Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Zivilrecht

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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Zivilrecht

Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung... 2 2. Anwendungsbereich... 2 2.1 Persönlicher Anwendungsbereich... 2 2.2 Sachlicher Anwendungsbereich... 2 2.3 Ausnahmen vom Anwendungsbereich... 4 3. Diskriminierungsmerkmale... 4 4. Benachteiligungshandlungen... 5 5. Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche Behandlung... 6 6. Beweislast... 7 7. Besondere Vereinbarungen... 7 8. Rechtsfolgen einer unzulässigen Ungleichbehandlung... 7 9. Frist zur Geltendmachung der Ansprüche... 8 10. Antidiskriminierungsverbände / Antidiskriminierungsstelle... 8 10.1 Antidiskriminierungsverbände... 8 10.2 Antidiskriminierungsstellen... 9 11. Übergangsbestimmungen... 9 12. Wer ist von den Regelungen betroffen und wie sollten sich Unternehmer verhalten?... 9

1. Vorbemerkung Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das am 18. August 2006 in Kraft getreten ist und im Dezember 2006 leicht geändert wurde, hat der Gesetzgeber vier verschiedene europäische Antidiskriminierungs-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt. Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen ( 1 AGG). 19 AGG verankert ein allgemeines Diskriminierungsverbot in der Privatrechtsordnung, das bei der Begründung, Durchführung und Beendigung von privatrechtlichen Schuldverhältnissen zur Anwendung kommt. Danach dürfen Personen bei Begründung, Durchführung und Beendigung von privatrechtlichen Schuldverhältnissen grundsätzlich nicht aufgrund der in 1 AGG genannten Merkmalen (ausgenommen dem Merkmal Weltanschauung ) benachteiligt werden. Im Einzelfall kann allerdings unter bestimmten Voraussetzungen eine derartige Ungleichbehandlung ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie nach 20 AGG sachlich gerechtfertigt ist. Liegt kein Rechtfertigungsgrund vor, stehen dem Betroffenen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche sowie gegebenenfalls ein Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld zu ( 21 AGG). Unternehmer sollten daher dafür sorgen, dass alle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Durchführung eines Geschäftes, so vor allem die Auswahl der Vertragspartner und Preisgestaltungen, mit dem AGG vereinbar sind. 2. Anwendungsbereich 2.1 Persönlicher Anwendungsbereich Durch das AGG werden grundsätzlich nur natürliche Personen vor einer Benachteiligung geschützt. Juristische Personen (z. B. GmbH, AG, e.v. etc.) sind vom Schutzbereich nicht erfasst. 2.2 Sachlicher Anwendungsbereich 19 Abs. 1 AGG Der Anwendungsbereich des Diskriminierungsschutzes ist gem. 19 Abs. 1 AGG hinsichtlich der Benachteiligungsgründe Rasse oder ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter und sexuelle Identität zunächst beschränkt auf o Massengeschäfte (Verträge mit Hotels, Gaststätten, Kaufhäusern) o vergleichbare Schuldverhältnisse und o alle privatrechtlichen Versicherungen Massengeschäfte sind nach dem Gesetz Geschäfte, bei denen das Ansehen der Person keine oder nur eine nachrangige Rolle spielt und die typischerweise deshalb auch zu vergleichbaren Bedingungen begründet und durchgeführt werden. Insbesondere im Bereich der Konsumgüterwirtschaft und bei standardisierten Dienstleistungen kommen Verträge typischerweise ohne Ansehen der Person zustande: Im Einzelhandel (Einkauf im Supermarkt), in der Gastronomie oder im Transportwesen schließen Unternehmer im Rahmen ihrer Kapazitäten Verträge ohne weiteres mit jeder zahlungswilligen und zahlungsfähigen Person, ohne dass nach den oben erwähnten Diskriminierungsmerkmalen unterschieden würde. Kein Massengeschäft liegt beispielsweise bei Kreditgeschäften vor, da Vertragspartner hier regelmäßig individuell nach vielfältigen Kriterien ausgesucht werden. Es geht bei Massengeschäften nicht um einmalige Sachverhalte, sondern um Fälle, die häufig auftreten. Wichtige Voraussetzung für die Einordnung als Massengeschäft ist deshalb auch die Feststellung, dass es sich um ein Geschäft handelt, das typischerweise eine Vielzahl von Fällen betrifft. Damit sind in der Regel nur diejenigen Leistungen vom allgemeinen zivilrechtlichen Benachteiligungsverbot erfasst, die von Unternehmen erbracht werden, also von natürlichen Seite 2

oder juristischen Personen, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Selbständigkeit handeln ( 14 BGB). Der private Bereich wie der Verkauf eines gebrauchten Autos ist damit ausgenommen (siehe aber auch unten bei 19 Abs.2 AGG). Die Einordnung als Massengeschäft erfolgt nach einer allgemeinen typisierenden Betrachtungsweise. Keine Rolle für die Anwendbarkeit der Vorschrift spielt deshalb, ob der Unternehmer von vornherein nach den Merkmalen differenziert oder ob einzelne Vertragspartner aufgrund besonderen Verhandlungsgeschicks im Einzelfall Sonderbehandlungen erreichen. So sind etwa Freizeiteinrichtungen (Badeanstalten, Fitnessclubs etc.) typischerweise für Angehörige jeden Geschlechts und Alters zugänglich. Eine Differenzierung im Einzelfall nach den Diskriminierungsmerkmalen (z. B. gesonderte Öffnungszeiten in einer Badeanstalt nur für Frauen, Altersbeschränkungen bei der Aufnahme in einen Fitnessclub) ist also nur zulässig, sofern sie nach 20 AGG wegen eines sachlichen Grundes gerechtfertigt ist (siehe dazu unter 5.). Differenzierungen, die zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten dienen und Diskriminierungsmerkmale des 1 betreffen (z. B. ein Mindestalter aus Gründen des Jugendschutzes), sind selbstverständlich ohne weiteres zulässig. Es ist zu unterscheiden: Vertragsspezifische Bedingungen oder Differenzierungen, die weder unmittelbar noch mittelbar an die in 1 genannten Merkmale anknüpfen, sind nicht benachteiligend und damit in der Regel zulässig. Beispiel: Ein Taxifahrer muss einen Fahrgast mit extrem verschmutzter Kleidung nicht befördern; ein Gastwirt kann einen nicht der Kleiderordnung entsprechend gekleideten Gast abweisen oder einen randalierenden Besucher aus der Gaststätte weisen. Vergleichbare Schuldverhältnisse sind solche, bei denen das Ansehen der Person zwar eine Rolle spielt; diese Voraussetzung jedoch eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (z. B. großer Mietwagenservice). Die Abgrenzung zum Massengeschäft ist im Einzelfall schwierig. Den vergleichbaren Schuldverhältnissen kommt deswegen nur eine nachrangige Bedeutung zu. Privatversicherungen können zwar strukturell auch Massengeschäfte sein (z. B. Reisegepäckversicherungen), auf jeden Fall werden sie, wenn mit dem angebotenen Versicherungsschutz typischerweise die Ermittlung von Risikoindikatoren verbunden ist, durch die Spezialvorschrift des 19 Abs. 1 Ziffer 2 AGG erfasst. 19 Abs.2 AGG 19 Abs. 2 AGG erstreckt den Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots bei Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft darüber hinaus auf die Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des 2 Abs.1 Nr. 5 8 AGG. Erfasst sind danach Benachteiligungen in Bezug auf den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste, soziale Vergünstigungen, Bildung sowie in Bezug auf Schuldverhältnisse die den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum. Mit Dienstleistungen sind nicht nur Dienst- und Werkverträge ( 611, 631 BGB) gemeint. Erfasst sind damit auch Geschäftsbesorgungsverträge, Mietverträge und Finanzdienstleistungen, also auch Kredit- und Versicherungsverträge, Leasingverträge etc. Güter und Dienstleistungen werden praktisch dann der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, wenn ein Angebot zum Vertragsschluss durch Anzeigen in Tageszeitungen, Schaufensterauslagen, Veröffentlichungen im Internet oder auf vergleichbare Weise öffentlich gemacht wird. Damit fallen hierunter nach der offiziellen Gesetzesbegründung auch Geschäfte Privater, sofern der Vertragsschluss Seite 3

öffentlich angeboten wird, etwa der Verkauf eines gebrauchten privaten PKW über eine Zeitungsannonce. 2.3 Ausnahmen vom Anwendungsbereich Ausgenommen vom Anwendungsbereich der gesetzlichen Diskriminierungsvorschriften sind: familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse ( 19 Abs. 4 AGG) Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen (Eltern, Kinder, Ehe- und Lebenspartner, Geschwister) begründet wird ( 19 Abs. 5 S.1 AGG) Vermietung von Wohnraum, wenn beide Parteien Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen ( 19 Abs. 5 S. 2 AGG) Bei der Vermietung zum nicht nur vorübergehenden Gebrauch, wenn der Vermieter nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet ( 19 Abs. 5 S.3 AGG). Damit fällt der typische private Vermieter von Wohnraum in der Regel nicht in den Geltungsbereich des gesetzlichen Diskriminierungsverbots. Soweit das Gesetz für die Vermietung von Wohnraum Anwendung findet, kann eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse durchaus zulässig sein ( 19 Abs. 3 AGG). 3. Diskriminierungsmerkmale Verboten ist im Zivilrechtsverkehr eine Benachteiligung wegen der Rasse oder ethnischer Herkunft, wegen des Geschlechtes, der Religion, einer Behinderung oder der sexuellen Identität. Dem zivilrechtlichen Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen, ist der Benachteiligungsgrund der Weltanschauung. Der Gesetzgeber hat bewusst auf das Diskriminierungsverbot wegen politischer Überzeugung im Geschäftsverkehr verzichtet. Rasse und ethnische Zugehörigkeit Unter Rasse versteht man Gruppen von Menschen, die sich durch genetische Unterschiede in körperlichen Merkmalen voneinander abgrenzen lassen (Hautfarbe, Körper-, Gesichts- und Kopfform etc.). Unter Ethnie versteht man Menschengruppen, die kulturell, sozial, historisch und genetisch eine Einheit bilden. Sie verbindet gemeinsame Eigenschaften, wie Sprache, Herkunft, Kultur, Gebräuche, Religion, äußeres Erscheinungsbild etc. und werden als kulturell unterscheidbar angesehen (z. B. Sinti und Roma, Sorben; nicht jedoch Ost- oder Westdeutsche). Geschlecht Das Merkmal Geschlecht meint die biologische Unterscheidung zwischen weiblichen, männlichen und zwischengeschlechtlichen Geschlecht und nicht die geschlechtliche Ausrichtung. Religion Das Diskriminierungsmerkmal der Religion erfordert einen transzendenten Bezug. Es zielt auf die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft; das Vorhandensein religiöser Vorstellungen des Einzelnen ( Glauben ). Ein Bekenntnis zu den Verhaltensanforderungen der Religion muss dabei enthalten sein. Geschützt wird das Recht, seine Überzeugungen den Anforderungen der Religion entsprechend zu praktizieren, etwa durch Beteiligung an Gottesdiensten und religiösen Unterweisungen, und Regeln oder Gepflogenheiten zu beachten und zu befolgen. Behinderung Der Begriff der Behinderung wird ausgehend vom sozialrechtlichen Begriff in 2 Abs.1 SGB IX bestimmt. Danach liegt eine Behinderung vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Vom AGG werden nicht nur schwerbehinderte Personen, sondern Seite 4

alle Behinderte geschützt. Der Europäische Gerichtshof erstreckt dabei den Diskriminierungsschutz nicht nur auf die Personen, die selbst behindert sind, sondern auch auf solche, die wegen ihrer Verbindung zu einem Behinderten benachteiligt werden. Alter Gemeint ist das Lebensalter des Einzelnen. Der Diskriminierungsschutz erstreckt sich dabei auf jedes Lebensalter: auf ein besonders hohes, ein besonderes niedriges oder ein Alter nach Überschreiten einer bestimmten Schwelle. Sexuelle Identität Die sexuelle Identität meint diejenige sexuelle Ausrichtung, die als identitätsprägend wahrgenommen wird, nicht aber die biologische Beschaffenheit (s.o. Geschlecht ). Erfasst werden nicht nur homosexuelle Frauen und Männer, sondern auch hetero-, bi- und transsexuelle Ausrichtungen. 4. Benachteiligungshandlungen Das AGG unterscheidet fünf Benachteiligungshandlungen ( 3 AGG): Eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine Person in vergleichbarer Lage erfährt, erfahren hat oder erfahren würde und dabei offen und ausdrücklich an ein in 1 AGG genanntes Merkmal anknüpft. Die Benachteiligung muss nicht durch positives Tun erfolgen, sondern kann auch durch Unterlassen gegeben sein. Es bedarf jedoch einer tatsächlichen Benachteiligung bzw. einer Wiederholungsgefahr oder einer ernsthaften Erstbegehungsgefahr. Die Zurücksetzung muss dabei wegen eines der genannten Diskriminierungsmerkmale erfolgen. Um eine mittelbare Benachteiligung ( 3 Abs. 2 AGG) handelt es sich, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren, Personen wegen eines in 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmales in besonderer Weise benachteiligen können; es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel erforderlich und angemessen. Die Diskriminierung erfolgt im Gegensatz zur unmittelbaren Benachteiligung dabei nicht direkt aufgrund eines verbotenen Benachteiligungsgrundes, sondern tritt als rein tatsächliche Folge der getroffenen Entscheidung auf. Unter Belästigung im Sinne des 3 Abs. 3 AGG versteht man unerwünschte Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den Benachteiligungsmerkmalen, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Auch eine sexuelle Belästigung kann eine Form der Benachteiligung sein. Unter sexuelle Belästigung fällt jedes unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, welches bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird ( 3 Abs. 4 AGG). Nach 3 Abs. 5 AGG stellt auch eine die im Rahmen eines Weisungsverhältnisses erfolgende Anweisung zur Benachteiligung einer Person wegen eines verbotenen Differenzierungsmerkmals eine Benachteiligung dar. Seite 5

5. Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche Behandlung Nach 20 Absatz 1 AGG ist eine Verletzung des Benachteiligungsverbots dann nicht gegeben, wenn für die unterschiedliche Behandlung wegen einer Behinderung, der Religion, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts (nicht Rasse oder ethnische Herkunft) ein sachlicher Grund vorliegt. Die sachlichen Gründe können sich zunächst aus dem Charakter des Schuldverhältnisses ergeben. Es können Umstände sein, die aus der Sphäre desjenigen stammen, der die Unterscheidung trifft, oder aber aus der Sphäre desjenigen, der von der Unterscheidung betroffen ist. Es ist also beispielsweise gerechtfertigt, Waren und Dienstleistungen geschlechtsspezifisch anzubieten, sofern dies sachlichen Kriterien Rechnung trägt. In 20 Absatz 1 AGG sind 4 Regelbeispiele aufgeführt, die zwar nicht abschließend sind, gleichwohl die wichtigsten Fallgruppen umreißen und eine Richtschnur für die Auslegung darstellen. Der Anbieter muss im Einzelfall die Zulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung darlegen und beweisen (siehe unten unter 6.). Vermeidung von Gefahren und Verhütung von Schäden Nummer 1 rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung, die der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient. Zweck der Vorschrift ist vor allem die Notwendigkeit, bei Massengeschäften die Beachtung von Verkehrssicherungspflichten durchzusetzen. Gerechtfertigt sind unterschiedliche Behandlungen nur dann, wenn sie zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich sind. Willkürliche Anforderungen sind nicht gedeckt. Beispiel: Beschränkung des Zugangs zu Fahrgeschäften für Menschen mit körperlicher Behinderung in Freizeitparks; Schutz von Opfern sexueller Gewalt durch Einrichtungen, die nur Angehörigen eines Geschlechts Zuflucht bietet. Schutz der Intimsphäre und der persönlichen Sicherheit Nummer 2 lässt eine unterschiedliche Behandlung zu, wenn sie dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt. Die Vorschrift rechtfertigt Unterscheidungen nur dann, wenn sie aus nachvollziehbaren Gründen erfolgen. Beispiel: Für Männer und Frauen getrennte Öffnungszeiten in Schwimmbädern und Saunen, Bereithaltung von Frauenparkplätzen in Parkhäusern. Gewährung besonderer Vorteile Nummer 3 erfasst diejenigen Fälle, in denen Personen wegen einer Behinderung, der Religion, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein besonderer Vorteil gewährt wird und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt. Diese Maßnahmen werden nicht als diskriminierend angesehen, sondern sie sind im Gegenteil sozial erwünscht bzw. Bestandteil einer auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaft. Beispiel: Rabatte für Schüler und Studenten; gezielte Ansprache von Kundenkreisen, die der Anbieter anlocken möchte. An die Religion anknüpfende Unterscheidung Nummer 4 knüpft an die Religion eines Menschen an und lässt Ungleichbehandlungen aufgrund religiöser Motive zu. Ungleichbehandlung aus versicherungsrechtlichen Gründen 20 Absatz 2 AGG enthält Bestimmungen für private Versicherungsverträge, unter welchen Voraussetzungen die Ungleichbehandlung wegen Behinderung, der Religion, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts bei der Festlegung von Prämien und Leistungen durch die Versicherungen zulässig ist. Im Hinblick auf das Merkmal Rasse und ethnische Herkunft ist es den Versicherungen dagegen einschränkungslos verboten, dieses als Risikofaktor zu verwenden. Seite 6

6. Beweislast Der Benachteiligte muss Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines im Gesetz genannten Merkmales vermuten lassen ( 22 AGG). Steht die Benachteiligung hiernach fest, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass sie die Benachteiligung nicht zu vertreten hat oder dass sachliche Rechtfertigungsgründe vorliegen. Bei der unmittelbaren Benachteiligung entsprechend 3 Abs. 1 AGG (Beispiel: Eine Kellnerin weigert sich mit den Worten Wir wollen hier keine Ausländer eine Asiatin zu bedienen) wird in der Regel vorsätzliches und damit schuldhaftes Handeln gegeben sein; ein Entlastungsbeweis wird hier kaum erfolgversprechend sein. Liegen Rechtfertigungsgründe nach 20 AGG nicht vor, sind die Voraussetzungen für die materielle Schadensersatzpflicht gegeben. Bei der mittelbaren Benachteiligung entsprechend 3 Abs. 2 AGG (Beispiel: Mit der Begründung Kopftücher entsprächen nicht der Kleiderordnung des Lokals, wird muslimischen Frauen der Zutritt verweigert) kann ein entsprechender Entlastungsbeweis in Betracht kommen. Ein Nicht-Vertreten- Müssen ist dann gegeben, wenn der Tatbestand erfüllt ist und für den Benachteiligenden auch bei der gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar war, dass die scheinbar neutralen Maßnahmen im Ergebnis zu einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung führen. Kann der Benachteiligende den Entlastungsbeweis hiernach führen, verbleiben dem Benachteiligten nur noch Ansprüche auf Beseitigung der Beeinträchtigung und Unterlassung, weil diese nicht von einem Verschulden abhängig sind. 7. Besondere Vereinbarungen Nach 21 AGG kann sich der Benachteiligende auf eine Vereinbarung nicht berufen, die zum Nachteil des Benachteiligten von dem Benachteiligungsverbot abweicht. Das Schuldverhältnis im Übrigen wird aufrechterhalten, da mit einer Rückabwicklung des Vertrages dem Benachteiligten oftmals nicht geholfen wäre. Im Übrigen verbleibt es dabei, dass insbesondere einseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Kündigung eines Dauerschuldverhältnisse, Anfechtung einer Willenserklärung, Auslobung), die gegen das gesetzliche Benachteiligungsverbot verstoßen, nach 134 BGB grundsätzlich nichtig sind. 8. Rechtsfolgen einer unzulässigen Ungleichbehandlung Sofern eine nach 1 AGG gestützte Ungleichbehandlung erfolgt, ohne dass diese durch einen sachlichen Grund im Sinne des 20 AGG gerechtfertigt ist, stehen dem Betroffenen nach 21 AGG verschiedene Ansprüche zu. Beseitigung und Unterlassen Nach 21 Absatz 1 AGG hat der durch eine Diskriminierung Betroffene zunächst einen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung der diskriminierenden Maßnahme. Der Anspruch kann in tatsächlichem Handeln bestehen und beispielsweise darauf gerichtet sein, künftig die Verweigerung des Zugangs zu einem Geschäftslokal zu unterlassen. Schadenersatz Der Benachteiligende hat bei Verletzung des Diskriminierungsverbots die Verpflichtung, den Vermögensschaden zu ersetzen (materieller Schaden), er ist dabei so zu stellen, wie er stehen würde, wenn es nicht zu der benachteiligten Handlung gekommen wäre. Allerdings muss dem Benachteiligenden ein Verschulden treffen; er muss mindestens fahrlässig gehandelt haben. dem bzw. eine angemessene Entschädigung für die Beeinträchtigung zu leisten, die nicht Vermögensschaden ist (immaterieller Schaden). Beispiel: Weigert sich ein Taxiunternehmer, einen Fahrgast wegen seiner ethnischen Herkunft zu befördern und entgeht dem Benachteiligten hierdurch ein Geschäft, weil er einen entsprechenden Termin nicht einzuhalten vermag, so ist dieser Vermögensschaden nach 21 Absatz 2 AGG zu ersetzen. Seite 7

Schmerzensgeld Darüber hinaus kann der Benachteiligte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (Entschädigungszweck ist die Genugtuung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts). Zu berücksichtigen ist, dass der Geldentschädigungsanspruch bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur schwerwiegende und anderweitig nicht auszugleichende Persönlichkeitsrechtsverletzungen kompensiert und für die Bemessung der Entschädigungshöhe die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung erheblich ist. Beispiel: im o. g. Beispiel kann der Fahrgast daneben kann auch den immateriellen Schaden ersetzt verlangen ("Schmerzensgeld"). Schuldhaftes diskriminierendes Handeln von Personen, denen sich der Unternehmer zur Erfüllung von Aufgaben bedient (z. B. Angestellte, Mitarbeiter), muss er sich zurechnen lassen ( 278 BGB). Weitere Ansprüche Die Vorschrift des 21 AGG ist nicht abschließend, so dass der Benachteiligte daneben weitere Ansprüche z. B. aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches geltend machen kann. Verlangt der Benachteiligte Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung oder Schadensersatz statt der Leistung, so kommen die allgemeinen Vorschriften zur Anwendung ( 280 Abs. 3 BGB i. V. m. 281 ff. BGB). Eine Diskriminierung kann auch immer unter dem Aspekt der Beleidigung nach 185 Strafgesetzbuch (StGB) zur Strafbarkeit führen. Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung bleiben unberührt. Insoweit kann eine Anspruchskonkurrenz bestehen, wenn mit der Benachteiligung eine Beleidigung ( 185 StGB) verbunden ist, was Ansprüche nach 823 BGB auslösen kann. 9. Frist zur Geltendmachung der Ansprüche Gemäß 21 Abs. 5 AGG müssen o. a. Ansprüche in einer Frist von zwei Monaten nach Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden. Es handelt sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die zwei Monate nach Entstehung des Anspruchs abläuft. Nach Fristablauf kann der Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn der Benachteiligte erst nach Fristablauf von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt, ohne dass dies von ihm zu vertreten ist. 10. Antidiskriminierungsverbände / Antidiskriminierungsstelle 10.1 Antidiskriminierungsverbände Antidiskriminierungsverbände haben nach 23 AGG das Recht, Betroffene zu beraten und in gerichtlichen Verfahren ohne Anwaltszwang als Beistände Benachteiligter in der Verhandlung aufzutreten (kein Verbandsklagerecht). Antidiskriminierungsverbände sind Personenzusammenschlüsse, die nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend entsprechend ihrer Satzung die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Personengruppen wahrnehmen. Voraussetzung für die Ausübung der Befugnisse ist, dass dem Personenzusammenschluss mindesten 75 Mitglieder angehören oder aber bei Dachverbänden sieben Verbände Mitglieder sind. Die Bundesländer sollen für Diskriminierungsklagen ein obligatorisches Schlichtungsverfahren einführen können. Das entlastet die Gerichte. Solche obligatorischen Schlichtungen nach 15 a Abs.1 Nr. 4 EGZPO sind bereits heute in vielen Bundesländern, z. B. für Ehrverletzungsklagen, vorgesehen. Seite 8

10.2 Antidiskriminierungsstellen Der Abschnitt 6 des Gesetzes regelt die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle. Sie ist dem Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zugeordnet. Zu den Kernaufgaben dieser Stelle gehört ihre Unterstützungsfunktion für von Diskriminierung betroffene Personen. Diese erhalten durch die Antidiskriminierungsstelle ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zur Klärung ihrer Situation und zu den Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens. Des Weiteren hat die Stelle Schlichtungsmöglichkeiten, indem sie eine gütliche Beilegung von Diskriminierungsfällen zwischen den Beteiligten anstreben kann. Link zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/de/home/home_node.html 11. Übergangsbestimmungen Die Vorschriften des 33 Abs. 2 bis 5 AGG enthalten die notwendigen Überleitungsvorschriften für das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot bzw. Sonderregelungen für Versicherungsverträge. Die Vorschriften der 19 bis 21 AGG gelten hinsichtlich Benachteiligungen, die auf Rasse oder ethnische Herkunft zurückzuführen sind, unmittelbar mit Inkrafttreten des Gesetzes. Bei Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder ethnischer Herkunft sind die Vorschriften 19 bis 21 AGG für Schuldverhältnisse, die vor dem 18. August begründet worden sind, nicht anzuwenden. Allerdings sind bei Änderungen (insb. auch Kündigung) bereits bestehender Dauerschuldverhältnisse die Vorschriften des AGG ab Inkrafttreten anwendbar. Bezüglich Benachteiligungen wegen des Geschlechtes, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Integrität gelten die Vorschriften erst für Schuldverträge, die ab dem 1. Dezember 2006 begründet worden sind. Aber auch hier gilt, dass bei Änderungen von Dauerschuldverhältnissen, die vor dem 1. Dezember 2006 begründet worden und nach diesem Zeitpunkt fortbestehen, die Vorschriften der 19 bis 21 AGG anzuwenden sind. Für Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, gelten die Vorschriften des AGG nur für Verträge, die ab dem 22. Dezember 2007 abgeschlossen worden sind. Spätere Änderungen der vor dem 22. Dezember 2007 geschlossenen Verträge werden vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst. Bei Versicherungsverhältnissen, die vor dem 21. Dezember 2012 begründet worden sind, ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts im Falle des 19 Absatz 1 Nummer 2 bei den Prämien oder Leistungen nur zulässig, wenn dessen Berücksichtigung bei einer auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist. Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen auf keinen Fall zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen führen. 12. Wer ist von den Regelungen betroffen und wie sollten sich Unternehmer verhalten? Besonders betroffen sind von dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vor allem die Branchen, in denen Massengeschäfte abgewickelt werden (Handel, Vermieter, die mehr als 50 Wohnungen vermieten, Hotels, Gaststätten, Verkehrswirtschaft) sowie die Versicherungsbranche. Hier ist das Risiko, dass Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Auswahl des Vertragspartners oder bestimmten Preisgestaltungen/ Rabattsystemen geltend gemacht werden, besonders hoch. Soweit es sich um eine Benachteiligung wegen Rasse oder ethnischen Herkunft handelt, sind aber auch Geschäfte anderer Branchen, die den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zum Gegenstand haben und sogar Geschäfte Privater betroffen, sofern der Vertragsschluss öffentlich angeboten wird (z. B. über das Internet oder eine Zeitungsanzeige). Seite 9

Seien Sie als Unternehmer über den Inhalt des Gesetzes informiert. Auch Ihren Angestellten sollten die Diskriminierungsverbote des AGG bekannt sein (Information durch Intranet, Rundschreiben etc.). Führen Sie gegebenenfalls Schulungen durch. Überprüfen Sie Vertragsbedingungen, allgemeine Geschäftsbedingungen, Preisgestaltung, Kalkulationen, Rabattsysteme, Prämien- und Leistungsbestimmungen, Werbeaktionen, Richtlinien, Arbeitsanweisungen und Organisationsvorschriften auf Diskriminierungstatbestände. Erarbeiten Sie Checklisten für Ihre Mitarbeiter mit Sachverhalten, wo Differenzierungen einerseits erlaubt, andererseits aber verboten sind. Bauen Sie ein Dokumentationssystem auf und heben Sie alle wesentlichen Unterlagen (z. B. Verträge, Rechnungen, Quittungen, Kassenaufzeichnungen, Schriftwechsel, Gesprächsnotizen) für wenigstens zwei Monate auf. Dokumentieren Sie außergewöhnliche Geschäftsvorfälle. Vermeiden Sie bei Anbahnung, Durchführung und Beendigung von Geschäften Diskriminierungen wegen Rasse oder ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter und sexueller Identität. Sachliche Rechtfertigungsgründe sind enumerativ in 20 AGG aufgeführt und damit eng begrenzt. Beachten Sie dabei, dass eine unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft immer unzulässig ist, da gesetzliche Rechtfertigungsgründe hierfür nicht existieren. Vermeiden Sie jeglichen Eindruck während der Durchführung des Geschäfts, der auf eine Diskriminierung hindeuten könnte (Gespräche, Telefonate etc). Beachten Sie die organisatorischen Maßnahmen und Pflichten nach 12 AGG, die Ihnen in Ihrer Funktion als Arbeitgeber obliegen. Schulen Sie zum Zweck der Verhinderung von Benachteiligungen Ihre Mitarbeiter und schaffen Sie intern in Ihrem Betrieb eine Anlaufstelle, bei der Mitarbeiter sich über Diskriminierungen beschweren können (siehe hierzu auch unser Merkblatt Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht, www.halle.ihk.de I Nr. 17992) Seite 10

IMPRESSUM 2012 bei der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) Herausgeber: Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau Franckestraße 5 06110 Halle (Saale) Internet: www.halle.ihk.de E-Mail: info@halle.ihk.de Redaktion: Geschäftsfeld Recht und Fair Play Heike Sommer Telefon: 0345 2126-220 Telefax: 0345 212644-220 Stand: Juli 2017 Seite 11