges Auto verbraucht, um 100 Kilometer (km) zurückzulegen, rund 40 Prozent weniger Energie als vor 30, 40 Jahren und dies, obwohl die Motorleistung seither um mehr als 100 Prozent angestiegen ist. Angestiegen ist leider auch das Gewicht, und zwar um durchschnittlich zwischen 50 und 60 Prozent. Diese Gewichtszunahme ist einerseits die Folge des deutlich höheren Ausstattungsund Komfortniveaus, anderseits aber zu einem wesentlichen Teil auch auf den Einbau sicherheitsrelevanter Teile zurückzuführen. Bemerkenswert: Trotz all dieser Verbesserungen kostet ein Mittelklassewagen heute kaufkraftbereinigt nicht mehr als sein Vorgänger aus den 1970er-Jahren. Oder mit anderen Worten: Heute bekommt man viel mehr Auto, Technologie und Effizienz fürs Geld als früher. Weniger Treibstoffverbrauch heisst auch geringerer CO 2 -Ausstoss: 2011 sank der durchschnittliche Treibstoffnormverbrauch neu in Verkehr gesetzter Personenwagen auf 6,39 Liter (l) pro 100 Kilometer. Gegenüber dem Vorjahr (2010: 6,62 l/100 km) entspricht dies einer Abnahme um 3,5 Prozent. Die durchschnittlichen CO 2 -Emissionen der Neuwagen sanken um 3,7 Prozent und lagen 2011 bei 155 Gramm (g) CO 2 pro Kilometer (2010: 161 g CO 2 /km). Die Automobilindustrie setzt alles daran, um den von der Politik geforderten CO 2 -Zielwert von 130 g/km im Jahr 2015 zu erreichen. So kommen sukzessive moderne Downsizing-Motoren auf den Markt. Mit kleinerem Hubraum erbringen sie die gleiche Leistung wie grössere Motoren. Ihr Vorzug: geringerer Treibstoffverbrauch und dementsprechend niedrigerer CO 2 -Ausstoss. Vergleichbare Anstrengungen wurden und werden erfolgreich auch bei den Nutzfahrzeugen umgesetzt. Ein Beispiel: Benötigte ein Camion in der Vergangenheit für den Transport einer Tonne Nutzlast über den San-Bernardino-Pass noch sechs Liter Treibstoff, so verbraucht ein moderner Lastwagen heute gerade noch knapp zwei Liter, um dieselbe Leistung zu erbringen. Auch die Transportbranche selber nimmt nicht zuletzt unter dem Druck zahlreicher staatlicher Regulierungen ständig Effizienzsteigerungen vor. So werden etwa vermehrt Informationstechnologien eingesetzt (z.b. für die Disposition), die logistischen Abläufe optimiert (z.b. zur Vermeidung von Leerfahrten), neue Fahrzeug- und Ladesysteme verwendet (z.b. kranbare Container) sowie die allgemeine Koordination verbessert (z.b. Filialsysteme). Im Weiteren wurden und werden die zugegebenermassen negativen Auswirkungen des motorisierten Strassenverkehrs auf die Gesellschaft und Umwelt laufend verringert. So konnten die Luftschadstoff- und Lärmemissionen bis heute markant reduziert werden. Aufgrund der Einführung der Euro-6-

67. ordentliche Mitgliederversammlung - 3/6 - Ansprache von Rudolf Zumbühl Abgasnormen für Nutzfahrzeuge und Personenwagen in den kommenden zwei Jahren werden nochmals beträchtliche Verbesserungen erwartet. Die Lärmemissionen können mit so genannten Flüsterbelägen sowie Reifen, die weniger Rollwiderstand aufweisen, mittelfristig ebenfalls weiter hörbar vermindert werden. Was die Sicherheit auf Schweizer Strassen anbelangt, wurden in den letzten 40 Jahren erhebliche Erfolge erzielt. Waren im Jahr 1971 als Höchststand 1'773 im Strassenverkehr getötete Personen zu verzeichnen, reduzierte sich diese Zahl auf noch 320 im Jahr 2011. Dies entspricht einer Abnahme von über 80 Prozent. Im selben Zeitraum haben sich nicht nur der Grad der Motorisierung und die Verkehrsleistung (gemessen in Personenkilometer) mehr als verdoppelt, sondern auch die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz ist um über 1,6 Millionen Personen angewachsen. Heutzutage haben Neu- oder Ausbauten von Strassen strengste Anforderungen an die Siedlungs-, Gesellschafts- und Umweltverträglichkeit zu erfüllen. Das führt in der Regel dazu, dass viele teure Kunstbauten (Brücken und Tunnels) erstellt werden müssen. So sind z.b. Wildtierbrücken von echten Tunnels kaum mehr zu unterscheiden. Dabei wird davon ausgegangen, dass für grosse Tiere wie Hirsche, Luchse und Füchse alle 20 Kilometer Wildtierpassagen gebaut werden müssen. Für kleinere Tiere wie Reptilien und Amphibien sind ausserdem in kleineren Abständen Röhren nötig. Deren Abstände betragen zwischen 250 Meter und einem Kilometer. Das alles hat selbstverständlich seinen Preis und verteuert den Autobahnkilometer im Durchschnitt markant. Bis dato wurden die so anfallenden (Mehr-)Kosten ausnahmslos durch die Benützenden bzw. die Verursacher bezahlt. Trotz der erwähnten grossen Fortschritte, die der motorisierte Strassenverkehr nachweislich erzielt hat, ist seine Reputation schlecht geblieben. Nachhaltige Mobilität wird landauf, landab mit einer Verlagerung der Mobilität von der Strasse auf die Schiene, vom privaten hin zum öffentlichen Verkehr gleichgesetzt. Vor allem in städtischen Gebieten sind massive Beschränkungen des motorisierten Privatverkehrs längst mehrheitsfähig geworden. Strassen werden zurückgebaut und/oder umgewidmet. Davon sind bei weitem nicht nur siedlungs-, sondern auch verkehrsorientierte Strassen betroffen. Hauptstrassen werden verengt und verkehrsberuhigt. Blumentöpfe, Hürden und andere so genannte Möblierungen sind seit längerem nicht mehr nur Wohnquartieren vorbehalten. Strassenbauvorhaben weht ein eisiger Wind entgegen. Weit verbreitet ist der Glaube, ein Ausbaustopp bei der Infrastruktur führe automatisch zu weniger Strassenverkehr. Das Resultat sind ständig anwachsende Staustunden, die primär auf Verkehrsüberlastung zurückzuführen sind. Von Verkehrsrückgang keine Spur im Gegenteil: Die Mobilität nimmt stetig zu. Die Schuld für die stets gestiegene und gemäss offiziellen Prognosen auch künftig steigende Mobilität dem Ausbau bestehender bzw. dem Bau neuer Strassen zuweisen zu wollen, verkennt die wahren

67. ordentliche Mitgliederversammlung - 4/6 - Ansprache von Rudolf Zumbühl Gründe ebenso, wie den Ausbau bestehender bzw. den Bau neuer Schieneninfrastrukturen dafür verantwortlich machen zu wollen. Tatsache ist, dass sich Strasse und Schiene in Zukunft mit riesigen, insbesondere infrastrukturellen Herausforderungen konfrontiert sehen. Allerdings sind diese aufgrund der schlechteren Ausgangsposition für die Strasse ungleich grösser. Beide Landverkehrsträger benötigen in den kommenden rund 20 bis 30 Jahren sehr viel Geld, um den Ausbau, Unterhalt und Betrieb ihrer Infrastrukturen garantieren und somit ihre Funktions- sowie Leistungsfähigkeit sicherstellen zu können. Zugunsten der Schiene ist mit der Vorlage FABI (Finanzierung und Ausbau Bahninfrastruktur), die sich bereits in der politischen Beratung (Verkehrskommission des Ständerats) befindet, eine jährliche Summe von insgesamt gut fünf Milliarden Franken vorgesehen. Für die Strasse hingegen ist derzeit noch keine gleichwertige Planung und Finanzierung vorhanden. Dies, obwohl auch bei der Strasse ein Finanzierungsbedarf von total über vier Milliarden Franken pro Jahr besteht. Umso erfreuter und erleichterter haben wir zur Kenntnis genommen, dass der Nationalrat am 31. Mai 2012 die Motion Strategisches Entwicklungsprogramm Strasseninfrastruktur diskussionsund oppositionslos gutgeheissen hat. Zweck des geforderten Programms ist es, aufzuzeigen, welche Ausbauprojekte (inklusive Hauptstrassen) bis 2030 anstehen und wie diese finanziert werden sollen. Oberstes Ziel muss es sein, die besagte Vorlage zur Strasseninfrastruktur auf den gleichen Stand wie die FABI-Vorlage zu bringen, damit die eidgenössischen Räte beide Vorlagen optimalerweise parallel auf dem gleichen konzeptionellen Stand beraten oder dann suboptimal zumindest gleichzeitig in Kraft setzen können. Mit anderen Worten: Es bedarf künftig nicht nur eines wie mit FABI bereits geplanten Bahninfrastrukturfonds (BIF), sondern auch eines Strasseninfrastrukturfonds (STRIF). Dies einerseits, um die Finanzströme der beiden Verkehrsträger zu entflechten sowie Kostentransparenz herzustellen, und anderseits, um für die Finanzierung der Strasseninfrastruktur die eigentlich längst erforderliche Sicherheit, Planbarkeit und Flexibilität zu gewährleisten. Es gibt keinen einzigen nachvollziehbaren Grund, mit der Schaffung eines BIF nicht auch gleichzeitig einen STRIF zu errichten. Mit Annahme dieser Motion durch Bundesrat und Nationalrat hat ein intensives Verbandsjahr einen erfolgreichen Abschluss gefunden. Insbesondere im Zusammenhang mit der VCS-Initiative Für den öffentlichen Verkehr, deren direkten Gegenvorschlag FABI, dem Neuen Netzbeschluss, der Diskussion rund um die Totalsanierung des Gotthard-Strassentunnels und der Frage des Baus einer zweiten Röhre, der Totalrevision des CO 2 -Gesetzes sowie dem Verkehrssicherheitsprogramm Via sicura hat strasseschweiz seine Rolle als Dachverband und vor allem als politische Drehscheibe der Strassenverkehrswirtschaft und der Strassenbenützerorganisationen vollumfänglich wahrnehmen können. So hat strasseschweiz Ende Oktober 2011 auf Einladung von Bundesrätin Doris Leuthard am Runden Tisch über die künftige Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen teilgenommen und durfte

67. ordentliche Mitgliederversammlung - 5/6 - Ansprache von Rudolf Zumbühl an zwei unterschiedlichen Hearings im März 2012 den Verkehrskommissionen von Nationalrat und Ständerat die Positionen der Strassenverkehrsverbände zum Neuen Netzbeschluss sowie zur Gesamtsanierung des Gotthard-Strassentunnels erläutern. Nicht zuletzt hat strasseschweiz im abgelaufenen Verbandsjahr im Kampf gegen die VCS-Initiative eine neue Website (www.vcs-initiative-nein.ch) aufgeschaltet, vier elektronische Newsletter versandt sowie den Aufsatz Verkehrsverfassung unter neuen Anforderungen von Professor Martin Lendi publiziert und die Taschenbroschüre Fakten zum Verkehrsträger Strasse herausgegeben. Unsere Position lautet auf einen kurzen Nenner gebracht bekanntlich folgendermassen: Es kann und darf nicht sein, dass hinsichtlich der Bahninfrastruktur-Finanzierung das Fuder ins Trockene gebracht wird, während die Finanzierung der Strasseninfrastruktur weiterhin aussen vor und damit Blitz und Donner sowie starkem Gewitterregen ausgesetzt bleibt. Mit Blick auf die künftige Finanzierung der Landverkehrsinfrastrukturen sind deshalb unbedingt eine gesamtheitliche Betrachtung sowie eine zeitliche Synchronisierung erforderlich, wie sie die vorgenannte Motion verlangt. Denn eines ist und dafür braucht man nicht Prophet zu sein so sicher wie das Amen in der Kirche: Wenn es uns nicht gelingt, im Gleichschritt mit FABI auch die Strasseninfrastruktur-Finanzierung längerfristig auf eine solide und sichere Grundlage zu stellen, dann wird im Verkehrsdepartement der Rotstift in Zukunft praktisch ausschliesslich beim Bundesamt für Strassen (ASTRA) angesetzt. Weil es nicht oft genug wiederholt werden kann, erlaube ich mir an dieser Stelle, die wichtigsten Argumente, die für eine strikte Ablehnung der VCS-Initiative sowie für eine deutliche Optimierung der FABI-Vorlage sprechen, in aller Kürze nochmals zu nennen: - Mit Blick auf die Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen wird das Verursacherprinzip massiv missachtet und verletzt. - Die verfassungsrechtlich abgestützte freie Wahl der Verkehrsmittel wird ausgehebelt, weil der ebenfalls durch die Verfassung vorgegebene Wettbewerb unter den Verkehrsträgern aufgrund mangelnder Kostentransparenz unterlaufen wird. - Die Schweizer Strassen verlottern, weil wie bereits in der Vergangenheit auch in Zukunft gemessen am Wiederbeschaffungswert viel zu wenig in deren Substanzerhalt investiert wird. - Die Sicherheit im Strassenverkehr wird aufgrund von vernachlässigtem Strassenunterhalt und von Ausweichverkehr auf das untergeordnete Strassennetz, resultierend aus chronisch verstopften Autobahnen, signifikant sinken. - Die Treibstoffpreise werden erheblich steigen, um insbesondere die für die Finanzierung der Bahninfrastruktur zweckentfremdeten Strassengelder zu kompensieren. - Das schon heute chronisch überlastete Strassennetz wird in Zukunft zusätzlich beansprucht, was zu einer markanten Zunahme der Staustunden und letzten Endes zum Verkehrskollaps führen wird.

67. ordentliche Mitgliederversammlung - 6/6 - Ansprache von Rudolf Zumbühl - Wenn das reibungslose Funktionieren des Strassennetzes nicht mehr gewährleistet ist, dann hat das volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe zur Folge; gegenwärtig kosten alle auftretenden Staus die schweizerische Volkswirtschaft jedes Jahr 1,5 Milliarden Franken. - Die momentan vorherrschende Intransparenz in der Verkehrsfinanzierung und die Quersubventionierung des hoch defizitären Eisenbahnverkehrs werden auf Jahrzehnte hinaus legitimiert und zementiert. Inwiefern ist nun die FABI-Vorlage, also der direkte Gegenentwurf zur VCS-Initiative, zu optimieren? Erstens muss auf die Begrenzung des Fahrkostenabzugs für Pendler bei der direkten Bundessteuer verzichtet werden. Dies benachteiligt primär Autopendler, insbesondere in ländlichen Regionen, und schafft Rechtsungleichheit. Zweitens ist die Verlängerung des so genannten NEAT-Viertels bis Ende 2030 fallen zu lassen. Sobald maximal ein Viertel der Kosten der NEAT-Basislinien bezahlt ist, muss der entsprechende Beitrag aus der Mineralölsteuer wieder zweckgebunden dem Strassenverkehr zugutekommen. Im Jahr 2018 dürfte es soweit sein. Drittens ist davon abzusehen, alle oder allenfalls Teile der LSVA-Erträge nach Auslaufen des FinöV-Fonds weiterhin zugunsten der Schiene umzuleiten. Ab diesem Zeitpunkt sind die LSVA- Einnahmen verfassungsgemäss wieder zur Deckung von Kosten, die im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr stehen, zu verwenden. Und viertens gehört der Begriff Landverkehr anstelle von Strassenverkehr nicht in die Bundesverfassung. Damit wird die Zweckbindung von der Strasse auf die Schiene ausgedehnt, wodurch das Verursacherprinzip nachhaltig verletzt wird. Unsere politische Position zu diesen wesentlichen verkehrspolitischen Weichenstellungen haben wir in einem Resolutionsentwurf, den wir Ihnen unter Traktandum 9 zur Genehmigung unterbreiten, prägnant und präzis zusammengefasst. Ich schätze mich äusserst glücklich, Dr. Rudolf Dieterle, Direktor des Bundesamts für Strassen (ASTRA), in unserer Mitte willkommen zu heissen; er wird sich im Anschluss an die Versammlung in seinem Gastreferat mit dem Titel Strassenverkehr Herausforderungen der nächsten 20 Jahre unter anderem Gedanken über die betrieblichen und baulichen Bedürfnisse des Nationalstrassennetzes sowie deren Finanzierung machen. Ich freue mich sehr, Sie hier und heute im Namen des Zentralvorstands von strasseschweiz zur 67. ordentlichen Mitgliederversammlung begrüssen zu dürfen. Mein spezieller Willkommensgruss geht an die zahlreich erschienenen Gäste und an die Medienvertreter, die unserer Einladung gefolgt sind. Hiermit erkläre ich die heutige Mitgliederversammlung von strasseschweiz Verband des Strassenverkehrs FRS für eröffnet.